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2) „Siegfried Idyll“ von Richard Wagner (geboren 22. Mai 1813 in Leipzig, gestorben 13. Februar 1883 in Venedig). Die Entstehungszeit dieses köstlichen Werkes für kleines (Kammer-) Orchester fällt in Wagners glücklichste Schaffensperiode, die er im Landhause Triebschen bei Luzern an der Seite der Frau Cosima verlebte. Hier ward ihm, dem so lange Kinderlosen, am 6. Juni 1869 ein Sohn geboren. Sein Glücksgefühl strömte er in Tönen aus, der Ideenwelt entnommen, die ihn damals beschäftigte: 3. Akt des „Siegfried“ (Waldvöglein, Erweckung Brünnhildens usw.). „Es war dein opfermutig hehrer Wille, der meinem Werk die Werdestätte fand, von dir geweiht zu weltentrückter Stille, wo nun es wuchs und kräftig uns erstand, die Heldenwelt uns zaubernd zum Idylle, uraltes Fern zu trautem Heimatland. Erscholl ein Ruf da froh in meine Weisen: „Ein Sohn ist da!“ — der mußte Siegfried heißen. Für ihn und dich dürft’ ich in Tönen danken, — wie gäb es Liebestaten hold’ren Lohn ? Sie hegten mir in unsres Heimes Schranken die stille Freude, die hier ward zum Ton. Die sich uns treu erwiesen ohne Wanken, so Siegfried hold, wie freundlich unsrem Sohn, mit deiner Huld sei ihnen jetzt erschlossen, was sonst als tönend Glück wir still genossen.“ Wagners „Sinfonia domestica“ bedarf keiner weiteren Erläuterung. Die Uraufführung fand am Geburtstage Frau Cosimas (Weihnachten) im Treppenhause der Villa statt. Hans Richter, der später so berühmt gewordene Wagnerdirigent, blies die Trompete. 3) Erste Sinfonie in Cmoll von Johannes Brahms (geboren 7. Mai 1833 in Hamburg, gestorben 3. April 1897 in Wien). Die erste. 1870 entstandene Sinfoiie wurde von der musikalischen Welt mit großer Spannung erwartet und wie eine Offenbarung begrüßt, zumal von denjenigen, die nicht auf Bayreuth eingeschworen waren und in Brahms den aus der Schule der Romantiker hervorgegangenen „Gegenpapst“ sahen. Der Tondichter, dessen zwei Serenaden diese Hoffnung gestärkt hatten, knüpfte an Beethoven (Cmoll-Sinfonie) an, dem er „in der Logik und Ökonomie des Satzhaues, in der ununterbrochenen Gediegenheit des Materials und der Arbeit, in dem vornehmen Verzicht auf das Konventionelle“ vergleichbar ist. Das schwere Ringen eines Künstlers nach Klarheit und Läuterung, nach Freiheit und Freudigkeit des Schaffens bildet den Inhalt der Sinfonie. Sie zählt nicht zu den leicht faßbaren, schon weil dem ersten und letzten Satze besondere Einleitungen vorgelagert sind. 1. Satz: Un poco sostenuto (ein wenig gehalten) — Allegro (schnell). Sogleich fallen die Hemmungen in der Einleitung (synkopierte Chromatik im Gegensätze zu Beethovens einfacher Grundakkord-Thematik) auf. Die drei ersten Noten dieses Themas bilden den Stützpunkt der ganzen Sinfonie. Im Durchführungsteil erleben wir harte Kämpfe, bis zum Orgelpunkt auf g, von wo wir über hmoll nach cmoll zurück gelangen. 2. Satz: Andante sostenuto (langsam und gehalten). Man beachte die Ähnlichkeit des Edur-Themas von Fagott und Geige mit dem Haupt thema in Beethovens Pastoral-Sinfonie! Die Oboe bringt neue Reize und in feierlicher Weise klingt der abwechslungsreiche Satz aus. 3. Satz: Un poco Allegrctto e grazioso (munter und anmutig). Das Hauptthema (Asdur) ist der Klarinette zuerteilt. Besonders fesseln die Terzengänge des Trio-Teiles. Der Satz schließt unvermutet rasch ab. 4. Satz: Adagio (langsam) — Allegro non troppo raa con brio (nicht zu schnell, aber mit Feuer). Das großangelegte Finale mit dem Hymnen-Einschlag, dem Grollen und Toben der Streicher, dem tro treichen Horn-Motiv, dem Gesang der Oboe u. a. m. krönt die Sinfonie in glanzvoller sieghafter Steigerung. Heinr. Platzbecker. Buehdruckarai dar Dr. Giintzschen Stiftung ln Dresden