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Weil Elend und Not mich dazu trieben. Ich vermochte I höchstens noch Reklamebilder. Das Sündengeld, das er dafür erhielt, reichte gerade hin, um uns vor dem Ver- hungern zu schützen. Schließlich malte er überhaupt nichts mehr. Er war gegen alles gleichgültig geworden. — Vor einem Monat kamen wir fast mittellos nach München. Nun würde es anders werden, versicherte mein Gatte. Er wolle arbeiten, und wenn er Häuser anstreichen müsse. Mich schauderte vor der uns bevorstehenden Zukunft, unk ich hatte einsame Stunden in Mengen, um über den schnellen Niedergang meines Glückes zu grübeln und mit dem Geschick zu hadern. Denn mein Gatte ließ mich tagsüber in der engen Hofwohnung, die nur aus einer einzigen lichtlosen, dumpfen Kammer bestand, allein. Da sah ich nun dicht am Fenster und suchte das kleine, winzig kleine Stückchen Himmelsblau über mir und rang meine Seele wund und matt. Erst in später Abendstunde kam mein Gatte heim. Immer war er zerstreut und übelge launt, und in seinen Augen brannte ein flackerndes, un stetes Feuer. Er hätte noch keine Beschäftigung gesunden, war seine ständige Entgegnung, wenn ich mich nach dem Erfolg seiner Bemühungen erkundigte. Aber ich glaube, er suchte überhaupt nicht mehr. . . . O, was war aus dem Han- Koerber, dem ich mich «inst in Freilinghausen zu eigen gegeben hatte, ge worden! Oft packte mich ein Grauen, wenn ich die Ver änderung bedachte, und ich begann mich vor dem Men schen, der nicht mehr Hans Koerber war, sondern der sich in einen mutlosen Tagedieb und . . . und... o, ich schäme mich so entsetzlich, auch noch etwas anderes sagen zu müssen. . . und in einen . . . Trinker gewandelt hatte, — zu fürchten . . ." Sie stöhnte in peinvoller Erinnerung auf und schwieg. Jakobsen hatte ihrer Erzählung, die ihm ein Bild so voller Schatten und Irrungen ausrollte, mit tleser Be wegung gelauscht. Es drängte ihn, der Armen ein tröstendes Wort zu sagen. Und aus seinem innersten, wärmsten Empfinden heraus redete er: „Fassen Sie Mut, Frau Marianne l Ihr Gatte wird sich wieder aufraffen und zu seiner Kunst zurückkehren. O ja, hoffen Sie, daß es so kommen muß! Und mit seinem Sichselbstwiederfinden wird Ihnen der Beginn einer neuen, besseren Zeit beschicken sein. Nur nicht ver zweifeln !" Marianne schüttelte den Kopf und stammelte: „O, Sie wissen bas Schrecklichste ja noch gar nichts Dann blieb sie plötzlich stehen und zog ihren Arm mit einer hastigen Bewegung aus dem ihres Begleiters. Sie richtete sich stolz auf und sagte hart und kalt: „Mein Gatte wirb nie zu seiner Kunst zurückkehren l Diese Hoffnung ist zu einer Unmöglichkeit geworden. Denn wer seinen Weibe untreu wird, der wird seinem Beruf, seiner Aroeit nie wieder treu." Jakobsen sah sie verständnislos an. Das, was er aus ihren Worten schließen konnte, wagte er kaum zu denken, geschweige denn auszusprechen. Endlich, nach einem langen, beklemmenden Schweigen, das zwischen sie getreten war, konnte er sagen: „Wie — wie meinen Sie das! Ich verstehe nicht .... Es kann doch nicht möglich sein, daß Ihr Gatte . ..." Er vermochte nicht zu vollenden und brach ver legen ab. Und da sprach sie und enthüllte ihm den Schluß der Tragödie mit einer Hast, die zu einem Ende zu kommen wünscht. „O, sagen Sie e» doch nur, mich kann das Erwähnen dieser vollendeten Tatsache nimmer verletzen.... Ja, er ist auf und davon in die weite Welt und hat mich in der fremden Stadt hilflos zurückgelassen. . . l" (Fortsetzung folgt.) nicht länger in ihr harte» Gesicht zu sehen und wandte »ich ab. Und da kam die Verzweiflung und zerrte mich nach mit Händen, die nicht wieder frei gaben. — O, es ist ein trauriges Kapitel aus meinem Leben, das ich Ihnen nun erzählen will, Herr Pastor! Es begann mit einem jubelnden, jauchzenden Akkord blinkender Lebenslust und Heller Hoffnung, und es sollte mit der Disharmonie, der grausigen und erlösenden zugleich, die Ihr Erscheinen nicht zum Ausklingen kommen ließ, seinen Abschluß finden. Womit soll ich beginnen? Was soll ich Ihnen zuerst sagen? — Ach, ich sehe kaum etwas, das ich Ihnen gern erzählen könnte. Lassen Sie mich ganz kurz davon be richten, was mir . . . Hans Körber wurde. Heute vor zwei Jahren vermählten wir uns. In einer kleinen Land stadt Hannovers, wo ich bei einer meinem Gatten sreund- > schaftlich nabestehenden Familie nach meinem Scheiden aus Freilinghausen liebevolle Aufnahme gefunden hatte, wurde unsere Hochzeit in aller Stille gefeiert. Wenige Tage später siedelten wir nach Berlin über. O, wie jauchzte ich, als ich das Häusermeer dieser «tadt wieder- sahl Was erhoffte ich nicht von dem Leben in ihr! Alles, alles, was mir einst verloren gegan en war, und was mir Freilinghausens Stille nicht zu ge.en vermocht hatte: Glanz und rauschende Freude, anregende Gesellig keit und heitere Feste, nicht zuletzt das Glück, — der Kunst nun wieder zu Füßen sitzen zu dürfen und mich an ihren Schätzen zu laben. Meine Seele war so durstig nach diesem Glück, ich lechzte nach ihm, wie eine fast im »den Wüstensande Verschmachtete. Ich fand alles, was ich mit heißem Sehnen erhofft hatte — aber mein Glück »ar nur kuxz und verrann wie ein Traum. — Die ersten Monate waren voller Sonnenglanz. Mein Gatte wurde mit glänzend bezahlten Aufträgen überhäuft, arbeitete sehr fleißig und nahm Unsummen ein. Hans Koerber war Mode. . . . Wir führten ein großes Haus und warfen das Geld mit vollen Händen zum Fenster hinaus. Ein Fest jagte Las andere, ein Luxus löste den andern ab. Unser Leben glich ganz dem, das ich im Hause meines Vaters gekannt hatte. — Aber wirerlebten auch dasselbe Ende, und ich ... ich ein weit, weit schreck licheres." Sie schwieg und stöhnte auf, als wenn sie einen körperlichen Schmerz empfinde. Und die Erinnerung an das, was sie nun berichten wollte, ließ ein Zittern durch ihre Gestalt rinnen. Hastiger als vorhin sprechend, fuhr sie fort: „Mit wenigen Worten ist alles gesagt. Mein Gatte wurde ein Spieler. Wie das kam, weiß ich nicht. Jeden falls trug das Bewußtsein, ein wohlhabender Mann zu sein, der sich alle Extravaganzen erlauben durfte, viel dazu bei, ihn dieser Leidenschaft in die Arme zu treiben. Aber er hatte kein Glück und erzählte mir bald von be deutenden Verlusten. Ich lachte nur. Weshalb sollte er nicht verlieren? Er hatte es ja dazu! Und er selbst ging auch mit einem leichtsinnigen Scherz darüber hin. Schließlich hatte ihn der Spielteufel so in seinen Krallen, daß er fast alle Nächte durchspielte. Fast immer verlor er. Und trat einmal das Gegenteil ein, so wurde der Gewinn tn leichtsinniger Gesellschaft vergeudet. Sein Atelier sah ihn nur noch selten, und dann kaum für eine flüchtige Stunde. . . . Schon nach einem Jahr standen wir v»r dem Ruin. Ich wollte das nicht glauben. Das durste nicht wahr lein! Sollte ein neues Elend kommen? Ja, es kam mit unbarmherzigen Schritten. Zuletzt blieb uns nur noch eine elende Mansarden- stube in einer schmutzigen Straße des Nordens. Wir müßten unser Glück woanders versuchen, meinte Han» Koerber. Er verkaufte seine beiden letzten Bilder, die er in da» Eleud mit hiuübergerettet hatte, für ein paar hundert Mark, und dann begann ein unstetes Wanderleben. lleberall blieben wir nur Wochen. Zu ausdauernder Arbeit hatte mein Gatte längst keine Luft mehr. Er malt«