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(Nachdr. verboten.) (Schluß.) f ihren Blick sicher und kühn gemacht. Sie haben Schwung und Zug bekommen, die verwegenen „grauen Jungs". Das große Erleben hat auch ihre Zunge gelöst. Ge- Krieg hat so manchen von ihnen aus dem rückständigen Kleinleben sür immer herausgerissen. Der große Lehr meister hat sie selbst großgezogen und ihre Brust weit. Denkspruch. ZeSrr Mensch Ssck Ida Sie coikeilen <kr snSm, Ischen, «enn n « such über Sie seinigen lut. Senft bst ei S« Kechl S-ru »emiikt. 0. v. Lei,nee. Miesepeter. Zeitgemäße Charakterstud-ie von Hans Bongard. sunder Svldatenhumvr blüht und klingt in jedem Wort. Frohe Sicgerstimmung schafft sich ungestört Platz und durchflutet mit behaglicher Wärme das kleine spießbürger liche Lokal. Derbe Scherzworte fliegen herüber und hin über, schlagen ein, Platzen wie Leuchtkugeln und erzeugen laute Lachsalven. Diese ungezwungene Heiterkeit findet natürlich bei den Eingesessenen keinen Widerhall. Das laute, kriegerisch« Wesen legt sich ihnen schwer auf die Nerven. Ihrer engen Brust entwindet sich kein Laut. Auch Herr Pfützemacker schweigt bedrückt. „Hoch die Gläser! Unser Heer und seine vortrefflichen Führer hoch!" erschallt jetzt die Stimme eines rede gewandten Unteroffiziers in der Richtung nach den stummen Gästen hinüber. Mit diesem Trinkspruch hofft er daS Eis der erstarrten Tafelrunde zu brechen. Aber es gelingt nicht. Wenn schon einmal ein ganz besonders Mutiger einen Ein lauf nehmen will, immer bleibt ihm das Wort wieder in der Kehle stecken. Jeder von ihnen fühlt die gewaltige Kluft, die sich zwischen zwei Welten, der alten, die zum Versinken reif ist, und der neuen, die sich gewaltsam einporringt, auf getan hat. „Kameraden! Ist es nicht eine Lust, zu leben? Mitten in ein großes, mächtiges Geschehen hat uns der Krieg hineingestellt!" So jubiliert die Stimme deS feldgrauen Redners. „Jnnner und immer muß man jagen: Wir leben in einer unfaßbar großen und herrlichen Zeit!" „Aber auch sehr schweren", kommt es wie ein verlorenes Echo kleinlaut vom Stammtische der Zünftigen her. „Ganz gewiß ist die Zeit nicht leich.. Das wissen wir wohl am allerbesten. Aber das Große hat nun einmal auch Gewicht, ist also auch schiver. Es drückt jedem fühlbar ! aus die Schultern. Der deutsche Riese muß es ja doch > fühlen, wenn sich die halbe Welt gegen ihn stcnrmt, das ist doch begreiflich. Ja, wem» Riese« kampfeich ringe«, da«» Merkt daS die ganze Welt. Aber sie klagt und winselt nicht schwächlich, nein! Sie staunt lautlos, hält den Atem -a. Und jeder einzelne fügt sich m sein Schicksal, wie eben daS Los von Zwergen ist, wenn Riesen mächtig.miteinander ringen.". Vom deutschen Riesen führt das Gespräch zu Misere« gewaltigen Volkshervs Hindenburg. „Nun, meine Herren, was sagen Sie zu diesem deut schesten aller Deutschen, zu diesem Symbol deutscher Kraft? WiHt er nicht in seiner Ruhe heute schon wie die Gestalt eine» sagenhaften Titanen?" „Ja, freilich," rückt jetzt Pfützemacker mit der Sprache heraus, „er ist ein großes Mann, ein sehr großer Mann, aber — aber —" ' „Nun, wie meinen Sie das — aberA s„Aber er hat auch viel Glück gehabt." Es klingt wie ein eingelerntes Schlagwort, was an diesem Platze schon zu hundert Malen umgsgangen sein mag. „Zum Erfolg gehören.Glücksumstände, das ist sicher, und zu diesem Riesenerfolg eines Hindenburg erst recht. Aber das verkleinert durchaus nicht seine gewaltigen Taten, die Errettung des Vaterlandes vom Untergange. Und daß er der Retter Deutschlands ist, das bezweifelt heute wohl niemand mehr. Er ist unser Helfer in der schwersten Stunde der Not gewesen. Er ist auch Ihr Retter, das sollten Sie und alle Aüer-Menschen sich merken!" „Von Rettung kann man, streng genommen, erst am Ende sprechen, jetzt noch nicht", bemerkt Pfützemacker mit etwas überlegenem, belehrendem Tone. Doch der Feldgraue läßt sich nicht so leicht abfertigen. „Die .Rettung ist der Sieg. Und den haben wir bereits sicher in den Händen. Wer heute immer noch nicht an den Sieg unserer Waffen glaubt, muß schon ein un verbesserlicher Schwarzseher, ein verstockter Mesepeter von der ganz ausgefallenen Sorte sein." Unmutig schüttet er den Rest seines Glases auf den Boden. „Kameraden! Ein Pereat der ewigen Zweifelsucht, der unausrottbaren Nörgelei! Sie wirken wie ansteckender Pesthauch, wie schleichendes Gift, wie eine heuntükische Krankheit am Körper unseres herrlichen, wehrhaften Volkes!" Ueberall unheimliche Stille. Betroffen schweigt die gesamte Nörglerrunde. Ermutigt fährt der Feldgraue fort: „Wer konnte nur annehmen, daß wir ohne schwere Wunden den Kampf beständen? Der deutsche Riese ist doch nicht unverwundbar. Aber die schweren Schläge, die uns der Gegner versetzt hat, brechen unseren Mut nichr. Wunden, vom Feinde geschlagen, sind Ehrenmale, auf die jeder Held stolz ist. Dagegen die schleichende Gesellschaft der Flaumacher, Zweifler und Nörgler, das sind Schand male, die darf er keinen Augenblick an seinem Leibe dulden!" Als Antwort kommen nur von der einen Seite her feindselige Blicke, sonst Stille und Aufmerksamkeit. „Aber Gott sei Dank! Das deutsche Volk ist zu ge sund, als daß es nicht mit dieser bedauerlichen Krankhcirs- erscheinung fertig würde. Es reckt und streckt sich nach allen Seiten wie in strotzender Kraft, von Dionat zu Monat dehnt und weitet cs sich . . ." „Bis die Seifenblase platzt", hat ein Allerweltsnörgler giftig dazwischengehaucht. Aber das geübte Ohr hat es ausgenommen. „Donnerwetter!" schreit der Feldgraue grimmig heraus, „sie wird nicht platzen. Darauf verlassen Sie sich nur! Dafür sorgt schon unsere großartige Organisation, die wie ein Schutznetz das eriveiterte Reich umspannt. Diese ist so stark, daß sie das Reich vor dc^ Zerfall zu schützen vermag." „An der Stärke dieser Einrichtung zweifelt gewiß niemand", erwiderte zweideutig einer von den Ein gesessenen. „Sie ist sogar so gewaltig, daß sic uns freien Männer alle zu rechtlosen Knechten und Sklaven macht. Wo ist noch Freiheit zu finden? Keiner ist mehr Herr über sich selbst." Seltsamer Anachronismus! Mtten in der furcht barsten Sturmflut von den aufgepcitschte« Wogen neuzeit lichen Lebens umbraust, eine kleine Insel — ein- Stückchen Mittelalter! Ein Rest aus jener finsteren Zeit, wo der Geknechtete für jedes laute, freie Wort Pein und Folter fürchten mußte. Es sind höchst merkwürdige, völlig weltfremde Men schen, diese Ritter von der Tafelrunde. Sie erschrecken vor ihrem eigenen Wort, wenn es sich einmal ein wenig zu laut hervorgewagt hat, als trauten sie sich untereinander selbst nicht über den Weg. Aber erst fremden Gesichtern bringen sie von vornherein ärgstes Mißtrauen entgegen. Ein Eindringling, der nicht den spezifischen Nestgeruch an sich hat, wird wie ein Wesen aus einer anderen Welt angesehen und kann den Eingesessenen schon den Atem verschlagen. Starres Schweigen mumienhafter Gesichter umfängt ihn. Der Fremdling kann nur sein Heil in schleu niger Flucht suchen. Heute aber hat eine Handvoll Feldgrauer etwas ge räuschvoll Platz genommen. Diese Gegenwartsmenschen scheren sich den Teufel um vorweltliche Gebräuche. Der