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soll bald zum ersten Male in die Welt geführt werden, und zur Feier dieses Ereignisses will die Mutter aller« vrtS Veilchen streuen. Auf der Tischtväsche müssen die Blumen farbenprächtig gestickt sein; meinem Service wird die Ehre zuteil, an der Festtafel zu paradieren, alle Eingeladenen erhalten große Beilchcnsträuße, und daS^ ganze HauS wird nach dieser anmutigen Blume „Bei dieser Schilderung finde ich den amerikani schen Luxus wieder, von dem die Bücher so viel* zu erzählen wissen." „Ja, aber die Bücher befassen sich nicht mit den bescheidenen Existenzen, welche rastlos arbeiten, um diesen Luxus zu schassen, und die bescheidenen Exi stenzen sind es doch, welche die große Mehrheit der Nation ausmachen! Dabei fällt mir ein, ich türchte, daß Sie mit einem sehr frugalen Gabelfrühstück wer den fürlieb nehmen müssen. Wir haben die kleinen Kuchen, welche Frank so sehr liebt, aber unser ein ziges Dienstmädchen ist nur eine sehr bescheidene Köchin und kann selbst nach amerikanischen Begriffen, wo man in dieser Hinsicht sehr nachsichtig ist, nicht viel. Ich muß nur rasch nachsehen, ob meine Hühner Eier ge legt haben." „Dars ich Sie begleiten?" „Mit Vergnügen." Luch durchschritt rasch die Vorhalle, von welcher aus eine schmale Stiege nach dem oberen Stockwerk emporführte. Der Haustür gegenüber mündete eine zweite Tür in den kleinen, niedlich gehaltenen, wenn auch sehr einfachen Garten. Frank nahm es aus sich, die Magd von dem Eintressen eines Gastes in Kennt-' niS zu setzen, und Vetter und Kusine eilten in bester Laune dem Hühnerhofe zu. „Ich möchte wetten, daß Sie sich zum ersten Mal« im Leben auf solche Art nützlich machen!" ries das Mädchen lachend. „Darin täuschen Sie sich, Kusine. Ich bin auf dem Lande groß gezogen, und meine Mutter ist sehr Kolz auf ihren Geflügelhof, ich sehe mich noch, wie ich als kleiner Junge, mit dem Korb in der Hand, Ihr gefolgt bin. Ich war stolz darauf, die Eier tragen zu dürfen, welche sie dem Nest entnahm. Freilich, nicht so stolz, wie ich eS heute bin!" fügte er lächelnd Hinzu. „DaS ist hübsch gesagt, ganz dem französischen Nationalcharakter entsprechend! Glauben Sie, daß Ihre Mutter meinen Hühnerhof bewundern würde? Er befindet sich in einem recht traurigen Zustand, und ich denke schon lange daran, ihn in bessere Ver fassung bringen zu lassen! Schon mehrmals hatte ich «n dieser Absicht Geld bei Seite gelegt, aber es hat sich immer irgend ein unvorhergesehenes Ereignis ge funden, welches mich zwang, diese Ersparnisse an- zuaretfen. Erstaunlich, wie ost das Unvorhergesehene sich uns in den Weg drängt, gerade, wenn man gezwun gen ist, Heller und Kreuzer umzudrehen!" „Sie scheinen sich aber guten Mutes in der ge gebenen Situation zurecht zu finden!" „Gewiß, wir sind ganz glücklich, Frank und ich. Heil er eine einträgliche Stellung gefunden, und mein schwaches Talent unserem Budget einigermaßen auf vte Strümpfe Hilst, bleibt uns nichts zu wünschen übrig. Eie ahnen Wohl gar nicht, welche stolze Freude in den wenigen Worten liegt: Ich verdiene mir selbst meinen Lebensunterhalt! Nach dem Tode meines armen Naters, da freilich hatten wir ein bitteres Jahr zu bestehen. Mein Bruder gab da und dort Unter richtsstunden, aber sie wurden schlecht bezahlt. Ich war überdies sehr jung, und man nahm mein Stre ben, mir meinen Lebensunterhalt verdienen zu wollen, Nicht ernsthast. Nun haben wir bald unsere Rückstände bezahlt, dann werden wir geradezu Kapitalisten sein, und ich kann einen ordentlichen Hühnerhof anlegen lassen, was ich als Triumph empfinden werde." In Anwartschaft dieses Triumphes wagte sich Luch mitten in das Geflügelvolk hinein und kehrte fröh lich mit einigen noch ganz warmen Eiern in ihrem Gchürzchen zurück. „Wollen Sie mir gestatten?" „Lassen Sie's nur aut sein; wie wollten Sie denn die Eier tragen? Glücklicherweise habe ich meine Küchevschürze noch umgehabt, die leistet mir jetzt gute Dienste. Ich werde Ihnen unseren Fund selbst kochet, und Ihnen denselben in dem Eierbecher meiner Groß mutter »servieren. Wir modernen Amerikaner behan- beln die Eier anders: wir schlagen sie in ein Glas." „Wenn Sie es nicht gelernt haben, die Eier so zu verzehren, wie Ihre Großmutter es getan, so hat sie es doch verstanden, Ihnen Wertvolleres beizubrin gen, wie man nämlich gut französisch redet!" „Und doch muß es Ihnen auflallen, daß Frank und ich eine recht fremdländische Aussprache haben!" Das allerdings nicht sehr luxuriöse Gabelfrühstück war mit so vortrefflicher Laune gewürzt, daß Fran cois vok RehniS es ausgezeichnet fand. Man muß «Mein in einem fremden Lande reisen, dessen Sprache Atan nur unvollständig reden kann, um den ganzen Wert einer aufrichtigen und herzlichen Gastfreundschaft schätzen zu können, wie jene es war, welche Luch und ihr Bruder dem Grafen boten. Wenn Frank etwa» Zurückhaltung und Stütz in seinem Wesen gegen.den ßpemden an den Tag legtt, so folgte das junge Mäd chen darin nicht seinem Beispiele. Luch würde sich wett höheren Persönlichkeiten, als dem Grafen Reynls, gegenüber ^o.-rz gemütlich und unbefangen gegeben haben, wie sie wa^. Sie nahm seine Huldigungen wie etwas ihr Gebührendes entgegen. ES liegt im Charakter der amerikanischen Frauen, sich alle ein wenig Königinnen zu fühlen, und wenn sie ihre Herr schaft mit anmutiger Grazie zur Geltung bringen, ohne sie allzu sehr fühlen zu lassen, kann man ihnen im Grunde genommen nur zu Dank verpflichtet sein. Nach dem Gabelfrühstück nahmen die drei jungen Leute aus der von einer dichten Wand wtlden Weines vor jedem Sonnenstrahl geschützten Veranda Platz. Sie blätterten in alten, vergilbten, staubigen Familien papieren, we'che mit einiger Mühe vom Dachboden heruntergeholt mordest waren. Seit Jahren hatte keine Menschenseele den Einfall gehabt, die tiefe Ruhe zu stören, in welche jene alten Schriften vergraben lagen. Die ursprüngliche Abstammung der Familie sing an, von allen, ja von den Reynis vielleicht am meisten, vergessen zu werden, so sehr fühlten sie sich.alS Ame rikaner. Trotzdem existierten die Stammbäume m:S ver blichenen Marquis doch noch, sie waren in vollster Ordnung. „Map glaubte bei uns zu Hause, daß die ältere Linie längst ausgestorben sei, nun aber, nachdem wir gewissenhaft die Geburtsmatrikeln, die Taus- und Trail- scheine geprüft haben, von deren' Vorhandensein ich keine Ahnung besaß, läßt sich absolut kein Zweifel mehr hegen, daß Sie der eigentliche Ehester Fa milie sind, und ich gebe Ihnen den Titel,Xwelcher Ihnen gebührt, Herr Marquis." Francois erhob sich und verneigte sich tief vor dem neugewonnenen Vetter. „Herr Marquis! Herr Marquis!" rief Luch ver gnügt, indem sie in die Hände klatschte, gleich einem frohgemuten Kinde. „Tas ist zu komisch. Du, mein Frank, du, der du Bücher bet Sharp und Cloud ver läufst, ku, der du das Französische wett weniger be- herrslhst, du bist ein regelrechter MargpiS! Ganz ab- fcheulrch finde ich es nur, daß ich schlankweg Fräulein von Rehnts genannt werde, auch ich füllte eines Titels bedürfen, das müßte meinen kleinen Arbeiten er- yöhten Wert verleihest!" „ES gibt Wohl ein Mittel, Marquise zu werden!" „Ich weiß, natürlich, wenn ick einen MarqutS hei rate! Man sagt mir, daß die Amerikanerinnen auf dem Pariser Platz ganz außerordentlich gesucht seien, aber nicht jene, welche mit leeren Händen kommen." Und sie hielt ihm ihre langen, feinen, schmalen Finger vor die Augen, als wolle sie ihm dartun, daß diese nichts in sich bergen. Die betten Männer plauderten rauchend, und Luch sing an, einige Veilchen, die anscheinend lose auf den Tisch oeworfen worden waren, in Aquarell zu malen. Man kam rasch überein, daß Francois seine neuen Verwandten zu einer Tennispartie begleiten sollte, welche bei Nachbarn stattsand. Anfangs hatte er sich geweigert, dann aber mutete ihn die Aussicht, allein m. das Hotel zurückkehren zu sollen, wenig an, und als Luch ihm die Versicherung gab, daß er bei Yen alfen Freunden ihres Vaters gewiß willkommen sein werde, konnte er seine Zustimmung nicht verweigern, sprach aber dringend: „Ich bitte Sie nur, den Titel fallen zu lassen." Luch warf ihm spöttisch einen raschen Blick zu. „Fürchten Sie nichts, Herr Vetter! Herr Lewell nno ferne retzenven Töchter werden sich von einer Grafe, kröne nicht blenden lassen. Sie scheinen nicht zu wissen, daß Herr Lewell ein Poet von Gottes Gnaden, ein geistreicher und wenigstens bei uns ein berühmter Mann, bereits an mehreren europäischen Höfen Gesandter gewesen ist. Man spricht jetzt da von, ihn nach Frankreich zu schicken, und Sie können sich vorstellen, baß er hinreichend an Titel und Per- iünl-ckkeiten gewöhnt ist, um auf dem Fuße der Gletch- berechtigu>'g mit wem immer zu Verkehren!" Francois von Rchnis errötete. „Verzeihen Sie, Kusine, ich komme mir sehr lächerlich vor; das ist die Folge, wenn man zu sehr glaubt, was unsere französischen Reisenden unS er zählen. Ihr großer Malm hat wohl mehrere Töchter?" „Dren Die Aelteste ist verheiratet, die beiden anderen sind meine intimen Freundinnen, besonder» die jüngste, welche gleich mir gerade zwanzig Jahre alt ist. Ich finde sie ein reizendes Geschöpf, meins Freundin Lilian Lewell, und sie ist so hübsch! Geben Sie nur acht, daß Sie sich nicht in sie verlieben!" Francois überraschte einen neckisch-boshaften Blick, den die Schwester dem Bruder zuwarf, der momen tan, wie es den Anschein hatte, emsig damit beschäf tigt war, seine erloschene Zigarre in Brand zu stecken. Ler junge Franzose konnte seiner Verwunderung gar nicht Herr werden! War es denn denkbar, daß der Angestellte eines Geschäftshauses sein Augenmerk auf ein jnnges Mädchen richten konnte, das gesellschaft lich so hoch über ihm stand? Im Grunde genommen, warum nicht, da Luch sich die intime Freundin Fräu lein Lewells nannte; all das erschien ihm aber sehr fremdartig und sonderbar. Nachdem Frank seine Zigarre endlich angezündet, brachte er das Gespräch in eine andere Richtung. „Erinnern-Sie sich doch, daß Sie uns versprochen haben, uns unsere Verwandten von jenseits ve» Ozeans vorzusühren, und beginnen Sie mit sich selbst und den Ihren, ich bitte Sie recht herzlich darum." „Tas wird keine lange Arbeit sein. Unsere Fa milie ist seit den letzten Generationen sehr zusammen geschmolzen; ich habe meinen Vater gar nicht ge kannt. Meine Mutter ist jung zur Witwe geworden! und hat sich zu einer Wiedervennählung niemals ent- schließen können. Sie widmete sich einzig und allein der Aufgabe, mir eine Stellung in der Welt zu schassen. Sie lebte still und zurückgezogen auf dem Lande, von Jahr zu Jahr Ersparnisse zurücklegend, erstens um zahlreiche Schulden zu begleichen, mit denen unsere Güter belastet waren, dann, um mir ein bescheidene» Vermögen zurückzulegen. Meine Mutter ist eine ganz ausgezeichnete Frau, gut, sein in ihren Empfindungen und von jener Pflichttreue, die in unserer gewissenlosen Zeit Pedanterie genannt wird. Die steten Entbeh rungen, welche sie sich opsermüttg auserlegte, haben thr aber einen etwas engen Gesichtskreis geschaffen und vor allem thr eine allzu große Wertschätzung oeS Geldes eingeflößt. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß sie für mich nur von einer reichen Heirat träumt; wir verstehen uns in diesem Punkte ganz und aar nicht, ebenso wenig wie in einem andern, vielleicht noch wichtigeren. Sie ist in tiefster Seele Royalistin geblieben und verabscheut das modern« Frankreich, während ich — nun, ich bin eben an der; Seite von Bürgerlichen, zum großen Teil Republi kanern, herangewachsen, die ehrgeizige, strebsame Ar beiter gewesen sind und den festen Entschluß befaßen, ihren Meg im Leben machen zu wollen. Ich hätte ihr Beispiel am liebsten nachgeahmt und hatte dabei die Empfindung, als ob ich in der Umgebung meiner armen Mutter ersticken müsse. Ohne eS zu wollen, rief ich stets ihr Entsetzen wach. Nachdem ich mein« Militärdienstzeit beendet hatte, beschwor ich sie, mir zu gestatten, daß ich meine juristischen Studien voll ende, welche ich mit ihrer Billigung begonnen hatte. Ich wollte in die Kanzlei meines Oheims Brandossay etntreten, aber ick stieß auf so beharrlichen Widerstand, daß ich endlich, des Kampfes müde, meinem Wunsch« entsagte; seither sind fünf Jahre ins Layd gegangen. Das Pariser Leben ermüdete mich nach und nach, da ich es in so vollen Zügen genossen. Ich faßte den Entschluß, eine Weltumsegelung zu unternehmen. „Wie ist denn Ihr Onkel, der Advokat?^ . ! «sryetzmm wlgt. M«k«t« lies«! ivl Mk