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mehr nach Gelahrtheit“. Für das Finale wählte Einstein als dichterisches Gegenstück Platens ergreifende Zeilen: „Wer die Schönheit angeschaut mit Augen, ist dem Tode schon anheimgegeben/ ‘ Musik von Mozart: lebendig und gegenwärtig zu jeder Zeit, erfüllt von fortwirkenden Kräften, der sich die Meister der Gegenwart nicht verschließen können. Ihr Bekenntnis heißt ,,Musik um Mozart“, und damit rundet sich der Kreis des heutigen Abends. Gottfried Schmiedel Einführungsvorträge: Gottfried Schmiedel LITERATURHINWE ISE Friedrich Herzfeld: „Musika nova“ (Ullstein-Verlag, Berlin, 1954) Horst Seeger: ,,W. A. Mozart“ (Deutscher Verlag für Musik, Leipzig, 1956) Alfred Einstein: ,,Mozart“ (Pan-Verlag, Zürich, 1953) VORANKÜNDIGUNG 25-/26. Dezember 1959, jeweils 19.30 Uhr 2. Außerordentliches Konzert Gastdirigent: Prof. Nikolai Anossow, Moskau S. Rachmaninow: 1. Sinfonie d-Moll F. Schubert: 4. Sinfonie c-Moll R. Strauss: Don Juan Freier Kartenverkauf! Nächstes Anrecht-B-Konzert 16./17. Januar 1960! KRITIK DER KRITIK Durch viele Beschwerden unserer Zuhörer über erfolgte Kritiken, mit denen man nicht einverstanden ist, angeregt, möchten wir unseren Freunden von Zeit zu Zeit eine „Kritik der Kritik“ geben, entgegen der Auffassung des englischen Dichters Oscar Wilde, der es „als das 'größte Glück des Kritikers bezeichnete, selbst, nicht kritisiert werden zu können“. Mit diesem Glück, das sich bei Musikjournalisten — nicht zu verwechseln mit Musikwissenschaftlern — bis zur Überheblichkeit steigert, möchten wir einmal brechen. Man verstehe uns recht, wir schätzen und beachten jede hel fende Kritik, lehnen aber unsachliche Äußerungen eines einzelnen Herrn ab. Heute wollen wir uns .mit zwei Berichten der „Union“ vom 18. 9. 1959 (Symphoni scher Auftakt) und vom 25. 9. 1959 (Auch die Philharmonie hat begonnen) beschäf tigen. In dem Bericht vom 18. 9. 1959 über ein Konzert der Staatskapelle lesen wir: „Und dennoch konnte man an diesem Abend nicht ganz froh werden. Ohne Schuld des Orchesters oder des Dirigenten fehlten manche, an anderen Stellen gewohnten positiven Eindrücke: der Glanz, die Geschlossenheit des Klangbildes, die Feinheiten im Piano. Es sei wiederholt: Ohne Schuld der Interpreten, son dern eine Folge der akustischen Verhältnisse des Raumes, in dem gespielt wer den mußte.“ Das überrascht mich und die Mitglieder der Philharmonie. Bisher lasen wir bei Berichten über unser e Konzerte in der „Union“ sehr oft: „— das Blech wiair zu laut — der Dirigent ging in die vollen — die Pianokultur ließ zu wünschen übrig —.“ Wenn also die Staatskapelle im Kongreßsaal konzertiert, ist sie ohne Schuld — ist nur die Akustik schuld —, wenn aber in unseren. Konzerten die Wün sche des Berichterstatters nicht erfüllt werden, haben die Philharmoniker hingegen allein die Schuld. Diese Logik verstehe wer will — wir nicht. In dem Bericht vom 25. 9. 1959 lesen wir: „Ist eine stiäechte Wiedergabe (4. Brandenburgisches Konzert von Joh. Seb. Bach) aber nicht möglich, so meinen wir, sollte man auf eine solche Programmniummer verzichten. Die chinesischen Freunde könnten diese Art der Wiedergabe sonst etwa für authentisch halten.“ Wir sind genau der entgegengesetzten Auffassung und vertreten den Standpunkt des bedeutenden Bachforschers Prof. Albert Schweitzer, daß jedes Mittel zur Verbrei tung der Werke Bachs zu rechtfertigen ist. Durch den Fortfall des Cembalos in China wird in keiner Weise dem Geist des Werkes Abbruch getan. Seien wir ehr lich: Hat irgendein Zuhörer in der 3. Bachsuite die Stütze eines Cembalos über haupt empfunden? Wir, die wir ganz in der Nähe des Cembalos musizierten, haben dieses kaum vernommen. Man kann also doch nicht von einer „Stütze“ sprechen. Für kleine Säle mit 50 bis 200 Sitzplätzen ist ein Cembalo geeignet, aber nicht für Säle in China, wo wir mit 2000 bis 5000 Zuhörern rechnen. Wir wüßten nicht, daß Wilhelm Furtwängler in Berlin in der großen Philharmonie einmal ein Cembalo als „Stütze“ verwandt hat. Weiter lesen wir unter dem 25. 9. 1959 in der „Union“, daß sich in idem Klavierkon zert von Prokofjew Lisztsche Brillanz mit urgesundem Russentum und einigen moderen Zügen zu einem vehementen Ganzen verbunden hat. Wir bitten den Be richterstatter der „Union“, daß er uns konkret klarmacht, worin das Charakteri stische einer Lisztseben Brillanz in dem 1. Konzert von Prokofjew liegt. Wir Musi ker jedenfalls haben keine entdeckt, es ist em echter, junger Prokofjew, der mit Liszt aber auch nichts gemeinsam hat.