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DIM1TRII SCHOSTAKOWITSCH ist mit seiner neunten Symphonie op. 70 vorläulig bei seiner letzten Symphonie angelangt. Er, der 190ti in Petersburg, dem heutigen Leningrad, zur Welt kam, hat sich in diesem Werk mit dem klassischen Erbe Westeuropas, mit der Symphonie Haydns und Mozarts, aul das Interessanteste auseinandergesetzt. Selbstverständlich bedeutet für Schostakowitsch diese Auseinandersetzung nicht, dal) er die Spradie und den Stil der frühen Klassik einlach übernimmt, sondern daß er sie verarbeitet und umwandelt und den Ansprüchen und Forderungen unserer Zeit anpaßt. Hamit ist ihm ein wichtiges und bedeutendes Werk gelungen, daß die Auf gabe, die den heutigen Komponisten im Hinblick auf die Berücksichtigung des klassischen Erbes für unsere heutige Musik gestellt ist. vorbildlich löst. Über raschend ist das durchsichtige Klangbild, das soldie großen Entladungen und Klangballungen, wie sie in anderen Symphonien Schostakowitschs Vor kommen, fast vermeidet. Man spürt überall den Willen zur Bändigung und zur Zudit. Der erste Satz bringt klar geformte Themen von klassisdiem Zu schnitt, unterbrochen von heiteren Episoden, die auf Schostakowitschs etwas skurrilen Humor hlnweisen. Große Kunstfertigkeit hat er auf die Durchfüh rungsteile verwendet - überdies kündet gerade diese Symphonie von einem erstaunlichen und wirklich meisterhaften handwerklichen Können Sdiosta- kowitschs. Der langsam» zweite Satz beginnt mit einer weitgeschwungenen Melodie der Klarinette, die dann von anderen Bläsern aufgegrilfen and weitergeführt wird. Im dritten Satz sind es Klarinetten und Fagotte, die lustig und ausgelassen diesen virtuosen Satz beginnen, der in der Art eines Feuerwerks abbrennt. Er geht in ein kurzes Largo über, das ein großes Fagottsolo über liegenden tiefen Akkorden bringt, und das einen sehr weh mütigen, klagenden Charakter hat. Dieses salbe Fagott stimmt aber im letzten Satz eine heitere, humorvolle Marschmelodie an - und allmählich entwickelt sich hieraus ein toller Marsdi mit grotesken Einsddägen, die dem ganzen Werk einen übermütigen und überlegenen Abschluß geben. Damit beweist uns Schostakowitsch. wie man als heutiger Mensch das klassische Erbe ins heutige Dasein einschmelzen soll. Eine ganz andere Haltung nimmt der Armenier ARAM CHATSCHATURIAN in seinem Klavierkonzert ein. Es ist ganz aus der freien Improvisation, aus dem Hang zum rhapsodisdien Sichauslaben geboren. Gewiß zerschlägt der Komponist, der zu den bedeutendsten Kopien der sowjetischen Musik gehört, nicht die klassische Form. Aber er erweitert sie, indom er dem Klavier ein starkes Sonderrecht einräumt. Das Orchester ist nur der allerdings sehr farbige und lesselnde Hintergrund, der mandi- ma! ganz aulgegeben wird in den Kadenzen, die mehr sind als bloßeVirtuosen- stücke, vielmehr die Fortführung des symphonischen Gedankens durdi den Solisten. Große dramatische Spannungen ertüllen den ersten Satz, die an russische Vorbilder, aber auch an einen Musiker wie Bela Bartok denken lassen. Die Melodik des Mittelsatzes läßt am deutlichsten den Zusammenhang dieser Musik mit den volkstümlichen Elementen aus der Heimat des Kom ponisten erkennen. Der letzte Satz ist dann wieder angefüilt von drama tischen Steigerungen, die etwas Elementares an sich haben. Einen »ver wegenen Klavierritt durch das wilde Kurdistan« hat oin Kritiker das Werk nicht unzutrelfend genannt.