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MstandeS, noch die Annahme eines Schiedsrichters scheinen Aus sichten zu haben, und so kann es nicht Wunder nehmen, daß der englische Botschafter in Berlin Sir A. Buchanan, sich zur Abreise rüstet. Ob es dabei bloß auf Abbruch der diplomatischen Verbin dungen oder auf eine englische Blocade der deutschen Häfen abgesehen ist, muß sich bald entscheiden; denn wie die letzten Nachrichten au» London melden, erwartet man dort am Montag, 27. d., die Wieder öffnung der Feindseligkeiten. (K. Z.) Deutschland. Preußen- Berlin, 23. Juni. Die „Provinzialcorrespondenz" sagt in einem „Krieg oder Frieden" überschriebenen Artikel unter Anderm: wenn die britischen Vorschläge bezüglich der Grenzlinien entscheidung überhaupt annehmbar wären, so könne das Schieds richteramt nur dem Kaiser der Franzosen übertragen werden, der sich durch sein bisheriges Verhalten ein Anrecht zu solcher ehrenden Anerkennung erworben habe. Preußen halte jedoch daran fest, daß eine sichere Grundlage zur Grenzentscheidung nur in der Anhörung der Bevölkerung zu suchen sei. Der britische Vorschlag scheine bei Oesterreich, welches die Betheiligung Englands am Kampfe verhü ten wolle, eine gewisse Unterstützung zu finden. England habe näm lich erklärt, es werde sich bei einer Wiederaufnahme des Kampfes mit seiner Flotte auf Dänemarks Seite stellen; daher sei die Waf fenstillstandsverlängerung diesmal von besonderer Bedeutung, da es sich möglicherweise um Beginn eines europäischen Krieges handle. Während England auf Verlängerung der Waffenruhe dränge, wolle Preußen einen wirklichen länger» Waffenstillstand unter genau fest gesetzten Bedingungen mit vierwöchentlicher Kündigung. Die Pro vinzialcorrespondenz hofft, die Zusammenkunft der Minister Rech berg und Bismarck, und die persönliche Zusammenkunft der beiden Herrscher werde auch in der Waffenstillstandssrage zu einer festen Einigung führen. England. London, Donnerstag, 23. Juni. (Ueber Berlin.) Die gest rige Conferenzsttzung dauerte drei Stunden und war von allen Bevollmächtigten besucht. Prenßen, Oesterreich und Dänemark ver- warfen das Schiedsgericht, doch wolle n Preußen und Oesterreich ein solches annehmen, wofern die Entscheidung desselben !ste nicht binde; England lehnte aber eine solche Bedingung ab.—Die „Times" sagt: England werde bei Wiederausbruch des Krieges wahrscheinlich nur die Inseln Dänemarks gegen einen etwaigen Angriff schützen. Aus Suez, vom 21. Juni, find Nachrichten ans Schanghai vom 7. Mai eingetroffen. General Gordon hat drei Mal Schang- hau-fn angegriffen, war aber mit großem Verluste zurückgeschlagen worden. Die Stadt widerstand noch beim Abgänge der Post. Frankreich. Paris, 23. Juni. In der gestrigen Sitzung der Londoner Conferenz hat Dänemark den englischen Schiedsrichtervorschlag ab gelehnt, während Oesterreich und Preuße» sich für Annahme dessel ben erklärten, falls ihm der Character einer Vermittelung beigelegt wird. — Mittwoch, 22. Juni. Der heutige „Abendmoniteur" ent hält ein Privattelegramm, in welchem cs heißt, daß der Vorschlag cines schiedsrichterlichen Spruchs Gegenstand der Unterredung zwi schen dem Könige von Preußen, dem Kaiser von Oesterreich und deren Ministern in Karlsbad gewesen sei. Die beiden Souveräne hätten beschlossen, die guten Dienste einer befreundeten Macht unter den Bedingungen anzunehmen, wie sie in einem Protokolle des Pa riser Congrefscs enthalten find: sie würden aber Bedingungen stel len,, welche das dänische Cabinct nur dann unterzeichnen könnte, wenn es sich von seiner bisher beobachteten Haltung und den in seinem Ultimatum ausgestellten Punkten lossagte. Rußland und Polen. Von der polnischen Gränze, 19. Juni. In vorigcrWoche wurde in dem Dorfe Pruczanka, im Kreise Bielsk in Lithauen, von der meist aus kleinen polnischen Edelleuten bestehenden Bevölkerung ein der russischen Regierung treu ergebener Einwohner in der Nacht überfallen und aufs grausamste eruiordet. Seine Wohnung wurde dem Erdboden gleich gemacht. Am folgenden Tage nickte ein Mili- tär-Commando in das Dorf, trieb sänimtilche Einwohner, nachdem ihre Betheiligung an. der ruchlosen That festgestellt war, auf Men außerhalb des Dorfes gelegenen Platz zusammen, brachte das ihnen gehörige Vieh und andere Sachen in Sicherheit, zündete dann das Dorf an allen Ecken an und ließ es vor den Augen der Eigenthümer in Flammen aufgehe». Hierauf wurden die weinenden und jammern den Einwohner nach der Kreisstadt Bielsk getrieben, wo sic nnter- gebracht wurden, nm demnächst nach Sibirien deportirt zu werden. Die ihnen gehörigen Sachen wurden nach einigen Tage» verkauft und die daraus gelöste Summe den nächsten Angehörigen des Er mordeten als Entschädigung gegeben. (Ostsee-Ztg.) Spanten. Madrid, Mittwoch, 22. Juni. In der heutigen Sitzung der CortcS erklärte der Minister der auswärtigen Angelegenheiten aus eine Interpellation Molin s: Das Südseegeschwader werde verstärkt und die Chinchainseln würde» so lange von den Spaniern besetzt bleiben, bis die Mörder zu Talambo bestraft und erwiesen fei« werde, daß die peruanische Regierung an dem Attentate auf Mazar- redo unbetheiligt sei. Feuilleton. Der Weinhüter von Meran. (Fortsetzung.) Da übernahm es endlich eine mitleidige unter den Mädchen' der Moidi den Kopf zurecht zu setzen. Sie hinterbrachte ihr, — wahr oder zweckmäßig erfunden, wissen wir nicht —, daß der Hir- zersopp gesagt habe: Wenn s ihm drum zu thun wäre, schwarze Pudel in die Wiege zu bekommen, würde er die Moidi heirathen. — Die Predigt über diesen kurzen und bündigen Text scheint ein dringlich genug gewesen zu sein. Denn seit dem Tage war „die Schwarze" wie verwandelt, ließ sich nirgend sehen, stahl sich vor Tagesgrauen in die Frühmesse, wo sie,im hintersten Winkel der Kirche kniete, und wenn droben auf dem Berg ein Bursch ihr be gegnete, wandte sie das Gesicht ab und schwieg auf alle Anrede. Die Putzsucht war vollends verschwunden. Das Schlechteste und Gröbste trug sie am liebsten und ihre krausen Haare flogen, wochen lang ohne Pflege, ihr um die Schläfe, daß sie fast unheimlich an- zuschauen war und Niemand mit ihr zu thun habe» mochte. Im Uebrigen that sie ihre harte Arbeit ohne Mnrren, und so waren die Eltern ganz wohl mit ihr zufrieden und ließen sie in Allem gewähren. Der Winter ging so hin. Als im Frühling die Wiesen zu grünen anfingen, kam sie eines Tages zum Vater und bat um seine Erlaubniß, auf eine Alpe ziehen zu dürfen, die höchste und einsamste im Passeier. Der Vater, der von Allen noch die klarste Ahnung von ihrem unseligen Gemüthszustand hatte, willigte unbedenklich ein, und so war einen Sommer lan^ die schwarze Moidi völlig verschollen. Desto heftiger erstaunte alle Welt, als im Herbst die Heerde» von den Bergen heimkamen und das Gerücht mit ihnen ging: des alten Ingram Tochter habe einen Buben mitgebracht, ein so sau beres, blühweißes und rosenfarbenes Kind, als nur jemals sich ohne Vater beholfen habe, mit schwarzen, aber gar nicht mohrenhaften Härlein, ein wahrer Staatsbub. Auch sei die Moidi, trotz der Schande, ganz wohlvergnügt, habe die Schläge, mit denen- die Mutter sic empfangen, ohne Klage hingenommen, dem Vater aber auf das härtest? Verhör nicht.beichten wollen, wer der Schuldige sei. In dem Schuppen, wohin die Mutter sie verstoßen, damit sie den Schimpf nicht vor Augen hätte, habe die Tochter sich darauf so gut es ging einen warmen Winkel für ihr Kind zurecht gemacht und sei Tag und Nacht nicht von ihn: wegzubringen. Wem dies Alles, zumal die gerühmte Schönheit des Knaben, unglaublich schien, der hatte ani nächsten Sonntag Gelegenheit, sich von der Wahrheit des Gerüchts zu überzeugen. Denn am Hellen Tage kam die Vielgeschmähte vom Küchelberg herab, das Kind wie im Triumph in de» Arinen, in ihre besten Linnen und Tücher ge wickelt, und trug es mit herausforderndem Mutterstolz zur Taufe. Wenn einer sich ihr näherte und neugierig nach dem kleinen Welt wunder schielte, stand sie sogleich still, schlug dm alten Flor zurück, der das schlafende Gestchtlein bedeckte und sagte fast spöttisch: Gelt, möcht'st den schwarzen Pudel anschauen? Ja, es ist nix Rares da ran. Wo sollt's auch Herkommen? — und dann lachte sie mit großer Selbstgefälligkeit in sich hinein, wenn der Beschauer von der Zierlichkeit des Kindes überrascht, nichts zu sagen wußte, und setzte noch hinzu: 's ist halt nur ein schwarzer Pudel; man sollt' ihn in die Passer werfen, das wär' das Gescheidtest'! — und lachte wieder auf eine so wunderliche Art, daß es schien, als habe der Mutter segen ihren armen Verstand nicht eben verbessert. Selten wohl ist eine Taufe in Meran unter so großem Zulauf von Statten gegangen. Als aber der Pfarrer nach den Taufpathen fragte, sand es sich, daß die Moidi diesen wichtigen Punkt gänzlich übersehen hatte. Niemand meldete sich, ans die Frage, wer etwa in