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-ellaxr W Mcherltz-Mm, Nr 17 Mittwoch den 22. Januar !S1S abends 85. Jahrgang Üe Schlange, die sich In den Schwanz beißt. M KrisgfSgewiime »»v die MnnlllonslWuz triede« di« Preise hoch. v Durch die AuShungerungSsperre, die England nun Vile vier Jahre über uns verhängt hat, sind Waren Ad Lebensmittel in Deutschland naturgemäß teurer Mvorden. Die Verbraucher waren gezwungen, sich tweder über Gebühr einzuschränken, — und 800 000 enschen find diesem Zwang zum Opfer gefallen er aber ihr Einkommen zu erhöhen. Zur Lohn- tgernna trugen die beträchtlichen Kriegsgewinne er- cklich vei. Sie hatten aber die Folge, daß un- ittelbar darauf auch die Preise der Lebensmittel eiter erklecklich anzogen. Der Wert des Geldes nk, und jede neue Aufbesserung der Löhne und ehälter macht ihn tiefer sinken. So verschlimmert h die Notlage der Festangestellten und des ge inten Mittelstandes Überhaupt, während die Jn^ istttearbeiter von ihren vervielfachten Bezügen ver- iltnismäßig geringen Vorteil haben. te SohnSeweMng gefährdet die Existenz des Ne- triebe». Neuerdings hak die Lohnbewegung einen sehr jarfen, hier und da gewaltsamen Charatter an- nomMekl. Von der Firma Siemens u. Halske ist rlangt worden, daß sie jährlich rund 124 Millio- n Lohnzulagen bewillige; daber hat sich ihr Jah- sreingewinn, der an die Aktionäre ausgeschüttet arde, nur auf 13'/» Millionen beziffert. Auf einer »erschlesischen Grube fordert die Belegschaft von zehn- usend Mann die unverzügliche Auszahlung von >0 Mark für den Kopf, also von 8 Millionen für neu einzelnen Betrieb. Das bedeutet schlechtweg e Stillegung der Großindustrie. Im rheinisch-west- lischen Revier, wo die Arbeiter etwas weniger derb Md forsch vorgehen möchten, ist die sofortige Ver gesellschaftung der Betriebe zur Bedingung gemacht, ; Braunschweig bekanntlich an verschiedenen Stel- I n (Maschinenfabriken) bereits eingeleitet worden. -kier begehrt oer Werkmann den ganzen Arbeits- z ehrwert für sich. Praktisch führen beide Wege ;rm selben Ziel. Die Betriebe erliegen. In dem nnen Fall wird das Kapital ausgezehrt, da der Gewinn eben nicht hinreicht, die Lohnforderungen »st decken; in dem anderen Falle scheidet die er- mobte Leitung aus, verringert sich damit der Waren- o üsatz. Es wird gleichzeitig die Ware teurer, also t ettbewerbSunfähig. 1 Deutschlands Wettbewerb im Ausland« unmöglich. Man bedenke, was bei einer Verstaatlichung durch j ohnerhöhung, verminderte Arbeitszeit, schlaffen Auf- s cht, gesteigerte Abgaben an den Staat u. a. m. lerbraucht wird! Deutschlands Preise wachsen immer I »ehr über die Weltenmarktpreise hinaus. Unsere l hnehtn durch England zertrümmerte Ausfuhr bleibt «rledigt, kann den Kampf mit den industriell ge- »äftigten anderen Ländern nicht wieder aufnehmen. Wenn wir aber dem Auslande keine Ware lie fern, erhalten wir auch keine Lebensmittel und keine Rohstoffe von ihm. Das durchaus auf diese Einfuhr angewiesene Deutschland erdrosselt sich Wirtschaftlich selbst. Es mögen die Löhne noch so fröhlich steigen, höher steigen die Lebensmittelpreise. Wir geraten in russische Zustände hinein, wo trotz Zehnfach erhöhter Löhne die Arbeiter auf der Straße Hungers sterben. Ler Arbeiter hat keinen Nutzen davon. Die Arbeits losigkeit ist unvermeidlich. z Die Schlange beißt sich in den Schwanz. Ueber- inäßige Lohnerhöhungen gewähren dem Arbeiter nicht die Möglichkeit größeren Verbrauchs, sondern ge statten ihm bestenfalls den Erwerb derselben Waren And Lebensmittel wie früher, nur zu einem über- Knäßig erhöhtem Preise. Es handelt sich für ihn also um einen Scheingewinn. Günstigenfalls, wie gesagt. Sinkt aber, wie jetzt, durch die verteuerte Mnd verminderte Arbeit die Einfuhr aus dem Aus- Rande, so verringern sich die im Inlands erhältlichen Waren und ihre Preise klettern rasch so hoch, daß >er Lohn sie überhaupt nicht mehr erreichen kann, Vie Schlange, die sich in den Schwanz beißt, ver- chlingt daneben also unsere Arbeiterschaft. Zu spät wird sie erkennen, daß sie sich selbst um die Arbeitsgelegenheit gebracht und einer der ergiebigsten Quellen des deutschen Reichtums ^vcr- chüttet hat. Nur eine verständige Lohn- und Wirts chaftspolitik, die den kranken Krieger schont, kann uns noch vom Abgrund zurückrethen. N. Wie Seff ntltchkelt der Friedenskonferenz. H Alte und neue Methoden der Verhandlungen. U Wilson hat den französischen, italienischen und Uapanischen Regierungen mitgeteilt, daß er ihren Vor- Mchlag nicht annehmen könne, die Mitteilungen über Wie Friedenskonferenz auf ein tägliches Communigue W» beschränken. Wilson betonte, daß er dem ameri- Manischen Volk eine öffentliche Behandlung verspro- Uchen habe, und obwohl er begreife, daß die nicht- Ivffiztellen vorläufigen Konferenzen notwendigerweise i vertraulicher Art seien, könne er sich doch nicht an > die Seite derjenigen stellen, die meinen, daß der ! Presse Beschränkungen auferlegt werden müssen. Man > solle die Presse nicht hindern, das zu besprechen, was tatsächlich stattflndet. ; Wie es heißt, stimmen hierin die Engländer mit den Amerikanern vollkommen überein. Es ist die i erste Kollision zwischen der alten und neue« Schule. Die amerikanischen Korrespondenten erklären, sie seien gewohnt, die Franzosen als ruhmreiche Soldaten an zusehen und könnten sich keine Vorstellung davon machen, daß reaktionäre Staatsmänner, mir um im Amte zu bleiben, das Volk im Unklaren -lassen. Tatsächlich handelt eS sich um folgeiches: Tie fran zösischen Wortführer wollen im Geheimen alles vor- ! tragen können, was ihnen beliebt, und zwar unter ! dem Vorwand, daß sie 'die öffentliche Meinung von Frankreich vertreten, während die öffentliche Meinung sich weder zugunsten noch zuungunsten dieser Pläne aussprechen kann. So scheinen etliche französische Führer darauf aus zu sein, ! das Gebiet des linken Rheinufers z« bekommen, was, wie amerikanisch« Wortführer wiederholt gesagt ! haben, das französische Volk niemals gewollt hat, ! auch damals nicht, als die Geheimverträge mit Ruh land veröffentlicht wurden. Gleichwohl besteht gegen- wärtig eine starke Bewegung für dieses Ziel, und i man glaubt sogar, daß «in diesbezüglicher formel ler Vorschlag der Friedenskonferenz vorgelegt wer den wird. Würde eine derartige Handlung durch die öffentliche Meinung Frankreichs besprochen wer den, dann würden ausländische Staatsmänner zu un tersuchen haben, ob der ganze Annexionsplan vom französischen Volke gutaeheihen wird. Das wichtigste, das im Augenblick geschehen kann, ist, darauf zu dringen , daß die Oeffeutlichkeik der Verhandlungen hergestellt wird. Wilson und Lloyd George fühlen sich absolut verpflichtet, ihre Völker zu informieren. Die Italiener unterstützen die geheime Methode der Franzosen. Denn wenn das italienische Volk, daS Äenso wie das französische unter der Zensur steht, die Haltung seiner Regierung kennen würde, so würde eS ebenfalls protestieren. > Man glaubt in Amerika natürlich nicht, daß die europäischen Staaten einen festen Block bilden. England, Frankreich und Italien werden zwar als ! Bollwerke der traditionellen europäischen Macht- und Jntrigenpolitik angesehen, dagegen glaubt man, daß Staaten wie Serbien, Rumänien, Montenegro und ! Griechenland sich darüber klar sind, daß nur die politischen Methoden Amerikas ihnen einig« Hoff nung geben, die auf „Wilsons Grundsätzen" und den ! altruistischen Idealen der Neuweltler beruhen. , Wie kmm das weitergehen? Nach Berliner Blättermeldungen kündigte in dem ' südwestlichen Vorort Friedenau einem Geschäftsmanns l fein in Berlin wohnender Kutscher die Arbeit mit folgender Rechnung: Ich kriege 6 mal 8, also 48 Mk. Erwerbslosenuterstützung die Woche, meine Frau 6 mal 1,50 Mk., gleich 9 Mark; auf die drei Kinder ent- i fallen 3 mal 6 mal 1,25 Mark, gleich 22,50 Mark; macht zusammen 79,50 Mark. Da werde ich doch nicht für 70 Mark arbeiten! Spruchs und ging seiner > Wege — als Arbeitslos er, oer sich besser sieht, als wenn er arbeitete. ! In Verbindung damit macht die rechtsstehende! , Presse darauf aufmerksam, daß die Stadt billig« > Theatervorstellungen für Arbeitslose veranstalte: „Fast ' jeden Tag werden Vorträge, Konzerte und dergl. für die Erwerbslosen veranstaltet, die nichts oder sehr wenig kosten. So wird am nächsten Sonnabend nach mittag um 3>/r Uhr, also zu einer Zeit, wo andere Leute arbeiten, im Kleinen Theater Unter den Linden „Lottchens Geburtstag", Lustspiel von Ludwig Thoma, und daran anschließend „Paul und Paula", Lustspiel von Herbert Eulenburg, zur Erheiterung der Er werbslosen gegeben. Da der Etntrittpreis einschließ lich Garderobe nur 60 Pfg. kostet, so leistet die Stadt wahrscheinlich einen Zuschuß." Ein sehr großer Teil der Bezieher der Erwerbs losenunterstützung treibt nebenher noch einen Stra ßenhandel mit Postkarten und „echten bayrischen Malz bonbons" bis zum wüstesten Schleich- und Ketten handel. Dabei stehen sich die Herrschaften ganz vor- ! züglich, halten sich Dienstmädchen usw. Man kann sich übrigens vorstellen, wie es mit ; dem Arbettsinteresse der anderen bestellt ist, die da i wissen, daß sie, wenn sie wegen fortgesetzten Zu- ! späikommenS, mangelhafter Arbeit usw. entlassen wer den, fast das gleiche verdienen wie in der Arbeit?! ' Warum da nicht von der Arbeit der anderen in ! ruhigem Dasein, mitleben? Glaubt die Negierung wirklich, das schwer schaf- ! sende Volk im Lande ließe sich diese Berliner Ber- schwendimg des Nationaleinkommens, diese Züchtung ! arbeitsscheuer Drohnen, noch lang« gefallen? Hunderttausende von Händen werden draußen dringend gebraucht, nm Kohlen für die Eisenbahnen, für die Industrie, für Berlin gar in erster Linie, wranzuschaffen. Aber die Berliner Arbeitslosen pfei fen auf diese Arbeit: die „Arbeitslosigkeit" ist für , > sie ja der reinste Glückszustand. ' ! Die Polenpolitik der Negierung. T-ntsch-enklischer Notenwechsel. Tie englische Regierung hat der deutschen Re- > gierung eine Note überreichen lassen, worin sie die deutsche Regierung äuffordert, künftig jede Heraus forderung der polnischen Bevölkerung in Ost- und Westpreußen, Posen und Schlesien zu unterlassen- Sie weist darauf hin, daß die Zukunft der deut schen Ostgrenze von den Entscheidungen der Frie denskonferenz abhängen werde, und daß die Mächte bei Beurteilung der Frage notwendigerweise beein flußt würden durch die Fähigkeit oder Unfähigkeit der Deutschen, Gebiete mit gemischter polnischer Be völkerung zu verwalten. z Die deutsche Regierung hat darauf in einer längeren Note geantwortet, in der es heißt: „Die deutsche Regierung ist mit der englischen Regierung darin einig, daß die Zukunft der deut schen Ostgrenzen von den Beschlüssen der kommen- > den Friedenskonferenz abhängt. Die deutsche Regierung ist aber in hohem Grade befremdet, daß von ihr gefordert wird, sie solle „alle Provokationen der polnischen Bevölkerung in Ost- und Westpreutzen, Posen und Schlesien unter lassen". Sie kann diese Auffassung der britischen Regierung nur darauf zurücksühren, daß die Ul- ! liierten über die ; Vorgänge an der Ostgreuze Deutschlands nicht unterrichtet sind; denn seit der Annahme der Wilsonfchen Grundsätze durch die Deutsche Regierung hat sich eine Provokation von feiten der Polen an die andere gereiht. Im Gegensatz zur Annahme der Englischen Re gierung hat die Deutsche Regierung alles getan, um die von den Polen früher vorgebrachten Klagen ab zustellen. Trotzdem sind die Polen planmäßig damit be schäftigt, einen Staat im Staate zu errichten. Das Vorgehen der Polen gegen die Bahnen im Regierungsbezirk Bromberg gefährdet nicht nur den Transport von Lebensnntteln nach Berlin, sondern auch den Rücktransport der deutschen Truppen aus den besetzten russischen Gebieten. Die Provinz Posen befindet sich zur Zeit in einem Zustande des nationalen Aufruhrs. Die deutsche Bevölkerung richtet dauernd Hilferufe an die Reichs regierung. Diese sieht sich daher genötigt, ebenso wie früher die Englische Regierung in Irland, mili tärische Maßregeln durch Entsendung einer starken Truppenmacht anzuwenden, um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen. Die Deutsche Regierung hat es bisher unterlassen, gegen die Staatsbürger der pol nischen Nation, die nach den deutschen Strafgesetzen Aufruhr, Landes- und Hochverrat vorbereiten und begehen, einzuschreiten. Sie kann nicht länger zu sehen, daß an Stelle einer von ihr bereits an genommenen gerechten Regelung der Ostfragen der machtlüsterne polnische Imperialismus ungehemmt schaltet und waltet, da sie darin eine nicht zu unterschätzende Gefahr für einen dauernden Weltfrie den erblickt. — Die Vorgänge in Oberschlesien haben mit nationalen Fragen nichts gemein. Hier herrscht auch in den gemischtsprachlichen Gebieten Pole.ns ständige Ruhe. Eine Ausnahme bildet nur ein Teil des oberschlesischen Industriegebietes. Dort haben erhebliche Ärbeiterunruhen stattaefunden, die auf internationale bolschewistische Agitation zurück zuführen sind und mit nationalen Fragen nichts zu tun haben. In Ostpreußen kann man von einer natio nalen polnischen Bewegung überhaupt nicht sprechen. i Auch die Warschauer Regierung ! hat zur Aufstachelung der nationalen Bewegung in > den preußischen Ostseeprovinzen beigetragen. Sie hat es sogar unternommen, die Wahl zur polnischen Konstituante in den genannten Provin- j zen anzuordnen und dieses deutsche Gebiet in 16 Wahlkreise einzuteilen, eine Provokation und An- ! maßung, die in der Weltgeschichte einzig dasteheu . dürfte. Alle Maßnahmen der Deutschen Negierung seit dem Abschluß des Waffenstillstaudsabkommens dienen nur der sinngemäßen Durchführung dieses Abkom- > mens und der Abwehr unberechtigter polnischer An- ! spräche, die polnische Frage bereits vor dem Frie- ; denskongreh zur Entscheidung zu bringen. gez. Brockdorff-Nantzau." ! Zwischen Krieg und Frieden. ÜKncralstrcik für ganz Deutsch land? ! ES soll fortgestreikt werden, obwohl wir bis fetzt ^eigentlich kaum einen ruhigen und strcttwsen Tag ' in unserer Wirtschaft erlebt haben. Aus Braunschweig wird mttgeteilt, daß, nach einer Berliner Meldung, zwischen dem 20. und 25. Januar ein ein- oder zwei tägiger Generalstreik für ganz Deutschland proklamiert werden soll!, der als Protest gegen die Tötung Lieb knechts und Rosa Luxemburgs und zugleich als De monstration gegen die Regierung Ebert-Scheidemann gedacht ist.