Suche löschen...
Dresdner Journal : 11.06.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-06-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189006116
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18900611
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18900611
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1890
-
Monat
1890-06
- Tag 1890-06-11
-
Monat
1890-06
-
Jahr
1890
- Titel
- Dresdner Journal : 11.06.1890
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
M132 . Mittwoch, den 11. Juni, abends. 1890. kür vr«»ü«o viett«jjLl»rUel» > »0 ?t , b»i ä«Q äsut«ck«» ko»t»o»t»lt«n jLdrlloU » U»r»i »««ertuUd äv» ä«ut»ol»e» keicUe» tritt ko»t- uos 8tewpeiru»cUI»^ UiLru. Liorato« t^ruuloen»; 10 kk. ^»Uüi»aiUllilxsr«daUre»i kür äs» 8»>u» «iosr xs«p»It«nen 2«»I« kteiosr kcirrik rv kt. votsr ,,Lio^v«uiät" äio 2eit« L0 kk. ösi l^dslleu- uvä LiNonrsLt» s»t»xr. /iukscUI»^. Lrsedel»«»: IN^UeU »üt ^uinLUws äsr 8oo»- u. koierU^e »beoä». koruiprscU /iuicUIu«: Ur. 12vü. AresduerAournal. Für die Gesamtltttung verantwortlich: ^ofrat <vtto Banck, ssrofeffor der titteratur- und Kunstgeschichte. V«, L»KS»älx»ox«i> ! F> Lrax«i»tetter, Loauni«lo»Lr äs« vreräoer JounuU»; L»md«rU I«rU» Vt« L«1p«t» U»»sl Ur«I», Rr»»^t»r« ». N.l Aaarsnst«« F ko-k«r, >«rU» er«G Lstpit^ rr»»^1art «. N. L/«««,- k»r1» >«rU» kr»»K1vr1 ». ». >t«ttU»rt: Da»-« «t (7o., L«rU»: /arak»äsnäa»t, >«««!»»: Lait ^a-ot-,' N»»L«««r: (7 Lc-a«ter, L»u» ».».: Larct <e 6». Ner>»,»eder« NSuixl. Lrpsäitio» äs» vr«6oer ^ounuü». vrs«äe», 2vi»8«"tr. 20. ken»»pr»eü-S»»eMu««: ^tr. 12V». Amtlicher Teil. Dresden, 7. Juni. Sc. Majestät der König haben dem Lehrer Friedrich Ferdinand Zeibig in Wachwitz das Albrechtskreuz Allergnädigst zu verleihen geruht. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Geheime Regierungsrath von Criegern bei der Kreishauptmannschast zu Bautzen das von Sr. Königlichen Hoheit dem Prinz- Regenten von Braunschweig ihm verliehene Comman- deurkreuz 2. Classe des Herzoglich Braunschweigschen Ordens Heinrich des Löwen annehme und trage. nichtamtlicher Teil. TeLegraphische Wactzrichten. Buda Pest, 10. Juni. (W. T. B.) DtrHeereS- auSschuß der ungarischen Delegation hat da- Htere-budget im allgemeinen angenommen und wird morgen in die Tpezialdebatte eintreten. London, DienStag, 10. Juni. (W. T. B.) Oberhaus. Im Laufe der Debatte über den Be richt der SchweißsystemkomiteeS erklärte Lord Ramsay, England habe allen Grund, mit den Ergebnissen der Berliner Konferenz zufrieden zu sein. ES sei befriedigend zu finden, daß England durch seine Fabrik- nnd Werkstättengesetze in der Sorge um die Arbeiter Führer der rivilifierten Welt gewesen sei. Wenn England »ersuchen würde, die Arbeitszeit der Männer, Frauen und Kinder noch mehr zn beschränken, so dürfte «S un- bewußt den Handel von den englischen Ufern treiben. In der Einstellung der frühzeitigen Ehen und in der besseren Erziehung seien die Mittel zur Hilfe zu suche«. Durch heroische Mittel werde das LoS der Arbeiter nicht gebessert. Falls daS Parlament durch Ausdehnung der bestehenden Ge setze daS Los der Arbeiter bessern könne, so wür. den dieselben nicht lange darauf zu warteu haben Moskau, 11. Juni. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Die Zeitungen berichten von großen Brandschäden und zahlreiche^ Verlusten an Menschenleben in dem uralschnk^Montan Industriegebiete. Die Hüttenwerke von Ufafefekk nvd Mewjansk, damit 1000 Wohnhäuser, 4 Schulgebäude, 3 Kirchen, 3 Hospitäler und Magazine seien niedergebrannt, 4V Personen in den Flammen umgekommeu und gegen 18 VW obdachlos. Washington, 10. Juni. (W. T. B.) Die Repräsrntantenkammrr hat die Silbervorlage an den Senat zurückgegeben, welcher dieselbe seiner- seits an die Finanzkommissivn überwiesen hat. Dresden, 1l. Juni. Die Rede des Grafen Kalnoky vor den Delegationen. Die Aussprache des österreichischen Leiters der äußeren Politik verdient es in der That, ihrem In halte nach von allen Seiten im In- und Auslande als ein ehrliches offenes Wort zur rechten Zeit an erkannt zu werden. Die in der Rede des Grafen Kalnoky waltende Aufrichtigkeit und Charakterklarheit ist geeignet, in Bezug auf ganz Europa die Bürgschaft für eine ungestörte Ruhe wesentlich vermehren zu helfen. Ganz besonders aber hat Deutschland alle Ur sache, mit den Darlegungen des österreichischen Staats mannes zufrieden zu sein; tragen sie doch deutlich das Feuilleton. Die wilde Rose. Etoe Erzählung. V» (Fortsetzung.! XIX Im Parke ihres Onkels saß Regina an einem schönen Morgen in einer schattigen dichten Laube; ihre Augen folgten gedankenvoll dem leisen Schaukel spiel des Windes, der die üppigen Blüten und Blätter einer tropischen Sonne in sanften Schwingungen be wegte. Zu ihren Füßen lag eine rahme schlanke Gazelle, hie bei jeder Bewegung ihres schönen Kopfes eine kleine Glocke ertönen ließ, welche mit einem sei denen Bande an ihrem Halse befestigt war. Bei jedem Klange der Glocke schien Regina zusammen- zuschreckcn und blickte hastig nach dem Eingänge des Parkes, als erwartete sie von dort nichts Gutes. Zwei Monate hat sie jetzt schon in Calcutta verlebt und diese Zeit, wenn nicht ganz im alten Übermut und vielfach träumerisch, so doch sehr glücklich verlebt. Ihr Onkel hatte in allen Stücken sein Versprechen gehal ten, nachdem er von seiner kurzen Reise zurückgekehrt war. Er hat sie in die Gesellschaft eingeführt und diese hat sie aufs freundlichste ausgenommen. Feste reihten sich an Feste für sie, und um ihr Vergnügen zu bereiten, hat der Onkel selbst sein sonst so stilles Hans Besuchern geöffnet. Mit Geschenken bedachte er sie sehr freigebig, jedoch in einer Weise, daß sie ihm für selbige nicht danken konnte. » . erfahrenen, in Staatsfragen so weisen und seinem Volke so treu aufopfernd gesinnten Herrschers von Österreich-Ungarn. Da Deutschland schon heute in Gepräge des Einverständnisses zwischen der Kabinetts Zusammenhang bleibt. Diese Lebenskraft allein be- politik und den oft bekundeten Ansichten des viel- weist, wie tief gewurzelt das Bündnis in dem Be- Irenen, in Staatsfragen so werfen und seinem wußtsein und im Herzen der Nationen, wie unerschütter- . Uch Ez in seinem ganzen natürlichen Bestände ist. Ein Bündnis von solcher Festigkeit bleibt unberührt der verantwortungsvollen Rolle des europäischen Frie- denshüterS der geographischen Lage und der Natur der Sache nach die schwierigste Aufgabe obliegt und auch künftig obliegen wird, wenn dereinst die Zunge der großen Völkerwage aus dem Gleichgewicht kommen sollte, so ist es für unser Vaterland von der durch den Wechsel von Personen, und hätten diese noch so bedeutsam einbegriffen in den Gang der Welt geschichte. Mit besonderer Vorliebe hatte man da und dort seit dem Regierungsantritte Kaiser Wilhelm'- II. den Glauben genährt, als stünde der neue jugendliche Monarch der Allianz, welche ihm gewissermaßen als heiliges Vermächtnis seines Vaters und Großvaters überliefert worden war, kühler gegenüber; erst in die sen Tagen waren wieder aus allerdings trüber Ber liner Quelle allerlei interessante Neuigkeiten über eine neue Bündnisgruppierung in die Welt gesetzt worden. Der Hinweis des Leiters unserer auswärtigen Politik auf die kraftvolle Persönlichkeit, die scharf ausgeprägte Individualität des regierenden deutschen Kaisers, wel chem nichts ferner liegt, als Unklarheit und Zwei deutigkeit, dürfte genügen, um das zu erhärten, was in unterrichteten Kreisen niemals in Zweifel gezogen worden war: Die durchaus sympathische, verläßliche und standhafte Haltung Wilhelm s II. als Bundes genossen Österreich-Ungarns. Men die bisherige über alle sonstigen Wandlungen erhabene Dauerhaftigkeit der Tripel-Allianz noch nicht von der Unerschütterlich keit dieses Friedensbnndts überzeugt hat, ver wird aus den Worten des Grafen Kalnoky diese Über zeugung schöpfen, und vergeblich werden in Zukunft alle Versuche bleiben, den Glauben und das Vertrauen der Völker in diese Allianz wankend zu machen. Wenn die mächtige Grundlage unserer auswärtigen Politik, der Dreibund, unverändert und unerschüttett fortbesteht, so haben sich, wie Graf Kalnoky versichern konnte, auch die freundlichen Beziehungen zu den anderen Staaten seit der letzten Delegationssession nicht ge ändert, und unberührt ist insbesondere unser Verhält nis zu den Balkanstaaten geblieben, welche naturgemäß unsere aufmerksamste Teilnahme fordern. Österreich- Ungarn hat es seit jeher zu seinem Grundsätze gemacht, die selbständige kulturelle, materielle und politische Ent wickelung dieser jungen Staatswesen auf dem Boden der bestehenden Rechtsverhältnisse in keiner Weise zu hemmen oder störend zu beeinflussen; es steht ihnen mit sympathischem Interesse gegenüber und hat nie den Versuch gemacht, ihre jugendliche Freiheit irgendwie ein^udammen. Mit besonderen! Wohlwollen gedachte der Minister auch Heuer Bulgariens, dessen korrektes Streben, dessen stetigen Fortschritt im Vorjahre die kaiserliche Ansprache an die in Wien versammelten Delegationen aufmunternd anerkannt hat. Seither ist das Fürstentum nicht abgewichen von jenen Wegen; es vermeidet jede Abirrung, jedes bedenkliche Abenteuer auf politischem Gebiete und sucht nur die innere Kon solidierung, die zivilisatorische Hebung des Landes, die kulturelle Veredelung des Volkes zu fördern. Die von einem Mitgliede der Delegation ausgesprochene Besorg nis, daß die Nichtanerkennung des Fürsten die wünschens werte Stabilisierung der Verhältnisse hemme, Anschläge gegen die innere Ruhe fördern könnte, wurde von dem Minister mit leichter Mühe zerstreut. Der Mangel dieser Anerkennung, welcher in den Vorschriften des Berliner Vertrages seine Begründung findet und nur nach denselben zu beheben wäre, hat Bulgarien in seiner bisherigen Entfaltung nicht gehindert; er hat die Autori tät der Regierung, wie gerade der Prozeß Panitza be wiesen, nicht geschmälert und wird auch einer gedeih lichen Zukunft des Landes nicht im Wege stehen, das in der That kräftig genug erscheint, seine Geschicke selbst zu bestimmen und mit eigener Hand seine Zu kunft zu gestalten. Nicht so erfreulich und befriedigend klangen die Worte, welche der Leiter der auswärtigen Politik dem benachbarten serbischen Königreiche widmete. größten Wichtigkeit, im nächsten und stammver wandtesten Grenznachbar einen über jeden Zweifel erhabenen, in allen Fällen ausdauernden Bundes genossen treu und fest an seiner Sette stehen zu sehen. Auch das Regenienhaus Österreichs und dessen maß gebende Staatsmänner sind ersichtlich von derselben Überzeugung erfüllt und halten es für ein selbstver ständliches Gebot der Vernunft, mit dem deutschen Reiche Schulter an Schulter zu stehe«, an Bündnis, dem sich Italien im eigenen Interesse seiner Sicherheit hochwillkommen anschließt. Der österreichische Minister ergriff die Gelegen heit, die Unantastbarkeit dieser Thatsache entschieden zu betonen und es ist eine Genugthuung und Be ruhigung für die Anschauungsweise der deutschen Politik, daß gerade daS dem Wiener Kabinett am nächsten stehende Organ, das „Fremdenblatt", den größten Nachdruck auf diesen Teil jener beachtens werten Aussprache legt. Wir geben hier die daran geknüpften Erörterungen der genannten Zeitung im folgenden wieder: „Graf Kalnoky hat in seiner Ansprache an die bei den Delegationen kein Moment unbeleuchtet gelassen, welches zur vollen Klarstellung unserer auswärtigen Politik und unserer Position in Europa dienen kann er hat offen und gerade gesprochen, wie es seine Art ist und eben dadurch jeden Zweifel in der Auffassung seiner Worte ausgeschlossen Die Grundlagen unserer Politik sind — das konnte der Minister seinen er schöpfenden Ausführungen voranschicken — dieselben geblieben, wie sie es im Vorjahre waren, eine Stetig keit, die sich bei der Festigkeit und Klarheit unseres politischen Systems wohl von selbst versteht. Diese Grundlage aber ist nach wie vor das Bündnis mit dem deutschen Reich und Italien. Die Lieblings beschäftigung gewisser publizistischer Tendenzpolitiker ist es seit Jahr und Tag, in geheimtnsvollen An dentungen, pompösen Depeschen oder tiefsinnigen Be trachtungen die Solidität dieses Bündnisses als ge lockert darzustellen und eine neue politische Kon stellation in Europa anzukündigen. Jeder äußere An laß, der sich nur Halbwegs in Kombination mit einer solchen Wendung in der Weltpolitik bringen läßt, wird mit Wonne ergriffen, um in diesem Sinne Stimmung zu machen. Ist es Böswilligkeit oder die einfache Lust an politischen Sensationsmärchen, welche diese Gerüchte zeitigt — genug, sie kehren immer wieder und finden ihre naiven Leser. Dieses Vergnügen dürften die heutigen Aussprüche des Grafen Kalnoky auf lange hinaus mit kräftigem Worte zerstört haben. Mit Nachdruck erklärte Graf Kalnoky heute, daß unsere Beziehungen zu dem deutschen Reiche niemals ver trauensvoller und fester waren wie heute und daß gerade dem hochbegabten und thatkräftigen Ober haupte dieses Reiches ein hervorragendes Ver dienst an der unveränderten Aufrechterhaltung und weiteren Vertiefung jener innigen Be ziehungen gebührt. Das deutsch-österreichische Bünd nis hat bereits manche Kraftprobe überzeugend be standen: drei Kaiser hat es erlebt und den Weggang eines Staatsmannes von außerordentlicher Bedeutung überdauert, dessen Name allein ein System zu bedeuten schien und mit der Schöpfung der Allianz im innigsten „Du darfst als meine Nichte den Damen meiner Bekanntschaft nicht nachstehen; daher betrachte das, was Du erhältst, als etwas Notwendiges und danke mir nicht dafür." Das waren seine Worte. Und sie hat diesen Anspruch respektiert, nimmt alles schweigend von ihm hin, wie sie sich bereits auch an die Huldigungen der Männer, die sich, wo sie er scheint, um sie scharen, gewöhnt hat. Keiner von diesen gewinnt indessen ihre Aufmerksamkeit, die mei stens ihrem Onkel gewidmet ist, dessen zeitweilige Ab wesenheit in den Gesellschaften sie sogar befangen und unruhig macht. Doch auch der Onkel ist fast immer in ihrer Nähe und das hat sie stets so glücklich ge macht, daß sie glaubt, sie könne ohne ihn gar nicht mehr so recht fröhlich fein. Das alles sollte aber jetzt ein Ende nehmen und zwar durch das Dazwischentreten von Hans, ihrem besten Freund , der immer nur auf ihr Wohl bedacht gewesen. Durch des Onkels Unterricht ist sie eine kühne Reiterin geworden; sie bedient sich jetzt nicht mehr ängstlich des kleinen Pony, sie hält mit fester Hand die Zügel eines feurigen Arabers und sitzt stolz und sicher im Sattel. Ihr Unterricht war indes kaum beendet, da nahte sich auch schon das Verhäng nis. Sie hatte eS sich nicht versagen können, einige Male, wenn der Onkel nicht ausritt, von einem Diener begleitet, einen heimlichen Ritt nach dem Hindutempel zu unternehmen. Den Diener hatte sie stets am Fuße der Anhöhe halten lassen. Diese stieg sie allein hinan, band ihr Pferd an daS Fenstergesims, wie es tamals der Onkel gethan und setzte sich dann ans die Stein bank und verträumte dann Stunden in einem unbe wußten Glück. Der Ort übte auf sie eine unsagbare Anziehungskraft aus, sie kannte dort jeden Baum jeden Strauch. Was sie dort träumt, was sie fühlte wodurch ihr dort die Zeit so schnell dahinfliegt, davon hat sie sich bisher keine Rechenschaft gegeben, und daß andere diese von ihr fordern wollen, berührt sie höchst unangenehm und droht nun gar gefahrvoll zu werden. So oft sie vom Hindutempel heimkehrte, zeigte ihr Wesen eine Zerstreutheit und ein Gedrücktsein, ihre Wangen waren bleicher, ihre Augen matter als sonst, so daß dies Mary und Hans bereits aufgefallen war. Es war Regina gelungen, ohne ihr Geheimnis preiszugeben, der alten Dame mütterliche Besorgnis wegzu scherzen; anders jedoch bei Hans. Gestern war sie nun so un vorsichtig gewesen, auf sein dringendes Nachforschen nach der Ursache ihrer befremdlichen Erscheinung den Bescheid zu geben, daß wenn sie überhaupt etwas lei dend aussehe, einzig und allein das heiße Klima Cal- cuttas daran schuld sein müsse. Das hatte sie fast im Arger über seine beständige inquisitorische Nachfrage geäußert und nicht im geringsten daran gedacht, welche schwer wiegenden Besorgnisse ihrem treuesten Freunde daraus erwachsen würden. Am Abend jedoch, als Hans sehr schweigsam gewesen, da war ihr sofort klar geworden, was die Veranlassung zu dieser ernsten Stimmung sei. Dieses Wesen war ihr am Freunde nicht unbekannt. Etwas Jnhaltschweres beschäftigte dann sein Gemüt, und ein bedeutungsvoller Entschluß pflegte dann das Resultat seines Nachdenken- zu sein. Schon am näch sten Morgen sollte sich ihre Vermutung bestätigen. Als gemeinschaftlich gefrühstückt und der Onkel hinausgegangen ivar, hielt Hans sie zurück, die ahnungs schwer sich ebenfalls hinausbegebcn wollte. „Regina," begann HanS, „ich habe die ganze Nacht Oesterreich-Ungarn hat es wahrhaftig zu keiner Zeit an Beweisen einer besonders wohlwollenden Freund schaft für diesen Nachbar fehlen lassen, welcher in jüngster Zeit namentlich in der Presse ein besonderes Talent der Undankbarkeit entwickelt. Die Sympathie unserer Monarchie hat dem jungen Königreiche vor treffliche Früchte getragen und ist ihm in musterhafter Langmut selbst dann noch bewahrt geblieben, al- man in manchen Kreisen Serbiens die Verleumdung und Beschimpfung des großen Nachbarreichs als politischen Sport betrieb. Die Sache war fa gefahrlos, da man mit cyrillischen Lettern keine Regimenter vernichtet und zerschlagene Fensterscheiben keine verlorenen Schlachten bedeuten. Graf Kalnoky charakterisierte kräftig und energisch, wie es die traungen Helden der serbischen Pretzarmee verdienen, die Exzesse der Belgrader Jour nale, denen die Regentschaft und das Ministerium, wie man annehmen muß, wehrlos und ratlos gegen überstehen, und konnte nur nachdrücklich der Hoffnung Ausdruck geben, daß in Zukunft diese maßgebenden Kreise des Königreiches sich denn doch zu einiger That- kraft ermannen und das zügellose Treiben jener Tapferen in irgend einer Weise paralysieren- werden. Wir wissen allerdings, daß die vorjährigen Umwälzungen in Serbien, der Wechsel auf dem Throne, im Mini sterium und in den Parteiverhältnissen auch einen starken Wechsel in der äußerlichen Stellung Serbiens zu unserer Monarchie mit sich gebracht haben. Ganz falsch aber wäre es, anzunehmen, daß die guten Be ziehungen zu Rußland, die man jetzt mit Emsigkeit pflegt, gleichbedeutend mit schlechten Beziehungen zu Oesterreich-Ungarn sein müßten. Unsere Regierung selbst war es — wie Graf Kalnoky betonte — welche Serbien jene Beziehungen angeraten bat; niemals hat sie das Monopol serbischer Sympathien für sich in Anspruch genommen oder schmerzlich vermißt, wie man in Belgrad zu permuten scheint. Jedenfalls werden wir die Verminderung dieser Sympathien mit Würde ertragen. Was wir erwarten müssen, ist lediglich eine deutlichere und werkthätige Kundgebung des guten Willens der maßgebenden serbischen Kreise, jene guten Beziehungen zu unserer Monarchie zu pflegen, welche für sie am wettvollsten find. Die Ausführungen des Grafen Kalnoky haben die Delegationen davon überzeugt, daß die Leitung unserer auswärtigen Angelegenheiten in einer festen Hand ruht, von der Erkenntnis unserer wahren Juteressen getragen und klaren, bestimmten Zielen zugewandt ist. Man sieht unsere Monarchie als ein mächtiges und an gesehene- Glied jenes Bundes, welcher den Frieden Europas verbürgt; ihre Politik ist frei von Schwan kungen, frei von feder Selbsttäuschung, jeder Schwäche und Unklarheit m ihrer Richtung. Sie hat sich in ernsten Zeiten bewährt und verdient die vertrauens volle Unterstützung, welche ihr die Delegationen und mit ihnen die Völker des Reiches durch Gewährung jener Mittel bieten, deren sie zur Aufrechterhaltung unserer Machtstellung bedarf. Schon heute hat sich unter deni großen Eindrücke der Mitteilungen des Ministers das Vertrauen der Delegation in diese Politik unzweideutig geoffenbart. Die einstimmige Be? willigung des erhöhten Dispositionsfonds bedeutete ein offenes Vertrauensvotum für den Leiter unserer auswärtigen Angelegenheiten, dessen Politik heute wohl im vollen Einklänge steht mit den Bedürfnissen des Reiches und der politischen Überzeugung der über wältigenden Mehrheit unseres Volkes." Tagesgeschichte. Dresden, 11. Juni. Unter dem Vorsitze Sr. Ex- cellenz des Hrn. Staatsministers Dr. v. Gerber und in Gegenwart der Herren Räte des Ministeriums des Kultus und öffentlichen Unterrichts fand heute die in Sorge um Dich nachgesonnen; ich finde keinen an deren Ausweg für Dich, als schnelle Rückkehr nach Europa, da Deine Gesundheit hier zu leiden be ginnt." Da war das Mädchen zusammengezuckt, wie wenn eine eiskalte Hand sich plötzlich ihr aufs Herz gelegt hätte. „Hans, das darfst Du nicht wieder sagen. Mein Onkel würde Dir sehr böse werden!" hatte sie aus gerufen. Darauf hatte Hans ruhig erwidert: „Dein Onkel wird cs selbst gutheißen, daß Du gehst, wenn er erfährt, daß das Klima Deine Gesund heit untergräbt." „HanS, ich habe die Unwahrheit gesprochen, — ich bin nicht krank." „Du hast nicht gelogen, Regina, aber jetzt willst Du es versuchen," hatte der Hartnäckige geantwortet und das Mädchen bei diesen Worten forschend ange sehen, so daß sie die Augen sinken ließ Aber die Furcht, jetzt Calcutta verlassen zu müssen, überwog selbst das Gefühl der Schani, und so suchte sie auf einem neuen Wege Hans anderen Sinnes zu machen. Dieser fühlte sich im Hause ihres Onkels so wohl und behaglich wie noch nie in seinem Leben, das hatte er offen gestanden. Mr. Walberg hatte ihm, dem an Thätigkeit Gewöhnten, eine kleine Stellung im Geschäft angewiesen, welche er zur vollen Zu friedenheit des ersteren ausfüllte. Dies hatte da- innige Freundschaftsverhältnis zwischen beiden noch ver stärkt und daran appellierte Regina. „Wäre eS nicht die grenzenloseste Undankbarkeit", fragte sie, „jetzt den Onkel zu verlassen, der einen treuen Freund noch ML
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite