Volltext Seite (XML)
DenÜspruch. 65 kenn! äer «öle Mann lbbl eine lchönre pslichl, als ckie. ru Kellen UUi allem, was er Kat, uns was ei kann. 8»pkokler. V Das goldene Herz. Von A. Hottner-Grese. (Nachdruck verboten.) Sie standen nebeneinander in dem unmodischen, aber schön ausgestattcten Zimmer des uralten Hauses, welches mit seinem hohen Giebel den Marktplatz der kleinen Stadt beherrschte. Der schon stark ergraute 'Kopf des Mannes neigte sich über eine silberne Kapsel. Die Frau an seiner Seite zäh ihm aufmerksam zu. Er tastete an dem fein ziselierten Nosenkränzchen, welches sich um die schim mernde Kapsel zog. „Es ist herrliche, alte Arbeit," sagte der Mann be dächtig, — „ein Prachtstück! Wie kämst du dazu?" Der braune Kopf der Frau hob sich zum Licht. Man sah edle, feiugemcißclte Züge, tiefe Augen, in denen eine starke Leidenschaftlichkeit lebte, einen blassen, vom Leide gezeichneten Mund. „Die galizischen Flüchtlinge, welche gestern hier durch- kameu, müssen die Kapsel verloren haben, meinte der Wirt. Und da er deine Vorliebe für alte Sachen kennt, vertraute er mir's an. Und mich — mich fesselte etwas daran, was du noch gar nicht gemerkt hast: Hier," sie deutete auf eine winzige Platte zwischen den Rosen — „hier ist etwas eingegraben. Zwei Buchstaben: ,H. W.' und daneben drei Ziffern: 4. 7. 98." Der Mann langte schon mit zitternden Fingern nach der Kapsel. „Hella!" stieß er hervor — „ihr — ihr Geburtsdatum! Und die Anfangsbuchstaben ihres Namens: Hella Wellin!" Wieder neigten sich zwei Köpfe über die kleine Kapsel. Von der Wand lachte aus goldenem Rahmen ein Mädchen kopf auf sie herab. Ein Gesicht, so jugendfrisch, so voll Lebenslust und Freude, daß dies alles beinahe erschütternd wirkte, wenn man dagegen die Lebenden ansah: beide srüh gealtert, beide von einer tiefen Sorge gezeichnet. Aber das Bild lächelte. Lächelte alles chinwsg. So wie Hella Wellin stets gelächelt hatte. Allen Ernst, alle Bitterkellen des Lebenskampfes hatte die um zehn Jahre ältere Schwester, Gerda,, durchgemacht. Hatte das Sonuenkind behütet mit einer fast mütterlichen Liebe und keinem anderen Gedanken Raum gegeben, als dein an die Schwester. Bis auch in dieses ArbeitS- und Pflichtenleben endlich die große Lebenskraft, die Liebe, trat. Dachte Gerade Wellin jetzt eben an jene Zeit? Dachte sie daran, wie sie vor drei Jahren zum erstenmal Rup precht Gotthart, den berühmten Altertumsforscher, - sah? Wie sie dann rasch sich aneinanderschlosseu, die einsamen Menschen, .und wie zwischen ihnen siih etwas aufblühte, etwas Süßes, Scheues, das nur sic beide empfanden? Etwas, das einer herrlichen Frucht entgegengereift wäre. Aber da kam Hella. Und ihr Sonnenlächeln, ihre strahlen den Augen, ihre Jugend berauschten den ernsten Mann förmlich. So ward aus Gerda Wellin ein stiller, ernster Mensch, der wortlos beiseite trat. Und aus Hella ward eine Braut. Rupprecht Gotthart war nicht nur ein berühmter Ge lehrter. Mr war auch sehr reich. Und alles, alles warf er der kleinen, lachenden Hella in den Schoß, und sie nahm's und lächelte darüber hin. Unvcrstehend, unbe- greifend, wie Kinder sind. Aber daun kam eine Zeit — knapp vor der Hochzeit —, da wandelte sich das Kmd Plötzlich zum Weibe. Etwas Forschendes kam in die braunen Augen. Das Gesichtchen wurde blaß und schmal ... Und an einem grauen Herbsttag fuhr Hella Wellin nach Wien? fuhr fort — und kam nie wieder. Verschwand in der Millionenstadt, um nicht mehr aufzutauchen . . . Seither hatten die beiden Zurückgebliebene"» nur rauch einen Lebensinhalt: Sie wollten Gewißheit über das Schicksal dieses lachenden Kindes, welches untergegangen war in der Unermeßlichkeit einer fremden Welt. Mehr als die neben ihnen Lebende, zog die Verschwundene sie in ihren Bann. Gerda Wellin fuhr mit einem leisen Aufschrei zu sammen. Der Finger Gottharts mußte an irgendeine ver borgene Feder gerührt haben. Mit feinem Klingen schob sich die Kapsel auseinander. Darinnen lag, in Watte gebettet, ein goldenes Herz. Gerda griff danach. Eine Sekunde später las sie die eingravierten Worte: i „H. W. gest. 3. V. 15" und darunter stand der Satz: „Die Liebe höret nimmer auf". War das ein Zufall? War das eint Spur? Endlich ! ein Fingerzeig? Sie fuhren nach Wien. Forschten nach den Flücht- : singen. Es waren Menschen von geringster Bildung und i dunkler Herkunft. Der eine Sohn, welcher jetzt an irgend- einer Front stand, war früher in Diensten des Grafen ! Romanskh auf Stentvwicz — Fremde Namen schlugen an die Ohren der Suchenden. Und dennoch schien es ihnen, als könne nun endlich ein Lichtstrahl in die Wirrnis ihrer Vermutungen eindringen. Jener Sohn hatte vor ungefähr drei Monaten die Kapsel ! heimgebracht. „Der gnädige Herr Graf hat sie ihm geschenkt", heulte Lie Mutter. — „Ich schwör's, Euer Gnaden: Geschenkt! i Niemand von uns nimmt fremde Sachen! Wir sind ehrliche ! Leut' — haben Sie Erbarmen!" Sie schrien, wehklagten, beteuerten. Aber was lag - Rupprecht Gotthart nun an ihnen? Was scherte er sich darum, wie sie zu der Kapsel kamen. Nur wissen wollte er endlich, wo das Mädchen hingeraten war! Sein Mädchen! Gerda Wellin fragte, beruhigte: War jener Graf ver heiratet? Kanute man seine Neigungen? Seine Art? „O! Der gnädige Graf hatte eine Frau gehabt! Eine so schöne, so junge Frau! Einen Engel! Aber man hatte sie so wenig gesehen! Und dann fei sie krank geworden. Die heilige Maria weiß es: Die schöne Frau liegt auf dem kleinen Friedhof da droben im Polenland — „Abrechnung!" sagte R- pprecht Go-thart immer wieder; während sie gen Noroen fuhren. In dem stillen Diann war ein Haß lebendig geworden, so beiß, rote er ihn noch nie empfunden. Lerne ganze Liebe blühte noch einmal ' auf ans seinen blurcuden Herzeckswuuden. Gerda sah es, j erlebte es mit. Nie würde dieser Mann Herr werden über i seine Liebe . . . Endlich saßen sie in einen: Gemach des alten Polcn- ! schlosses. Warteten. Ein alter Diener hatte sie empfangen. ! Der Herr sei krank. Aber wenn die Herrschaften mit ihm ! sprechen müßten — Der „Herr" trat ein, sorgsam von dem alten Mann gestützt. Ein schmales, verwüstetes Antlitz starrte ihnen j entgegen. Flackernde Augen ruhten fragend auf Ruppreckn Gotthart. Der war jäh emporgefahren; konnte sich nicht länger halten. Mit einem harten Griff nahm er das gol dene Herz aus seiner Brusttasche. „Kennen Sie das?" fragte er heiser. — „Und kannten Sic einst eine, die Hella Wellin hieß?" „Hellas Herz!" Es war ein Schrei reinsten Glücks, der von des Kranken Lippen brach. Ein Schrei der Erlösung. Leine Hände faßten nach dem kleinen Gegenstand, rissen ihn an sich. I Leine Lippen küssen wieder und wieder das goldene Ge bilde. ! Dann brach er zusammen. „Ja", sagte der Diener, als er ihn fortgebracht Hatte, —> „das ist traurig. Sehr traurig! Der letzte Ronianski I stirbt irrsinnig, weil er eine Frau verloren hat —"