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(6. Fortsetzung.) (Nachdruck derbsten.) Man würde dort nur vom mit aller Gewalt dagegen gesträubt. Da sie jedoch ein- ! sah das ganze herrliche Land von der gesegneten lom- überging. Das war ja ganz sicher tr da blickte Marianne flüchtig auß als Pastor Jakobsen mit dem Verlesen seines lieben Gott und vom Beten und Frommsein reden l Den» wovon sollte wohl sonst ei» Pfarrer reden? Der verstand ja überhaupt nichts anderes, am allerwenigsten diese* Pfarrer Jakobsen mit den dunklen, ernsten Augen. — Im Anfang schien es auch so, als wenn sie mit ihren Vermutungen recht behalten sollte. Es ging ziemlich steif und schweigsam zu. Auch der obligate Besuchskaffee vermochte es nicht, etwas mehr Stimmung in die kleine Gesellschaft zu bringen, und Marianne sehnte das Ende dieser »Anstandsvisite' herbei. Ganz und gar entsetzlich wurde ihr die Geschichte, al» Leberecht Jensen sich mit der Mutter Pastor Jakobsen» über jüngste belanglose Ereignisse im Städtchen in eia Gespräch vertiefte, man also so einen richtigen kleine» Klatsch in Szene setzte. Sollte sie wirklich verurteilt sei«, da» alle» mit an zuhören? Und als sie schon voller Verzweiflung begann, das Tapetenmuster zu studieren, um sich auf die beste Weise über die Langeweile Hinwegzuhelsen, geschah etwa» von ihr nicht Erwartetes. Pastor Jakobsen erhob sich und ging nach seinem Studierzimmer hinüber. Wenige Minuten später kehrt» er mit einer großen Mappe zurück. Er legte sie auf einem Tischchen nahe am Fenster zurecht und bat Marianne zu sich herüber. Sie folgte seiner Aufforderung halb erwartungsvoll, halb verlegen und glaubte ihren Augen nicht traue« zu dürfen, als er die ersten Blätter aufschlug, die ihr Ansichten aus — Italien zeigten. Das hatte sie ja vor einem Jahre alles in Wirklichkeit gesehen, damals, als sie mit den Eltern Las sonnige Laud besuchte l Und nun schaute sie sein« Schönheit im Bildet Hier der herrliche, entzückende Lago maggiore, dort das einzige Capri l Und dann das prächtige Venedig, das stolze Genua, das schöne Florenz, da» ewige Rom und das lebensfrohe Neapel! Me diese Bilder zauberten Marianne das Sehnsucht»- land jedes Künstlers und Kunstfreundes lebendig vor die Seele. Sie glaubte da» Rauschen der Zypressenhaine und Orangenwälder zu vernehmen Und den leisen, plätscher»- Predigttextes begann. Er hatte sie längst gesehen und freute t sich. daß sie gekommen war, obwohl er U wußte, daß nicht das Bedürfnis sie in den X VL»' Iensenschen Kirchenstuhl geführt. Als Marianne am nächsten Tage das Haus verließ, um einen Spaziergang zu unternehmen, stürmte Male nach der Giebelstube hinauf. Sie glaubte davon über zeugt sein zu dürfen, daß das gute, liebe Zimmerchen nun wieder sein altes Gesicht zeigen würde. Denn wenn man zur Andacht kam und in die Kirche ging, mußte man notgedrungen die schrecklichen, sündhaften Bilder ver nichtet haben. Natürlich, das mußte man! Etwas anderes war überhaupt unmöglich Glühende Röte der Neugier und Erregung brannten der Alten auf den Wangen, als sie die Tür zur Giebel stube aufriß. . . . Nur einen flüchtigen Augenblick lang starrte sie in das Gemach. . . . Dann knallte sie die Tür, einen Laut des Entsetzens und Abscheus ausstoßend, so heftig zu, daß einige Kalkbröckelchen herabfielen. Um Gottes willen! An Men Wänden paradierten die Bilder noch. Ja, es waren noch eia paar mehr, als zuerst. Pfui, über die Schande und Gemeinheit! Und der Herr dieses Hauses litt das? — Er fuhr nicht mit einem Donnerwetter gerechten Zorns da zwischen, um sein Haus zu säubern von allem Unrat und Schmutz? — Und diese Marianne Gesenius wagte sich in den hei ligen Raum eines Gotteshauses? Mochte sie es! — Mochte sie überhaupt tun, was sie wollte l Male war es von diesem Tage an gleichgültig, was Marianne trieb. Es imponierte ihr nicht mehr, daß sie regelmäßig an Andacht und Gottesdienst teilnahm; denn sie sah darin nur eine erbärmliche Komödie. — Zwar ließ sie es schweigend zu, daß Marianne ihr nach Wochen von selbst kleine Arbeiten im Haushalt ab nahm, und gab ihr sogar kurze BelehruMen, wenn sie eine Sache ungeschickt ansaßte. Aber in der ganzen Art und Weise, wie sie das tah zeigte sie mu beharrlicher Kon- rsequenz: Du und ich, aber nie — wir beide; denn uns trennen Welten. Im Dezember, kurz vor Weihnachten, führte Lebe recht Jensen Marianne zum ersten Male in da» Pfarr haus. sah, daß die Pflicht des Anstandes diesen Besuch bei den mildem Onkel befreundeten Menschen einfach forderte^ willigte sie endlich ein. Aber ihr graute, als sie mit Leberecht Jenser» hin-