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Beethoven zeigte gleich in seiner ersten Sinfonie, daß er gewillt war, sich von der Tradition zu befreien. In der vorher bei den Klassikern üblichen, später von ihm aber aufgegebenen Weise läßt er dem ersten Satz eine langsame Einleitung vorangehen. Dabei beginnt er nicht mit der Grundtonart der Sinfonie, er setzt viel mehr an den Anfang zwei Akkorde aus einer benachbarten Tonart (F-Dur) und leitet dann erst zur Haupttonart über, um sie sofort wieder zu verlassen und zur Ober dominante überzugehen. Dieses Kreisen um die Tonart, um das „Zentrum“, war für die damalige Zeit kühn und reizvoll. Mühelos löst sich das keck aufwärtsdrängende, vorwiegend aus den Tönen des Hauptdreiklangs bestehende Hauptthema des ersten Satzes aus dieser Einleitung heraus. Alles ist auf knappste Maße gebracht. Schon bald stimmt die Oboe das anmutige Seitenthema an, wirft es der Flöte zu, die es wieder zurückgibt, bis sich dann auch die Streicher an dem tänzelnden Spiel be teiligen. Echt Beethoven ist es, wie das Motiv in den Bässen ins Düstere gewendet wird. Auch in der Durchführung geistern Schatten über das Bild. Um so kraftvoller und lichter wirkt dann der Einsatz des ersten Themas in der Reprise und in der mächtig gesteigerten Coda. Der ganze Satz ein prachtvolles Zeugnis dafür, wie ein Genie sich ankündigt. Beethoven war, als er die Sinfonie schrieb, 30 Jahre alt. — Der langsame Satz ist in heitere Wolkenlosigkeit getaucht. Höchst reizvoll, wie die zweiten Violinen das liedartige Thema anstimmen und wie dann die einzelnen Instru mente einfallcn, zuerst die Bratschen und die Celli, dann die Fagotte und Hörner und schließlich die Holzbläser. Auch dieser Satz ist in der Sonatenform geprägt. Ein zweites Thema biegt nach Moll aus. Auffallend ist in der Durchführung die Wen dung nach Des-Dur.— Der dritte Satz hält sich zwar an die Tradition eines Menuetts, ist aber schon typisch für das Scherzo, wie es Beethoven später entwickeln sollte und wie es im Scherzo Bruckners seinen Höhe- und Endpunkt fand. Schon dieses Menuett der ersten Sinfonie ist kein beschaulicher, altväterlicher Tanz, es ist viel mehr ein kapriziöses und manchmal groteskes Spiel (man achte auf die dynamischen Unterschiede, auf das Nebeneinander von Forte und Piano, auf die vielen Sfor- zati!). — Und der letzte Satz. Er hat eine der originellsten Einleitungen. Die ersten Violinen setzen nach einem einleitenden Schlag des ganzen Orchesters mit einem Anlauf ein, der immer mehr gesteigert wird, bis er schließlich auf einer Fermate hängen bleibt. Es ist wie eine Parodie auf die Form der langsamen Einleitung. Dann stürzen sie sich ungehemmt in das vor Laune übersprudelnde Thema des Allegros. Dieser Genieblitz erschien einem zeitgenössischen Dirigenten so gewagt, daß er die Einleitung bei Aufführungen der Sinfonie wegließ. Das Klavierkonzert in G-Dur ist das romantisch verträumte unter fünf Ge schwistern. Gleich das erste Thema, mit dem der Solist ohne Orchestervorspiel be ginnt, könnte von Robert Schumann stammen. Vom Adagio behauptet man, Beet hoven sei zu ihm angeregt worden durch die Fabel von Orpheus, der bei den Mächten der Unterwelt um die verlorene Gattin klagt. So erklärt sich seine tiefe Melancholie. Der dritte Satz ist ein um so fröhlicheres Rondo, in dem Solist und Orchester sich in munterer Wechselrede zu unterhalten scheinen. Mozart schrieb nach dem „Figaro“ eine Reihe von Meisterwerken kleinerer Be setzung, so die zwei herrlichen Streichquintette, die große A-Dur-Violinsonate und, neben noch manchem anderen, die „Kleine Nachtmusik“, eine Serenade für Streichorchester (besser als solistische Besetzung!), eine zarte Erinnerung an die Salzburger Jugendtage mit sternenüberglänzten Sommernächten. Über die Struktur dieses in sich vollendeten Werkes reden hieße die Blütenblätter und Staubgefäße einer schönen Blume zählen. Man freue sich ihres Anblicks, man berausche sich an ihrem Duft. Dr. Karl Laux.