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PROGRAMMEINFÜHRUNG Die Leonoren-Ouvertüre Nr. 3, op. 72, hat Beethoven im Jahre 1806 verfaßt, sie war für die zweite Bearbeitung der Oper ,,Fidelio“ (die bekanntlich bei ihrer Urauf führung durchfiel!) gedacht. Sie unterscheidet sich wenig von der so oft gespielten Nr. 2, sie benutzt dasselbe thematische Material, sie spricht denselben Ideengehalt aus wie ihre große Schwester Nr. 2 und ist ebenso wie diese ein Musikdrama im kleinen. Sie steht etwas im Schatten ihrer berühmteren Schwester — aber es gibt keinen Grund, sie ge ringer zu achten als die andere Ouvertüre. Romain Rolland weist in einer Analyse nach, worin die Unterschiede zwischen den beiden Leonoren-Ouvertüren Nr. 2 und Nr. 3 be stehen. Es sind nur Unterschiede formaler Art, die er nennt. Lassen wir ihn selbst sprechen: ,,In der Ouvertüre Nr. 3 ist der Grundriß reinlicher gezogen, das Gleichgewicht der Massen streng gewahrt, die Reprise wieder aufgenommen und das Ganze von der Vorherrschaft des poetischen Gedankens befreit, der in der zweiten die Zügel der Musik geführt hatte. Damit war die klassische Sonatenform wiederhergestellt, aber in einer Straffheit und königlichen Fülle, wie nur Beethoven sie wiederherstellen konnte. Wer dächte nicht an das große Crescendo zum Schluß, das wie ein Bergstrom, vom Gewitter regen geschwellt, zu Tal stürzt und das ganze Gefilde überschwemmt! Und nun mag unter den beiden Meisterwerken auswählen wer will!“ Max Reger (1873—1916) hat mit seinem op. 132, den ,Variationen über ein Thema von Mozart“, eins seiner vollendetsten Werke geschaffen. Er arbeitete 1913/14 an diesem großartigen Orchesterstück, das in seinem Gewicht und seiner Tiefgründigkeit einer Sinfonie gleichkommt. Im Februar 1915 wurde es in Frankfurt am Main uraufgeführt. Reger variiert auf geistvolle Weise in acht Variationen (Veränderungen) ein recht bekanntes Thema aus der A-Dur-Sonate von Mozart, das Mozart selbst schon zum Variieren geeignet fand und dazu auch verwendete. Reger nimmt die Verwandlungen dieses graziösen, lichten Themas mit den Mitteln der spätromantischen und impressio nistischen Orchester- und Kompositionstechnik vor, so daß es manchmal schwierig ist, aus dem betörenden Klangrausch die Melodie des Themas herauszuhören. Manchmal stellt er die Melodie auf den Kopf, oft läßt er zwar die Töne richtig erklingen, aber in einer rhythmisch anderen Fassung, manchmal läßt er neue Begleitstimmen hinzu treten und setzt das Ganze in eine andere Tonart, so daß etwas völlig Neues entsteht, etwas, das ganz das Regersche Gesicht trägt. Dazu ist der Stimmungsgehalt der einzelnen Variationen immer wechselnd vom süßesten Schönklang bis zur trotzigen Kraftgebärde, so daß ein ungemein farbiges Bild entsteht. Die Krönung des Ganzen ist aber zweifellos die Schlußfuge. Mit ihrem Einsatz beginnt auch eine andere Welt. In den Variationen vorher die schillernde Vielfalt des Impressionismus — in der Fuge ganz klar und ein deutig der Wunsch und Wille nach einer Kunst, die nicht zerfließt, sondern kraftvoll gebändigt ist. Die Fuge ist eine Doppelfuge, wozu Reger das Material zu beiden Themen dem Mozart-Thema entnimmt. Großartig und überwältigend ist der Schluß, wo Reger, ein Kontrapunktiker größten Formats, das Mozart-Thema noch einmal ganz aufklingen läßt und dazu beide Fugenthemen in das Klanggewebe einfiiekt. Diese Stelle allein würde genügen, Reger unsterblich zu machen. Tschaikowskij widmete sein weltberühmtes Klavierkonzert b-Moll, op. 23, Hans von Bülow. Es ist interessant, zu wissen, daß er dieses geniale Werk in unmittelbarer Nach-