Suche löschen...
Dresdner Journal : 24.07.1886
- Erscheinungsdatum
- 1886-07-24
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188607243
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18860724
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18860724
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1886
-
Monat
1886-07
- Tag 1886-07-24
-
Monat
1886-07
-
Jahr
1886
- Titel
- Dresdner Journal : 24.07.1886
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
W 171 l, S«at,«d«L : ^LkrUok: ... .18 K»rk. ZzjLkrliok: 4 K»rk KO kk. lünelo» Ximuasrn: 10 ?k. La»»«r^»Id6s« ü«vt«ck«u Reick»« tritt koit- iu><i 8tewp«I,u»ek1»A kiLru. itaküoätxunxsxedklirell r für äev kLuiu eivsr gsspLlteosll 2silo Usivsr Lcknkt L0 ?k. Hüter „Liu^ssLnät" äis 2sllv KO kk. Lei D»b«U»i'- a. 2iLan»»Lk «ltepr. ^ak»okl«^. Lr>«d»t»»»r Dt^Uek mit -runuülwo ä« 8mw- M<1 k«i«rt»^e »beacl». Somabend, den 24. Juli, abends. 188«. Dres-mrÄmmml. ^unatimv von ^llLNllälxnvxvn Luevkrtsi I-etpitx: F°r. Franci^ttter, LomwisiiovLr äs« Oreeäosr ^o<irQ»Ii; Sewdurx - N,rUi» -Visa - l-elpiiz L»»«I Sr,»I«a-rr»Llekor< ». » : ^vA/rr, L«rUll-Vi«ll-S»oidar^. rr»x -I.«tpiix -rr«llkki>rt ». «. Hüncdell: Luck. Lto««,' ?«ri, l.ooäoll - vsrlill - rr»ll^5urt » « StuNzert: Daud« ct t'o./ L«rUll: /nva/,<ie»i</an^, Lremeo: L Lcktott«,- Nr»«I»ll: /. §ll,nA?n', Lttrrai« ^rni! L'abatk), SörUt»! tr L/ü/ier « 8»llnov«r: 6. »»u« » 8 : LarcL <- <7o. Verantwortlicher Redakteur: In Stellvertretung Professor Otto Banck in Dresden. Herensxeder; Rönißl. Rrpsäition äe» Lreeäoer ^oanulls, Drsoäso, ^vio^erstrsees Xo L0. Ämtlicher Leit. Bekanntmachung. Nachdem der zufolge Bekanntmachung vom 28. April 1884 dem Regierung»asseffor vr. Rumpelt zu Leip zig ertheilte commiffarische Auftrag zur Fottstelluug der Angelegenheit der Regulirung der Parthe infoweit die Flur Panitzsch in Frage kommt, sich erledigt hat, so wird solches gemäß tz 38 des Gesetzes über die Berichtigung von Wasserläufen rc. vom 15. August l855 zur öffentlichen Keuntniß gebracht. Dresden, am 21. Juli 1886. Ministerium des Innern. Für den Minister: v. Charpentier. GerSdorf. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische Nachrichte». Berlin, Sonnabend, 24. Juli, nachmittags. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Der Leichenfeier deS StaatS» archivarS Duncker, welche heute vormittag ^11 Uhr in der Leichenhalle de» hirfigeu Zwölfapostrlkirch- Hof» stattfand, wohnten zahlreiche Leidtragende, darunter der Ministerialdirektor Greiff, Geh. Rat Athoff, UniverfitLtSsekretär Prof. Kleinert und zahlreiche Univerfitättprofessorrn, darunter Weiz säcker, Beseler, Mommsen uud v. Treitschke bei. Aus Dresden war der geh. RegieruugSrat Direktor deS HauptstaatSarchiveS vr. Hassel anwesend. Die Trauerrede llielt der Probst Goly. London, Sonnabend, 24. Juli. (Tel. d. DreSdn Journ.) Die Kommission zur Untersuchung der Ursachen deS Rückganges deS Handels hat sich dahin anSgesprochen, daß der Rückgang durch die großen Schwankungen in dem relativen Werte deS GoldeS und Silbers noch verschlimmert wor den sei. Die Kommission empfiehlt, demnächst die Krage wegen de» Geldumlaufes eingehend zu er wägen. Dilke richtete eine Adresse au seiue Wähler in Chelsea, in welchem er Abschied nimmt, gleich zeitig gegen daS Urteil in dem Ehescheidung«- Prozesse der Lady Crawford protestiert und sich für vollkommen unschuldig erklärt. (Vgl. die. Tage», geschichte") Nisch, Sonnabend, 24. Juli. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die Skupschtina beendete die Adreß- beratung und nahm den MrhrheitSentwurf, welcher die Thronrede umschreibt, mit 82 gegen 37 Stim- men an. Sofia, Sonnabend, 24. Juli. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die Nationalversammlung wurde durch eine Thronrede deS Kürsten geschlossen. Washington, Freitag, 23. Juli. (W. T B) Dem hiesigen mexikanischen Gesandten Romero ist eine Depesche der mexikanischen Regierung zu- gegangen, in welcher die in Tamaulipa« vorge- kommeuen Ruhestörungen als unerheblich bezeich net werden. Bon den Urhebern der Ruhestörungen seien vier verhaftet worden. Die ganze Bewegung trage dem Anschein nach keinerlei politischen Cha rakter und entbehre überhaupt der Bedeutung, die ihr in den ersten von der Grenze eingegangrnen Berichten zugeschrieben worden sei. Femllkton. Redigiert von Otto Baack. Der LerlobungSriag. Novelle von E. Härtner. (Fortsetzung.) Wohl batte die kecke Sophie richtig gesagt: die Gräfin verband in ihrem Charakter die Schüchternheit deS Rehe» mit dem Mut der Löwin. Jetzt war sie eingeschüchtert, eingeschüchtert durch einen Ton, der ihr neu war, eine Sprache, die sie noch nie gehört. Ihre Wangen waren erst heiß errötet, daun jäh erblaßt. ,Jn der That, Herr v. Mannhardt —", stam melte sie. , Geben Sie mir noch einen Augenblick, noch einen kurzen Augenblick Gehör I" bat er dringend. ,Jch liebe Sie, Gräfin Paula, und vielleicht spricht auch in Ihrem Herzen ein bescheidene» Sümmchen für mich! Wenn dem so ist, so ersticken Sie e» nicht — ich bitte Sie darum!" ,Jch muß Sie bitten, Herr v. Mannhardt, diese Unterredung abzubrechen! Meine Eltern —" »Morgen früh komme ich zu ihnen, ich fürchte nicht», wenn ich Sie nicht zu fürchten brauche, Gräfin Paula! Uud nicht wahr, Sie sind mir nicht böse? Eie sind e» nicht!" rief er jubelnd, al» er ein Zittern um die Lippen de» stolzen Mädchen» bemerkte, da» er sich zu seinem Gunsten auslegte. »Nehmen Sie diesen Ring, — meine Braut soll ihu tragen, — aus Wiedersehen, Gräfin, auf Wiedersehen mor gen früh!" Dresden, 24. Juli. Zur Kritik de» Parteiwesens. II. Für die Erforschung der Aetiologie, der Ent stehungsgeschichte des Fraktionszwanges und der übri gen im vorigen Aufsatze berührten krankhaften Er- scheinuvgen des Parteiwesens im allgemeinen bieten un» die eingangs mitgeteilten Zeitungsstimmen einen lehr reichen Anhalt. Dort wurde ganz allgemein die leichte Faßlichkeit der Parteigegensätze als besondere» Vorzug des Parteiwesens überhaupt hervorgehoben uud dem Bedauern darüber Ausdruck gegeben, daß nicht überall, wie früher in England, die Kenntnis der Parteigegensätze durch die geringst mögliche Zahl der Parteien erleichtert werd«. Das heißt denn doch, die Form über den Inhalt stellen; das ist der Stand punkt des politischen Schulknaben, der sich aus Denk faulheit den zu erlernenden Stoff möglichst einfach wünscht. Und doch hat diese Rücksichtnahme auf die Fassungs kraft der großen Menge bewußt oder unbewußt in der Entwickelung unserer Parteien mit eingewirkt und übt noch fortdauernd den größten Einfluß. Schon der Hinblick auf die Wähler drängt dazu hin, die Parteigegenfätze so einfach wie möglich zu gestalten, da eS sonst nicht möglich wäre, die große Masse der Bevölkerung, welcher die Zeit zur Beschäf tigung mit den großen polnischen und wirtschaftlichen Fragen karg zugemessen ist, für die eine oder die an dere Partei zu gewinnen und zu erhalten. Das führt notwendig zur oberflächlichen Darstellung, ja zur Fäl- fchung deS der öffentlichen Besprechung unterliegen den ThatbestandeS. Man vergegenwärtige sich nur die Fragen der Branntwein- und Zuckerbesteuerung mit ihren, die eingehendste Kenntnis der Urerzeugung, der Verarbeitung und des Vertriebes in technischer, stati stischer und wirtschaftlicher Beziehung voraussetzenden Einzelheiten, und man wird mühelos zu dem Er gebnisse gelangen, daß e» fast unmöglich erscheint und schon an dem Mangel an Gelegenheit scheitern würde, der großen Masse der Wähler die zu berück sichtigenden Verhältnisse, daS Für und Wider klar auseinanderzusetzen und sie zu einer selbständigen Be urteilung zu befähigen. Dieser Weg wäre bei der menschlichen Unvollkommenheit und der dadurch be wirkten Schwieiigkeit eine» idealen Wahlgesetzes fast hoffnungslos. Man muß daher die verschiedenen Auffassungen der verschiedenen Fragen verständlicher und deshalb summarischer zusammenfassen. ES genügt auch nicht — wogegen sachlich viel weniger einzu wenden wäre —, eine solche Zusammenfassung der zu einem bestimmten Zeitpunkt herrschenden Anschauungs verschiedenheiten. Damit wäre dem vorhandenen Be dürfnisse noch sehr wenig abgeholfen. Dieses Be- dürfniß verlangt vielmehr weiter, daß die zu einem bestimmten Zeitpunkte bestehenden Parteigegensätze im wesentlichen dieselben bleiben, mögen sich auch die Aufgaben der Zeit und mit ihnen die hervortretenden Gegensätze die Anschauungen auf noch fo verschieden» artige Gebiete erstrecken. Da» Bedürfnis nach Par teien ist also vorhanden. Hätte man keine, man würde welche schaffen. Der zur Befriedigung dieses Bedürfnisses statt gehabte Entwickelungsgang ist in großen Umrissen leicht anzugeben. Als die allgemeinen Wünsche einer größern Be teiligung deS Volke- bei der Bestimmung der Gesetz, gebung, Regierung und Verwaltung zum Durchbruch gelangten und hierdurch mit der Einführung der kon stitutionellen Verfassungen für tue Entfaltung eine» Parteiwesen» erst der Boden geebnet wurde, führten diefelben Anschauungen, welche zu dieser großen staat»- rechtlichen Umwälzung hingedrängt hatten, auch zu Er war in dem Gedränge verschwunden, da» sich gegen die Thür ergoß, sie starrte ihm traumverloren nach, den kleinen Goldreif mit dem blitzenden Stein in der Hand. Nun kamen auch die Eltern, das brachte sie zur Besinnung. Schnell barg sie den Ring in ihrem Spitzentuch und bemühte sich, den Eltern eine klare Stirn zu zeigen, und da war auch Sophie, die ewig Neckische. »Sei nur nicht böse, liebe» Kind, daß wir Dich haben warten lassen," sagte der Vater, »die Exzellenz war so liebenswürdig, wir konnten die Sache nicht beschleunigen. Du warst nicht allein, Herr v. Mann hardt hat mit Dir gesprochen?" War es nur Paulas Einbildung oder sprach der Vater die letzten Worte mit ganz eigentüm lichem Ton? »Jal" sagte sie gepreßt und senkte den Blick. »So, so!" bemerkte der Graf und zog seinen Über zieher an, »so, so! — Was hatte er denn so eifrig mit Dir zu reden?" Paula zog sich da» weißwollene Kopftuch so tief iu» Gesicht, daß e» ihr Antlitz fast ganz bedeckte. »Er will morgen bei un» Visite machen!" Die Toilette war beendigt. »Schon?" fragte der Graf und zündete sich eine Zigarre an. »Schon morgen!" wiederholte er gedehnt. »Dieser Herr hat e» etwa» eilig!" »Da» kann ich nicht tadeln, lieber Bernhard", nahm die Gräfin Erk da» Wort. »Die die»jähr,ge Saison ist nur kurz. Will Herr v. Mannhardt über haupt bei un» verkehren, so thvt er wohl, keine Zeit verliere». Ich denke, er wird un» auch seinen Freund mitbringen!" einer stärkeren Betonung de» liberalen Gedanken»; und diese Anschauungen fanden in den damaligen politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen ge wiß reichliche Nahrung. Die gegensätzlichen Anschau ungen derer, welche au» mancherlei Gründen dieser Entwickelung abgeneigt waren oder mindestens eine überstürzte Neugestaltung der Dinge bekämpften, die an der extremen Bethätigung jener neuen Anschau ungen Anstoß nahmen, obgleich sie dieselben vielleicht teilten, wurden dann ungezwungen als konservative Betrachtungsweise der liberalen gegenübergestellt. Sodann fühlten diejenigen, welche in der Einheit des deutschen Volke» da» vor allem anderen zu erstrebende Ziel der politischen Bestrebungen erblickten, das Be dürfnis, sich zusammenzuscharen, um durch Beschrän kung der geistigen Anstrengungen auf dieses eine Ziel dessen Erreichung zu beschleunigen. In diesem Streite der Meinungen mußte sich auch die katholische Kirche mit ihreu hierarchischen, alle ihre Glieder fest erfassen den Organisation umso eher als mitwirkeuder Faktor berausbilden, als sie zu vielen der schwebenden Tages- fragen bestimmte Stellung einnahm, umso thatkräftiger, nachdem sie selbst in ihrer Hierarchie zum Gegen stände des Angriffs und zum Gegenstände gesetz geberischer Maßnahmen geworden war, über deren Härte und Unverdientheit jetzt nur eine Stimme herrscht. Bei dem inzwischen durchgeführten liberalen Ausbau des StaatslebenS wurde sodann der durch die großkapitalistische Produktionsweise in große Zentren vereinigte, örtlich zusammengescharte »vierte Stand" in die Möglichkeit versetzt, seiner schlechten Lage sich mehr bewußt zu werden und das Bestreben nach materieller Besserung seiner Lage und nach Herrschaft über die anderen Gesellschaftsklassen im Sozialismus kräftig und gemeinsam zu verfechten. Die» alle» hat sich iu seinem geschichtlichen Ver laufe und seiner dogmatischen Entwickelung ja ganz natürlich vollzogen. Aber daß die also entstandenen Patteigebilde noch jetzt ganz ebenso bestehen al» ob in dem letzten Bierteljahrhundett nichts geschehen wäre, da» wird sich schwerlich sachlich rechtfertigen lassen und ist zum großen Teile wohl auf die — sagen wir einmal — psychologischen Bedürfnisse zurückzusühren, welche wir oben angegeben. Diese Parteigegensätze — zur Zeit ihres ersten Hervortretens gewiß voll berechtigt, — sind un» geläufig geworden, haben sich voll ständig iu unsere Vorstellungen eingelebt. Aber sie sind zur Schablone geworden, und ihre Form erstickt nur allzusehr den geistigen Gehalt unserS politischen Lebens und Strebens. Man fragt nicht mehr: ist eine Bestrebung gut oder nur unschädlich oder schädlich, um die alSdanu selbstverständliche Folgerung zu ziehen, daß sie zu unterstützen oder nur von einschränkenden Be stimmungen freizulassen oder gesetzgeberisch zu bekämpfen fei. Man fragt nicht mehr in jedem einzelnen Falle weiter: ist eS m Wahrheit anzunehmen, daß der Or ganismus des öffentlichen Lebens das Schlechte von selbst ausscheidet, und wenn ja: vollzieht sich dieser Aus scheidungsprozeß so leicht, daß dabei die unterstützende Thätigkeit des ArzteS: des Gesetzgebers und der Ver waltung füglich entbehrt werden kann? Man hat sich von liberaler Seite daran gewöhnt, diese Fragen bei seite zu lassen und sich mit der Betrachtung zu ge nügen, daß der Liberalismus schlechthin die Freiheit be deute, daß daher die Loslösung des Einzelnen von gesetz lichen und polizeilichen Beschränkungen schon an sich grundsätzlich erstrebt werden müsse. Damit könnte man schließlich die Freiheit zu morden auch begründen. Es ist dieselbe schablonenhafte Auffassung, wenn die National liberalen noch immer die Einheit der deutschen Na tion erstreben und darüber vergessen, daß sie bei Festhaltung an der Reichsverfassung, welche die Zu ständigkeit deS Reiches und der Einzelstaaten gegen einander genau abgegrenzt hat, sich insofern mit ihren Sie waren auf der Straße, der Erksche Wagen fuhr vor, der Diener stand am Schlage. Der Graf hnlf seinen Damen einsteigen. »Entschuldige mich, liebe Eugenie", sagte er. »Ich gehe lieber — und trinke im Vorübergehen vielleicht noch ein Glas Bier, erwartet mich nicht!" Die Pferde zogen an, der Wagen raffelte davon. Die drei Damen schwiegen; jede von ihnen verfolgte ihre eigenen Gedanken. Die Gräfin sann über den großen Ball nach, den sie in kurzem im Kasino zu geben gedachte. Sie überschlug die Anzahl der Tänzer und fand es angenehm, daß sie morgen schon mit Herrn v. Mannhardt Rücksprache über die erforder lichen Schritte nehmen konnte Sophiechen hatte ihr kaufe» Köpfchen in die Wagevecke gedrückt und hing dem allerliebsten, kleinen Roman nach, den ihre kleinen geschickten Händchen hatten einfädeln helfen, und Paula — nun, Paula ängstigte sich und wußte keinen klaren Gedanken zu fassen. Sie hatte nur die eine dumpfe Empfindung: wenn doch diefe Fahrt kein Ende neh men, wenn doch der morgende Tag niemals anbrechen wollte! Aber die Fahrt nahm ein Ende, und zwar ein ziemlich schnelles, der Mond wandelte seine Bahn weiter und die Stunden der Nacht standen nicht füll. Der junge Tag brach an und immer noch wußte Paula nicht im geringsten, wa» sie thun oder nicht thun sollte Sollte sie sich dem Vater, der Mutter, der Cousine anvertrauen? Ach, der Vater saß im Freundeskreise beim Glase Bier, er ahnte wenig, daß die Tochter gern den Kopf an seine Brust geschmiegt uud ihn flüsternd gebeten hätte: hilf mir, ich weiß mir selber nicht zu helfe»! Die Mutter, diese sonst Antipoden, den Parükularisten, oder wenigsten» der übergroßen Mehrzahl derjenigen von ihnen auf gleiche Linie stellen, welche auch ihrerseits die Relchsverfassuvg festhalten. Und sehen wir dann die ZentrumSpartei, deren eigentümliche auf konfessionellem Gebiete liegen den Forderungen durch gegenseitige Zugeständnisse der maßgebenden Faktoren jetzt so ziemlich erfüllt worden sind, nunmehr Anstalten treffen, als Kampfpartei sich aufzulösen oder ihre Auflösung anzukündigen und nach Zurücktreten jener besonderen konfessionellen For derungen sich, wie früher vielfach erwartet wurde, je nach der sonstigen politischen Stellung ihrer Mitglieder auf die übrigen Parteien zu verteilen? Das werden wir wohl kaum erleben! Lagcsgeschichte. Dresden, 24. Juli. Der kommandierende General Prinz Georg König!. Hoheit haben sich in Begleit ung des Chefs de« Generalstabes Obersten Edler v. d. Planitz heute früh per Bahn zu den Gefechts - schießübuugen des 7. Infanterieregiments Nr. 106 nach Zeithain begeben. Höchstdieselben kehren heute abend zurück Dresden, 24. Juli. Vom Reichs-Gefetzblatt ist das 24. Stück des Jahres 1886 heute hier ein getroffen. Dasselbe enthält lediglich: Nr. 1677) Ver ordnung vom 17. Juli d. I., die Errichtung einer besonderen Kommission für die Herstellung deS Nord- Ostsee-Kanals betreffend. * Berlin, 23. Juli. Aus Schlangenbad wird gemeldet: Ihre Majestät die Kaiserin empfing gestern den Prinzen Nikolaus von Nassau, unternahm später eine Ausfahrt und machte abends einen Spazier gang in der Hainbuchenallee. — Se. Kaiserl. und Königl. Hoheit der Kronprinz erteilte gestern im Neuen Palais bei Potsdam mehreren hervorragenden Personen Audienzen. Die heute in Äissingen stattfindende Begegnung des Fürsten v. Bismarck mit dem Grafen Kal- noky ist ein weiteres erfreuliches Anzeichen für den unerschütterten Fortbestand des deutsch-österreichischen Friedensbundes. Wenn darüber hinaus diesem Er eignis hier und da ein ganz besondere- politisches Gewicht beigemessen wird, so wird seine Bedeutsamkeit übertrieben. Seit Jahren findet regelmäßig ein un mittelbarer Gedankenaustausch zwischen dem deutschen Reichskanzler und dem österreichisch-ungarischen Mi nister der auswärtigen Angelegenheiten statt und pflegt der Zusammenkunft der Kaiser von Deutschland und Österreich in Gastein voranzugehen. Anfangs lag eS in der Absicht des Fürsten v. Bismarck, sich schon Ende dieses Monats nach Gastein zu begeben. In diesem Falle wäre er dort mit dem Grafen Kalnoky zusammengetroffen und beide Minister wären bei der Zusammenkunft ihrer Herren zugegen gewesen. Da sich aber die Kissinger Kur des Reichskanzlers voraus sichtlich bis zum 5. August ausdehnen wird, so richtete derselbe an den österreichischen Minister die Einladung, ihn schon jetzt in Kissingen zu besuchen. Eine weit größere Bedeutung, als dieser seit vielen Jahren wiederkehrenden Begegnung legt man hier dem später folgenden Besuch des russischen Ministers v. Giers in Kissingen bei. Man erblickt darin ein Zeichen von der Fortdauer guter Beziehungen zwischen Deutschland und Rußland und veranschlagt dies um so höher, als verschiedene Ereignisse der jüngsten Zeit zu manchen Bedenken in dieser Richtung Anlaß gegeben hatten. Wie eS heißt, wäre auch eine Begegnung des Ministers v. Giers mit dem Grafen Kalnoky grundsätzlich beschlossen, doch sind über die Zeit und den Ort derselben noch keine Bestimmungen getroffen — Wie man der, Köln. Ztg." berichtet, ist hier nichts davon bekannt, daß der deutsche Botschafter in Paris, Graf zu Münster, bereits feinen Abschied verlangt habe oder im Begriff fo gute, sorgsame Mutter, hatte, ganz in ihren Ball vertieft, keinen Blick für die Verstörtheit ihres Kindes gehabt. Sie hatte ihr nur flüchtig die Stirn geküßt und gefügt: »Gute Nacht, mein liebes Kind! Du hast die erste Feuerprobe der großen Welt gut bestanden!" Die Cousine hatte sie schelmisch lachend angesehen und gesagt: »wollen wir noch schwatzen oder sind Dir die Eindrücke dieses Tages zu hehr und zu groß, um heute schon von mir mißhandelt zu werden?" Und da Paula nicht antwortete, hatte sie sich trällernd zurückgezogen. Was sie gesungen, war: »Er, der Herrlichste von allen!" Paula weinte nicht, sie lachte auch nicht. Sie saß aufrecht im Bett und rang die Hände in wortloser Angst. Ach, sie hatte von diesem Manne geträumt, ge träumt mit der Unschuld des Kindes, mit der Innigkeit schüchtern erwachender Jungfräulichkeit, aber — liebte sie diesen Mann? Sie wußte es nicht, sie konnte eS nicht sagen und doch hatte sie seinen Ring genommen. Mehr au» Schreck und Verwirrung, al» in dem Be wußtsein eine» bindenden Verlöbnisses, aber sie hatte ihn doch angenommen. War sie nun verlobt? Und wenn sie eS war, was würde ihr Vater sagen, was die Mutter sagen? Sie war de» Grafen Erk einzige Tochter, einzige Erbin. Sie kannte de» Vater» hoch strebenden Sinn. Der gutmütige, bequeme, leicht lebige Vater, der e» mit allen Menfchen gut meinte, hatte auch feine Ecken und Kanten Es hatte langer Jahre bedurft, um ihn mit der Heirat feiner Schwester mit dem einfachen Lieutenant v. Cramer zu versöhnen, würde er seine Erbtochter dem Lieutenant v. Mann hardt geben, von dem er eigentlich gar nicht» wußte? Der Ring! Wenn sie nur den Ring nicht angenom-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite