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ZUR EINFÜHRUNG Antonin Dvofäk (1841 —1904) schrieb für den Cellisten Hans Wihan sein berühmt gewordenes op. 104, das Cellokonzert in h-moll. Es ist in den jahren 1894/95 komponiert worden; es ist ebenfalls ein Werk, das in der Neuen Welt entstanden ist. Dieses dreisitzige Konzert, in New York geschaffen, bildet den Ausklang von Dvofäks Werken, die in Amerika entstanden sind. 1895 zog es ihn mit unwiderstehlicher Gewalt in die Heimat zurück. Dvofäk. der einige Jahre als Direktor eines Konservatoriums in Amerika zubrachte, litt an tiefem Heimweh. Die Sehnsucht nach seinem Geburtslande war so stark, daß sie sein Schaffen gegen Ende seines amerikanischen Aufenthaltes völlig überstrahlte. Auf Schritt und Tritt be gegnet man den Klängen seines Vaterlandes in den damaligen Werken. Dvofäk hat wohl außer seinen Slawischen Tänzen kein zweites Werk mit so ausgesprochen nationalen Anklängen geschrieben als diese Sinfonie mit dem Solocello. Das klangfreudige Werk isk mit Dvofäks großer instrumentatorischer Kunst geschrieben: es hört sich alles so natürlich und taufrisch, so voll und rein an. Straffe Rhythmen klingen auf, Volkstänze klingen an — das Ganze ist ein wunderbarer Traum von seiner tschechischen Heimat Der erste Satz hält streng die Sonatenform ein, allerdings vermeidet Dvofäk den Formteil der Durch führung. Das Adagio ist ein dreiteiliges Lied (es ist interessant, daß er die Melodie eines eigenen Liedes aus op. 82 verwendet, das „Laß mich allein in meinen Träumen gehen“, womit er unbewußt auf seine steten Heimatträume anspielt): Der Schlußsatz ist ein Rondo. Dvofäks sprudelnder Einfallsreichtum ist zu bewundern. Er ist ein glücklicher Mensch gewesen, dein das Komponieren keine Probleme aufgab. Von dieser im Grunde glücklich-heiteren Stimmung ist in diesem Konzert, trotz des h-moll. überall viel zu spüren. Auch gegen einige technische Kniffligkeiten bewahrt die Musik ihren Charakter des Mühelosen, des Gesunden und natürlich Gewachsenen. Und das bezaubert uns an Dvofäk immer wieder. 1802 sagte Beethoven zu seinem Freunde Kruinpholz: „Ich bin mit meinem bisherigen Schaffen nicht zufrieden; von nun an will ich einen neuen Weg betreten." Dieser Ausspruch ist ein Beweis dafür, daß ab und zu auch das Neue in der Kunst „gewollt" ist, was viele Menschen nicht gern wahrhaben möchten. Bei Beethoven war es in Hinsicht auf seine Dritte Sinfonie, die „Eroica“, so. Diese Heldensinfonic, diese einem Heros geweihte Musik soll nicht nur seinem Drang nach Neuem Ausdruck verleihen, sie soll auch Spiegel des Zeitgeschehens sein. Beethoven bewunderte Napoleon in seiner Eigenschaft als Erster Kon sul der neuen französischen Republik, er bewunderte seine Willenskraft und die Größe seines Charakters, er sah in diesen Eigenschaften die Hauptmerkmale eines ,,Helden“, der für den Frieden und nicht für den Krieg arbeitet. 1804 aber setzte sich Napoleon die Kaiserkrone auf und enttäuschte damit Beethoven aufs tiefste. „Ist der auch nichts anderes als ein gewöhnlicher Mensch? Nun wird er auch alle Menschen rechte mit Füßen treten, nur seinem Ehrgeize frönen; er wird sich nun höher als alle anderen stellen, ein Tyrann werden“! Die Widmung an „Bonaparte“, die vor dem Werk stand, mußte verschwinden. Beethoven nannte sie die „Eroica“. 1805 wurde diese Sinfonie mit dem Hinweis auf die Vorstellung des Heldenhaften, den Empfindungsausdruck des Heldischen, uraufgeführt. Den damaligen Hörern war sic befremdlich wegen ihrer Länge (ein Hörer rief; er gäbe noch einen Kreuzer, wenn es nur bald aufhörte')- ungewöhnlich im Klang, unverständlich im Sinn. Im ersten Satz, der seinen Charakter vom Heldenthema in Es-dur erhält, das sich als gebrochener Es dur-Akkord ausweist, ist ein Reichtum an Einfällen und Überraschungen, an ungewöhnlichen Wen dungen und Neuartigkeiten, ist eine Reihe von Gedanken vorhanden, daß der bisher übliche Zuschnitt an Länge nicht mehr ausreichte. Der zweite Satz ist berühmt als Trauermarsch geworden — aber er ist mehr als ein Marsch, er ist ein schinerzerfü.ltes, tränenlösendes Seelengemälde. Mit dem dritten Satz schafft Beethoven sein erstes Scherzo. Das ist etwas ganz Neues für das damalige zeitgenössische Schaffen. Er macht diesen Satz den anderen ebenbürtig Der Inhalt ist phantastisch. Das Trio dagegen verbreitet Wohlbehagen und Fröhlichkeit. Der Schlußsatz ist in der Variationsform gehalten. Pathos und Groß artigkeit sprechen aus ihm. So rundet sich das Bild eines heroischen Daseins, das wohl im Grunde Beet hovens Dasein selbst war. Johannes Paul Thilman