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Dresdner Journal : 09.10.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-10-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188610096
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18861009
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18861009
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1886
-
Monat
1886-10
- Tag 1886-10-09
-
Monat
1886-10
-
Jahr
1886
- Titel
- Dresdner Journal : 09.10.1886
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188«. Sonnabend, den S. Oktober, abends. M237 l» ff»»,«» L«»t»«L«» N«teU«! gLbrUcl»: .... 18 ^Mrlict»! L Iä»ril KO?f Liorslvs I^uwmsrn: 10 ?s km,«rk«Idd«, ä«at«cd«a kelcli«» tritt?o«t- uvä 8t«wpeIrll,<:l»I»b tüvru. Lv^ünäiffunffSffodNIirell, ?ür äsv N»um einer ffespkltenen 2sils lrlsivsr Lckrikt 20 kk. Unter „Lioffss»o6t" äi« 2sUs KO kk. Nei 1'»dsIIm'- u. 2i8srnu^tr «»t«pr. Frä>ol>lLff. r^ffUod nut Xnnr»kin« äer 8a»o- m»a «tert. «'S »b«nä». Dres-nerIouriwl. Lvoatim« von ^oküllätffaoffeu »nivLrts» L«!x,1ff: n. LranMrtter, LoruwiiiionLr äs» Oresänsr dourvkl»; L»mdnrff S«rUo -V>,o - l-itpilff L»,«i-Lr»,I»»-^r«»Ictiir< ». Ll : //aarer^ein ^vAier/ L«rU»-Vi«n-N<undnrff. kr»ff l,si?,iff-rr»nkfllrt ». «-»ünok«»: Luck. k»ri, l,olläoll-L«rltn-rr«nIltvrt » » : Daub« F Do.,' L«rlw: /nnaixil^läa»»^, Lremsn: D. ü'cb/ott«,' Lr«,I»n: F Lureau <Dmi/ Labatb),- vörUt»; 0. L/üi/er'« ^acb/o/Aer,- Srnnovr: 0. ^cbus»I«r,' S«U« ». 8 : F. LareL F Do. Für die Gesamtleitung verantwortlich: Gtto Banck, Professor der Litteratur- und Kunstgeschichte. Nersnüffederr Nöniol. ürpeäition äes Dresdner doarviU», Oresäsn, 2vinfferstr»»»s Ao. 20. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Polizeipräsident Schwauß zu Dresden da- ihm von Sr. Majestät dem Kaiser > vn Oesterreich verliehene Komthurkreuz Erster Klasse de« Franz Joseph-Orden- annehme und trage. Dresden, 4. October. Se. Majestät der König haben dem Pfarrer Earl Heinrich Feldmann in Ober- g^rsdorf dis Ritterkreuz I. Classe vom AlbrechtSorden Allergnädigst zu verleihen geruht. Dresden, 8. Oktober. Mit Allerhöchster Geneh- miguug ist dem Oberleh er am Königlichen Gymna sium zu Chemnitz t)r. pbil. Conrad Adolf Müller der Tuet .Professor" verliehen worden. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Lehrer an der Kunst akademie und Kunstgewerbeschule zu Leipzig, Professor Scheffer-, die »hm von Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzog von Mecklenburg - Schwerin verliehene Berdlenst-Medallle in Gold annehme und trage. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem fürstlich Schönburgischen Oberrevisor und Rentbeamten Dietrich m Waldenburg dar Ritterkreuz II. Classe des AlbrechtSordenS und dem fürstlich Schönburgischen Revierförster a. D. Pöschmann zu Altstadt-Waldenburg das allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen. Dresden, 7. Oktober. Mit Allerhöchster Ge- nehmigung Sr. Majestät deS Königs ist dem Sol daten Andreas Friedrich Schwenzer au» Münster von der 11. Kompagnie de» 6. Infanterie-Regiment» Nr. 105 in Anerkennung der von ihm am 22. August d. Js. zu Straßburg nicht ohne eigne Lebensgefahr ausgeführten Rettung eines Knaben vom Tode des Ertrinkens in der Jll die silberne Lebensrettungs medaille nebst der Befuguiß znm Tragen derselben am weißen Baude verliehen worden. Nichtamtlicher Leit. Telegraphische Nachrichten. München, Sonnabend, 9. Oktober. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Der „M. A. Ztg." zufolge be- absichtigt die bayersche Regierung demnächst 3tz- proz. StaatSvbligationen, wahrscheinlich nach und nach je nach dem StaatSbedarf, besonders für Bahnkanten auSzugrben. Wien, Sonnabend, 9. Oktober. (Tel. d. Dresdn. Journ.) DaS „Wiener Frddl." schreibt: Durch seine gestrigen Erklärungen über unsere Beziehungen zu Deutschland entzog der Minister präsident Graf Taaffe allen jenen Vermutungrn den Boden, welche aus einzelnen Momenten noch ungeklärter Ereignisse im Oriente Schlüsse zogen. Mit Rücksicht auf die Erkärung, auch in Zukunft sei keine Änderung in den austro-deutscheu Be- ziebungen zu befürchten, darf man den kommenden Ereignissen mit gefestigter Ruhe rntgegenblicken. Paris, Sonnabend, 9. Oktober. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Präsident Gr^vy wird DienStag zurück erwartet. Den Zeitungen zufolge werde der Kinanzmiuister das Budget in der Kammer ver treten und nur demissionieren, wenn dasselbe ab gelehnt werden sollte. London, Sonnabend, 9. Oktober. (Tel. d. Dre»dn. Journ.) Einer Meldung von „Reuters Office" zufolge richtete der Minister deS Äußern Lord JddeSleigh vor etwa 19 Tagen ein Ruud- schreibe» an die Mächte, in welchem der Wunsch ausgesprochen sei, daß die Mächte Bulgarien eine moralische Uut rstühung gewähren möchten, damit ernstere Ruhestörungen vermieden werden Dresden, 9. Oktober. Lord Randolf Churchill. In Beilin weilte bis gestern der Schatzkanzler des britischen Jnselreiche», Lord Randolf Churchill. Dadurch erwächst für uns l ic Aufgabe, diesen Staats mann unsern Lesern näher zu bringen, wenn wir uns auch enthalten, über die Absichten, welche ihn in die Hauptstadt des drutjchen Reiches führen, uns selbst au-zujprechen, sondern uns darauf beschränken, die wesentlichsten und begründetsten Ansichten der Presse w'ederzugeben. Lord Randolf Churchill ist gegen wärtig vielleicht der populärste Mann England» Die hauptstädtische wie nicht minder die Provinzialpresse fährt noch immer fort, die weittragende Bedeutung seiner Sonnabendsrede in Darthsord zu erörtern. So schrieb die „Pall Mall Gazette": „Es ist ein Zeichen der Zeit, daß, obwohl Gladstone seitdem eine lange Rede gehalten, Lord Randolf» Rede noch immer alle Gemüter beschäftigt. Und es ist leicht zu ver stehen, warum. Mögen seine Mängel noch so groß sein, eine und zwar die Haupteigenschast eine» demo kratischen Staatsmannet besitzt er: er ist interessant. Darin ähnelt er Gladstone, vor dem er den Umstand Vorau» hat, daß er am Anfang und nicht, wie jener, am Ende seiner politischen Laufbahn steht. Gladstone, und Lord Randolf Churchill sind unzwei'elhaft gegen wärtig die beiden interessantesten politischen Persön lichkeiten Englands. Und dazu kommt noch, daß der jüngere Staatsmann aller Wahrscheinlichkeit nach eben so sehr seine Kollegen überragen wird, als Gladstone seine früheren. Enthusiastische Randolf-Zeitungen wen den auf ihn schon da» Wort an, welches Bismarck über Lord Beaconsfield bei seinem Aufenthalt in Ber lin geäußert haben soll: „Da geht ein Mann." ES würde interessant sein, die Ansicht des deutschen Reichskanzlers über Lord Randolf zu erfahren. Churchill ist seinen Parteigenossen um viele Pferde längen voraus. Gereiztheit und Spott sind ihm gleichgiltig; über beiden thront die widerwillige An erkennung und seine wachsende Beliebtheit und Volks- tümlichkeit." Ganz leidlich war vom englischen Standpunkte au» gesehen der Wurf, den er mit seinem Streifzug in die auswärtige Politik gethan; und mit großer Spannung verfolgt man daher in Großbritannien seine Reise nach dem deutschen Reiche. Man glaubt, daß seine nächste Absicht dahin geht, die Pläne Frankreichs in Ägypten zu durchkreuzen. Für Deutschland ist die Reise des britischen Schatzkanzlers jedenfalls als eine neue Anerkennung seiner Welt stellung aufzufassen, denn gleichzeitig bewirbt sich auch Frankreich nm die deutsche Vermittelung, der neue Botschafter zu Berlin, Herbette, soll den Auftrag haben, die Berufung einer europäischen Konferenz zu veranlassen. In wie weit diese Unterstellungen bri tischer und französischer Blätter, welchen auch heute die „N. Pr. Ztg." in einer kurzen Mitteilung Gehör schenkt, richtig sind, wissen wir nicht, aber sicher ist, daß die Haltung der deutschen Politik Großbritannien gegenüber keine unfreundliche, sowie daß sie ihm wie Frankreich gegenüber kein andere» Ziel al» die Er haltung de» Frieden» verfolgt. Wohin die allgemeine Stimmung in Deutschland in dieser kritischen Zeit gewendet ist, läßt sich un schwer erkennen. So schreibt die „Neue freie Presse": „Es sind keine unfreundlichen Betrachtungen, welche die Nachricht von der Berliner Reise Lord Churchills hcrvorgerufen hat. Nicht al» ob mau dabei den Be mühungen des Hrn. v. Freycinet, die Franzosen von dem unsruchtbaren Revanchegesühle abzulenken und sie vor positive realpolitische Aufgaben, wie die ägyp tische zu stellen, keine Gerechtigkeit widerfahren ließe! Aber die passive Assistenz, welche Frankreich den Russen im Orient leistet, verfehlt ihre Wirkung nicht, und umgekehrt auch die Anwartschaft, welche Frank reich sich dadurch auf die russische Unterstützung l» Ägypten zu erwerben sucht, ist kein Motiv, das in Deut chland die Stimmung zu Gunsten Frankreichs zu beeinfluss-« vermöchte. Die Beiden sieht man in Deutchland nicht gern beisammen bei der Arbeit. Wenn also Fürst v. Bismarck oieser Empfindung Rechvung tragen will, so kann er weder für den eng lischen noch für den französischen Werber Partei er- greife«; glaubt er, an der Entwickelung der Dinge in Bulgarien kein Interesse zu haben, um wie viel weniger hat er an dem Gange der ägyptischen Frage ein Interesse! Und es ist auch ohne Zweifel ein Postulat der Friedenspolitik, den Ausgleich der strei tigen ägyptischen Ansprüche Englands und Frankreichs den beiden Streitenden selbst zu überlassen. Soll nie- mand für'England auf dem Balkan die Kastanien au» dem Feuer holen, so braucht auch niemand die Arbeit Frankreichs in Ägypten zu thun. Die Lokali sierung ist eine« der Geheimnisse der BiSmarckschen Diplomatie; sie wird wohl auch in der ägyptischen Frage zur Anwendung gelangen und Europa von der Gefahr entlasten, auch vom Nil her, wie e- leider von Bulgarien her geschieht, in eine allgemeine Krise ge drängt zu werden." In den britischen Blättern wird dagegen darauf aufmerksam gemacht, daß e» doch eine Grenze gäbe, bei welcher auch die Nachsicht der Kontinentalmächte aufhören muß. Man will sich nicht ausreden lassen, daß die weitere Ausdehnung der russischen Herrschaft über Südosteuropa und Vorderasien die eigensten In teressen Großbritannien» berührt, nicht nur die, welche es al» europäischer Staat gemein hat mit den andern an der Aufrechterhaltung der Selbständigkeit aller europäischen Völker, sondern auch die Sonderinteressen de» britischen Reiches al» HandelSmacht. Der Besitz Konstantinopel» würde Rußland zum Herrn de» Schwarzen Meeres machen. ES kann aber nicht einen Augenblick bezweifelt werden, daß kurze Zeit nach Er reichung dieses heiß begehrten Zieles der neue rus sische Binnensee nicht nur den Kriegs-, sondern auch den Handelsflotten aller Konkurrenzländer gesperrt würbe, um der russischen Marine als ungestörtes AuS- bildungigebiet zu dienen. Dadurch würde aber kein Staat empfindlicher geschädigt werden als England, dessen Handelsflotte den Löwenanteil an dem Wasser- verkehr der Uferstaaten des Schwarzen Meere» mit dem übrigen Europa sich erworben hat. Die Er kenntnis dieses Umstande», ganz abgesehen von der Gefährdung von Englands südasiatischem Kolonialreich durch Rußlands Vordringen, leistet die Gewähr, daß, wenn es einmal zum Schlimmsten kommen sollte, den Worten Churchills die Thaten der britischen Reichs macht entsprechen werden. Jedenfalls trifft „Standard" das Richtige, wenn er folgert, daß Lord Randolf Churchill bei seiner Reise nach Berlin die Absicht habe, den Fürsten Bis marck zu besuchen, und wenn er der Meinung ist, daß ein englischer Minister, der Berlin besuche, ohne den Reichskanzler zu sehen, jemand gleichen würde, der nach Rom gehe, ohne den Dom von St. Peter zu sehen. Allein es giebt neben der obigen tiefsinnigen diplomatischen Auslegung noch eine ganz einfache, natürliche Unterstellung, welche darauf hinausläuft, daß Lord Churchill seine Reise lediglich aus Gesundheits rücksichten unternimmt. Er hat in Berlin, wie die Zeitungen berichten, für seine Zerstreuung gesorgt, Theater und Bergnügungsorte besucht und kann auch ohne politische Nebenabsichten mit seiner Reise zu Feuilleton. Freitag, den 8. Oktober, wurde die diesjährige musikalische Saison in künstlerisch würdiger Weise durch die SoirSe für Kammermusik von der König!, sächsischen Kammervirtuosin Frl. Laura Rappoldi und den Hrn. Lönigl. Konzertmeister Rappoldi, Kammermusiker A. SlSmann, I. Ackermann unter Mitwirkung Hrn. I. Klengels au» Leipzig eröffnet. Die Soiree begann mit einem in ganz vorzüglicher Weise, vorgetragenen neuen Streichquartett (L woll)von F Dräsecke. Eine ungemein fertige Beherrschung und ernst durchdachte Behandlung der Technik und Form, eine geistreiche, feinsinnige - kombinierende und in der Satzsührung kunstvolle Durcharbeitung zeichnen da» Werk aus. Aber man wünschte diesen künstlerisch treff lichen Eigenschaften noch günstigere Unterstützung durch reiche gedankliche Erfindung sowohl in den Themen selbst, wie in der Durchführung derselben. Man ver mißt jene klar gegliederten Gruppierungen de» Ge- dankengavge» in Gegensätzen und Steigerungen, welche durch die Entwickelung ihre» geistigen Gehalt» einen in sich abgeschloffenen und dabei von Monotonie br» Au»drucke» freien Aufbau der Form bedingen. Dies gilt namentlich vom zweite« Teil de» ersten Satze- — dessen erster Teil schön gelungen ist —, von dem mit tiefer Empfindung, voll Eindruck religiöser Erhebung durchgesührten Adagio. In beiden Sätzen waltet Wohlklang. — Nicht so im Finale, in welchem die möglichst kunstreiche Arbeit den gedanklichen Inhalt völlig überwiegt. Da» Quartett wurde mit lebhaftem Beifall ausgenommen. Herr Klengel, ein Violon cellist ersten Range» durch virtuose sichere und durch aus solide Technik, schönen kraftvollen Ton und Noblesse und Wärme de» Ausdrucks, spielte — be gleitet von Frau Laura Rappoldi — eine Lellosuite eigner Komposition. Sie ist im älteren Stile ge halten, aber nicht bloß mit großem musikalischen Ge schick und Geschmack in der Nachbildung, sondern mit eigener, melodiös reicher und sympatisch ansprechender Erfindung. Außerordentlich reizend tritt die Gavotte hervor. Den Schluß machte die mit feinem musika lischen Verständnis und spirituellem schwungvollen Vortrag von Frau Laura Rappoldi in Verbindung mit Hrn. Rappoldi und Klengel gegebene Ausführung de» Klaviertrio» von Mendelssohn op. 66 v-moll. Die Produktion dieses herrlichen Werke» ist besonder» dankenswert. Denn MendeSsohn» Werke für Kammer musik erscheinen jetzt zu selten auf den Konzertpro grammen, obwohl neue, ihnen gleichwertige Kom positionen selten genug sind. C Banck. Die Grafen v. Hartevegg. Roman von H. Waldemar. «Fortsetzung.) Harding entging der Kampf nicht, den Ranke mit sich und seinen Gefühlen kämpfte. Verständnisvoll leitete er die Unterredung, welche sie beide mächtig ergriff, aber dem jungen Manne wenig Erfreuliches brachte. Fremd und kalt, ja fremder al» vorher, stand er seinem vermeintlichen Vater gegenüber, wa» diesen bitter kränkte. „Die Wahrscheinlichkeit, daß Sie in mir Ihren Vater begrüßen können, erfüllt Sie nicht mit der gleichen Freude wie mich, Doktor." „Unter diesen Umständen nicht. Und Sie können auch einen solch plötzlichen Umschwung der Gefühle nicht im Ernste von mir verlangen. Ich bin kein Blatt, das sich nach dem Winde dreht. Ich habe meine Eltern geliebt, verehrt und lange betrauert; mein Vater war mir der beste Freund. Nun soll ich plötzlich jede Erinnerung an dieselben banuen um eine» neuen Vaters willen? Ich kann nicht!" schloß er aufstöhnend. „Rein, junger Freund, Sie verstehen mich falsch. Fern sei es von mir, Ihnen solche» zumuten zu wollen. Ich verlange nur, daß Sie versuchen, mir ein wenig Kindesliebe entgegen zu bringen, denn Sie sind nach allem, was ich bi» jetzt hörte, mein Sohn, mein teurer Sohn." Ranke wehrte ihn ab, als er sah, daß Harding auf ihn zukommen wollte. Eine hohe Röte schoß ihm in die Wangen, indem er leise und stockend frug: „Und sie — und meine — Mutter?" „Sie sehnt sich ebenso nach ihrem Kinde, wie ich, Ranke." „Sie lebt hier?" rief er außer sich, „hier?" „Ja, mein junger Freund." „Wer ist sie, ich habe wohl endlich da» Recht, ihren Namen zu erfahren. Ich flehe Sie an, sagen Eie e» mir!" „Nein, so lange Sie in dieser Verfassung sind, erfahren Sie den Namen der Dame nicht; und na mentlich nicht, so lange Ihre Gefühle so bitter gegen dieselbe sind." Bon der ganzen Antwort Harding» erfaßte Ranke verbinden, die Fahrt nach Varzin unternommen haben. Es ließe sich dem britischen Schatzkanzler bei seinem Besuche allerdings auch die Absicht unterstellen, die diplomatische Stellung Großbritanniens zu verstärken „Daß dem jetzigen britischen Kabinett vom Standpunkte der Churchillschen Auffassung vor allem daran gelegen sein muß, das Vertrauen aus seinen Bestand zu festigen, schreibt die „Vossische Zeitung," leuchtet ein. Nicht ohne Grund hat Lord Churchill in seiner Dratforder Rede wiederholt das Zusammengehen der Konservativen mit d-n liberalen Unionisten betont, in welchem das gegenwärtige Ministerium die stärksten Wurzeln seiner Dauer findet. Wird es gelingen, dies Vertrauen auch den Kabinetten des Kontinent» ein zuflößen? Wird e» besonders gelingen, Deutschland gegen die französischen Konferenzwünsche bezüglich ÄegyptenS zu gewinnen, für das der von Gladstone in ÄuSsicht gestellte Räumungstermin immer näher rückt. Käme Lord Churchill nur mit der Überzeugung nach Downingstreet zurück, daß Deutschland, wie in Bulgarien so auch in Ägypten, keines andern Arbeit besorgen werde, daß wie an der untern Donau, so auch am Nil da» Prinzip der Lokalisierung mit allen Kräf- ten durchgeführt werden soll, so hätte die GesundheitS- reise nach dem Kontinent ihren Zweck vermutlich nicht verfehlt, wenn auch der englische Schatzkanzler sür die Öffentlichkeit weder in Berlin noch in Varzin gewesen wäre." Dieses sind die wesentlichsten Meinungen, die an läßlich der Reise des britischen Schatzkanzlers auf getaucht sind. Die Zukunft wird lehren, was sich von diesen Unterstellungen bestätigt. Lagesgeschichte. * Berlin, 8. Oktober. Se. Majestät der Kaiser läßt dem Oberrabbiner von Marokko ein prachtvolles Exemplar des Talmud als Geschenk überreichen. Der Oberrabbiner, der zugleich österreichischer Konsul ist, soll sich viele Verdienste um die deutsche Sprache erworben haben. Generalseldmarschall Graf Moltke ist in Wil- Helm-Haven eingetroffen. — Der neuernannte Gou verneur von Berlin, General der Infanterie und Generaladjutant v. Werder, bisher Militärbevoll mächtigter am Kaiser!, russischen Hofe, ist zur Über nahme seines neuen Postens heute früh aus St. Petersburg hier emgetroffen und hat vorläufig im „Hotel du Nord" Wohnung genommen. Dort statteten demselben heute mittag der Kommandant General major v. Derenthall und andere höhere Offiziere Be suche ab. — Der Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär und Staatsminister v. Börtlicher ist heute mittag, begleitet vom Geh. Rat Lohmann aus Berlin auf seiner Rundreise durch Ost- und West- Preußen in Danzig eingetroffen. Die Ankunft von Marienburg her, wo der Minister die letzte Nacht über geweilt, erfolgte mit dem TageSeilzuge von Königsberg. Der neue Reichspostdampfer „Preußen" ist gestern im Schlepptau dreier Dampfer von der Werft des „Vulkan" nach Swinemünde abgegangen. Der Stapellauf des zweiten Dampfers „Bayern" soll Ende dieses Monat» stattfinden. Über die deutschen Schutzgebiete in West afrika wird dem „Hamb. Korr." geschrieben: Von dem deutschen Besitz in Südwestafrika ist der nördlich gelegene Teil, den man als das Gebiet der Herero» im Gegensatz zu dem der Namaquas bezeichnen kann, bei weitem der wertvollere. Während in Angra Pequena und dessen Hinterland alle Hoffnungen auf unterirdische Schätze und Gewinnung von Wasser fehlgeschlagen sind, weisen die Gebiete der Hereros, Bastards und des roten Volkes bei nur das eine Wort „Dame", alles andere ging spur los an ihm vorüber. „Dame, sagten Sie? Dame, haha!" ES lag in seinem Tone so viel Geringschätzung, daß Harding wie von einer Viper gestochen, empor fuhr. „Beleidigen Sie Ihre Mutter nicht, auch nicht iu Gedanken; den Fehltritt, den sie damals gemacht, hat sie schwer gebüßt. Dann aber liegt die meiste Schuld an mir — sie war ja noch so jung. Doch darüber werden wir un» wohl nie verständigen, das sehe ich schon." Der junge Arzt erhob sich, um zu gehen. „Ich erwarte also von Ihnen Bescheid, Herr Harding, ob jene Person noch in Ihren Diensten weilt." „Sie bestehen darauf, nach Amerika zu gehen, trotzdem" — ? „Jetzt erst recht, Herr Harding, ich muß aus dem Munde jener Frau selbst mein Schicksal erfahren. Sollten Sie recht behalten, dann ich kann nicht auf Jessy verzichten," brach er verzweiflungsvoll her vor und stürzte zur Thüre hinaus. „Armer, junger Freund," murmelte Harding ge- dankenvoll, „wie kann ich ihm den Halt wiedergeben, den er, wie es scheint, verloren hat? Sinnend wan derte er auf und nieder, bis er endlich stehen blieb und sagte: „Ja, so wirds gehen, das ist die einzige Lösung." Er klingelte und befahl dem eintretenden Diener, seiner Tochter zu jagen, daß er einen Nötigen Ausgang zu machen habe. Eine halbe Stunde später trat er bei Frau v. Merving in den Salon, welche ihn, etwas verwun dert über die frühe Besuch»stnnd«, herzlich empfing. Mit Staunen beobachtete er die kleine Unordnung,
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