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Musik um Mozart Werner Trenkner wurde 1902 in Calbe an der Saale (bei Magdeburg) geboren. Abitur in Merseburg. Dort bereits mit 16 Jahren Domorganist. Studium der Musik am Konserva torium Leipzig und an der Staatlichen Hochschule für Musik in Weimar. Zu gleicher Zeit musikwissenschaftliche und philosophische Studien an den Universitäten Halle und Leipzig. Trenkner schuf sich als Komponist, Dirigent und Pianist einen geachteten Namen. Gast dirigent der Berliner und Münchner Philharmoniker, desgleichen an vielen deutschen Sendern. Von 1939 bis 1951 GMD in Oberhausen. Seit 1952 lebt Werner Trenkner allein seiner kompositorischen Arbeit. Sein Gesamtwerk umfaßt Orchesterwerke, Konzerte, Lieder und Kammermusik, ein Requiem und zwei Opern. 1933 wurde der Komponist mit dem Berliner Mendelssohn-Preis ausgezeichnet. Die ,,Variationen“ über ein Thema aus Mozarts ,,Zauberflöte“ für Orchester erschienen 1934 als opus 19 im Druck. Das Thema ist so bekannt, daß es neben der ,,Kleinen Nachtmusik“ wohl zu den populärsten aller Mozart-Themen gehört. In den 11 Variationen spüren wir die erfahrene Hand des langjährigen Orchesterdirigenten. Trenkner geht ganz von Mozart aus und hat nicht den Ehrgeiz, ein völlig neues Klangbild zu malen. Das Thema bleibt zu erkennen. Die Musik ist harmonisch farbig und verläßt nie den Boden der Tonalität. Kon trapunktische Künste (3.Variation), rhythmische Varianten (6. Variation) und thematische Koppelungen (9. Variation) drängen sich nie in den Vordergrund, sondern bleiben Teil der Musik. Nach einer glanzvoll gesteigerten Coda verklingt die Musik, die aus ihrer großen Liebe zu Mozart kein Geheimnis macht, mit dem Thema in der Originalgestalt. Es war im Jahre 1945, als der englische Komponist Benjamin Britten seine „Variationen und Fuge über ein Thema Purcells“ als opus 34 veröffentlichte, ursprünglich als Begleitmusik zu einem Kulturfilm über die „Instrumente des Orchesters“ geschrieben, später als Orche sterwerk (mit oder ohne Kommentare) für den Konzertsaal bearbeitet, eine praktische „Einführung“ in das Orchester. Dieser großartige Versuch blieb leider ein Einzelfall, bis der Dresdner Johannes Paul Thilman, den Hörern der Philharmonischen Konzerte seit Jahren durch laufende Aufführungen seiner Werke bekannt, 1956 einen ähnlichen Plan faßte und ausführte. Er komponierte sein „Spiel mit Mozart“ (Varianten über ein Mozart- Thema“ und widmete das reizende Werkchen dem Orchester der „Hochschule für Musik Carl Maria von Weber“ in Dresden. Als Vorwort der Partitur schrieb der Komponist: „Das ,Spiel mit Mozart' ist für jugendliche und auch für noch nicht mit dem Orchester vertraute Hörer geschrieben. Ein Mozartsches Thema aus der Sonate für Klavier, KV 547 a, von Wolfgang Amadeus Mozart dient dazu, um zunächst die einzelnen Orchester grupp en (Streicher, Holzbläser, Blechbläser) und darauf das gesamte Orchester vorzuführen. Anschließend werden aus diesem Thema bestimmte Varianten entwickelt, um jedes Orchesterinstrument einzeln vorzustellen. So sind Flöte, Klarinette, Oboe und Fagott zu hören. Dann werden die Holzbläser nochmals zusammen gefaßt. Dasselbe geschieht mit Horn, Trompete, Posaune und Baßtuba. Auch hier schließt ein Blechbläserensemble diese Reihe ab. Harfe und Klavier werden ebenfalls auf diese Weise gezeigt. Zuletzt werden noch Violinen, Violen, Violoncelli und Kontrabässe dem Hörer nahegebracht, worauf sich eine kurze Fuge in den Streichern und Holzbläsern entwickelt, die in den vollen Orchesterklang einmündet. Das Werk hat ausschließlich lehrhaften Charakter. Es ist besonders für Schulkonzerte gedacht, wird aber auch darüber hinaus Interesse finden.“ Zu den Variationen Trenkners treten die Varianten Thilmans, zusammen mit den Metamorphosen Blachers ein interessanter und wesentlicher Beitrag zum Thema „Mozart in unserer Zeit.“ Boris Blacher gehört zu den eigenwilligsten Erscheinungen und markantesten Köpfen der zeitgenössischen deutschen Musik. 1903 in China als Sohn baltischer Eltern geboren, stu dierte Blacher (seit 1922 in Berlin) Architektur und Musik, arbeitete zeitweilig als Operetten arrangeur und Kino-Pianist (bezeichnend seine Liebe zum Tanz und zum Jazz), wurde 1938 Lehrer für Komposition am Konservatorium Dresden, doch die Nazis ächteten ihn und seine Musik, vor allem nach dem Sensationserfolg seiner „Concertanten Musik“, die 1937 von Carl Schuricht und den Berliner Philharmonikern ui aufgeführt wurde. 1953 wurde Blacher Nachfolger Werner Egks als Direktor der Hochschule für Musik in Berlin-Charlot tenburg. Blacher ist ein vielseitiger Komponist, der meint, daß die zukünftige Entwicklung der Musik vor allem auf dem Gebiete des Rhythmus liegt. Blacher ist sparsam in der Anwen dung aller künstlerischen Mittel, oft asketisch streng, geistbetont, groß in der Kunst der Aussparung, logisch, unpathetisch und in der Durchsichtigkeit des Klangbildes durchaus an Mozart ausgerichtet. Es war also kein Zufall, daß Blacher im Mozartjahr 1956 unter dem Titel „Hommage ä Mozart“ Metamorphosen (Verwandlungen) über eine Gruppe von Mozart-Themen kompo nierte, ein Werk in Mozartscher Besetzung von nur etwa sieben Minuten Dauer. Und es war zum zweiten kein Zufall, daß Blacher dabei in der Hauptsache auf den Wunderbau des Finalsatzes der „Jupiter-Sinfonie“ zurückgriff. Dieser Satz bildet eine fast einmalig zu nennende kunstvolle Verschmelzung von Fugen- und Sonatenform. Johann Nepomuk David hat nachgewiesen („Die Jupiter-Sinfonie“, Deuerlichsche Verlagsbuchhandlung Göttingen, 1953), daß sich dieses Finale aus einem einzigen cantus firmus von zehn Noten entwickelt, und zwar alle Haupt-, Neben- und Übergangsthemen. Zwei spritzig-geistvolle Allegro-Teile werden von drei Andante-Episoden getrennt und umrahmt, wobei das Thema des einleitenden Andante im zweiten Andante in der Umkeh rung erscheint. Die reizvolle Partitur in ihrer kaum zu überbietenden Konzentration und Prägnanz scheint gleichsam wie mit einem Silberstift geschrieben oder mit einem Griffel in Glas geritzt. Musik von Mozart : ;7) Das Klavierkonzert A-Dur (KV 488) wurde im März 1786 in Wien komponiert, zur Zeit, da Mozart am „Figaro“ arbeitete. In unmittelbarer Nachbarschaft entstanden die beiden Klavierkonzerte in Es (KV 482) und in c (KV 491). Das Konzert A-Dur ist einfach, leicht eingängig, und doch machte Mozart dabei keine Zugeständnisse an den Geschmack der damaligen Hörer. Der erste Satz ist ein Muster an Einfachheit und Klarheit. Der Wechsel zwischen Solo und Tutti ist vollendet ausgewogen. Und immer bewundern wir, wie sehr der Meister das Wesen der Grundtonart A-Dur trifft, deutet und durchleuchtet. Es ist ein lichtes, im besten Sinne heiteres Musizieren, das durch die Instrumentierung (ohne Oboen, Trompeten und Pauken) nachdrücklich unterstrichen wird. Und doch: auch in dieser Stimmung des gelösten und gleichsam schwebenden Musizierens fehlen nicht die Andeutungen des „anderen“ Mozart: ein paar harmonische Trübungen, ein Ausweichen nach fis-Moll, dem der zweite Satz unterstellt ist: Ein Siciliano, aber durchaus nicht rührend, liebenswert und kindhaft, sondern von tiefer Melancholie erfüllt, klagend, eine „untröstliche Resignation“ (Einstein). Nur ein Mozart vermochte es, nach diesem Herzstück des Kon zertes einen so frischen Finalsatz zu erfinden, einen menschlich so echt erfühlten Kontrast, ohne auch nur einmal in die Gefilde des Alltäglichen abzugleiten. Im Zeitraum von sechs Jahren komponierte Mozart jene sechs Sinfonien, die nach dem Ort ihrer Entstehung als „Wiener Sinfonien“ bekannt geworden sind. Zu ihnen gehört die „D-Dur-Sinfonie ohne Menuett“ (KV 405), vollendet am 6.Dezember 1786 in Wien, uraufgeführt am 19. Januar 1787 in Prag. Nach den vorausgegangenen Sinfonien in D-Dur, der „Pariser“ und „Haffner“-Sinfonie, wurde die „Prager“ die bedeutendste ihrer Schwe stern, ein wirklicher Höhepunkt der frühklassischen Sinfonik. Trotz ihrer Dreisätzigkeit ist die „Prager Sinfonie“ alles andere als eine „italienische Sinfonie“, wo bekanntlich die drei Sätze — gleich der italienischen Ouvertüre — ohne Pause nacheinander gespielt werden. Im Gegenteil: Das gesamte Werk wird von einer starken Kontrapunktik beherrscht, die gedankliche Verarbeitung nimmt eine dominierende Stellung ein. Bei aller Größe des Vor wurfs bleibt die Verbindung zum Volkstümlichen stets gewahrt. Die pathetisch klingende Einleitung weist auf den „Don Giovanni“ hin. Im ersten Satz begegnen uns sowohl regel rechte Fugierungen (Durchführung) als auch Anklänge an Landschaftsschilderungen in der Art Franz Schuberts (Seitensatz). Die Idyllik des Andante — stark von Chromatik durch zogen — wird von Gefühlsakzenten durchbrochen. Durch Skizzen wurde der Finalsatz intensiv vorbereitet. Und doch: die Musik fließt, ist innerlich gelöst, und „nichts riecht