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Dresdner Journal : 25.02.1890
- Erscheinungsdatum
- 1890-02-25
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-189002250
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18900225
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18900225
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1890
-
Monat
1890-02
- Tag 1890-02-25
-
Monat
1890-02
-
Jahr
1890
- Titel
- Dresdner Journal : 25.02.1890
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- - - Dienstag, den 25. Februar, abends. Vcrvxoprot»: kür vrooäoo viertosiLürticl» 2 Llark S0 kk, k«i «lov äootocdeo ko»t»o»t»ltso vlvrtet- jLUrUcU 3 Aarll; LU»»erd»Ib 6e» äeutocbeo lteüüe» tritt I'oit- oaö Ltt-wpelruoeülitss üünu. Liorotao Huwwern: 1V kk. LuülluälgllugoxvdUIlrvi»: kür Ueo li»um eivsr s-e«p»It«-oell 2silv ^lsmor kokrikt 20 kk. voter „kio^s-luiät" älo 2eilo SO ?k. ö«i 'kitdolleL- uoä ^iULrnsLtr ent»pr. Lnedelaeur Ik^licU wit ^u»ll»Ums 6er Lovo- u. koiertLg« »dooäo. keraoprocN-AuoLÜIuoor Ur. 1285. DresdnerIournat. Für die Gesamtleitung verantwortlich: Hofrat Otto Banck, Professor der Litteratur- und Kunstgeschichte. 1890. »auLÜw« von ^»üaälguogkll »uontrtor N«!p»ig: H Lra»ct«t«ttrr, LomwiiLiovür cis» Oreoäuer ^ouin»I»; Luodarg NorNo Vi«a l.«ip,ig N»»«l Nr«,l»o rr»»kkarr ». ».: ^/aarc««<r»n <S t ü^ikr, NorUo Vi»o - »«wdarU kr»U l^ipoig-kroollriul ». H.-MSocLio: r»rt» L»LiloL - LorU» - kr»»ktor1 ». ».- »tat^ort: Da»«t« «t <7o , L«rlm: /nrntlArntiun^, Lr«»I»o: Amit Aat-atä,' L»LL»r«r: (7. §c/«ü«/er, L»U« ». S : / Laret «K (7o Ilerouoxeverr Löoixl. LipeUitioo 6e, vreocioer ^ourv»I». Vrooäeo, Lvill^eritr 20. ksrniprscü-Anocttt^i»: lir. 1285. Amtlicher Teil. Dresden, 25. Februar. Se. Königliche Hoheit der Prinz Georg, Herzog zu Sachsen, ist heute Vormittag 7 Uhr 2 t Min. von Arco wieder hier ein getroffen. Aekaimtlnachlltttl, die Crtheilmlg der Erlaubnis zum Geschäfts betriebe des Brandv.'rsicherungsvcreincs Preu ßischer Staatteisenbahnbeamter im Königreiche Sachsen betreffend. Das Ministerium des Inner» hat dem Brand versicherungsverein Preußischer Staatscisenbahnbeamter auf Grund der von demselben eingereichten Statuten die nachgesuchte Konzession zu Annahme der nach 8 7 des Gesetzes, das Mobiliar- und Privatfeuervcrsiche rungswesen betreffend, vom 28. August 1876 zulässigen Versicherungen innerhalb des Königreichs Sachsen unter den durch das an zezogene Gesetz und die dazu gehörige Ausführungsverordnung vom 20. November 1876 in Verbindung mit dem Gesetze vom 18. Oktober 1886, eine Ergänzung und Abänderung der 88 18 und 19 des vorangezogencn Gesetzes betreffend, sowie der zu dem Gesetze vom 18. Oktober 1886 erlassenen Aus führungsverordnung vom 19. Oktober 1886 vorge- schricbenen Bedingungen und Beschränkungen mit Vor behalt des Widerrufs erthcilt. Es wird Solches, sowie daß der Verein für das Königreich Sachsen Leipzig zum Sitze seiner Geschäftsverwaltung gewählt und da selbst seilten Gerichtsstand hat, hiermit znr öffentlichen Kenntnis gebracht. Dresden, am 20. Februar 1890 Ministerium des Innert'. v. Nostitz Wallwitz. Münckner. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische Nachrichten. Paris, 25.Februar. (Tel d Dresdn Jouru.) Der Hcrrog von Orleans ist nach Clairvaux übergeführt worden. Madrid, 25. Fcbruar. (Tel. d.TreSdii. Journ.) Le. Majestät der König hütet infolge einer leichten Erkältung das Zimmer. London, 25. Februar. (Tel. d. Tresdn Journ.» Bei der gestrigen Adreßdebatte brachte Graham ein Amendement ein betreffs Erörterung der Be schränkung der Arbeitsstunden auf dec Berliner bezw auf dec Berner Konferenz. Unterstaats- sekretär Fergusson erklärte, das Amendement könne, da die Negierung Einladungen von Deutschland und von der Schweiz erhalten bade, jetzt nicht beraten werden, indem weitere Unterhandlungen nötig seien und die Einladungen auch noch einer Modifizierung unterworfen werden könnten. Die Schweiz habe angesichts der beabsichtigten Berliner Konferenz das Abbalten der Berner Konferenz verschoben. Die Negierung habe auf die Ein ladung Deutschland- in keinem unsympathischen Geiste geantwortet, dieselbe müsse jedoch kaS Amen dement bekämpfe», da eS der Negierung die Hände binden würde. Das Amendement wurde darauf mit 1SK gegend«? Stimmen abgelehnt. Paris, 25 Februar. (Tel. d. Dresdn Journ) Eine Versammlung von 600 Maurern in Mar ¬ seille protestierte gegen die Verwendung italienischer Arbeiter beim Bau deS PostgebäudeS. Der Prä fekt versprach, sich mit der Angelegenheit zu be schäftigen und ermahnte die Arbeiter, den Italienern gegenüber Ruhe zu beobachten, um einen inter nationalen Zwischenfall zu vrrmeiden. Belgrad, 24. Februar. (WT.B) Die Skup- tschina lehnte mit großer Mehrheit einen von Gjuric gestellten Antrag ab, wonach gewaltsame oder andere Versuche, die Ausführung von Beschlüssen der großen Skuptschina zu verhindern, mit der Todesstrafe zu belegen wären. Dresden, 25. Februar. Preßstiminen über die Ergebnisse der Reichs tagswahlen. Tie Ergebnisse der Reichstagswahlen flehen, wie begreiflich, noch immer im Vordergründe der publi zistischen Erörterung. Tie Blätter aller Parteien be sprechen die durch den Sieg der Opposition geschaffene Lage und ziehen daraus die mannigfachsten Schlüsse. Am eingehendsten beschäftigt man sich mit der Frage der gegenseitigen Unterstützung bei den Stichwahlen Eine Reihe sehr angesehener Blätter der Ordnungs Parteien ist init den: Vorschläge hervorgetrcten, bei den Stichwahlen alle Parteiunterschiede außer Acht zu lassen und mit vereinter Kraft die sozialdemokratischen Bewerber aus dem Felde zu schlagen. Bei den deutschfreisinnigen Parteiführern hat dieser Vorschlag freilich zunächst sehr wenig Anklang gefunden. Sie haben im Gegenteil ihre Anhänger aufgefordcrt, sich entweder der Wahl zu enthalten oder aber womöglich mit den Sozialdemokraten gegen das Kartell zu stim men. Ähnlich steht es im Zentrum, obschon sich hier auch Stimmen bemerkbar gemacht haben, welche den Wählern empfehlen, durch ein Zusammengehen mit dem Kartell das weitere Anwachsen der sozialdemo kratischen Mandate zu verhindern. Ter Ausfall der Stichwahlen wird zeigen, ob und inwieweit die deutschfreisinnige und ultramontane Wählerschaft den Mahnungen der Rufer im Streite Folge leisten wird. — Wir verzeichnen in nachstehendem eine An zahl von Zeitungsstimmen, aus denen sich ein un gefährer Überblick über den durch die Wahlergebnis!»-, im Lande erzeugten Eindruck und über die mutmaß' liche Haltung der Parteien bei den Stichwahlen ge winnen läßt. Tie „Norddeutsche Allgemeine Zeitung" schreibt: „Mustert man die bisher über die Wahl ergebnisse vorliegenden Auslassungen der Blätter, so drängt sich zunächst ein ziemlich vorlautes Jubclgcschrci der Freisinnsprcsse hervor. Angesichts des Umstandes, daß bisher nur 12 Teutschfreisinnige als definitiv ge wählt gemeldet sind, und nicht nur in Berlin, sondern auch an anderen Orten der „altangestammte" Mandats- besitz erst noch in Stichwahlen verteidigt werden soll, hat dieser Jubel eine marktschreierische Klangfarbe, wozu denn auch recht gut paßt, daß mitten in ihn hinein, in eifrigen Freisinnsorganen nach verbesserter Organisation der Partei, um sie für künftige Wahlen aktionssähiger zu machen, gerufen wird. Jedenfalls aber ist dieser Jubel verfrüht, denn das wirkliche Wahlresultat, d. h. die Zusammensetzung des künftigen Reichstages, läßt sich auch noch nicht annähernd be urteilen, werden doch über etwa ein Drittel der Man date erst durch Stichwahlen entschieden werden Ab gesehen aber auch hiervon, so wird das Gesamtresultat kaum viel anders ausfallen, als dasjenige von 1884 , darüber zu jubeln, hätte der Freisinn kaum Anlaß Denn obwohl in dem 1884 gewählten Reichstage die „berühmt"-gewordene Majorität Richter Windt horst Grillenberger bestand, hat derselbe mancherlei recht nützliche Dinge geschaffen, die gerade dem Freisinn gegen den Strich gingen. Es war das die Folge des Umstandes, daß der Freisinn sich zu den wirtschaftlichen und sozialreformatorischen Bedürfnissen der Nation ablehnend verhielt, die Politik der ver bündeten Regierungen denselben jedoch gerecht wurde, so daß der Reichstag trotz oppositioneller Mehrheit den thatsächlichen Umständen Gehör schenken mußte. Geht man indessen den Ursachen des Jubelgeschreies in der Freisinnspressc auf den Grund, so sind es nicht die Erfolge der eigenen Partei, sondern diejenigen der Sozialdemokraten, denen der Jubel gilt! —Ob letztere Erfolge dem Deutschfreisinn zum Vorteil gereichen werden? So lange dieses zweifelhaft bleibt, niuß man annehmen, jener Jubel solle nur den Ärger über den eigenen, die gehegten Erwartungen täuschenden Miß erfolg übertönen. Selbst wenn man jedoch dieser Ab sicht Rechnung tragen wollte, muß man doch bezweifeln, ob der politische Anstand dabei zu seinem Rechte ge langt, wenn nach Hinnahme aller der Anwürfe, mit denen die Sozialdemokraten dem Freisinn in den letz ten Monaten und Wochen gedient haben, die Freisinns presse den Erfolg dieser Partei so lebhaft applaudiert Wenn indessen die Preßorgane anderer Richtungen die Neigung bezeigen, den K opf überdie Wahlergebnisse hängen zu lassen, so ist vor der Hand ein zwingender Grund da zu noch kaum vorhanden Erstens kennt man diese Ergebnisse bisher nur im Spiegel der ersten Eindrücke, und dieser Spiegel ist durch den Hauch der freisinnigen Jubilanten stark getrübt; zweitens aber werden in Wirklichkeit erst die Stichwahlen über die Gesamtnatur des Ergebnisses entscheiden. Diesen Stichwahlen sollte man also alle Ausmerlsamkeit und Kraft zuwenden, bei einiger Kraftanstrengung wird gerade angesichts der Erfolge der Sozialdemokratie noch mancherlei an dem Gesamtergebnisse zu verbessern sein. Aber auch ganz hiervon abgesehen, beim allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrecht werden die Stimmen nur ge zählt, nicht gewogen; aber die Gewählten werden ge wogen. Was aber haben Freisinn und Sozialdemo kratie an praktischen Leistungen für drs Volkes Wohl fahrt aufzuweisen? Was werden sie in dieser Richtung im jetzt gewählten Reichstage leisten? Nun danach wird in Zukunft der Wähler urteilen; mit den schönen Versprechungen, denen jetzt ein Teil derselben das Ohr geliehen, wird's dann nicht gethan sein." In der „National-Zeitnng" lesen wir: „In dcn Wahlen von 1887 hatte das deutsche Volk dem damals gewählten Reichstag dcn Auftrag erteilt, das Reich militärisch zu sichern; kein Wähler aber war so naiv, zu glauben, daß dies ohne finanzielle Opfer ge schehen könnte. Ter Reichstag von 1887 hat gethan, was ihm anfgetragen worden; und die in den ver gangenen drei Jahren erfolgten großen Geldbewillig ungen für militärische Zwecke sind zwar nicht von den Sozialdemokraten, wohl aber von dcn Tcutschfreisi» nigcn und dem Zentrum mit votiert worden. Tas Zentrum hat sogar das Branntweinsteuergesetz, welches die Geldmittel lieferte, mit allen seinen Mängeln mit beschlossen, und die Tcutschfreifinnigen haben wenig stens früher anerkannt, daß eine Erhöhung der Brannt wcinstcucr das beste Mittel zur Teckung finanzieller Mehrbedürfnisse sei. Aber die Tenunziation der er höhten militärischen und finanziellen Lasten, die Be schuldigung, daß die „Kartellparteien" viele Hunderte von Millionen neuer Anleihen bewilligt hätten — die thatsächlich fast ausnahmslos vom Zentrum und den Teutfchfteisinnigen mit beschlossen worden — hat auf viele Wähler gewirkt, welche 1887 daS gewollt hatten. Ivas inzwischen geschehen ist." Und an einer anderen Stelle sagt dasselbe Blatt: „Tie Reichstagswahlen haben sich in einer Zeit tiefsten Friedens vollzogen, jedenfalls ist die Friedensstimmung cm durchschlagender Zug im europäischen Leben des Fciiillcloii. Die Enkel. Erzählung an» dem <km-lande von E » Dincklage 2l (Fortsetzung) Oberhof schien für Erna ein verkörperter Vorwurf, es ward ihr als Heimat, als eigene Scholle einst so freundlich geboten und sie rvar jetzt in ihrem Besitze ebenso entfremdet wie ihren Angehörigen. Sie be trauerte den Großvater tief und mit tausend Selbst quälercien, sie kniete heimlich neben dem leeren Roll stuhl uud weinte auf die alten Ledcrpolster — „es ist so schwer, jung und unverstanden zu sein!" Die Fürstin war erfreut, Erna pünktlich mit dem vorher bestimmten Zuge heimkehren zu sehen. Die hohe Frau zeigte sich trotz aller Liebe für ihren Na men strenger gegen Erna, als sic es jenials war gegen die Vorgängerinnen derselben, die Zurttckl-altung und der Ernst deS jungen Mädchens gefielen der Gebieterin und solch' eine Stimmung macht kritisch Der Spätherbst und Winter ließen sich recht melancholisch an in Ehren- bürg, in den weiten, öden Sälen deS Schlosses wider l-allten die Echos, wenn eine der lvenigen Personen, welche die herrschaftlichen Räume bewohnten, hindurch schritt, der regierende Fürst hatte dcn Süden aufge sucht und Prinzeß Anna war an ihre Mauern und an die Wieste ihre» Erstgeborenen gefesselt. Am Weihnachtsabend machte sich die Unzusammrn- gehörigkeit der Schloßbewohner vorzüglich fühlbar. Die Fürstin beschenkte ihr Gefolge und einige arme Kinder und zog sich daranf in ihre Privat gemächer zurück. Komtesse de Lance nahm die Ein ladungen zu verschiedenen Familienbescherungcn nicht an, sich mit ihrer Trauer entschuldigend, früher hatte die Hofgesellschaft ihr derartige Isolierungen sehr übel genommen, jetzt, nun sie vermögend war, anerkannte man ihre Eigenart — nicht begreifend, durch was sie die Fürstin eigentlich für sich gewonnen habe. So saß sie denn in ihrem Zimmer, wenig geneigt, Feder, Buch oder Arbeit zur Hand zu nehmen, oder gar das Instrument zu öffnen Während das hohe, schlanke Mädchen mit dem kleinen vornehmen Kopfe aller Welt den Eindruck größter Sicherheit und unbcirrter Festigkeit machte, lag sie mit sich selbst in nicht enden wollendem Kampfe, und ihr Thun und Lassen brachte ihr niemals Be friedigung. Stundenlang konnte sie grübelnd am Cchloßsenster stehen und in die hübsche, hügelige Gegend oder in die Stcrnennacht Hinausschauen, und so schlug sie auch jetzt die schweren Vorhänge zurück, öffnete den Fenster flügel und ließ die herbe Nachtluft und daS Rauschen der Fontänen, durch welches das ängstliche TodeS- gcflüster der welken Blätter an dcn bcnachbartcn Bäu men rauschte, zu sich hinein Der Park lag in stiller Dunkelheit — c- ist etwa- anderes nm die Einsam keit der Paläste als um die Einsamkeit der Hütten Erna mochte lange so traumverloren dagestanden haben, als sich rin Männerarm um ihre Taille legte und eine Stimme, welche sie durchschauerte, freundlich sagte: „Du wirst Dich erkälten, mein Herz, Du hast mich nicht erwartet, ich komme, Dir meinen Glückwunsch zum Feste und zur Erbschaft zu bringen — und mich selbst als Tcincn reuigen, von dcn hcrrlichstcn Vorsätze» bc seelten Bruder!" Erna machte sich von ihm los und trat, vom Lichte und der Überraschung geblendet, einige Schritte zurück, um den Redenden zu betrachte» Das war die fein glicdrige, fast zart auSsehende Gestalt mit dem jungen, schüchterncn Gesichte, den« dunkeln Haar, der elastischen Haltung, dieses Gewisse: „jcder Zoll cin Gentleman", das sich weder lernen noch beschreiben läßt, das ohne Schönheit sür schön gilt und ohne Empfehlung em pfiehlt. Er war in den anderthalb Jahren seiner Abwesenheit dem verstorbenen Marquis sehr ähnlich geworden, und die Schwester verstand nicht, wie es kam, daß eben die so fesselnde Erscheinung des Wieder gefnndenen sie so beklemmend berührte. Es konnte ja kein anderer st'n, al» Kurt, und doch Ivar Kurt, ihr so geliebter Bruder, mit seinem kränklichen, unreifen Gesichtchen ein so ganz, ganz anderer gcwefen „Sei mir willkommen!" entgegnete hastig die Schwester „Ta Du hier vor mir stehst, darf ich glauben, Deine Vergangenheit sei in der Welt so vcr- gesscn, wie ich sie zu vergessen und zu begrabe» be müht bin!" „Ich danke Dir, Tu bist noch immer die brave, ernsthafte Teutsche, und das gefällt mir, Erna!" sagte er, sic küssend und sich in einen Sessel iverfend „Die bcwußte Jngendthorhcit, oder Dummheit, odcr Feig heit, weil ich mich vor Großvater Herberg fürchtete, ist ja nun zu den Akten gelegt und mit cincr Ent erbung durch den alten Starrkopf gcnngsam. wenn nicht zu hart bestraft Ich hätte c» löblicher gcsun- den, einem verirrten Enkel den Weg in die büraer liche Achtung wiedcr anznbahnen, al» einen Ver Augenblicks, und die leitenden Persönlichkeiten aller Länder haben sich wiederholt und nachdrücklich bemüht, Vertrauen in die Dauer dieses erwünschten Zustandes zu erwecken. Man hätte denken sollen, daß eine solche Gestaltung der auswärtigen Lage in der Wählerschaft eine freudige Anerkennung finden mußte und in den Wahlen auf die eine oder die andere Weise ein Aus druck der Dankbarkeit für das mit so großem Geschick und so unausgesetzter Mühe gerettete kostbare Gut des Friedens zum Vorschein kommen sollte. Aber gerade das Gegenteil ist der Fall gewesen; der seit herigc Verlauf der Wahlen hat sich am schärfsten gegen die Parteikombinatton gerichtet, welche der Re gierung die Mittel bewilligte, mit denen diese ihrer erfolgreichen auswärtigen Politik erst Kraft und Nach druck zu verleihen vermocht hat. Dankbarkeit gicbt es indessen bekanntlich in der Politik nicht, und wer diese erwartet, hat sich noch stets verrechnet. Aber man ist auf Seite unserer Gegner noch weiter ge gangen: um sich den Angriff gegen die Kartell mehrheit recht leicht zu machen, hat man es ani besten gefunden, es geradezu zu leugnen, daß es einer energischen Zusammenpackung deutscher Kraft bedurft hatte, um den Gegnern hinlänglich zu imponieren und die Freunde zu gleichem Thun anzufeuern. Dazu giebt der Augenblick eine sehr passende Illustration Den Eindruck, den der bisherige Verlauf der deutschen Wahlen in Frankreich hervorgerufen hat, schildert eine Meldung unseres Pariser Korrespondenten „Die Blätter", so heißt es da, „feiern in allen Tonarten die große Niederlage der deutschen Regierung und prophezeien den Zusammensturz des deutschen Reichs." Das ist zwar cin höchst kindisches Beginnen, denn die Stärke und Dauerhaftigkeit des deutschen Reiches hat mit dem Ausfall eines einzelnen Wahlganges nur sehr entfernte Beziehungen. Aber für die Gestaltung unserer internationalen Verhältnisse hat die Ansicht, welche die anderen Nationen von seiner inneren Be festigung haben, doch eine immerhin beachtenswerte Bedeutung. Friedliche Gesinnungen werden bei unseren Nachbar» in Ost und West leichter Boden behalten, wenn die Gefahr, die aus einem Friedensbruche er wächst, ihnen recht kräftig vor Augen steht und sie sich nicht mit falschen Hoffnungen auf innere Schwäche des deutschen Reichs schmeicheln. Jede Minderung des Ansehens von Deutschland im Ausland kann nur den Feinden des europäischen Friedens zu gute kommen" Sehr nachdrücklich mahnt die „S-chlesische Zei tung" die Anhänger der Ordnungsparteien zur Einig keit in der Bekämpfung der revolutionären Bestreb ungen und utopistischen Ideen. Sie sagt: „Wenn der starke Machtzuwachs der sozialdemokratischen Partei im Reiche, die Vermehrung ihrer Vertreter im Reichstage auf vielleicht 4«» Mandate, die Forderungen des So zialismus, wie es natürlich ist, steigert, und dadurch die Durchführung der in den kaiserlichen Erlassen in Aussicht genommenen Gesetze erschwert, verzögert, ja vielleicht unmöglich gemacht wird — bereits bezweifelt die sozialdemokratische Presse auf das lebhafteste irgend einen realen Erfolg der kaiserlichen Erlasse — dann tritt in unseren Gesichtskreis die soziale Revolution, auf welche eine Anzahl sozialdemokratischer Führer mit Bewußtsein und planmäßig hinarbeitet, während die Masse, ohne ihre Ziele zu kennen, oder doch, ohne ihre Verderblichkeit zu ahnen, ihren Führern blind lings folgt Die Lehren, welche der 20. Februar uns erteilt, sind hart, aber sie müssen hingenommen und vor allem beherzigt werden Tie Frage, auf welchen Wegen und mit welchen Mitteln die sozial demokratische Gefahr abgcwendet, die berechtigten Forderungen der Arbeiter erfüllt, die revolutto nären Bestrebungen und utopistischen Ideen be kämpft werde» können, wird für die Negierung wie schollcncn zu beglücken, der diesen Vorzug vielleicht noch weniger verdiente! Übrigens sprach ich Dir vor hin schon meinen Glückwunsch aus, das Gespenst, welches Herberg zwischen Dich und seine Wertpapiere schob, existiert nicht mehr — der Sohn jener Ver stoßcnen ist tot! Ich meine Gerd Klevcn natürlich!" „Tot?" wiederholte Erna erbleichend. „Nun, Schwesterchen, Tu bist ja förmlich erschrocken. Deine Trauer nm ihn kommt etwas verspätet, denn der liebenswürdige Knabe verließ schon im vierten Jahre seiner hoffnungsvollen Existenz zu Vendamm unser irdisches Jammerthal AlS mich die Nachricht von dem Ableben unserer gemeinschaftlichen Vorfahren erreichte, freilich um Monate verspätet, fühlte ich mich als Deinen und der armen Mama einzigen Beschützer und machte mich persönlich auf, den Erden lebendig oder tot aus dem Dunkel der Vergessenheit hervorzu ziehen, wobei mir Großvater- dö-lich vertriebener Stallmeister Ralf von wesentlick)em Nutzen war. Nach vielem Hin und Herreisen und mit unendlicher AuS daucr gelang mir die schwierige Aufgabe, ich konnte, ehe ich Dich aufsuchte, die betreffenden Dokumente in Deinem Namen gerichtlich deponieren!" „In meinem Namen?" „Selbstverständlich, in wessen sonst?" „Freilich — aber weshalb mußtest Tu Dich eben jene- Ralf bedienen, der vom Großvater au-gewicsen und uns infolgedessen feindlich wurde?" (F»rts«tz>»g folgt.)
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