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Im Grunde genommen, vsn sch'ja Weber Ihre Frau noch Ihre Schwester, ja nicht einmal Ihre Braut! Ich kann mir den Hof machen lassen, von wem immer, der mir gefällt; trachten Sie also, meines Beifalles sicher zu sein, ihn in erhöhtem Maße zu erringen als die Uebrigen; das ist der einzige Rat, den ich Ihnen zu erteilen vermag. Nun bieten Sie mir Ihren Arm, . es ist Zeit, an den Kotillon zu denken; wir haben reizende Figuren ersonnen, und Sie mögen mir immer noch von Neuem erzählen? Mit wem tanzen Sie denn den Kotillon?" „Mit wem tanzen Sie ihn denn?" „Natürlich mit dem Marquis von Nehnis; der Ball wird ja doch zu Ehren unserer neuen Ver wandten aus Amerika gegeben. Frank hat heute abend alles veranstaltet, das Fest steht vollständig unter- dem Sternenbanner!" „Seien Sie gut, Jeanne, sagen Sie mir ein Wort, gönnen Sie mir einen Blick, der nicht.grausam ist, reichen Sie mir wenigstens eine der Blumen, mit denen Ihr-Kleid geziert ist!" „Hüten Sie sich, mir auch nur eine einzige zu rauben. Der Marquis hat sie mir gegeben!" Als Baron Ezimon eine heftige Bewegung machte, welche darauf hinzuweisen schien, daß er erneu oer hübschen Orchideenzweige gewaltsam an 7ich reißen wolle, die sie in ihren Gürtel gesteckt, wandte sie sich ihm mit einem seltsamen Lächeln zu, für das nur sie allein die Aufklärung zu geben wußte. „Sehen Sie denn nicht, daß ich Sie nur quäle? Wenn ich in den schönen Marquis wirklich verliebt wäre, würde ich nicht so unverhohlen von ihm reden. Neigen Sie sich zu mir hernieder, damit ich Ihnen ein paar Worte zuflüstern kann: Noch ist mein Herz frei, trachten Sie, es zu erringen!" Als die beiden den Ballsaal betraten, hatten die Züge des Bankiers wieder einen zufriedenen Ausdruck an genommen, und zwar blickte er so lächelnd nm s><b, daß die meisten Leute ihn für weit glücklicher hiel ten, als er tatsächlich war. Der Kotillon gehörte zu den erheiterndsten, ja so gar lärmendsten der Saison; gegen das Ende des Ball festes fühlte sich alle Welt dank der Wärme und der Lebhaftigkeit des Tanzes, dank dem starken Blumenduft einigermaßen betäubt. Nichts ist belustigender-, als mitanznsehen, wie gierig - die Lepte der großen Welt, die doch meistens reich sind, sich auf die kleinen Gaben des Kotillons stürzen. Tie Freude, sich solche zu sichern, andern dabei den Vor rang abzugewinnen, tritt bei den umworbensten Mäd chen deutlich zutage, und der Verdruß, wenn dies miß lingt, zeigt sich in den Mienen der Mmderbeqünstiq- ten auch gar rasch. Tie wenig edlen Instinkte der -nenschlichen Natur verraten sich bei solchen Kleinig keiten in geradezu fürchterlicher Nacktheit. Bernhard Mentoz war schon unzählige Male im Be griff, sich zu entfernen, und doch tat er es nicht. In diesem Augenblick beobachtete er »At nur Luch und Jeanne mit ihren Tänzern, sondern auch ein hüb sches, blondes Mädchen, das er nicht kannte und dessen Züge ihn unwiderstehlich bezauberten. Als Frank im Lause der Figuren des Kotillons sich mit ihr zu befassen hatte, strahlte das Antlitz der Blondine, legte dieselbe eine naive und aufrichtige Freude an den Tag. Nur geschah es nicht häufig, daß Frank sich mit ihr befaßte, und sie lauschte dann mit trübem, unsicheren Lächeln den nichtssagenden Worten, welche Lucien von Rehnis zu ihr sprach. Fast wider seinen Willen war es Lucy, die Herr Mentoz doch am meisten beobachtete; er sah sre znm erste» Male in Balltoilette; seine sonst sehr einfach gekleidete etwas zurückhaltende, während der Unter richtsstunden fast schüchterne Schülerin dünkte rhm wre umgcwandclt; sie war strahlend heiter und erwiderte mit Grazie und sichtlichen Behagen die Komplimente, mit denen man sie überschüttete: ihm war es, als ser sie eine andere. Eine junge, schöne Frauengestalt ist in einem Ballsaale stets Königin, dort rächt sie sich für die Brutalitäten des Lebens, für dis Herschsucht des Mannes, der bei allen Festen in den Hintergrund tritt. Ihm, dem Armen, Unscheinbaren^, tzünkte sie eine über ihm emporragende, zu fürchtende Gottheit! Er er innerte sich, wie er ihre schüchternen Annäherungsver suche zurückgewiesen habe — sie grollte ihm deshalb zweifelsohne und war im Rechte. Von dem Moment an, in dem sie seinen Arm ergriffen hatte, um ihn mit Luciens kleinen Freundinnen bekannt zu machen, schien sie ihn, vergessen zu haben. Mühsam raffte er seinen Mut zusammen, um mit keinen Blicken ihrer Gestalt allerorts zu folgen, und fast wider seinen Willen war er auf dem Balle ge blieben. Plötzlich war es Bernhard Mentoz, als ob ihn ein Schwindel befalle. Luch ging in einer Kotillonfigur am Arme Eduard Brandossaks durch deu Saal; sie trug eine zierliche Krawattennadel in der Hand, und mehr mals hatte es schon den Anschein gehabt, als ob sie im Begriffe stehe, das niedliche Abzeichen diesem oder jenem zu bieten; immer aber hatte sie mit einem Lächeln ans den Lippen die Hand langsam wieder- zurückgezogen. Als sie jetzt Bernhards Nähe erreichte, blieb sie stehen, und indem sie sich ein wenig verneigte, bot sie ihm die zierliche Nadel. Ter junge Mann machte eine hastige Gebärde, als wolle er fast erschrocken zu rückweichen. Luch aber richtete sich auf, sah ihm, ohne mit einer Wimper zu zücken, oder zu lächeln, ins Ge sicht und sprach in herrischem Tone: „Auszuschlagen wäre eine Beleidigung, mein Herr!" Bernhard Mentoz wußte, daß das ttebcrrcichen die ser Nadel einer Aufforderung zinn Tanze gleichkomme: er umschlang das junge Mädchen und flog im Wal zertempo mit ihr davon. Alles war vergessen, mit Aus nahme der Tatsache, daß er ihre schlanke Gestalt in seinen Armen fühlte; er hielt sie so fest an sich ge drückt, daß das zarte Geschöpf jetzt plötzlich vor der Leidenschaft, die sich in seinem Wesen verriet, erschrak, und sich, vielleicht ohne es zu wollen, anderseits doch von derselben hingerissen fühlte. Endlich war aber sie es, die, stehen bleibend, ihn mit halbem Gruße verab schiedete, nicht ohne ihm leise gesagt zu haben: „Ihr Platz ist an linkerem Tische reserviert, Lu cien hat dafür Sorg? getragen, und ich erwarte Sie!" Er nahm tatsächlich das Abendbrot seiner Schüle rin gegenüber zu sich, er, der sich hoch und teuer ;--- lobt hatte, das Fest allsogleich zu verlassen. Sie plau derte in erster Linie mit ihrem Nachbar Lucien, zu weilen aber lächelte Lie doch, wenn sie zuhörte, was ihr Gegenüber sprach, und dieses Gegenüber ließ sich damit genügen, war dessen vollständig zufrieden. 10. Als echte Amerikanerin steuerte Susie Lewell ge rade auf ihr Ziel los, ohne sich im geringsten zu be kümmern, was man darüber jagen oder denken werde. Sie nahm alles, was man ihr als Hilfe bot, gern an, war aber skeptisch genug, überzeugt zu sein, daß die Leute der vornehmen Welt nur sporadische Wohltätig- keitsanfälle haben. Sie zählte daH-er im Grunde ge nommen nur auf sich und wohl auch ein wenig auf Luch. Im Palais ihres Vaters sah man sie fast gar nicht mehr: sie hatte sich in Pafsh, in dem Hause, welches für ihr Unternehmen bestimmt war, ein Zimmerchen eingerichtet, einfach, gleich der Zelle einer Nonne, und dort lebte sie beinahe ausschließlich. Der Verkehr mit ihrer Familie ging ihr fast ebensowenig ab, wie der Luxus, an den sie gewöhnt gewesen war: sie fühlte sich der Zärtlichkeit der Ihren gewiß und liebte dieselben auch in der ihr eigenen Weise, aber sie entbehrte ihrer Gesellschaft nicht. Ihre Adoptivkinder aber, die ihrer bedurften, entflammten ihr ganzes leidenschaftliches Ge fühlsleben. Indem sie sich um die Angelegenheiten eines jeden ihrer Schutzbefohlenen eingehend kümmerte, verlor sie sogar jene Trockenheit, die ihr sonst eigen war: sie wurde sanft und mütterlich, was sich fast komisch ausnahm bei einem jungen Mädchen gleich ihr. Sie legte eine Intelligenz und einen praktischen Sinn an den Tag, die geradezu staunenerregend wirkten, und ihre Geschäftskenntnis überraschte sogar die Mädchen, denen sie beistand: nicht selten gelang es ihr, durch ihren praktischen Sinn eine ganze Familie aus dieser oder jener peinlichen Zwangslage zu befreien. Na türlich blieben auch im Anfangs Enttäuschungen hin und wieder nicht aus. , Da nicht alle Pensionärinnen vom Morgen bis zum Abend beschäftigt waren, organisierte man für jene, die über freie Zeit verfügten, Kurse; mehrere Frauen nnd Mädchen, die außerhalb des Heimes weilten, baten, sich an denselben beteiligen zu dürfen. Bald war der Saal zu klein, in denen sich die Schülerinnen zusam- mensanden. Freilich gab es auch böswillige Geister. welche Susie ein Verbrechen daraus machten, daß sie junge Mädchen dazu veranlaßte, Studien obzullegen, die weit über ihren Gesichtskreis hinausgingen. Auch Bernhard Mentoz hatte eines Abends die ver sprochene Vorlesung gehalten; er beobachtete anfangs mit Neugierde, dann mit Shnchathie jenes Werk, dem er ursprünglich mißtraute, jene Schöpfung, die nur von jungen Mädchen gegründet und geleitet wurde. Er sah, daß sie ganz unerwarteten Umfang annahm. Tas von Luch zur Erweiterung angekaufte Grundstück war bald von Maurern bevölkert, man wahrte nur einen reich mit alten Bäumen bewachsenen Teil desselben hinter dem Hauptgebäude, weil er als Garten dienen sollte. Ein einstöckiger Bau mit großen Fenstern diente als Kinderbewahranstalt, in einem zweiten Flügel brachte man alte Frauen unter. Man mußte rasch bauen, um allen Bedürfnissen Nachkommen zu können. Ein ge schulter Architekt würde es schmerzlich empfunden haben, mit ansehen zu müssen, wie die Bauten gegen alle Kegeln der Kunst vor sich gingen, nur damit möglichst wenig Zeit verloren werde. Aus diesem Grunde hatte man auch die Sache keinem geschulten Architekten über geben, sondern ein Bauunternehmer führte die Wünsche Fräulein Susies aus, und wie aus dem Bo^en gestampft, erstanden die verschiedenen Gebäude. Später, wenn Man Geld zum Hinauswerfen hatte, würde sich zei gen, wie diese oder jene Verbesserung durchgeführt werden konnte; jetzt bestand das Wichtigste darin, Un glücklichen sofort Hilfe zu bringen, die, wenn man in administrativer Hinsicht vielleicht planmäßiger Hütte vorgehen wollen, vielleicht gezwungen gewesen wären, jahrelang zu warten. Susie prüfte alles mit schar fem Auge, urteilte und traf ihre Entscheidungen. Keine Menschenseele besaß das Recht, zu kritisieren, was sie tat oder was sie unterließ. Wenn der junge Professor in dem Wahne gelebt, in diesem Unternehmen die hübsche Laune eines weiblichen Herzens zu sehen, so mußte er sich eingestehen, daß er sich getäuscht habe. Er kannte mehr denn eine lobenswerte Schöpfung, für welche Frauen, die gewöhnlich nicht mehr jung waren, sich geopfert hatten, die sie sogar leiteten, aber aus der Entfernung, nicht werktätig selbst mit ins Zeug greifend. Daß aber ein junges Mädchen, gleich Fräu lein Lewell, das dazu bestimmt schien, ein glänzendes Leben zu führen, allem entsagte, um sich ganz und voll ständig einem Werke der öffentlichen Wohltätigkeit zu widmen, das interessierte ihn, das fand er außeraewöku- Üch. (Fortsetzung f»'H.) Letzte Nachrichten. Erzberger geht? Bochum, 17. September. Don hervorragender parlamen» torischer Sette erhält, rwch dem „Berliner Tageblatt", dos „Freie Wor " dke Versicherung, das Kabinett sei sich darüber einig, daß der Rücktritt Erzbergers zu «folgen habe. Er solle ihm nur noch «ins kurze Nnstandefrist eingeräumt werden, um den Rücktritt nicht mit den Angriffen der jüngsten Z-it in Zusammenhang bring'« zu lassen. EngttMe Handelsschiffe als Minenleger- Kopenhagen, 17. September. Mit einer interessanten Enthüllung ist jetzt der englische Kapitän Gmyine hervor» getreten. Lr sprach von der Fabrikation und Auslegung von Minen während des Krieges und gibt «uymchr, da der Krieg vorbei ist, unumwunden zu, datz i/s sämtlicher Minen von Handelsschiffen am gelegt worden sind. Man hat hier ein englisches Geständnis dafür, daß britische Handrlrschiife an der Kriegführung aktiv beteiligt waren. Meine französische Kriegsgefangenschaft in Dahomey. Oktober bis Juli 1914/»5. BonITurt Bachstein, Gest, der Schutztruppe. Ä E« «ar in der letzten September-Woche 1914, als die englischen und französischen Kriegsschiffe, welch« sich nach langsamem, vorsichtigen Vorgehen in der Müvdüdv de» Kamerun-Flusses bi« in die Nähe Duolas hertmgezqM chatten, da» Bombardement auf die Stadt eröffneten. Schon al» die feindlichen Patrouillenboote, di« mit Revolver-Kanonen und Maschinengewehren bewaffnet wargp, der Sperre der Fohrtrinne näher kamen, war die gesamt« Schntziruppe und dir, durch Reservisten und FrelwWg« gebildete Europäer-Kompanie in Alarm gesetzt worden. Mhmid die farbige Truppe in den Strotzen in der Nähe der Kaserne lag, waren di« drei Züge unserer Kompanie in künstlichen und natürlichen Unterständen grbrckt. Ich lag mit dem dritten Zuge in einem alten Brunnen in der Nähe derPahn. Im Lause der drei Beschietzungstage war die schwarze Truppe mit den aktiven Osfizieren und Merofji^im, Hwte mit sämtlichen vorhandenen Maschinengewehren mit der Bahn nach Eseka, einer 100 lcm im JnNetn liegenden befestigten Station, zurückgezogen worden. Al« letzter Trupp zogen die Geschützbedienungen ab, und nach Sprengung der Eisen bahnbrück« bri Japoma war dar Zeichen gegeben, datz sich die Stadt Duala mit unserer Reservrkompanie übergeben sollte. (Am Sonntag den 27. September fielen nur einige feindliche Kanonenschüsse am Morgen und alsbald wurde die wettzr Flagg« gehitzt) Dir Kompani« wurde aufgelöst und mit vurnahme von zwei Gruppen, die al« Sicherheltepatrouillen die Stadt durch zogen, nachhause geschickt. Al» Glied einer solchen Patronille, di« von den bereit» gelandeten Engländern nach dem Hospital garten bestellt waren, wurde ich am 27. mittag» gesargen genommen. Nach Feststellung der Namen wurde un» mitgeteilt, datz wir di« Grenz« de» Hospital« nicht überschreit«« dürft««. Trotzdem man un» versicherte, am Abend in unsere seit drei Tagen verlassenen Wohnungen zurückkehren zu können, wurde diese» Versprechen nicht gehalten. Ohne etwa» gegessen zu haben, mutzten wir un» auf dem Fußboden der geräumten Krankenzimmer rin Nachtlager suchen, während die englischen Soldaten bereits im Erdgeschoß bei geplünderten Etzwrren und Getränken den Einzug feierten. Am nächsten Morgen nerschlimmeri« sich unsere Lag« durch da« Eintreffen rin«» französisch«« General«, der nun