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Dresdner Journal : 13.10.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-10-13
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189010137
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18901013
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18901013
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1890
-
Monat
1890-10
- Tag 1890-10-13
-
Monat
1890-10
-
Jahr
1890
- Titel
- Dresdner Journal : 13.10.1890
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M 288. Mmta«. den 18. Okeber. abends. für vr«»6»n «ierteZLiirlied i K. SO ?t, ksi 6«» Ciuisrl. äeutieds» ko»t»o»t»lt«o visttvl- iLttrlick 8 14 ; 6s» 6sut»etiso ksicstv» tritt kost- uu6 8tvlopvlrv»eü1i»x lüaru. . Livreioo tiowlusra: 10 kf. ^LkN»<llxu»ss8isedükre»« k'är 6e» k»uiu einer ^s»p»iteneo 2eil« kleiner Leiirikt SV Unter „LinxesLnät" 6i« /eile üv kk. Vei Adellen- u»6 2itfernie.tr entepr. Xuk»c1il»8- Lr»sdekoe» r OL^Iick wit Xu»L«.üms 6er 3onn- u. k'eiertesxe »deoä«. ^«rn«precti -.4metilu88: ktr. 1285. dres-ntrÄmirnal. Für die GesamtleUrmg verantwortlich: ^ofrak Dtto Banck, Professor der (Literatur- und Kunstgeschichte. A»o»dwv r»n LvKLnäixuo^so »ueieLrl,: I-«tprtx: H Lran6«trttrr, LvmioieeiovLr 6s» I)re»6ner 6our»»I»; L»i»dnrx L»rU» Vi»» L»tx»ix >»i«l >r»»I»n Lr»n^k«r1 ». N.: //aarrnetriu t^vAirr, L«rU» Vtin-UiwdiuA- rr»U I.»ip»i^-rr»nLt«rt ». ». »Sncd«o: ä/a««,' k»r»» L»»4oa S«rltn kr^nlrlart ». U >«rtl^»rt: <t <7o, L»rU»! /nrait6r«6ant, Lr«»I»»: F«>i ^atxt5,' L»»oor»r: <7. Lc5ü»s/e«, L»U» ».«.: </. Larct F 6». Uerauexederr Lvoixl. O^6ittou 6e» vr«6ner 6ourn»I». I)rv»6en, ^«inxeritr. SV. kerveprsct» Unsedlu»»: Ur. 1285. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben dem Kammerherrn Gustav von Metzsch die erledigte Funktion des Cere- monienmeisters zu übertragen Allergnädigst geruht. Se. Majestät der König haben den Major z. D. HanS Georg von Carlowitz-Hartitzsch zum Kammer- Herrn Allergnädigst zu ernennen geruht. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Medizinal-Assessor, Apothekenrevisor vr. Hofmann in Dresden den Titel Hofrath zu ver leihen. Bekanntmachung. Dem Ober-Postkassen-Buchhalter Schöpff in Leip zig ist vom l. dieses Monats ab die Rendantenstelle bei der Ober-Postkasse zu Leipzig, unter Ernennung zum Ober-Postkassen-Rendanten übertragen worden. Nachdem Se. Majestät der König von Sachsen auf Grund von Artikel 50 der Verfassung des Deutschen Reiches zu dieser Anstellung die landesherrliche Be stätigung ertheilt haben, wird Solches hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Dresden, am 7. October 1890. Finanz-Ministerium, von Thümmel. Wolf. Nichtamtlicher Teil. Aekgraphisch« ZlachricHterr. Lille, 13 Oktober. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der hier «hAehaltene MorxistenkougnS sprach sich für eine» baldigen internationalen Bergarbeiter- streik ans und beschlost, für den 1. Mai 18S1 eine internationale Arbeiterkundgebung zu Gunsten des Achtstundeuarbeitstages vorzubereitrn. Bellinzona,13. Oktober. (Tel.d. Dresdn. Journ.) Die Proklamation deS Bundesrat» auf Wieder- einsetzung der Regierung unter besonderer Aufsicht de» Kommissars ist gestern veröffentlicht worden. Die Aufregung der Literalen über diese Wieder- eiusetzemg hat sich bereits gelegt. Dresden, 13 Oktober. Russisch-chinesische Händel. Vor einigen Tagen langte in St. Petersburg Chong-Tschun, der Gesandte des chinesischen Kaisers an, um, wie es heißt, die in letzter Zeit mit dem russischen Gesandten am chinesischen Hofe, Kammerherrn Kumani, angeregten Verhandlungen zum Abschluß zu bringen. Das Himmlische Reich hatte in jüngster Zeit unter dem Drucke der nach dem Falle des be kannten „Marquis" Tseng wieder zur Macht gelang ten altkonservativen Partei Rußland gegenüber die frühere aggressive Politik wieder ausgenommen. Schon seit Jahr und Tag hatte die Regierung des Bogdichan mit besonderem Eifer und ungewöhnlicher Energie der militärischen Befestigung der nordwestlichen Provinzen obgelegen und die Auswanderung der Chinesen aus dem dichtbevölkerten Innern des Reiches nach dem russischen Amurgebiete gefördert. Auf dem jenseitigen Ufer des wasserreichen Amur erhoben sich wohlbefestigte zahlreiche Militärkolonieü, bei deren Ausrüstung die chinesische Kriegsverwaltung keine Kosten gespart hatte, während diesseits desselben das Land immer deut licher den Charakter einer großangelegten chinesischen Ansiedelung annahm Mit welchem Verständnis und Feuilleton. Welche von beiden? Novelle von Adolf Stern. 7 (Fortsetzung.) Frank Holters blickte mit ungcheucheltem Erstaunen auf den hilfreichen Landsmann, der die Börse hervor geholt hatte und ihm drei Zwanziglirestücke darbot. Der höhnische, harte Zug um den Mund des Malers wich einem Ausdruck von Verlegenheit, — er zögerte eine Minute das Geld zu nehmen. — Friedrich Ger land erleichterte ihm den Entschluß, indem er die Goldstücke in die Hand der Frau legte und ihr in italienischer Sprache wiederholte, was er ihrem Manne vorgeschlagen habe. Die großen dunklen Augen Fran cescas leuchteten auf, sie stammelte ihren Dank einmal um das andere und beugte sich dann plötzlich nieder und küßte den Saum von Klara Addenhovens dunklem Kleide. Sie hielt die schlanke Dame, die neben dem hohen, blondbärtigen Deutschen stand, offenbar für dessen Frau und ein anmutiges mädchenhaftes Er röten Fräulein Klaras bezeugte, daß diese den Ge danken der Römerin erraten hatte. Frank Holters aber reichte dem Gelehrten die Hand und sagte mit seltsam gedämpfter Stimme, wie ein Mensch, dem eS schwer wird, zu danken und der ungewöhnt ist, an deren nachzugeben: „Ich danke, Herr Doktor! Will es versuchen, was Sie Vorschlägen, glaube kaum, daß eS geht und hilft — aber Sie handeln al- ehrlicher Landsmann und um der Cecca willen Gewandtheit die langbezopften Staatsmänner des so vielverspotteten Chinas diese letztere Aufgabe gelöst haben, beweisen die aus den Spalten der russischen Presse in letzter Zeit so ost vorgebrachten Klagen russi scher Einwanderer im Amurgebiete, daß eS in diesen weiten Landen, wo es noch vor ungefähr 10 Jahren äußerst öde und wüst au-gesehen hatte, keine fruchtbaren Län dereien mehr gäbe, die herrenlos und noch unbebaut wären, da letztere sich säst ausnahmslos von den ein gewanderten Chinesen in Besitz genommen erweisen. Man zerbricht sich in den Reoaktionen der russischen Blätter allerdings den Kopf, was wohl die russischen Statthalter in jenen Ländern veranlaßt haben mochte, der „friedlichen Eroberung" des Amurgebietes durch die Chinesen unthätig zuzusehen Die russischen Preß politiker werden es nun mit beklommenem Herzen ge wahr, daß, während sie sich alle möglich« Mühe ge geben haben, um die Gemüter der russischen Volk-- massen gegen die Politik der Friedensliga zu haran- guieren —, dort im fernen Osten des Reiches, ohne daß von den übereifrigen Hütern der russischen Na- tionalinteressen die Gefahr erkannt worden wäre, ein wertvoller, umfangreicher Teil russischer Ländermacht von langer Hand durch die zielbewußte Politik der chinesischen Regierung erfolgreich entnationalisiert uud zu einem bequemen Einfallsthore für die Armee des Himmlischen Reiches eingerichtet wurde. Spät — aber doch — kommt die Einsicht und die Erkenntnis der russischen Presse, daß China auf dem Wege der seit herigen kombinierten Vorstöße gegen die entlegensten östlichen Grenzgebiete Sibiriens schon in nicht ferner Zukunft — so äußert sich die „Nowoje Wremja" — Rußland viel gefährlicher werden dürfte, als — die Friedensliga. Wir wollen indes die Richtigkeit dieser Voraussicht deS russischen Blatte- nicht näher prüfen. Vorläufig handelt eS sich ja nur um die Abwehr der neuesten Ansprüche, die die chinesische Diplomatie bezüglich be im Jahre 1879 von Rußland zurückbehaltenen Teile des Kuldschagebietes erhebt und behufs deren Geltend machung sie den vorgenannten Chong-Tschun nach St. Petersburg entsandt hat. Wir glauben, unseren Lesern in Rückerinnerung bringen zu müssen, daß Rußland, als es vor zwanzig Jahren zur Besetzung der teilweise insurgierten Kuldscha schritt, der Regierung in Peking die Zusage gemacht hatte, dieselbe wieder zu räumen, sobäld es dem B»g dichan gelungen sein werde, die Ordnung in dem von Jakub Chan zur Auflehnung gegen die Zentralregie rung aufgereizten Kaschgar wiederherzustellen. Die Bewältigung des Aufstandes erforderte bei der da maligen Unzulänglichkeit der chinesischen Militärmacht langjährige Anstrengungen, während dessen man sich in Rußland nach und nach in den Gedanken eingelebt hatte, daß das Kuldschagebiet, welches als das frucht barste und reichste Land Zentralasiens die russische Ehrlichkeit und Uneigennützigkeit einer gar zu schweren Probe ausgesetzt hatte, Rußland bereits endgiltig ein verleibt worden sei. Im Jahre 1878 erschien in St. Petersburg Tschun-Chou, der Bevollmächtigte des Pekingschen Hofes, um die Räumung der Kuldscha von den rus sischen Truppen zu erwirken. So gerecht und billig auch diese Forderung gewesen, in eben dem Maße un geheuerlich und widersinnig schien es zu sein, daß Rußland das mittlerweile in den Zustand geordneter Verhältnisse gebrachte und — wie es damals hieß — durch russische Ansiedelungen rasch cmporgeblüte Land dem „himmlischen Reiche" mit seinen der euro päischen Gesittung und Kultur hohnsprechenden staat lichen Einrichtungeü ausliefern werde. Niemand glaubte im Ernste daran, daß die russische Diplomatie vor den Rechtsansprüchen des Gesandten Tschun-Chou die Segel streichen werde, vielmehr war man allge mein der Ansicht, Rußland werde Kuldscha unter dem Vorwande, China müsse vorerst materielle Sicherheit bieten, daß das Land in keiner Weise unter der unmittelbaren Botmäßigkeit des BogdichanS in der seit herigen Entwickelung beeinträchtigt werden würde, auch fernerhin behalten. Die Verhandlungen dauerten fast anderthalb Jahre und wurden schließlich durch den Vertrag beendigt, kraft dessen Rußland vier Fünftel des besetzten Kuldscha - Gebietes an China binnen Jahresfrist zurückgeben und von letzterem fünf Millionen Rubel als Entschädigung für den während der zehnjährigen Occupation gemach ten Kostenaufwand erhalten sollte. Ungefähr der fünfte Teil der Kuldscha — das sogenannte Jligebiet — sollte in» russischen Besitz bleiben. Tas Jligebiet sollte zur Ansiedelung derer dienen, die aus irgend welchem Grunde es vorziehen sollten, mit den russischen Trup pen das an China abgetretene Kuldschaland zu räumen, statt unter die rachsüchtige Willkürherrschaft der zurück- kehrenden chinesischen Militärgouverneure ihren Nacken zu beugen. Außerdem hatte China Rußland das Recht eingeräumt, in 36 chinesischen Grenzstädten eigene Kon suln halten zu dürfen, und gewährte dem russischen .Handel verschiedene wichtige Vorteile. In Rußland hatte man zu diesem Vertrage — nolens volens gute Miene gemacht, während man in China, das doch gegen alle Erwartung wieder in den Besitz des größten Teiles des bereits als verloren betrachteten Kuldscha gebietes gelangen sollte, kein Blatt vor den Mund nahm, um den über die Preisgebung des Jligebietes empfundenen Schmerz und Unmut zum Ausdruck zu bringen. Der he mgekehrte Tschun-Chou wurde sofort in Ketten geschlagen, gerichtet und als Landesverräter zum Tode verurteilt. Nur der energische Protest des russischen Gesandten, der in der Hinrichtung Tschun- Chous eine ehrenkränkende Herausforderung Rußlands erblicken zu müssen erklärte, rettete dem bedauernswerten chinesischen Diplomaten das Leben. Der Vertrag vom Jahre 1879 wurde hierauf von Seite des himmlischen Reiches insofern anerkannt, als man sich dort zur Zahlung der 5 Mill bequemt und das von den Russen geräumte Kuldschaland in Besitz genommen hatte. Im übrigen verhehlte man dem russischen Vertreter keineswegs, daß China sich da- Recht vorbchält, zu einer ihm gelegenen Zeit die Her ausgabe auch des Jligebietes zu verlangen, nnd vis« dahin sollten die Wechselbeziehungen zwischen den beiden Vertragschließenden, — den Umständen angemessen sein. Thatsächlich hatte sich seit jener Zeit die Diplo matie des Reiches der Mitte wohl gehütet, Rußland durch irgend welchen Akt feindlicher Gesinnung her auszufordern, aber sie unterließ auch nichts, was dem günstigen Erfolg der Verhandlungen bezüglich der Wiedererlangung des letzten Restes der Kuldscha zu gute kommen könnte. Mögen nun jene Klagen der russischen Kolonisten über die .friedliche Eroberung" des Amurgebietes den Stempel der Übertreibung tragen und desgleichen die Vorschiebung der chinesi schen Militärmacht nach den, Norden der Mandschurei und die angeblich starke Befestigung der Nordgrenzen der letzteren in ihrer Schreckenhaftigkeit an die berüch tigten „chinesischen Kriegsdrachen" erinnern, immer hin hat China nach bester Möglichkeit für eine gün stige Ausgestaltung seiner politischen Lage, die eine Gewähr des überhaupt erreichbaren Erfolges der be vorstehenden Transaktionen mit Rußland bietet, Sorge getragen. Die Ankunft des chinesischen Gesandten in der russischen Metropole hatte auch in der That nicht verfehlt, in den politischen Kreisen St. Petersburgs starke Beunruhigung wachzurufen. Man befürchtet, von der Erfahrung belehrt, nicht ohne Grund einen aber maligen „Akt der Großmut" der russischen Diplomatie und unterläßt es nicht, letzterer die gegenteilige Stim mung der „öffentlichen Meinung" entgegenznhalten. sperre ich mich nicht. Wir wollen das Quar tier aufsuchen, das die Dame vorschlägt und morgen mag die Cecca nach unserer Höhle hinaus gehen und mit ein paar Armseligkeiten auch die alte Mappe mit meinen Blättern hcrbeiholen. Viel leicht zeigt uns Ihre Güte noch die Thür, an der wir anzupochen haben?" „DaS ist meine Sache, Herr Holters, ich werde Sie und Ihre Frau hinüberführen und der Wirtin drüben empfehlen!" rief Klara Addenhoven. Jetzt wo sich der Landsmann emporgerichtet hatte und ganz nahe vor den beiden Hilfreichen stand, sah Fräulein Klara noch deutlicher als Friedrich Gerland, daß Frank Holters doch vielmehr verwildert und trotzig, als krank und elend erschien. Er hatte das Geld, das Gerland seinem Weibe gegeben hatte, aus der Hand FranccscaS genommen und mit nachlässiger Handbewegung in die Tasche seines braunen Mantels versenkt, er beantwortete den Eifer derDame mit einerArt Verbeugung, aber wandte sich dann doch zu dem Tische unter den Säulen zurück, um mit einem tiefen durstigen Zuge den Rest des Weines zu trinken, den man ihm hingestellt hatte. Danach gönnte er einer der Schwestern vom Kreuz, die in diesem Hof zur Bedienung der Pilger zurück geblieben war, ein paar gemurmelte Worte, die sie für einen Dank an das Hans nehmen mochte, rückte sich den großen ursprünglich schwarzen, jetzt grauverwetter- ten Schlapphut zurecht und gab seinen! Weibe einen Stoß mit dem Ellenbogen, als Zeichen, daß er zum Gehen bereit sei. Fräulein Addenhoven hatte in zwischen eines der Zimmermädchen nach dem vorderen Teile de» Hauses entsendet, sich ihren Hut und ein Tuch bringen zu lassen und wandte sich nun an das seltsame Paar mit den Worten: „So lassen Sie uns gehen, Herr Holters. Mut, Signora, — Ihr Mann wird gesund werden, wenn er nur erst eine bessere Wohnung hat, als in der Campagna. Guten Abend, Herr Doktor, Sie gehen wohl auf Ihr Zimmer und ich sehe Sie morgen?" „Ich werde im Vorderhof Ihre Rückkehr erwarten, Fräulein Klara!" sagte der Gelehrte und fügte leiser hinzu: „Sie sehen, wieviel Barmherzigkeit sich auch außerhalb dieses Hauses üben läßt." Fräulein Addenhoven blickte von ihm hinweg nnd antwortete auf seine letzte Beinerkung nicht, sondern winkte dem Künstler und seiner römischen Frau, die mit scheuer Erwartung, aber nicht ohne ein hoffnungs reiches Lächeln, das manchen entschlummerten Reiz ihres Gesichts wiederwachrief, dem Weggangentgegensah. Durch eine Seitenpforte verließen die Helferin und ihre Schutz befohlenen den Hof, Friedrich Gerland sah noch, daß der Maler in plötzlich auftauchender Erinnerung an vergessene Sitte Fräulein Addenhoven und sogar seine Frau vorangchen ließ, ehe er selbst die Schwelle über schritt. Am halberschrockenen Blick des jungen Wei bes ermaß Gerland, daß der Landsmann seine Frau nicht verwöhnt habe, und erriet ein gutes Stück der Geschichte von Frank Holters. Er selbst begab sich dann über die Gänge und Treppen, die er vor hin geführt worden war, nach dem gartenähnlichen Hofe vor dem Speisesaal zurück Indem er sich in dem völlig einsamen, aber hell beleuchteten Hofe eine Cigarre anzündete, summte er ' or sich hin: „Die kleine Schönheit, die uns den Wildling so inständig empfahl, wird sich wundern, wenn sie merkt, welch ein Bündel sie un- aufgcpackt hat." Und dann dachte er, an So läßt sich „Nowoje Wremja" in der Nummer vom 2. Oktober über diese Frage in folgender Weise aus: „Es wird unterer Diplomatie als ein großer Hehler an- gerechnet werden müssen, wenn sie neuerdings sich China gegen über nachgiebig erweisen sollte. Die Geschichte der Wechsel beziehungen zwischen China und den europäischen Staaten wäh rend de« lausenden Jahrhundert» beweist zur Geuuqe, daß man nur durch Charaklersestigkeit und zengnnäße Energie die chine sischen StaatSwürdenträger „beruhten' und zusriedrnstellen ver mag. In entgegengesetzten Fällen werden letztere hochmütig und ihre Forderungen end- und schrankenlos. H«Ue verlangen sie das Jljland, morgen werden sie un« das Amurgebict ab fordern. Überhaupt ist daS Verhalten des himmlischen Reiches uns gegenüber während der letzten Zeit im höchsten Grade un gemütlich und verdächtig. Die Berichte aus dem weiten Osten enthalten zahllose Hinweise ans die systematisch betriebenen Vor bereitungen der chinesischen Regierung zu einem allem Anscheine nach uns zugedachten Schlage. Renrrdings erfuhren wir, daß letztere einer deutschen Gesellschaft die Konzession zum Baue einer Eisenbahnlinie gegeben, die schon in den nächsten Jahren sertiggestellt werden soll. Diese Bahn ist von der größten Ge fährlichkeit für unsern Oste», und zwar nicht nur deshalb, weil sie direkt unsere Oftgreuzen bedroht, sondern auch in Anbetracht dessen, daß sie schon in nächster Zukunft den Ausbau zahlreicher Nebenlinien zur Folg« haben wird, die China eine starke Kon zentration seiner staatlichen und militärischen Hilfsmittel in seinem Nordwrsten ermöglichen werden Diese Bahn wird China und dem deutsch-englischen Handel zahllose Borteile verschaffen, wir dagegen werden alle Nachteile derselben zu tragen haben." Der chinesische Unterhändler wird allem Anscheine nach weit mehr Schwierigkeiten, als sein Vorgänger im Jahre 1878 zu bewältigen haben, um ans Ziel zu gelangcn, da man heute in Rußland China gegenüber, wie man aus der vorstehenden Stichprobe der öffentlichen Meinung daselbst ersehen kann, nichts weniger als freundschaftliche Gesinnung entgegenträgt. Aber auch die russische Diplomatie wird eiren schweren Stand haben, wenn sie den lüsternen chine sischen Wolf gesättigt heimschicken will. Zu einem Kriege mit dem Reiche der Mitte ist Rußland heute noch lange nicht vorbereitet, sofern die sibirische Trans versalbahn, ohne deren Mitwirkung es Rußland über aus schwer fallen würde, mit ausreichenden Streit kräften der chinesischen Militärmacht zu begegnen, noch immer nur auf dem Papiere der russischen Ingenieure existiert. Tagesgeschichte. Tretdrn, l3. Oktober. Bei Sr. Majestät dcm Könige fand gestern nachmittag in der königlichen Villa zu Strehlen eine Familientafel statt, an welcher auch Ihre Hoheiten der Herzog und die Frau Herzogin Paul, sowie der Herzog Adolf und der Herzog Heinrich von Mecklenburg-Schwerin teilnahmen Nachmittags 4 Uhr erfolgte die Abreise Sr. Majestät des Königs, sowie Sr. Königl. Hoheit deS Prinzen Georg und Ihrer Königl. Hoheiten der Prinzen Friedrich August und Max mit Sonder- zug von Strehlen ab über Freiberg und Bienenmühle nach dem Jagdhause Rehefeld. * Berlin, 12. Oktober. Se. Majestät der Kaiser begab sich gestern vormittag vom Neuen Palais bei Potsdam nach Berlin, um im Königl. Schlosse daselbst Regierungsangelegenheiten zu erledigen. Um 12 Uhr empfing der Monarch den italienischen Botschafter Grafen de Launay, welcher die Ehre hatte, Sr. Ma jestät eine prachtvolle Marmorbüste des Königs Hum bert von Italien als Geschenk seines Souveräns persön lich überreichen zu dürfen. — Später begaben sich die Kaiser!. Majestäten nach dem Palais der Kaiserin Friedrich und statteten Allerhöchstdersclbcn dort nach deren kurz zuvor erfolgten Ankunft einen längeren Besuch ab — Um l Uhr nachmittags begaben Ihre Majestäten mit den Gefolgen sich nach HubertuSstock in der Schorf- Heide, woselbst der Kaiser während der nächsten Tage Jagd abhalten wird. Die Rückkehr des erlauchten Paares nach Potsdam erfolgt, soweit bis seht bekannt, am Mittwoch vormittag den dunklen Wänden des großen Hauses emporsehend, wo nur wenige Fenster Licht ausstrahlten, wie seltsam daS Heim sei, das er sich in der ewigen Stadt ausgesucht habe Er warf seine Cigarre wieder weg, als die Glocke vom Hauptthor und das Geräusch des eisernen Pförtchens ihm ankündigten, daß Fräulein Addenhoven zurückkehre, und eilte der Dame bis zum Aufgang der Treppe entgegen. Sie begrüßte ihn lächelnd, ihr Gesicht war von dem geschäftigen Eifer gerötet, den sie bei Unterbringung des armen Künstlerpaares ent faltet hatte. „Es machte keine Schwierigkeiten, den Leuten die Wohnung zu verschaffen, da die Vermieterin mich kennt," sagte sie schlicht. „Frank Holters und Cecca haben ein großes Zimmer, das nach römischen Be griffen sogar hübsch nnd bequem ausgestattet ist, der Frau sah man an, daß sie niemals auch nur soviel Luxus gekannt hat. Er bekam eben wieder einen Fieberanfall und wartete kaum ab, daß ich die Thür schloß, um sich krachend aufs Bett zu werfen. Soweit es sich um sein Fieber und vielleicht um die Frau handelt, thnn wir recht, erfüllen nur eine Pflicht; im übrigen, lieber Freund, flößt mir der Mann geringe Hoffnung ein, daß ihm wirklich zu helfen sei. Wer weiß, ob er je ein Maler gewesen ist, oder wenn, ob er sich noch einen nennen darf!" „Nicht doch, liebes Fräulein!" antwortete Friedrich Gerland. „Seinen Namen habe ich gehört und noch vor zwei oder drei Jahren ein paar Blätter von ihm gesehen, wild eigentümliche Skizzen, die freilich die Campagna anders darstellen, als eS Lindemann-From mel thüt. Vielleicht ist er doch ein wenig zu haben, wär's auch nur um der Frau willen, die mit ihm sicher
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