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Der „Fetzen Papier". Im Herbst vereinbart, — km Frühjahr zerrisse»: In würdiger Ruhe und Sachlichkeit hat unser Wortführer Graf Brockdorfs-Rantzau am Mittwoch zu Versailles gesprochen, aber dabei in der höflichsten Form den Gegnern Sine bittere Wahrheit vorgehalten. Eine Wahrheit von grundlegender, entscheidender Be deutung: daß sie mit ihren sog. Friedensbedingungen Len Vertrag brechen, den sie iin November v. I. eingegange» sind. ' » Weich' eine Entrüstung hat man erregt, als Bcth- man-Hollweg am 4. Slugust 1914 erklärte, wir mühten trotz dem Neutralitätsvertrage in Belgien einrücken. Wie hat man gescholten und schilt noch heute über Len Frevel, einen Vertrag wie einen „Fetzen Papier" zu behandeln! Aber was tun jetzt die alliierten und assoziierten Negierungen?. Dasselbe unter noch schlimmeren Umständen. Damals handelte es sich um ein altes Abkom men von KO Jahren: jetzt wird ein Abkommen ge brochen, das kaum ein halbes Jahr alt ist und das nicht von Vorfahren unter anderen Verhältnissen ge- trosferi war, sondern von denselben Männern, die jetzt ihr Wort l rechen. Am 5. November 191K imirde uns von Lansing im Namen Wilsons kundgetan, daß die Verbündeten mit den 14 Punkten (vorbehaltlich von zwei Abweichungen) einverstanden seien. Diese L4 oder wenigstens 12 Punkte bildeten demnach die vereinbarte Grundlage für die Friedensbcdingungen, bindend für beide Teile. Von deutscher Seite ist in Wort und Tat fortgesetzt die volle Treue be kundet worden gegenüber den Opfern, die uns die an erkannten Grundsätze Wilsons auferlegen. Von der anderen Seite aber hat man den Vertrag, nachdem wir im Vertrauen aus ihn die Waffen gestreckt hatten, Ivie einen Fetzen Papier behandelt. Tie grausamen, gierigen und vernichtenden Bedingungen, die jetzt be kannt gegeben sind, stehen zu allen 14 oder 12 Punk ten in schreiendem Widerspruch. In der Sitzung, wo uns diese entsetzliche Vergewaltigung feierlich zu- gemutet wurde, ist die grundlegende Abmachung vom ..November in Fetzen zerrissen worden, und Präsi dent Wilson wohnte der Hinrichtung seines Friedens- Programms ruhig bei. Bethman-Hollweg erklärte im August 1914 offen, daß gegen Belgien ein „Unrecht" geschehe: die En tente aber hält es für recht, die Abmachung vom November zu brechen. > Wir haben uns damals auf die Notlage berufen, «tn der sich das von zwei Seiten angegriffene Deutsch land befand. „Not kennt kein Gebot." Befinden sich unsere Gegner jetzt vielleicht in einer Notwehr, die als mildernder Umstand gelten könnte? Im Gegenteil: sie haben den vollen militärischen Sieg errungen, und Deutschland ist so wehrlos geworden, wie kaum jemals ein unterlegenes Volk. Tie Gegner können alle ihre berechtigten Interessen und sogar noch eine ganze Reihe von weniger berechtigten Wünschen vollauf befriedigen, wenn sie die vereinbarten Grund sätze innehalten. Aber sic lassen sich durch Rach sucht und Beutegicr Hinreißen zum Bruch des Ab kommens, auf das hin ivir die Waffen gestreckt haben. Wer hat den Sieg errungen? Die Amerikaner mit ihren Massen von Soldaten und Kriegsmaterial. Und wer diktiert die grausamen Friedensbedingungen? Tie Franzosen, die aus eigener Kraft nichts erreichen konnten. Der Fetzen Papier, der von ihnen zerrissen wird, ist ein amerikanisches Aktenstück, eine Selbsd- fchrift ihres Präsidenten. Der Vertragsbruch ist nicht nur ein Unrecht gegen Deutschland, sondern auch eine Ehrenkränkung zugute Wilsons und der Vereinigten Staaten. Sollte das Ehrgefühl nicht schließlich doch wieder erwachen? Und sollte nicht das Rechtsge fühl in den anderen Nationen zum Durchbruch kommen? Das wird sich zeigen müssen, wenn unsere Ver treter in Versailles gegenüber den grausamen und unerträglichen Forderungen sich auf das Wilsonsche Pro gramm berufen, das am 5. November von beiden - Teilen als bindend angenommen worden ist. Von Lem Ausgang dieses Ningkampfes zwischen Gemaltfrie den und Rechtsfrieden wird nicht nur das Schicksal Deutschlands, sondern das Schicksal der ganzen Welt abhängen. Der Vertragsbruch, zu dem wir im Jahre 1914 gegenüber Belgien uns genötigt erachteten, hat nicht zu dem erstrebten Ziel geführt. Der Vertragsbruch, Ler jetzt in Versailles durchgeführt werden soll, würde sich ebenfalls als eine verfehlte Maßregel erweisen. Vielleicht kann die Gewaltpolitik das Verderben von Deutschland erreichen; aber einen gesicherten Welt frieden gibt es auf diesem Wege nicht, und ebenso wenig einen dauerhaften Segen für die Völker, die sich von Größenwahn und Habsucht verleiten lassen. Anrecht Gut gedeihet nicht! b'. di. Politische Rundschau. — Das bisherige Pressereferat in der Reichskanzlei soll zu einer selbständigen Abteilung ausgebaut werden, an dessen Spitze ein Ministerialdirektor steht. — Eine VcrtrauenSmännerversammIung des Allgemei nen Eiscnbahncrverbandes in Berlin lehnte das Eintrü- ten in einen Eiienbahnerstreik in Hinsicht aus die daraus entstehenden außerordentliche» Schäden der Allgemeinheit in der jetzigen Zeit entschieden ab. — Die oldenburgische Landtagsmehrheit hat sich gegen eine Bereinigung Oldenbrugs mit Bremen erklärt. — Nach einer Meldung der „Polnischen Telegraphen- Agentur" fand am 7. Mai in Posen die Eröffnung der polnischen Universität statt. — Wilson hat den Kongreß zu einer Sondersitzung auf den 10. Mai zusammenberujeu. — Reichspräsident Friedrich Eberl konnte am Freitag das Fest der silbernen .Hochzeit begehen. Tie Ehe wurde am 9. Mai 1K94 in Bremen geschlossen. :: Ter Hanshaltsausschuß der deutschen National versammlung genehmigte in seiner letzten Sitzung den Etat des Reichspräsidenten, dein ein jährliches Ge halt von 100 000 Mark und für sachliche Ausgaben 500 000 Mark.- zugesprvchen wurden. Allgemein wurde die Ansicht vertreten, daß Einzelbcgnadigungen durch den Reichspräsidenten, "allgemeine Amnestien aber nur durch die Nationalversammlung erlassen »verLen dür fen. Bei der Beratuna des Etats für das NeichS- ministerium erklärte ein Rsgterungövertreter, daß die Frage der Ruhegehälter für die Minister zurzeit in der Reichsregierung behandelt würde und ein Entwurf in Vorbereitung sei, ob und in welcher Weise Ruhe gehälter gewährt würden. Allgemein wurde verlangt, daß die politischen Minister keinerlei Nebenbeschäf tigung ausüben dürfen Der Antrag der Deutsch- nationalen auf Herabsetzung der Austvandsgeleder wurde abgelehnt, dagegen wurde beschlossen, daß künf tighin nur 10 000 Mark Mietsentschädtgung gcgeir- über bisher 20 000 an Minister bezahlt werden sol len, für den Fall, daß Dienstwohnungen nicht zur Verfügung ständen. Auf eine Anfrage des Abg. Dr. Rießer erklärte Ministerpräsident Scheidemann, daß der Gesetzentwurf für den Staatsgerichtshof in Vorbe reitung sei. :: Bessere Behandlung deutscher Gefangener in England. Aus dem Gefangenenlager Oswesthh in Eng land, in dem deutsche Offiziere untergebracht sind, waren schon mehrfach. Beschwerden über schlechte Be handlung und sonstige Nebelstände nach Deutschland gedrungen. Die deutsche Kommission in Spaa hat daraufhin bei der englischen Kommi sion Beschwerde er hoben und am 4. Mai von den Engländern die Ant wort erhalten, daß die von ihr gerügten Zustände abgestellt seien. Eine weitere Verbesserung der Ver pflegung binnen kurzem ist in Aussicht gestellt wor den. Aus diesen Zugeständnissen dec Engländer geht unwiderleglich hervor, daß in diesem Lager tatsäch lich schwerwiegende Uebelstände bestanden haben, deren Beseitigung erst dem energischen Eingreifen der deut schen Kommission in Spaa zu danken ist. :: Tas Luxemburger Abkommen. Die Versailler Konferenz erledigte die Streitfragen bezüglich des Lu xemburger Abkommens. Frankreich wird die Verpflich tungen erfüllen. Wir erinnern daran, daß cs sich hierbei um die Lieferung von Koks und anderen Pro dukten seitens Deutschlands handelte, während Frank reich Saarkohle und Minetteerze zugesagt hatte, sein Versprechen aber nicht hielt. :: Die Einteilung Groß-Berlins. Der Entwurf eines Gesetzes über die Gemeindeverfassung Groß-Ber lin ist jetzt veröffentlicht worden. Nach ihm wird das künftige Groß-Berlin aus 10 Stadtkreisen bestehen, die außer Berlin 71 Gemeinden und Gutsbeztrke in sich aufnehmen. :: Deutscher Protest gegen die Ausschiffung von Kriegsmaterial in Danzig. Nach amtlichen Mitteilun gen Will die amerikanische Lebeusmittelkommission für Polen in Danzig außer Lebensmitteln auch SanitätS- matermi, Automobile, Gummibereifungen, Nähmaschi nen, Bekleidungsstoffe, Werkzeuge und anderes für die polnische Armee bestimmtes Kriegsmaterial in er heblichem Umfange über Danzig nach Polen transpor tieren. Ohne deutsche Genehmigung sind einige Trans porte bereits n ach Polen abgegangen. Dieses Verhal ten widerspricht sämtlichen getroffenen Vereinbarun gen. Die deutsche Regierung hat in einer an die Alliierten gerichteten Note hiergegen nachdrücklich pro testiert. Im Spaaer Abkommen ist für den Nachschub der Armee Hailer ausdrücklich Stettin als Ausschif- sungshafen bestimmt worden. Tie deutsche Regierung wird die weiteren Ausschiffungen in Danzig verhin dern. :: Tie iüncren finanzielle» Fragen Deutschlands. Eine der ersten inneren finanziellen Fragen ist wohl die, ob die Jnterventionspolitik für Kriegsan leihen einige Aenderungen erfahren muß, nachdem die Reichs- und Staatseinnahmen angeblich in erster Linie für die feindlichen Ansprüche haften und dem gegenüber den annektierenden Staaten die Staats schuld suksessiert und nicht auch die Kriegsschulden, sondern nur den Stand vom 1 Juli 1914 umfassen. Wahrscheinlich wird man amtlicherscits mit einer plan mäßigen Aenderung mindestens so lange warten wol len, bis der Wortlaut der Bestimmungen in Berlin vorliegt und überdacht ist, unter Umständen sogar, bis das Ergebnis der nunmehr einsetzenben Verhand lungen vorliegt. :: Tie »eucn Rekchssteuern. Wie eine politische Korrespondenz erführt, werden in nächster Zeit die jetzt sertiggestellten Neichssteuergesetzesvorlagen veröf. sentlicht werden, die der Nationalversammlung in Kürze zur Beratung zugehen Zu den zur Veröffent lichung gelangenden Entwürfen gehören die beiden umgearbeiteten KriegSsteuergesetzenNvArfe, Lie Erv* fchastsstenervorlage mit Nachlabsteuer und Schenkungs steuer, die Tabak- und Zuckersteuer, ein Entwurf über Besteuerung von Leuchtmitteln und Zündhölzern, eine Grundwechselabgabe. Tie Vorlage Über eine Reichs einkommensteuer soll sich unter den zu veröffent lichenden Entwürfen noch nicht befinden. :: Eine Reichseisenbahnkonferenz findet am Diens tag, den 13. Mat d. I., in Eisenach unter der Leitung des preußischen Ministers der öffentlichen Arbeiten statt, um über die Bedingungen der Uebernahme der Eisenbahnen der Einzelstaaten durch bas Reich und die Feststellung der zu zahlenden Entschädigungen zu verhandeln. Beteiligt sind sämtliche deutsche Län der nnt Eisenbahnbesitz, also Preußen, Bahern, Sach sen, Württemberg, Baden, Hessen, Mecklenburg, Schwe rin und Oldenburg. :: Beitritt der Gewerkschaften zur Liga fiir Böl* kcrbnnv. Tie Generalkommission der freien Gewerk schaften Deutschlands und der Gesamtverband der christlichen Gewerkschaften Deutschlands sind der Deut schen Liga für Völkerbund kvrpvrativ beigetreten. Tie Strvfikrnft der Völkerbundbcwegung in Deutschland hat durch diesen Beitritt außerordentlich an Stärke gewonnen. Tie Einleitung deutscher Gegenvorschläge. lieber das Verbleiben . der deutschen Kriedens- delegation in Versailles sind noch keinerlei Bestim mungen getroffen worden. In DelegationSkreisen neigt man der Ansicht zu, daß ein Teil der Delegierten nach Berlin fahren soll, und daß schriftliche Ein wände, die in französischer und englischer Sprache eingereicht werden müssen, dort zusammengestellt wer den. Am zweckmäßigsten ist es, Artikel mit Artikel zu beantworten. Die Lage des Wirtschaftslebens. Im Anschlusse an die Wirkungen des Streiks be handelte die Berliner Wochenschrift „Der Motoren- markt" die gegenwärtige Lage unseres Wirtschaftslebens. Es heißt da u. a.: Die Marktlage ist zur Zeit äußerst günstig. Das Herz lacht einem im Leibe, wen» inan sieht, mit welch unverwüstlicher Tatkraft unsere Unternehmer in allen Branchen sich in die Stränge werfen, um den verfahrenen Karren wieder flott zu machen! Wenn nur am anderen Ende des Karrens nicht so unendlich viele eifrig dabei wären, ihn noch tiefer hinein zu ziehen. Die Neu-Gründungen aller Art treiben einen Bedarf an Biotoren hoch, wie man ihn noch nie ge sehen hat. Dazu komme« die Erweiterungen bestehen der Betriebe, deren Umgestaltung auf Grund all der Unmasse Erfahrung, die im Laufe der Kriegsjahre mit ihrem regeren Denkprozeß gesammelt worden ist. Ein neues anregendes Moment zeigt sich übrigens stellenweise wirksam. Jeder Unternehmer ist ängstlich bemüht, jede irgendwie vermeidliche Menschen kraft a u s z u s ch a l te n, damit seine Arbeiterzahl möglichst niedrig gehalten werde. Der Geist, der die Arbeiterschaft erfaßt hat, der unseren Prodnktious- Prozetz so arg verwüstet, läßt die Bemühung entstehen, möglichst viel Arbeiter durch Maschinen zu ersetzen. Bei den Mittel-Betrieben kommt noch eine besondere Spielart dieser Ansicht hinzu. Man will möglichst die Grenze vermeiden, bei der die Bildung von Be- triebsrüten vorgeschricben ist. Nach de» Erfah rungen l» Rußland befürchtete man aus ihnen erneute Anregung für endlose zeitranbende Rederei, Vermeh rung der Versammlungen in der Arbeitszeit und in Anknüpfung darau vorhergehende und nachfolgende Debatten be: der Arbeit; alles Erscheinungen, die die ohnehin so niedrige Leistung hcrabmindern müßen. Rundschau im Auslände. Ungarn: Tic WaffcnstillstandsbcLingnngen für Nnga «. * Auf ein Ersuchen der ungarischen Räterepublik um Waffenstillstand hat der rumänische General Marderescu den Entwurf eines Uebereinkommens übermitteln lassen, wel ches die sofortige Entwaffnung und Abrüstung aller den Rumänen gegenübcrstehenden ungarischen Streitkräfte, die spätere Entwaffnung aller anderen ungarischen Streit kräfte, die Uebergabe alles Kriegsmaterials nebst Schiebbe darf und Lebensmitteln und des gesamten Eisenbahnmato- rials, welches im Frieden zwischen Theiß und der ehemali gen ungarisch-rumänischen Grenze verkehrte, und deS in Rumänien erbeuteten EiscnbahnmaterialS, endlich von Schiffsmaterial, Panzerzügen und Kraftwagen vorsteht; fer ner sollen sämtliche Kriegsgefangene und bürgerliche Geiseln und die von den zurückgehenden ungarischen Truppen weggs- fiihrte Bevölkerung binnen zehn Tagen nach Unterschrift deS Uebereinkommens auSgeliefcrt werden. Frankreich: Tie Ohnmacht der französischen Sozialist««. ; Die Kammer behandelte dieser Tage die sozialistisch«! Interpellation über die Vorfälle vom 1. Mai. Ms der Minister des Innern die Tribüne betrat in Vertretung des durch die Beratungen der Friedenskonferenz behinder ten Ministerpräsidenten, verliehen die Sozialisten als Zei chen des Protestes den Saal. Die Kammer nahm mit 3öS gegen eine Stimme eine Tagesordnung an, die der Regie rung das Vertrauen ausspricht. Snvafrika: Ei« ««abhängiges Südafrika. k Die Abordnung, die die Forderungen der südafrika nischen Nationalisten auf der Friedenskonferenz vertreten soll, ist. in der französischen Hauptstadt eingetroffen. Die r gen Führ, der i danke gekröi für d Reich, finan^ Siche» als a chung, der üs treten kanzle D«re Unal Kap- Veste ncten inende Der L mutzte, von dl der V rosität Pflicht ins Gr tast al ohne ! 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