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Dresdner Journal : 21.06.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-06-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189006217
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18900621
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18900621
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1890
-
Monat
1890-06
- Tag 1890-06-21
-
Monat
1890-06
-
Jahr
1890
- Titel
- Dresdner Journal : 21.06.1890
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l41 Sonnabend, den 21. Juni, abends. 1890. kür vr»,ä«o 7n«rtLljüUrlrcd 2 L0 ?f, k«i ck«» L»udrl. 6sut»vkeo MtrUcU «u»«r>»Ud 6», U«ut»ct»«o LsieUo» tritt kv»t- o»a 8tewp«1-u,l:KI»g UiLra. kil»r«Ill« Kvoiwero: 10 kt. )t»ka»alr«i»»,U«dni«r«ilt kür 6«» L»uro eia«r ^«pUlteveo 2«U« kcdrik 20 kt. Ootvr Ui« L«i1« 60 kk. 8«i 1^dÄI«Q- aoä LiN«rv»»t« »otipr. HusicLI»? LrseU«!»»»» 'kTUlick wit Xmw»Uwv 6er 8v»v- u. keierts^e »devä». kirurprvck-^ixcklu«, Ur. 1226. AeS-nerÄMMl. Für die Gesamtleittmg verantwortlich r ^ofrat Gtto Banck, Professor der Litteratur- und Kunstgeschichte. «»»»!»»« r»» L»KÜ»ckl«»x«» »oiMtrt»« IxiM«: F> Lra^trtt«-, . Lo«uni»ii0LLr 6« Orexiner ^oorv»I»; N»«i>»r» L«U» Vt»» L«1p«tU L»»«l-Lr«»l»« kr»»k1«r< ». N.: Kaa <t kodier, >«U» Vt«, N»»d»rU- kr»U L«tp»tU-rr*Lk1art «. H. NÜL-L«»: L-ck. >7o««/ k»r>i L,rU» er»»tckNrt ». IL It«tlU»r1. Da^6« F t?L, I«rU»: >r»»I»»: Lm»1 L««6a1^,' L»»»»r«r: <7 Lc/iLuier, L»U» «. I.: F Larot Oo. Ner»u«xed«rr LüviIl. krpeäitloa 6s« Or«6v«r 6ourr»»I». Vr««äea, LMU>U«r»tr. 2V. k«r»»pr«cU ^v»elUu„: 8r. ILKt. Ämtlicher Lell. Dresden, 21. Juni. Se. König!. Hoheit der Prinz Friedrich August, Herzog zu Sachsen, ist heute Vormittag nach Potsdam gereist. Bekanntmachung. DaS Ministerium deS Innern hat gemäß 8 38 des Gesetzes über die Berichtigung von Wasserläufen und die Ausführung von Entwässerung-- und Be wässerungsanlagen vom 15. August 1855 sowie 8 4 der dazu gehöngen Ausführungs-Verordnung die AmtShauptmannschaft Oschatz für Angelegenheiten der Berichtigung des Döll- nitzbachS bei Oschatz mit Auftrag versehen, was hierdurch zur öffentlichen Kenntniß gebracht wird. Dresden, den 17. Juni 18S0. Ministerium deS Innern. Für den Minister: Böttcher GerSdorf. Nichtamtlicher Teil. Geographische Wachrichten. Frankfurt a. M., 21. Juni (Tel. d. DreSdn. Journ). Ein Extrablatt der „Frankfurter Zei- tung" girbt bekannt, daß bei der Station Mühl acker zwei Güterzüge zusammengestoßen find. Ein Zugmrister und ein Gcpäckführer wurden getötet und einem Zugmeister beide Küße abgefahren. Der Betrieb ist gestört, der Frankfurter Schnellzug auSgeblieben. Madrid, 21. Juni. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die Kammer lehnte mit 7S gegen 56 Stimmen bei der Budgetberatung ein Amendement ad, wel che- die Kündigung sämtlicher Handelsverträge verlangte. Die Konsuln MalagaS telegraphierten über- rinstimmend mit dem Maire, die dortigen Fieber- erkraukunaen seien nicht gelbeS Fieber, sondern nur typhöse Erscheinungen. Valencia, 21. Juvi. (Tel. d. DreSdn. Journ.) In Puebla de Rugat und Montichelvo find einige neue Cholerafälle, in Montichelvo zwei Todes fälle vorgekommen. Die Munizipalität von Va lencia errichtet ein Hospital außerhalb der Stadt, St. Petersburg, 21. Juni. (Tel. d. DreSdn. Journ ) Ein kaiserlicher UkaS trifft Bestimmungen wegen Expropriation privater Grundstücke, behufs Legung eines zweiten Gleises auf den Eisenbahn linien St. Petersburg - Bielostock - Kastow - Rowno und Kasatin-Schmerinka-Snameuka Zwirtkowo. Dresden, 21. Juni. Gute Stimmung in England. Über daS überraschende Abkommen zwischen Deutsch land und England in Bezug auf die Art der Ver teilung, durch die sich beide Reiche afrikanischen Grund und Boden zu eigen machen wollen, ohne gegenseitig in Unfrieden zu kommen, werden noch immer die ver schiedenartigsten sich schroff gegenüberstehenden Zeitungs stimmen laut. Wenn bei uns in Deutschland die loyal gesinnten regierungsfreundlichen Blätter ihre Schuldigkeit thaten und rasch bei der Hand waren, um beantiaend die für uns günstigen Seiten des Ber- die Deutschen aber verfügen über eine beträchtliche Streitmacht auS Sudanesen und Somalis, die wohl , so arbeiten dort Deutsche nicht unter gleichen Bedingungen. Die Engländer haben keine bewaffnete Macht hinter sich; Mischung in dessen sonstiges Thun verbietet; und damit ist denn Englands gefährlichster Nebenbuhler in Afrika versöhnt. Nach und nach haben eben die Britlsch-Ostasrikanischen Gesellschaft sei Herausgenom- Engländer herausgesunden, daß, wenn wir auch nicht Lovett Eameron in einer Zuschrift, Helgoland sei that- sächlich für England wertlos ^gewesen und würde im Falle eines europäischen Krieges nur eine Quelle der Schwäche sein. Besser sei es daher, die Insel den Deutschen in Friedenszeiten »mit Anmut" zu über lassen, als sie möglicherweise durch ein Geschwader was seinen strategischen Wert angehe, so sei derselbe Null. Ebenso günstig spricht sich die Times über die südliche Abgrenzung auS; sie belasse England im Be sitze der Stefrnsonstraße, sichere die Durchfahrt durch den Tanganyikasee, und wenn erst Stanley als Statthalter deS CongostaateS wieder auSziehe, werde er schon für eine bessere Verbindung sorgen. Die Times läßt dabei durchblicken, daß ein Abkommen für Wie nach der ersten Abgrenzung der deutschen und englischen Emflußgebiete, so behaupten auch jetzt die Engländer, den besten Teil erwählt zu haben. Wir wollen und können ihnen das Wohlgefallen an dem abgeschloffenen Handel nicht schmälern, aber es lohnt sich, aus ihren eigenen Worten die Genugthuung über die erreichten Ergebnisse festzustellen, damit nicht nach träglich behauptet werden könne, Deutschland habe eS bei den Unterhandlungen an Edelmut fehlen lassen. Und so kommt denn der „Standard", der gestern noch etwas zugeknöpft war, heule zu der Anschauung, daß, je länger man das Abkommen betrachte, oesto mehr es sich der öffentlichen Meinung empfehle. „Wir haben gegeben, wir haben empfangen, und wenn Deutschland nicht so großen Wert auf Helgoland legte, so müssen wir aufrichtig gestehen, daß das, was wir erhalten haben, dem, was wir geben, vollkommen gleichkommt oder es gar übertrifft." Für den „Standard" ist Hel goland ern wertloses undankbares Besitztum, während Sansibar den Ausgangspunkt für die Ausbreitung des eng lischen Einflusses und der völligen Unterdrückung des Skla venhandels bietet. In den Augen der „Times", welche die geographischen Verhältnisse des Abkommens in einem besonderen Leitartikel beleuchten, enthält dasselbe über? Haupt nur einen einzigen unbefriedigenden Punkt, nämlich die Durchquerung deS Viktoriasees statt einer vom Südende des Viktoriasees bis zur Nordspitze des Tanganyikasees gezogenen Grenzlinie. Dadurch käme das reiche Gebiet von Karagwe, das Land des ver storbenen Königs Rumenika, des Freundes der Reisen den Grant und Speke, unter deutsche Botmäßigkeit. Indessen tröstet das Blatt sich wieder damit, daß das selbe viele unwirtliche Striche enthalte, und daß dafür alles, was auswärts vor der Grenzlinie liege, zu den schönsten und begünstigsten Strecken der Welt gehöre, ausgezeichnet durch Abwechselung in der Landschaft, durch Wasserreichtum, Fruchtbarkeit des Bodens und Üppigkeit des Pflanzenwuchses. Und dann beschreibt die „Times" das Land zwischen dem Albert Eduard-, dem Albert- und dem Viktoriasee in so glühenden Farben, daß es dem verstocktesten Briten warm ums Herz werden muß ob des größeren Vaterlandes. Uganda, Unyoro, Awamba, Ukunju, Usangara und Uhacyania kommen dabei in Betracht, und daneben noch Äquatorialafrika, die Provinz Emin PaschaS; aber „wenn die Zeit kommen wird, nordwärts dorvein- ihre Kolonialerfahrung besitzen, wir doch sie äußerst schnell zu erwerben nn stände sind. Der auS den Schiröhändeln bekannte englische Konsul H. H. John ston, der soeben aus Afrika Hierher zurückgekehrt ist, warnt ausdrücklich seine Landsleute, die Deutschen in dieser Beziehung nicht zu unterschätzen. „Sie sind die einzigen — so bemerkte er —, welche uns die Herr schaft über die Welt streitig machen werden. Die Russen wetteifern mit uns nur betreffs der Herrschaft verteidigen zu müssen. Um übrigen habe England in Afrika thatsächlich und moralisch zugleich viel ge wonnen. Von Sansibar auS lasse sich der Sklaven handel ausrotten. Die Durchzugsfreiheit sichere voll ständig die Handelsverbindungen zwischen Zambesia und Britisch-Äquatoria (Cameron möchte, wie es scheint, diesen Namen einführen); und die einzige Schwierigkeit bestehe nur in den möglichen Einwänden Deu.schlands gegen die Absendung von Militärabteilungen durch deutsches Gebiet; aber hier macht Cameron die sehr richtige Bemerkung, daß, falls England und Deutsch land in andern Teilen der Welt in Frieden lebten, ihre Interessen in Afrika nach Erledigung der Grenz fragen vollständig identisch seien; daß sie also sich militärisch gegenseitig unterstützen sollten. ES ist dies ein ganz neuer Gesichtspunkt bei Betrachtung der afrikanischen Frage. Die Hereinziehung WituS und des SomalilandeS in den Bereich des britischen Einflusses enthält CameronS Beifall: England werde keine Ursache haben, das Abkommen zu be reuen. Zu Lovelt Cameron kommen nun noch mehrere ost- ruck mitteürfrUarüjche Heißsporne, die alle mit der Abmachung einverstanden sind; so Ewing, der Direktor der ostafrikanischen Seengesellschast; er findet in dem Abkommen auch nicht den geringsten Anlaß zu Be fürchtungen; ferner der Nimmersatte Sir William Mackinnon, der Vorsitzende der Ostafrikagesellschaft, die wahrscheinlich im voraus von dem Plane mußte; sein Übergang wird für den Vicepräsidenten Lord Brassey und die Verwaltungsräte maßgebend sein; und zuletzt, nicht zumindest, der ewig polternde Stanley. Wie aus Edinburg, wo er sich gestern aufhielt, gemeldet wird, hat die Abgrenzung seinen warmen Beifall; sieht er doch, was rhm am meisten am Herzen lag, Uganda und die prachtvollen Strecken zwischen den drei oberen Seen für England gerettet. Allem Anscheine nach war schon gestern im Unterhause eine Mehrheit für den Plan gewonnen. Wie der gestrige milde Leit artikel der gladstoneanischen Daily News in Aussicht stellte, hat die erste Oppositionsbank, wo Gladstone und Genossen sich befinden, nichts gegen die Ab machung einzuwenden, und ihr Beifall wird den größten Teil der Partei nach sich ziehen. Deutschland tritt durch das Abkommen zu England in ein ganz vertrautes Verhältnis, welches jede feindliche Ein- Tagesgeschichte. * Berlin, 20. Juni. Se. Majestät der Kaiser hat gestern abend Wernigerode wieder verlassen und sich mittelst Sooderzuge» nach Ess«« begeb«, woselbst Allerhöchstderselbe am'heutigen Vormittage um v Uhr zur Besichtigung der Kruppschen Etablissements eintraf. Der Monarch besichtigte unter Führung deS Hrn. Kommerzienrat Krupp alsbald die Fabrikanlagen und besuchte später die Schule und die Konsumanstalten. Hierauf empfing Se. Majestät eine vom Eigentümer der Werke vorgestellte Deputation von 700 den ver schiedenen Werkstätten angehörigen Arbeitern und er widerte deren Hoch mit der Versicherung, daß der bis her zum Wohle der Arbeiter eingehaltene Weg, da er sich bewährt, auch weiter verfolgt werden solle. Se. Majestät schloß mit einem Hoch auf die Firma Krupp. — Abends wird der Kaiser die Rückreise nach Pots dam antreten. — DerAbschluß derReichshauptkasse hat am heutigen Tage stattgefunden. Wenn demzufolge auch die genauen Zahlen dieses Abschlusses noch nicht be kannt sind, so steht doch das Endergebnis im großen und ganzen nach alkdn Richtungen bereits fest. Bekanntlich zerfällt der ReichShau-halt insofern in zwei getrennte Teile, als der eine auf Rechnung de» Reich«, der andere auf Rechnung der Bundesstaaten geführt wird. Letzterer umfaßt diejenigen Einnahmen, welche m» folge der Klausel Franckenstein nicht zur Reichökasse fließen, souvern nach dem Matrikularsuß an die Bundesstaaten über wiesen werden. Die Entwickelung beider Teile des RrichShauS- haltS läuft nicht parallel. Die letzten Jahre zeigten vielmehr regelmäßig da- Bild den Etatsanfatz überfchreitender Über- weifungcn an die Bundesstaaten bei gleichzeitigem RechnungS- gedrillt und vortrefflich bewaffnet sind." So groß nun aber auch die Vorteile sein mögen, welche England aus dem Abkommen »sprießen, so ist doch die Thatsache des Abschlusses an sich eine große Überraschung. Noch vor einigen Jahren wäre die Behauptung, daß England sich in Mittel afrika, auf welches es ein begründetes Anheimfallsrecht besitzt, freiwillig mit Deutschland teilen würde, für ein Hirngespinst gehalten worden. Für den Grafen Hatz- feldt, der schon die gemeinsame Blokade der ostafrika nischen Küste unterhandelt hatte, ist dieses Abkommen ein zweiter Triumph seiner hiesigen diplomatischen Thätigkeit. Dasselbe konnte auch nur von zwei Staatsmännern eingefädelt und durchgeführt werden, die sich so vollständig verstehen, wie er und Lord Salisbury. Wie lange dieselben darüber gebrütet, mag dek Himmel wissen; aber so geschickt ward es vor bereitet und in die Welt gesetzt, daß dieselben Blätter, die monatelang ihr „Niemals" riefen, jetzt demselben die schönsten Seiten abgewinnen und dem ehedem bittern Trank mit Lobsprüchen über seine Süßigkeit herunterschlucken, und das ist eben ein Meisterstück der Diplomatie. zudringen, ist ein Punkt, derjetzt noch nicht berücksichtigt zu werden braucht". Den Wert Witus herauszuheben, erscheint der Times überflüssig. Der Tana sei jetzt britisches Eigentum und der Dorn in der Seite der trag- ins beste Licht zu stellen, so haben sich oller« men. Sansibar aber sei geradezu viele Helgoland« dings später die dem politischen Akte ungünstigen wert. Helgoland sei eine verschwindende Quantität; Kritiken beträchtlich vermehrt. In England war der waS von ihm noch übrig sei, vergehe allmählich, und Verlauf scheinbar umgekehrt, die Ernüchterung folgte dort zwar auch der Aufregung, aber diese Auf regung war ein bitteres Tadel-votum gegen die dortige Regierung, welche den heißblütigen Anektierern alle- dessen, was in der Welt irgend wertvoll ist, immer noch nicht genug Löwenanteil erstritten hatte. Jetzt kommt die britische Zufriedenheit nach, man erkennt, daß der ungeheuere Biffen dem ungeheueren Magen entsprechend ist. Diese Zufriedenheit der fast Uner sättlichen ist, wie der vorstehende Fall nun einmal liegt, unser schönster Lohn zu nennen; wird uns doch damit bezeugt, daß es der Weisheit und Resignation Deutschlands gelungen ist, durch große, kaum je wieder aus zugleichende Opfer sich treu und redlich um eine auf richtige Freundschaft des schätzenswerten Nachbar- England zu bewerben. Möge es diese Freundschaft nun auch dauernd gefunden haben. Eine Mitteilung, welche die „K. Ztg." aus Lon don erhält, giebt dieser Betrachtung thatsächlichen in Asien, aber die Deutschen werden unS auf jedem Punkte begegnen, in der Überzeugung, daß eines Tage- diese besondere Verbindung in der Mache sei: vielleicht die englische Weltmacht verschwinden wird, wie die in der Abtretung eine- Landstreifens seitens deS Congo- holländische vor ihr verschwunden ist. Was die Stel- staateS am Ufer des Tanganyikasees entlang bis lung in Ostafrika betrifft, zur deutschen Nordgrenze. Im ganzen und großen und Engländer nicht unter , habe also England sehr wenig Grund zur Klage über das vorgeschlagene Abkommen. Was die Time- auf diese Weise in zwei Spalten auS- einandersetzt, wiederholt der bekannte Afrikareisende Feuilleton. Die wilde Rose. Eine Erzählung. 62 (Fortsetzung.) Regina setzte ihre Promenade im Zimmer fort und hörte ohne Unterbrechung Antonie weiter reden: „Du mutzt mit ihm Nachsicht haben! Bedenke doch die Schwierigkeit seiner Aufgabe ganz: Der einzige Sohn der Kaufmanns Clar ist plötzlich gestorben, die Tochter, die nun den einzigen Schutz des alten VaterS au-macht, liegt am Nervenfieber schwer krank darnieder; der arme Mann ist infolgedessen der Verzweiflung nahe. ' So liegt auf Lothars Schultern die ganze Last der Geschäfte; Clar vertraut ihm ja alles an. Darum verscheuche den Trübsinn von Deiner Stirn, sei wieder heiter: er schrieb doch, Du könntest ihn jeden Tag hier erwarten " ,Leden Tag," murmelte Regina, an deren Arm sich jetzt Antonie schmeichelnd hängte, um die Zimmer promenade mit ihr fortzusetzen. Antonie begann jetzt wieder: „Einen kleinen Teil meiner Dankbarkeitsschulden gegen Dich, Regina, habe ich doch abgetragen. Willst Du mich anhören?" „Ich höre, Antonie!" „Nun denn! Als Du fort warst und Lothar Deinen Abschiedsbrief durch Mama erhalten hatte, dauerte e- nur zwei Tage und er war wieder bei unS in M. Er war sehr heftig und aufgeregt, machte Papa und Mama geradezu Vorwürfe, daß sie Deiner Ünbesonnenheit nachgegeben, Dich nach dem fremden Lande ziehen gelassen, ja er schien den Vorsatz zu hegen, Dir nachzureisen, und er hätte es gethan, wenn wir ihn nicht endlich zur Vernunft gebracht. Nament lich war ich's, die ihm die Notwendigkeit Deiner Hand lungsweise klar gemacht." „Ah! darum also erhielt ich den endlosen ersten Brief voller Vorwürfe und Kränkungen von ihm!" „Nun ja, den Brief konnte ich freilich nicht ver hindern, da er fest bei der Behauptung blieb, wenn Du einst aus Calcutta heimkehrlest, würdest Du wohl für ihn nicht mehr die alte Regina sein, die —" „Still, Antonie! klopfte es nicht eben?" fragte Re gina, bleicher werdend. Die junge Frau horchte auf, dann entgegnete sie lachend: „Du siehst Lothar gewiß schon im Geiste kommen! Dann wird er gewiß bald da sein, wie der Wolf in der Fabel!" Regina suchte ein schwaches Lächeln und sagte: „Meine Korrespondenz mit Lothar war nicht der Art, um von ihm viel Sehnsucht zu erwarten, ge schweige zu beanspruchen." „Das ist wahr", entgegnete die junge Frau. „Ihr habt höchst sparsam Eure Briefe ausgetauscht. Ferner beschwerte sich Lothar über die eisige Kälte Deiner stets kurz abgefaßten Zeilen. Er war sogar ein wenig eifersüchtig auf Deinen Onkel. Wenn dieser nicht ein alter Herr wäre, ich glaube, er hätte befürchtet, in ihm einen Rivalen zu besitzen." „Mein — Onkel — ist kein — alter Herr, An tonie," wendete Regina gesenkten Hauptes ein. „Wie? Du schriebst uns aber nie davon." „War das notwendig oder für Euch wichtig?" „Doch! und wiederum nur für einen wichtig. — Darin handeltest Du übrigens klug; denn hättest Tu's geschrieben, ich glaube, Lothar wäre noch unruhiger geworden. Sag mir aber jetzt, ist Dein Onkel auch ein schöner Mann?" DaS Wort „schön" in Verbindung mit Walberg hörte Regina jetzt zum zweiten Male; Hans Katte ihn damals, als sie glaubte, den Mann, der sie zu be leidigen gewagt, für ihr ganzes Leben hassen zu kön nen, auch einen schönen Mann genannt. Ihr Herz bebte jetzt vor der Gefahr, sich der Schwester Lothars gegenüber verraten zu können und doch trieb der Stolz fle an, ein Bild von dem Mann ihrer Liebe zu ent werfen. Sie ließ den Arm der Freundin los, begab sich an- Fenster und nahm gedankenlos eine Blume auS dem Glase, das dicht vor ihr stand; dann erwiderte sie mit ein wenig zitternder Stimme: „Ob er schön ist, in jener Bedeutung schön, daß er um seines Gesichts willen jedem ins Äuge fällt — das weiß ich nicht! Ich habe das Großartige, daS Erhabene stets mehr auf meine Seele einwirken lassen, ohne daß ich einen Namen dafür suchte. Antonie, Du host wohl schon einen Jupiterkopf gesehen?" „Gewiß, sogar erst auf meiner kurzen Hochzeits reise nach der Residenz, wo ich mit Ferdinand daS Museum besuchte.", „Sieh, etwas von der Schönheit dieser Köpfe, in denen sich die ehemalige Menschheit ihren Beherrscher deS Weltall- vorgestellt, liegt in dem Gesicht meines Onkels —" Regina war sehr verwirrt geworden und eS war daher wohl gut, daß in diesem Augenblick der kleine Fritz eintrat und Antonie etwas mS Ohr flüsterte, worauf diese mit einem Seitenblick auf Regina mit ihm das Zimmer verließ In derselben Zeit, in der die Freundinnen eine so eigentümliche Unterhaltung führten, war Hans zur gnädigen Frau ins Zimmer getreten. Respektvoll wie immer hatte er durch Liese die Dame bitten lassen, ihm eine Unterredung unter vier Augen gestatten zu wollen; sie hatte ihm dies bereits gestern zugesagt, befand sich aber, als er jetzt zu ihr emtrat, in einer solchen Bewegung, daß dies sogar der schlichte Mann gewahrte. Bescheiden wollte er sich mit der Ent schuldigung, wenn er störe, später wieder zu kommen, zurückziehen, als die Dame ihm plötzlich entgegenttat und ihm am Arm mit sich fortzog. „Hans, kommen Sie, kommen Sie! Ihnen allein kann ich in diesem Augenblick vertrauen, wie keinem anderen Menschen auf der weiten Welt!" „Gnädigste Frau, dasselbe Vertrauen führt mich zu Ihnen," entgegnete dieser. Die Dame bat HanS, neben ihr Platz zu nehmen, dann hob sie an: „Wann reisen Sie nach Jlsebach, guter HanS!" „Ich hoffe, in dieser Woche, gnädigste Frau." „Also Regina besteht darauf, die Mühle nie zu verkaufen?" „Wenigstens will sie, daß ich bis zu ihrer Groß jährigkeit die Mühle verwalte, und wenn ich dann eine Änderung wünsche, ihr Pächter werde." „Und damit kommt sie Ihren geheimsten Wünschen gewiß entgegen?" „Ich kann'S nicht leugnen," entgegnete Han- offen-
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