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Dresdner Journal : 24.09.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-09-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188609248
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18860924
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18860924
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1886
-
Monat
1886-09
- Tag 1886-09-24
-
Monat
1886-09
-
Jahr
1886
- Titel
- Dresdner Journal : 24.09.1886
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«LSI. I» g»»»» L»toi»« ILYrUostr .... 18 it»rlc ^jLürlicl»: L H»rll SV?k. Lio»«!»» Huwwsri» -10 kk. L»—r1»LN>d«» dsvtiobs» keicds» tritt ko«t- und 8t«iop«Iru»oll»b bioiu. Loküllälxuaxsxedvllrvll r Lür ä»o kt»uro einer ^ssp»It«osn 2«il« Alsioor Zeluikt 20 kk. Unter „Lio^eeonät" dis 2sUs SV kk. öei DtdoUar«- n. 2iL«rn»»t» «ntZpr. Fcttioid»^. Freitag, den 24. September, abend-. Dres-nerIounwl. 188«. Avuodm« von ^oktlvdlxuogv» »usirkrtsr l.«ixiix: Fr. Lrandstetter, Oowwi«iooar äs» Dresdosr donrnnls; N»mdur^ -»«rNo Visa - l.«tp»i^ L»»«I-Lr«»I»n-Nr«nI^or< ». U : //aasenstein <2 FoAtrr, SsrUL-Vi-o-KEdm-x- kr»x - - ^r.olltort ». H. Hüockaa: And. Ato««,' k.ri« I,0llckvo-L«r1ill-?r»o>lkllrt « Sl StotlF.il: Dani« <L ^,'0./ Larlio^ /nva/icirndan^, Lrsmeo: L §ei/otte,' Lr.»l«o: F §ta»>A«n'« Lnr«an (Fmri ^adati), SörUl»; L/n!i«r « ^aci/oiAer, S»ooov«r: O. ÄAü««!er,- U«U« ». S.! F. Larck F <7o. Verantwortlicher Redakteur: In Stellvertretung Professor Otto Banck in Dresden. -S- Neransxederr Löniei- Lipedition des Dresdner ^onrnid», Dresden, Avinxerstrnsss !^o LV. out Lninoiun« der Sonn- und I'otert^se »bend». Amtlicher Teil. Dresden, 17. September. Se. Majestät der AS- nig haben den Handelsrichter bei der Kammer für Handelssachen bei'm Amtsgericht Glauchau, Kaufmann LouiS Leuschner in Glauchau, auf sein Ansuchen dieser Funktion zu entheben Allergnädigst geruht. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, dem Grafen Curt von Einsiedel, Oberschenk a. D. und StandeSherrn auf Reibersdorf, den Titel und Rang eines Wirklichen Geheimen Rathe» zu verleihen. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Apotheker Kinne zu Herrnhut das Ritter kreuz II. Klasse vom Verdienstorden zu verleihen. Bekanntmachung, die Verlegung des Königlich Sächsischen Neben- zoüamts I. Llasse in Klingenthal nach dem dasigen Bahnhof betreffend. Anläßlich der Eröffnung des Personen- und Güter verkehrs auf der Eisenbahnlinie Klingenthal-Graßlitz wird vom 1. nächsten Monats ab das Nebenzollamt I in Klingenthal unter Belassung einer Abtheilung de»- stlben im dermaligeu Zollgebäude nach dem dasigen Bahnhof verlegt. Von diefem Zeitpuncte aber wird das Nebenzoll amt auch für den Eisenbahnverkehr mit unbeschränkten Hebe- und AbfertigungSbefugnissen auSgestattet werden und daher insbesondere nicht bloS zur Ausfertigung und Erledigung von Begleitscheinen I und II über Ersenbabngüter, sondern auch zur Abfertigung jenes Verkehrs nach Maßgabe der §8 63 ic. des Vereins» zollgrsetzeS ermächtigt sein. Auch ist demselben die Befugniß zur Abstempelung der von Reisenden ein- geführten Spielkarten beigelegt worden. Die Abfertigung des auf der Landstraße sich be wegenden Grenzverkehrs wird ebenso wie die Erledigung der steueramtlichen Geschäfte in der bisherigen Weise bei der AmtSabtheilung im dermaligeu Zollgebäude erfolgen. Dresden, am 21. September 1886. königliche Zoll- und Steuer-Direction. Golz. Butze. Nichtamtlicher Teil. Lelegruphische Nachrichten. Berlin, Freitag, 24. September, mittags. (Tel. d. DreSdn Journ.) Heute früh fuhr ein Ertrazug mit Reservisten deS ersten Gardeulanrn- regimrnt» auS Potsdam kurz vor der Einfahrt in den hiesigen Potsdamer Bahuhof auf einen im Nebengleise stehenden, nicht weit genug abgrscdo- denen Wagen auf. Infolge des Zusammenstoßes sollen nach den bisherigen Ermittelungen acht Reservisten schwer und drei leicht verwundet sein. Loudon, Freitag, 24. September. (Tel. d. DreSdn Journ.) Nach einer Meldung von „Reu- ter'S Office" ist der Zweck des Meinungsaus tausches zwischen Nubar Pascha und der englischen Regierung die Regelung der durch die Sendung Drummond Wolffs entstandenen Fragen, welche infolge der neuen Verwickelungen im östlichen Europa dringender geworden sind. Die wahr scheinliche Grundlage für die Neuordnung der Dinge werde die Fortsetzung der englischen Schutz- Herrschaft äv facto sein durch Beibehaltung der BesetzungStruppeu in ihrem normalen Bestände. Sollte rin Teil der englischen Truppen anders wohin zurückgezogen werden, so würde die Ruhe provisorisch durch aug'wordenr ägyvnsche Truppen aufrecht erhalten werden. Dir Verpflichtung«« Englands gegrnüber brr Türkri, wie sie durch dit Übereinkunft bezüglich Cyperns festgestrllt find, würdrn aufrechterhallen werden. Der ,,Standard" bespricht heute den jüngsten Aufsatz d r „Noi ddeutlchcn Allgemeine» Zeitung". Das konservative Blatt bemerkt hierbei, daß Eng land zu einem fisten, die russische Politik auf der Balkanhalbinsel zmückweifinden Vorgehen auS der bloß platonischen Meinung: wenn England sich erst zur nochmaligen Verteidigung der Türkei entschließe, werde es nicht ohne mächtige Unterstützung bleiben, keine Grundlage finde. Darauf lasse sich keine un widerrufliche Aktion begründen. Wenn man auf das Verhältnis Frankieichs zu Deutschland Hinweise, dürfe man auch die Tatsache nicht überfehen, daß England an Indien denken müsse und nicht Schlachten auf dem europäischen Festlande schlagen könne, während Asien die Aufmerksamkeit in Anspruch nähme. Angesichts der russischen und sranzösischen Versuche, in Konstan tinopel den Einfluß Englands zu untergraben, werde das europäische Konzert zu einem Scheinbllde. Eng land könne unter diesen Umständen nur Geduld üben und eine bessere Lage der Tinge abmarten. England bedürfe keiner Bundesgenosfen, so angenehm eS ihm auch wäre, mit irgend einer Macht zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes zusammenzuwirken. Das englische Reich sei thatsächuch unverwundbar gegen jeden Angriff, welcher gegen dasselbe im Schilde geführt werden dürste. Deshalb werde England sich auch nicht durch diplomatische Künste aus seiner Bahn verdrän gen lassen. Dresden, 24. September. Zum Treiben der Sozialdemokratie. Es wurde bereits bei Gelegenheit des Berichts über die 2. Sitzung des Reichstags vom 18. Sep tember d. I. der wesentliche Inhalt der Darlegung über die Anordnungen, welche von der Königl. säch sischen Regierung auf Grund des 8 28 deS Gesetzes vom 21. Oktober 1878 gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie unter dem 25, Juni 1886 mit Genehmigung de» BundeSrats ge troffen worden sind, mitgeteilt. Wir lassen nunmehr noch das von dem Bevollmächtigten zum BundeSrat, dem Königl. sächsischen geh. Regierungsrat v. Ehren stein Gesagte auf Grund des stenographischen SitzungSe berichts folgen: Mit Bedauern habe ich zu konstatieren, daß jene Zeit die Befürchtungen, welche in der Denkschrift liedergelegt sind, aus daS eklatanteste bestätigt hat. Diese drei Monate sind erfüllt nicht nur von einer ginz ungewöhnlichen Änzahl von Ber- urteilungen und Untersuchungen wegen politischer Vergehen, wegen Hochverrats sogar sie sind nicht nur erfüllt von sehr skandalösen Austritten aus Straßen und bei allerlei Auszügen, nicht nur ersütlt von der Verbreitung von Flugblättern — Sie wissen ja von der Belohnung, welche aus die Entdeckung deS Verbreiters eines ganz ruchlosen Flugblattes ausgesetzt ist, eine Belohnung, die übrigens ihren Zweck erfüllt hat — son dern diese Zeit hat einen Umstand zu Tage gefördert der be deutsamsten und bedenklichsten Art: das ist der Nachweis einer leider nur zu unverkennbaren unleugbaren Verbindung der deutschen Sozialdemokratie mit den Anarchisten in Amerika (Lachen bei den Sozialdemokraten). Meine Herren, es ist bereits ,n der Denkschrift eine Andeutung in dieser Be ziehung gemacht worden. Im Frühjahr dieser JahreS war der Bruder eines wegen de» Attentats aus dem Niederwald Hingerichteten aus Leipzig nach Amerika auigewandert, um dortselbst Mitarbeiter bei der Redaktion der Mostschen .Frei heit' zu werden, welcher versprach, die Brücke zu schlagen zwischen diesseits und jenseis te» Ozeans (Lachen bei den Sozialdemokraten). Dieser Vorgang, den Sie al» die Krone der Denkschrift bezeichneten, und auf den ich allerdings Gewicht legen zu müssen glaube, erhält eine recht bedenkliche Ergänzung. In der Nacht vom 28. zum 2». Juli d. I. wurde in Leipzig eine große Anzahl von Flugblättern sozialdemokratischen Jn- haii», von denen Sie vielleid t gehört haben, verbreitet. An dem Morgen, welcher dieser Nacht solgte, gelang e» der Polizei, einen Mann zu verhaften, welcher in derselben Nacht, also gleichzeitig und zu drrselben Zeit ein anarchistisches Flugblatt verbreitete, unterschrieben: .Hoch die Internationale!" Man »nternahm eine Haa-juchung bei diesem Mann und sand einen Bries höchst aussalligen Inhalts, anarchistischen Anhalt». Und dieser Bries ergiedt sich bei der vcr^enommenen behördlichen Untersuchung Handschristenvrrgleichung re al» stammend an der Feder eben jene» Manne», der aus Leipzig nach Amerika auigewandert ist, um jene Verbindung der Sozialdemokratie mit den Anarchisten herzustellen (Lachen bei den Sozial demokraten). Während nun aber, mein; Herren, die Ver bindung des Empfängers diese» Briefe» mit den Anarchisten, wie mir scheint, denn doch wohl genügend bewiesen ist, wird avdererseii» die Verbindung eben dtefts Manne» mit den Führern der sozialdemokratischen Partei in Leipzig durch sehr dringende Umstände dargethan. Ich will hiervon nur er wähnen, daß er mit einem der Führer der sozialdemokratischen Partei in Leipzig eine und dieselbe Wohnung teilt! Nun, meine Herren, es ist als Märchen yingestellt worden, daß eine Verbindung der Anarchisten mit den Sozialdemokraten besteht; leider zwingen uns die Thatsachen, an diese Ver bindung zu glauben. Eben das aber ist der gefährliche Punkt, denn es pellen sich dadurch weitere Verbindungen der aller- schlimmsten Art heraus. Bedenken Sie, daß die Fachvereine mehr oder weniger unter der Vormundschaft der Sozial demokratie stehen, und welche Gesahr es enthält, wenn eben jene Partei Verbindungen wie die Ihnen angedcutete und nach- gewiesene unterhält. Und, meine Herren, der Inhalt dieses Briese» läßt auf eine recht systematische Verbindung schließen, denn eben in jenem Briese werden Ratschläge erteilt — und diese hat sich doch der Mann nicht selbst ausgedacht, sondern die sind dort drüben im großen Generalstabe der Anarchisten ausgedacht worden —, die genau üdereinstimmen mit dem, wa- dann hier geschehen ist. Horen Sie die betreffende Stelle dieses Briese». Hier heißt eS: Revolutionäre Flugblätter sollten immerwährend ver breitet werden, Ausschnitte an den Plakatsäulen: das lesen die Arbeiter, das spricht sich herum, die Zeitungen schreiben darüber und alles wird m Aufregung versetzt. Schade, daß Ihr keine Knallbonbon» habt. Diese Verhältnisse aber genügen unbedingt, um eine Maß regel zr rechtfertigen, mit welcher nichts beabsichtigt wird, als der Behörde die Möglichkeit zu geben, einzelne Personen, welche sich der öffentlichen Ordnung geiährltch gemacht haben, in Bezug auf ihren Aufenthalt zu beschränken. Ich glaube, daß die sächsische Regierung pflichtgemäß nicht» anderes thun konnte, als bei den Gefahren, die in der Denljchrist genügend geschildert und die durch den zuletzt vorgetragenen Vorgang unterstützt wurden, zu der Maßregel zu schreiten, welche Ihnen vorlicgt. Ich bitte, daß Sie auch Ihrerseits dieselbe gerecht- sertigt erachte». Seit jener Verhandlung ist man in noch erhöhtem Maße aus die von außen kommende, die Fachvereine keuuflusfende schädliche agitatorische Einwirkung auf merksam geworden. Erst unser gestriges Blatt ge stattete durch die in demselben enthaltenen Betrach tungen über den Ausstand der Glasarbeiter in der Fabrik von Friedrich Siemens zu Löbtau einen tiefen Bltck in das Treiben jener verderblichen, sich im Ge heimnis verhüllenden Führer, welchen die Arbeiter bei ihren Arbeitseinstellungen Folge leisten. Hinter diesen Fachvereinen verbirgt sich eine gefährliche, die gewerb liche Thätigkeit und gesellschaftliche Ordnung bedrohende Absicht. Würde diesen Bestrebungen kein Einhalt ge- than, so wäre der Untergang emes blühenden Gewerb- fleißes und die Verarmung des Arbeiterstandes die notwendige Folge. Was weiter auS dieser Lage ent springen würde, die fortdauernden Beunruhigungen der Gesellschaft und der Krieg gegen die öffentliche Ordnung, welche noch vor wenigen Monaten in den Hüttevbezirken Frankreichs und den Fabrikstädten Belgiens wüteten, ist leicht ersichtlich. Die Regierungen haben alle Ursache, den Fachvereinen gegenüber eine strenge Wachsamkeit zu üben. Mit dieser Ansicht stehen wir nicht allein. Der in Betracht kommende Rechenschaftsbericht der Königl. sächsischen Regierung hat die Aufmerksamkeit weiter Kreise erweckt. Neuerdings giebt derselbe dem „Ham burgischen Korrespondenten" zu einer Kundgebung Veranlassung. Derselbe sagt: „Mancherlei Zeichen sprechen für die Annahme, daß die Sozialdemokraten mit der Errichtung von Fachvereinen in der Absicht vorgehen, sich unter dieser Form eine ihren sozialen und politischen Bestrebungen dienstbare Organisation zu schaffen. Daß sie Streiks öfter auch da, wo dre wirtschaft liche Lage dazu einen ausreichenden Anlaß nicht darbietet und demzufolge die Lohnbewegung keine Aussicht aus Erfolg hat, lediglich behufs Verhetzung der Arbeiter und Erhöhung der Empfänglichkeit derselben für die sozialdemokra tische Agitation in Scene gesetzt haben, ist bei Be sprechung der Puttkamerschen Streikerlasse mehrfach hervorgehoben worden. Wo es also um den Miß brauch der Institutionen der Fachvereine oder der Koalitionsfreiheit zur Förderung derjenigen Be strebungen sich handelt, gegen welche das Sozialisten gesetz gerichtet ist, entspricht die Anwendung des letz teren der Zweckbestimmung desselben und ist durch dieselbe sogar geboten. Denn es hieße nichts anderes, als den mittelst des Ausnahmegesetzes zu bekämpfenden Umsturzbestrebungen Thür und Thor öffnen, wollte man von der Anwendung des Gesetzes absehen, wenn jene Bestrebungen in die Formen der Fachvereinsbildung, der Organisation von Lohnkämpfen sich kleiden. Die Schuld dafür, daß Fachvereine und Streikbewegungen von der Schärfe des Sozialistengefitzes getroffen wer den, fällt daher auf diejenigen zurück, welche dieselben für die durch das Gesetz verpönten sozialdemokratischen Bestrebungen zu mißbrauchen beabsichtigen; die Staats gewalt befindet sich lediglich im Stande der Notwehr. In dem Mißbrauche zu sozialdemokratischen Zwecken liegt allerdings die Gefährdung jener an sich berech tigten Einrichtungen und Bestrebungen selbst. Statt also die Regierungen zu bekämpfen, weil sie gegen diesen Mißbrauch von den ihnen gesetzlich übertragenen Vollmachten notgedrungen Gebrauch machen, wäre es Sache wahrer Freunde einer gesunden Entwickelung des Fachvereinswesens und der Erhaltung der Koa litionsfreiheit, jenem Mißbrauche durch die Sozial demokratie entgegenzutreten. Dazu vermögen die Frei sinnigen sich freilich nicht aufzuraffen; ob die Rücksicht auf die ihnen unentbehrlichen sozialdemokratischen Stimmen daran die Schuld trägt, mag dahingestellt bleiben." Noch ein anderer Punkt soll anläßlich der heutigen Erwähnung der Darlegung der Königl. sächsischen Re gierung nicht unberührt bleiben. — Em sozialdemo kratischer Redner verstieg sich bei der Beratung der selben zu der Prophezeiung, daß die Zahl der sür die Sozialdemokratie abgegebenen Stimmen bei den nächsten Wahlen auf eine Million anwachfen und die Partei fünfzig Mann stark in Reichstagsgebäude em- ziehen werde. Das sind Hirngespinste. Die Ge sahr eines Anwachsens der sozialdemokratischen Partei ist keine zu große, wenn die Parteien, wie jetzt bei dem Versuche der Sozialdemokraten, im Parlament Obstruktionspolitik zu treiben, so auch bei den nächsten Reichstagswahlen einmütig gegen dieselben auftreien wollten. In dieser Beziehung wurde viel von allen Parteien gesündigt. Man braucht sich ja nur daran zu erinnern, wie viele Sozialdemokraten gleich beim ersten Wahlgange ein Mandat erhalten und wie viele erst durch dl« Stichwahl, d. h. mit der direkten oder indirekten Unterstützung anderer Parteien, einen Sitz im Reichstage erobert Haden. Besolgt die Re gierung zugleich eine besonnene Politik, führt die „Magdeburgische Zeitung" aus, „so wird schon von selbst dafür gesorgt werden, daß die sozia listischen Bäume nicht in den Himmel wachsen. Wenn aber neben der Besorgnis über das Anwachsen der sozialdemokratischen Stimmung zugleich noch der Klage Ausdruck gegeben ist, daß die Annahme sich nur schlecht verwirklicht habe, die sozialdemokratische Partei werde von dem Augenblicke an, wo sie stark genug geworden, um selbständige Anträge zu stellen Feuilleton. Redigiert vou Ott» Banck. Die Grafen v. Hartenegg. Roman vou H. Waldemar. (Fortfe-nug.) „Das ist DoraS Reh", rief er auS, wo da» Tier chen ist, befindet sich auch seine Herrin. Da» ist ein Fingerzeig Gotte», alter Han», daß sie zu dieser Stunde im Walde ist; ergreife dein Glüch solange e» nicht zu spät iftl" Mit diesen sich selbst ermunternden Worten eilte der junge Graf rascher vorwärt» und kam auch bald an eine Lichtung, wo verschiedene Mo»bänke ange bracht waren. Hier traf er Dora, welche duftende irila zu einem Kranze wand und mit süßer, wenn «ach ungeschulter Stimme ein wehmütige» Schweizer- liü sang. Verlassen, verlaffen bin i, Wie der Stein aus der Straßen, So verlaffe» bin t. Noch nie war sie ihm so reizend, so begehrens wert erschienen. Ihre schlanke, zierliche Gestalt umgab ein lichtblaue» Kleid, da» vorteilhaft ihren Hellen, weißeu Teint und da» Helle Blond ihre» reichen Haare» hervorhob. Er mußte gewaltsam sich be- iwingen, um nicht vor ihr niederzustürzen und sie in seine Arme zu schließen. Ll» sie ih» erblickte, versuchte sie, sich zu er hebe», wurde aber von dem rasch herbeigeeilteu Grafen wieder fanft auf ihren Sitz niedergedrückt, während er felbst sich neben ihr niederließ. „Da» ist ein reizendes, aber sehr traurige» Lied chen, Dora, das Sie soeben gesungen. E» paßt schlecht für Sie mit Ihrer sonnigen Heiterkeit", begann der junge Graf. „Ich hörte eS neulich von einigen herumziehenden tiroler Sängern, gnädiger Herr, und da eS mir fo gut gefiel, prägte ich es meinem Gedächtnis ein. Ich fühle mich oft so einsam und verlassen, daß da» Lied chen mir ganz al» der Ausdruck meiner eigensten, innersten Gefühle erschien." überrascht blickte ihr Graf HanS in dar Gesicht chen, das durch den ernsten Ausdruck einen ganz neuen Reiz erhielt. „Ich habe Sie aber noch nie in dieser Stimmung gesehen, Dora." „Mag wohl sein, Herr Graf, daß ich mich in Ihrer Gegenwart etwa» mehr zusammennehme wie sonst; auch dem Vater darf ich nicht» merken lasse»!." „Also Sie fühlen sich einsam hier", sagte der junge Mann nachdenklich, „ich wüßte manchen der sich glücklich schätzte, dürfte er Ihre Einsamkeit teilen, oder Sie derselben entführen. — Sie erröten, Dora? Habe ich richtig vermutet, deute ich die häufigen Besuche de» jungen Forstmannes im richtigen Sinne?" Dora senkte den Kopf und spielte in größter Ber- legenheit mit dem Rehe, das den Kopf auf feiner Herrin Schoß gelegt hatte und sie mit feinen kluge» Augen unverwandt anfah. — Auch de» Grafen Blicke hingen an ihrem errötete» Gesichtchen, er mußte jetzt Gewißheit haben, wem sie sich zuneigte. „Wollen Sie mir, al» Ihre« treuesten Freunde nicht vertrauen, Dora? Wissen Sie, daß ich eifer süchtig auf den jungen Fahrbach gewesen, weil ich mir sagte, daß der Glückliche mich, den Freund, bald au» Ihrem Herzen vertreiben würde?" „O nein, Herr Graf", erwiderte Dora rasch, „das würde nicht geschehen." Hocherglüht über da», was sie gesagt, fuhr sie zögernd fort: „Ich ehre und schätze den jungen Mann fehr, wie einen Bruder, aber — weiter nichts. Für einen Bund, der zwei Menschen durch das ganze Leben fesselt, genügt die» nicht. Habe ich unrecht, gnädiger Herr?" „Nein, Dora. Aber überlegen Sie es sich wohl; Fahrbach ist hübsch, jung, hat eine auskömmliche Stellung; er liebt Sie und würde Sie auf den Hän den tragen." „Ich weiß e»", flüsterte das junge Mädchen, „aber mein Herz spricht nicht für ihn." „So hat die» kleine Herz sich schon entschieden?" frug Graf HanS erregt. „O nennen Sie mir den Glücklichen, dem Sie Ihre Neigung geschenkt, er ist gewiß Ihrer würdigI" Dora sah scheu und flüchtig zu ihm auf. „Ich kann nicht! Nein, nein, e» ist mir unmöglich", hauchte sie so leise, daß er sich nieder« beugen mußte, um sie zu verstehen. Diese Bewegung brachte seinen Kopf in unmittel bare Nähe ihrer Wange, welche er abwechfelnd er röten und erbleichen sah. So mit gesenkten Augen und hochklopfender Brust gab sie ein reizende» Bild lungsräulicher Verwirrung. Graf HanS lächelte ver- ständniSvoll und glücklich, auch ohne daß sie e» au»- gesprochen, wußte er, wem der stürmische Schlag ihre» Herzen» galt. „Dora", rief er mit tiefinviger, bewegter Stimme, „ich will Dir helfen, da es Dir zu schwer wird, das Geheimnis Deines Herzens auszusprechen, trotzdem daß es Deine Augen oft verraten haben. Dora, mein Liebling, sage mir, daß Du mich liebst, daß Du mein sein, mein süßes, herziges Weib werden willst." Sanft schlang er seinen Arm um sie und zog sie zu sich heran; sie schloß im Übermaß des Glückes die Augen und ließ willenlos ihren schönen Kopf an seiner Brust ruhen. Doch nur einen Moment dauerte die» Selbstvergessen, dann richtete sie sich plötzlich au» seinen Armen auf und blickte ihn in reizender Ver legenheit an. „Verzeihen Sie, Herr Graf, einem thörichten Mäd chen, das sich vergaß!" „Was hast Du, Dora?" rief der junge Graf er staunt, indem er sie wieder an sich zog, „Du machst mich ja überglücklich durch Deine Liede, schmälere un» nicht diesen schönen Augenblick durch Deine thörichten Worte." Er bog sanft ihren Kopf zurück und sah ihr lange in die zärtlichen Augen, dann suchten und fanden sich ihre Lippen im ersten innigen Kusse. Sie faße» noch lange an jener Stelle und bauten Luftschlösser. Dora verhielt sich still, daS Glück über wältigte sie fast und dann auch traten die Erlebnisse der letzten Monate zu deutlich in ihr Gedächtnis, und al» Graf HanS in übermütiger Tändelei ihr den Pfeil au» dem schweren Haare zog, mit den niedergefallenen Flechten spielte und dieselben wiederholt an seine Lippen drückte, da durchlief ein Schauer ihre ganze Gestalt. Laute» Hundegebell schreckte da» juuge Paar au» ihrem süßen Geplauder aus. (K-ttsetz»», folgt.)
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