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- Bade». Karlsruhe, 9. Juni. I» der Zweiten Kammer be richtete heute Feder über die Bitte der Gemeinden Singen, Meß- kirch und Lörrach um Hinwirkung auf die Einberufung eine» deut schen Parlaments. Die Commission beantragt empfehlende Ueber- weisung der Bitte an dir grohherzogl. Staatsregierung, deren patrioti sche THStigkeit in dieser nationalen Angelegenheit rühmend anerkannt wird. Häusser weist darauf hi«, daß diese Frage nicht von der Tages ordnung deutscher Ständeversammlungen verschwinden dürfe, bis sie den Wünschen und Bedürfnissen des deutschen Volkes entsprechend gelöst sei. Doch seien die großen Schwierigkeiten nicht zu verken nen: "einmal die große Abneigung der Regierungen gegen eine wahr hafte Vertretung des gesammten deutschen Volkes, sodann die mit dem Parlamente in nothwendigem Zusammenhang stehende Frage einer starken Centralgcwalt. Redner erklärt sich entschieden gegen das neuerdings aufgetauchte Project der Theilung Schleswigs. Nur in dem Falle, wenn etwa die Schleswiger selbst erklären sollten, im eigenen Interesse des Landes sei eine Theilung wünschenswerth, nur dann könne Deutschland, ohne seiner Ehre zu schaden, darauf ein gehen. Der Commisstonsantrag wird einstimmig angenommen. Schleswig-Holstein. Dem Briefe eines in der dänischen Armee auf der Insel Alsen dienenden Schleswigers entnehme» die A. N. Folgendes: „Aus uns Schleswigern (aus dem 10. und 12. Regiment) ist ein Arbeitscorps errichtet worden, welches aus vier Compagnieen besteht und die zu deu niedrigsten Arbeiten verwandt werden. Wir müssen die Straßen fegen und Derartiges mehr in Sonderburg verrichten. Den größten Theil der Zeit haben wir Schanzen bauen müssen, und zwar mei stens unter dem Sausen der Granaten; Trotzdem haben wir nur zwei Todte und drei Verwundete zu beklagen. Eine Zeit lang würde unsere Compagnie während des Bombardements von Sonderburg als Spritzencorps verwandt, bei welcher Arbeit wir dann den preu ßischen Granaten zur Zielschiebe dieltten. Mehr als einmql haben wir uns aufgelehnt, aber die Dänen drohten, jeden zehnten Mann zu erschieße», der sich den Befehlen der Officiere widersetze. Sehn süchtig harrten wir auf das Hcrüberkommeu der Preußen, die wir als unsere Retter mit offenen Armen erwarteten." Aus Reudsburg vom 12. Juni wird telegraphirt: Die heute hier stattgehabte Delegirtenversammlung, in welcher 107 Ver eine vertrete» waren, hat eine Ansprache an die nordschleswigschen Brüder zu richten beschlossen, in welcher die Meinung des Landes über die Theilung ausgedrückt werden soll: Keine Trennung, keine Theilung — ein freies, unabhängiges Schleswig-Holstein bis zur Königsau. Frankreich Der Pariser „Abendmoniteur" schließt an dieMittheilung, daß die nächste Sitzung der Londoner Conferenz am 15. Juni statt- stnden werde, folgende Bemerkung: „Die Bevollmächtigten der krieg führenden Partei sind übereingekommen, sich zu freundschaftlicher Regelung der in Betreff der Waffenstillstandspraxis noch streitigen Punkte unter den Auspicien eines der Vertreter der neutralen Mächte zu versammeln. Der französische Bevollmächtigte ist dazu ausersehe» »vorbei», diese versöhnende Rolle zu übernehmen. Rußland und Polen. Die Bauernwachen in Polen entwickeln seit einiger Zeit außer ordentlichen Diensteifer. Die Edelleute werden von ihnen streng überwacht und sobald ein Fremder, wenn auch der nächste Stachbar, sich dort blicken läßt, wird sofort eine Revision vorgcnommen. Jeder Schritt und Tritt des Edelmanncs erscheint den Bauern verdächtig und wird sofort dein nächsten Militär - Commandeur denuncirt. Flüchtige Insurgenten sind den Bauernwachen die erwünschteste Beute. Sie werden ohne Weiteres ergriffen und an die Militär behörde abgeliefert, die für den bewaffneten Insurgenten 5—10, für den unbewaffneten 3—5 S.-R. zahlt. Waren mit der Ergreifung größere Gefahren verbnudcn, so wird noch eine außerordentliche Belohnung gewährt. Besonders wichtige Dienste haben die Bauern der russischen Regierung bei Entdeckung der geheimen Poststationen geleistet, durch welche der Verkehr der revolutionären Behörden mit einander und mit den Jnsurgenten-Führern vermittelt wurde. Ihrer aufmerksamen Beobachtung konnte die Bestimmung der regelmäßig ankommenden und abgehenden reitenden Boten auf die Dauer kein Ge- heimniß bleiben, und so sind durch ihre Mitwirkung bis jetzt in 26 Kreisen 942 geheime Poststationeu entdeckt und aufgehoben worden. Um die Wiederherstellung derartiger Couricrposten möglichst zu er- schweren, sind auf de» Gütern und in den Fabriken sämmtliche Pferde ausgezeichnet, und ihr Gebrauch wird täglich coutrolirt. Auch in den Gränzkrcisen der Provinzen Posen und Preuße» bestanden solche regelmäßig organistrten geheimen Couricrposten, die ebenfalls - bereits etngegange» sind. — ' Afriea. Die Opinione vom 7. Juni meldet, daß die Nachrichten aus Tunis nicht beruhigend lauten. Die Aufständischen sind unter Ab» fingung religiöser Hymnen, welche.zum Todtschlagen der Ungläubi gen auffordern, in Susa und i» Sfax eingezogen. Die fremden Consuln haben sich an Bord italienischer Schiffe begeben. In Tu nis beharrt der Bey auf seiner Weigerung, den Kasnadar zu ent lasten, wiewohl die französische Regierung ihm die Beweise von deu strafbaren Mitteln geliefert hat, durch welche jener sich im Amte zu erhalten sucht. Man befürchtet, daß sich die Lage verschlimmere und Tunis in die Hände der Aufständischen falle. Amerika. New-Nork, 1. Juni. General Grant ist, da er Lee s Stellung allzu stark fand, wieder über den Nord-Aimafluß zurückgegangeu und hat, links abschwenkend, den Pamunkyfluß bei Hannover-Stadt über schritten. Lee deckt Richmond. Sherman hat die Conföderirten bei Dallas geschlagen ; letztere büßten bei dieser Gelegenheit 2800 Mann ein. Am Montag Abend griff Lee den nordstaatlichen General War ren bei Shady Grove an, wurde aber zurückgeworfen. Butler, der ebenfalls einen Angriff der Couföderirten zurückschlug, vereinigte sich mit Warren. " Feuilleton. Der Weinhüter von Meran. (Fortsetzung.) Kopfschüttelnd setzte der Zehnuhrmesser seinen Weg sott und das Gespräch mit dein Jüngling beschäftigte sein menschenfreund liches Gcmüth noch eine geraume Zeit. Aber die lange, tägliche Uebung einer ausgebreiteten Seelsorge und die geistliche Pflicht, das Oel der Geduld in eigene und fremde Stürme zu träufeln, hatten de» schärfsten Stachel des Mitgefühls bereits abgestumpft. Es ahnte ihm nicht von fern, wie es jetzt im Innern des Burschen aussah, der oben bei seiner Maishütte lag, das Gesicht gegen den Felsbode» gedrückt, als wollte er sich bei lebendigen» Leibe in den Schoß der Mutter Erde vergraben, um vor einem übergroßen Kummer Zu flucht zu finden. Eine volle Stunde mochte er so gelegen haben, zuletzt durch einen mitleidigen Halbschlaf von feinen hülflosen Gedanken erlöst, als ein Helles Lachen, das unten am Weg erscholl, ihn jählings er weckte. Einen Augenblick lag er still, sich zu besinnen, ob er's nicht etwa geträumt habe. Aber eine Helle Stimme drang zu ihm hinauf und dasselbe unschuldig trillernde und girrende Mädchenlachen, das sich von fern fast wie der Gesang eines Vogels ausnahm. Im Nu war der Jüngling aufgesprungen und an ei» Lugloch gestürzt, das den Blick hinunter frei ließ. Auf dem nämlichen Weg unter den Weiden, den der geistliche Herr vorhin gewandelt war, kam, dies mal aber von der Stadtseite, ei» Mädchen, das nicht über siebzehn Jahr sein konnte, blond, eher klein als groß, in der dunklen, schwer fälligen Landestracht. Aber die Bewegungen der zierlichen Gestalt, so langsam und behaglich sie einherschritt, waren so leicht und an- muthig, daß jedes Auge ihr unwillkürlich folgen mußte. Sie hatte die Hände ruhig in einander gelegt, wie es die Art der Mädchen hier zu Lande ist, wenn sie nichts zu tragen haben. Der runde Kopf aber blieb keinen Augenblick still auf dem schlanken Nacken, sondern wendete sich wie bei einen» Vogel rastlos nach allen Seiten, am häufigsten freilich zu ihrem Begleiter, über dessen scherzhafte Reden sie beständig in ein neues Lachen ausbrach. Das war ein gewand ter, rühriger Gesell, dem die leinene Soldatenjacke, die eng anschlie ßenden blauen Hosen und die schiefe blaue Kappe ohue Schirin nicht übel standen. Sein dunkles Gesicht und die schwarzen Augen verriethen das welsche Blut. Auch hatte er große Mühe, sich dem Mädchen in seinem gebrochenen Deutsch verständlich zu machen. Aber schon der Klang seiner verstümmelten und verwelschten Worte schien sie höchlich zu belustigen. Mehrmals warf er forschende Blicke in der Gegend umher. Einen Bauern, der ein Kalb mit Hülfe seines Hundes nach dem nächsten Dorfe trieb, ließ er mit ab sichtlichem Zögern voraukommen, und jetzt, da derselbe um die Ecke des Weges verschwunden war, rüstete er sich offenbar, mit dem Mädchen etwas handgreiflicher anzubinden, als sein spähendes Auge plötzlich die drohende Gestalt des Weiyhüters entdeckte, der ans einer Oessnung des Weingange- herausgetreteu war und mit erho bener Waffe, noch sprachlos, hinunterwinkte. , - (Fortsetzung folgt.)