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Dresdner Journal : 21.10.1889
- Erscheinungsdatum
- 1889-10-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188910215
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18891021
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18891021
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1889
-
Monat
1889-10
- Tag 1889-10-21
-
Monat
1889-10
-
Jahr
1889
- Titel
- Dresdner Journal : 21.10.1889
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1 700" L)«r travzösische Bauer und die sozialen Ler« hältnisse Frankreich-. In seinem Werkens trancv en 1889" schreibt Chaudordy mit sehr unbefangener gewissenhafter Beurteilung u. a. folgende»: „Der Bauer äußert eine blinde Anhänglichkeit an gewisse Ergebnisse der Revolution, die ihn vom Adel, von der Geistlichkeit und sogar vom Bürgerstand unab hängig gemacht haben. Diese neue Volk-Nasse ist in ihren Widersprüchen schwer zu begreifen, und doch ist sie e», die durch ihre Millionen von Stimmen end- ailtig über unsere Geschicke entscheiden wird. Da» Jahr 1789 hat sie iuS Leben gerufen, indem eS ihr die Freiheit gab; eine unermüdliche Arbeit wird ihr den Grundbesitz geben. Niemand hat sie seit der Zeit genügend unterrichtet, erzogen und zufriedengestellt. Daher alle» Gute und alle» Verderbliche; daher der Geist der Zufriedenheit und der Geist de» Neide»; daher da» Streben nach dem Besten und die Knecht schaft der Routine; daher der Drang nach Wissen und die Tiefe der Unwissenheit; daher endlich auch die Unterwürfigkeit und die Schlauheit, gepaart mit dem schroffsten Bestehen ans dem eigenen Rechte: in dieser seltsamen und unzusammenhängend«» Mischung besteht die moralische Physiognomie de» französischen Bauern. Mit seiner starken Willenskraft und seiner auSge- vrägten Gewinnsucht hat er sich ganz und gar dem Erdboden gewidmet, den er, dank der Revolution, er werben und frei besitzen durfte. Er bebaut und ver bessert ihn; er will ihn sich bewahren und wird ihn mit feinem Leben verteidigeu. Derjenige, welcher sein Eigeoium»recht zu bedrohen scheint, wird sein unvrr- föhulicber Feind, und er ist nur zu sehr geneigt, eine solche Drohung und einen solchen Feind in jedem zu sich ein sonntäglich gekleideter Mann an ihn heran und feuerte einen Schuß auf den Prinzen ab. Der Schuß ging fehl, der Prinz blieb unverletzt Der Thater wurde sogleich festgenommrn. Er erklärte im Verhör, er heiße Klaiber, sei c S Ulm und von dort eigen» herübrrgekommeu, um den Prinzen totzuschießen, damit einem Katholiken die Thronfolge zusalle. Der Mann scheint geistesgestört zu sein. — Al» der 31jährige Verbrecher von der Ludwigsburger Schloß- wache nach dem AmtSgefängniS geführt wurde, brach da» Publikum in Anwünschungen und Drohungen au». Bor der Villa de» Prinzen hatte sich mehrere Stunden lang eine Menschenmenge avgejammelt, um dem Prinzen ihre Teilnahme zu bezeugen. Im hiesi gen Schloß de» Thronfolger» erschienen viele, um sich in die aufgelegten Bücher eiuzuzeichnen. O Wien, 20. Oktober. Die Titelfrage der Armee ist nunmehr geregelt. Der zuletzt in der ver gangenen Delegation»stssion wohl auch von feiten der ungarischen Regierungspartei, zumeist aber von der Opposition betonte Wunsch ist erfüllt; die Armee wird von nun ab die Benennung „kaiserlich und königlich" führen. Die ungarische Regierungspartei ist, wie auS Buda-Pest gemeldet wild, von d eser durch Se. Ma jestät verfügten Maßregel sehr befriedigt, weil sie in derselben die Ausfüllung einer im Jahre 1867 offen gebliebenen Lücke im Sinne und Geiste des dualisti schen Ausgleichs erblickt. Auch wird von dieser Seite daraus hingewiesen, daß Ministerpräsident TiSza nur seine in der letzten Delegationssession gegebene Zusage eingelöst hat, indem die von ihm in Aussicht gestellte Regelung der Titelsroge nunmehr vollzogen ist. Ob wohl das den Titel der Armee betreffen« allerhöchste Handschreiben und die bezüglichen allerhöchsten Be fehlsschreiben erst heute amtlich verlautbart wurden, war eS doch schon früher bekannt geworden, daß die Titeländerung beschlossen sei und die ungarischen Jour nale hatten somit schon Gelegenheit, sich darüber zu äußern. Der „Pester Lloyd* führte auS, an dem Wesen der Heeresinstitution werde dadurch nichts ge ändert. Die Benennung sei eine durchaus formale Angelegenheit, welche die Struktur und Organisation ter Wehrkraft völlig unberührt lasse und auch unbe rührt lassen solle. Gleichwohl seiDdie endliche Aus tragung derselben in hohem Grade erwünscht, damit sie nicht von Zeit zu Zeit Agitationen erzeuge, welche verstimmen müßten. „Run aber", sagt der „P. Lloyd" an dte ungarische Oppo sition gewendet, „sollte es wahrlich genug sein de» verzweifelten Spieles mit der Armeefragc und im Hinblick auf diejenigen europäischen Fragen, für deren endgiltige Austragung die Mo narchie nötigensallS mit allen Mitteln ihrer materiellen Macht einzupehrn hätte, sollten dir Herren von der ungarischen Oppo sition bedenken, daß bei diesen europäischen Problemen in erster Reihe Ungarn mit allen Mitteln seines nationalen und staat lichen Behändes verpflichtet ist, und daß deshalb gerade Ungarn in erster Reihe aus die Stärkung und Konsolidierung der Wehr- kraft hinarbeiten muß." Hoffentlich wird eS die ungarische Opposition end lich an der Zeit finden, solche patriotische Mahnungen auch wirklich zu beherzigen und sich mit dem Erreich ten zu begnügen, das gewiß gründlich den von unga risch-oppositioneller Seite ost ausgesprochenen Verdacht beseitigt, als wollte man in der Armee äußerlich noch einen Rest de» Widerspruches gegen die staatsrecht liche Stellung Ungarn» aufrechterhalten. Man wird in dieser Hoffnung dadurch bestärkt, daß selbst ein Organ der gemäßigten Opposition das „Buda- Pester Tageblatt" die Änderung des Titels der Armee als eine Errungenschaft anerkennt und auch das „Pesti Hirlap*, ein Blatt, da» besonder» in MiUtärfragen mit der Opposition zu gehen pflegt, dieselbe ernstlich warnt, durch Ungenügsamkeit und zu weitgehende Forderungen die Interessen Ungarn» zu schädigen. „Pesti Napl6* und das Organ der äußersten Linken, die besonders, wenn eS sich um die Bekämpfung des Kabinetts handelt, immer Hand in Hand gehen, wollen freilich die Agitation, die einzelnen Helden ihrer Partei ebenso zweifelhaften als wohlfeilen Ruhm verschafft hat, nicht gern aufgeben und erklären des halb, daß bei ihnen keinesfalls Geneigtheit vorherrsche, die Regelung der Titelfrage als eine etwaige Ent schädigung dafür anzusehen, daß der Gebrauch der schwarzgelben Fahne bei der Honvedschaft acceptiert werde. Indes dürfte dennoch auch bei den Par teien, welche durch die genannten zwei Blätter ver treten werden, die Vernunft siegen, da sich auch in ihrem Lager Stimmen vernehmen lassen, welche er klären, daß die Anw ndung schwarzgrlber Signalfahnen bei den Hovveds eine durchaus gesetzliche sei. In diesem Sinne soll, wie verlautet, auch die bereit- für moroen erwartete Antwort des Honvedminister» auf die von Jranyi mit Bezug auf die Monorer Affaire eiugebrachte Interpellation lauten.—Der kroatische Landtag hat mit 69 gegen 4 Stimmen die den finan ziellen Ausgleich mit Ungarn betreffende Vorlage an genommen. Das Verhältnis Kroatien» zu dem un garischen Mutterlande hat somit wieder eine erfreuliche Kräftigung erfahren, deren Bedeutung am besten da durch gekennzeichnet wird, daß die ultraaatiovale, mit panslawistischen Elementen versetzte StaresevicSpartei, um nicht Zeuge ihrer gänzlichen Vernichtung zu sein, vor der Abstimmung über die Vorlage den Sitzungssaal verließ — Im ungarischen Generalkonvent evangelischer Augsburger Konfession hat e» dieser Tage einige er regte Sitzungen gegeben. In dem evangelischen Kirchen distrikte diesseits der Donau, welcher zu einem großen Teile von dem slawischen Stamme, den sogenannten Slowaken, meist Angehörigen der Augsburger Kon fession, bewohnt ist, finden sich nämlich unter den intelligenten Ständen einzelne panslawistische Agi tatoren, zu denen auch der SeniorUmspektor diese» Distrikte», ein Advokat Namens Mudrony, gehört, der sich im vergangenen Jahre, anläßlich der Eyrill und Methudseier, b S zu einer Wallfahrt nach Kiew ver flieg. Schon im vorigen Jahre hat der evangelische Genrralkonvent seine Entrüstung über diese Teilnahme eines Kirchenwürdenträgers an einem russischen Feste ausgesprochen, und den Kirchendistrikt diesseits der Donau angewiesen, die Sache zu untersuchen, die ent sprechende Ahndung zu veranlassen und darüber Be richt zu erstatten. Der Kirchendistrikt aber antwortete auf diese Weisung mit einem Proteste, in welchem er erklärte, daß der Generalkonvent seire Kompetenz überschritten habe. Wie ein Mann erhebt sich nun die gesamte ungarische Presse gegen diese» Verfahren des Kirchen- distrikteS und fordert, wenn nötig auch mit Hilse deS StaateS, ein um so entschiedeneres Vorgehen gegen die panslawistischen Agitatoren. — Den Wiener Aufenthalt deS rumänischen Minister- deS Äußern, Hrn. Laho- vary, betreffend, meldet ein rumänischer Korrespondent der „Presse*, Lahovary habe feine hiesige Anwesenheit benutzt, um an maßgebendster Stelle zu versichern, daß es da- aufrichtige Bestreben der rumänischen Re gierung sei, die besten politischen und handelspolitischen Beziehungen mit Osterreich-Ungarn zu unterhalten und im Interesse Rumänien- nicht nur olle Bestrebungen zu unterstützen, welche die Aufrechterhaltung de» euro päischen Friedens zum Gegenstände haben, sondern auch dem jetzigen wirtschaftlichen Zustande ein Ende zu machen, dessen Folgen sowohl Rumänien wie Osterreich-Ungarn empfinden. Lahovmy, der wahrend seines hiesigen Aufenthaltes eingehende Besprechungen mit dem Grafen Kalnoky gepflogen denen der Ge sandte v. VacareScu beiwohnte, und auch die öster reichischen Minister, sowie den eben in Wien weilenden ungarischen Ministerpräsidenten besucht hat, wird über den Inhalt siimr Besprechungen in den nächsten Tagen dem Ministerrate referieren und man hofft in Bukarest, daß e» ihm gelingen werde, trotz mancher obwaltenden Schwierigkeiten, zuerst die Zustimmung der maßgeben den Bukarester Kreise zu erlangen und dann einen Modus zu finden, der ein Einverständnis mit Öster reich-Ungarn erleichtert. Für die Konzessionen, die man für Einfuhr von Vieh (unter Wahrung der inter nationalen veterinär-polizeilichen Vorschriften), Getreide und Rohprodukte wird zugestanden «halten, will man dem Vernehmen noch nicht bloß einen Meistbegünstigt ungSvertrog sondern auch spezielle Tarifkonzessiouen gewähren. — DaS Handschreiben Sr. Majestät deS Kaisers an den Minister de» Auswärtigen Amtes, Grafen Kalnoky, betreffend die Titulatur deS Heeres, hat fol genden Wortlaut: Dem auch von Meinen Vorfahren befolgten Gebrauche ent- fprechend, laut welchem die Benennung der Wehrmacht der Monarchie sich jederzeit nach dem jeweiligen Litel de» obersten Lande«, und Kriegsherrn richtete, Hobe Ich Mich bewogen ge funden, durch ein unter Einem erlassenes Besehychreiben, von welchem Ich Ihnen eine Abschrift sende, zu verfügen, daß Meine Armee und Meine KnrzSmariue, deren Teile, Organe und An stalten, von nun an, anstatt der bisherigen, künftighin die Be nennung .Kaiserlich und Königlich" anzunehmen und zu sühnen haben werden. Diese Maßregel, wr'che zugleich den mit den einschlögigen Besetzen vom Jahre 1887 seftgestevlen staatsrechtlichen Verhält nissen entspricht, soll in kemer Weise die Einheit und Unzer- trennbarkeu de» gemeinsamen Heeres und der Kriegsmarine be einträchtigen oder berühren, wie diese, kraft der aus d<n Grund prinzipien der pragmat.ichen Sanktion errichteten und hieraus abgeleiteten Besetze des Jahres »8S7 grundsätzlich und endgiltig sestgestellt wurte. Ich beauftrage Sie, von diesem Meine» Handschreiben den beiden Ministerpräsidenten Kenntnis zu geben. — Ju Bezug auf die Reise de» Grafen Kal noky nach Friedrichsruhe wird bekannt, daß die sehen, der über ihm steht: eine traurige Folge der Zeit, wo er die soziale Überlegenheit nur auS dem Joche kannte, da- auf dem von ihm allein bebauten Erd boden lag. — Man hat sich oft gefragt, wie e» ge kommen ist, daß diese Vereinigung von 5 Millionen Landbesitzern nicht au» Frankreich da» konservativste Land und unsere Regierung zu ter beständigsten der Welt gemacht hat. Man vergißt dabei »u oft — der Bauer hat ein gute» Gedächtnis —, auf welche Weise diese Eigentümer entstanden waren, welches Mißtrauen und welche Bitterkeit eine noch frische Vergangenheit zwischen ihnen und den höheren Klaffen geschaffen hatte. Wenn die Ereignisse die politischen Fragen scharf hervortreten lassen und man eS sich angelegen sein läßt, den Bauer über fein Juterefft in den entscheidenden Krisen aufzuklären, ist er stets bereit, sich denjenigen anzuschließen, welche über ihm stehen, und ihnen sogar willig zu folgen. Aber im gewohnten Lauf der Dinge ist er in Gefahr, sich von feinen Erinnerungen und feine» argwöhnischen Anwandlungen beherrschen zu lasten. Solchen mißtrauischen Geistern gegenüber aber muß der Staatsmann die mannigfaltigsten Rücksichten walten lassen und jede Anspielung auf verhaßte Rück fälle, bei der die Besorgnis lebendig wird, vermeiden. Seit 60 Jahren ist der Reichtum Frankreich» in un erhörtem Grade gewachsen, und zwar ist e» der Bauer, welcher sich am meisten bereichert Hot. An ihm haben sich de»halb auch zugleich mit den glücklichen Folgen der Wohlhabenheit die gefährlichen Wirkungen der selben bethätigt. In da» konservative Gefühl misch-n sich bei ihm ankere Bestrebungen. Er trachtet weniger nach einer Einladung dazu festen» de» Reichskanzler» an den österreichisch - ungarischen Staatsmann gelegentlich der Anwesenheit de» letzteren im Gefolge de» Kaiser» Franz Joseph in Berlin «gangen ist und von dem Grafen angenommen wurde. r*i Pari-, 19. Oktober. Im heutigen Minister- rate wurde an Stelle de- zum Abgeordneten erwähl ten Franci-Charme« Nisard zum Direktor der poli- 1i chen Angelegenheiten im Auswärtigen Amte ernannt. Nisard war bi-her Uoterdirektor der Abteilung der Schutzherrschaften und man g'aubt, daß in seine Stelle der durchgesallene republikanische Abgeordnete der AiSne, Hanotaux, eiurücken wird. Hanotaux war, als Ferry da» auswärtige Amt verwaltete, dessen Kabinettschef und später Botschaftsrat iu Konstantinopel. — Fern« genehmigte der Präsident der Republik auf den Antrag deS Krieg-ministerS de Freyciuet die Streichung LaisantS auS den Cadre- der Landwehr. — Der OberkriegSrat hat, wie der „Figaro* erfährt, sich mit der Zusammenziehung de- 6. Corps beschäftigt. Da die Truppenmacht an der deutschen Westgrenze in Elsaß Lothringen verstärkt werde, so müsse das fran zösische Grenzcorp» dem Anstürme einer Mosse von 15 bis 80090 Mann sofort bei Au-bruch einr» Krieges widerstehen können. Ferner habe man die Einrichtung doppelgelrisiger Linien in den Militärbezirken von Lille, Lyon und Besancon beschlossen, um in wenigstens 3 Tagen 300000 Mann nach dem voraussichtlichen Schauplätze der ersten Kämpfe befördern zu können. Man glaubt in Militär kreisen an eine Enthebung deS Generals Halliot von seinem Posten als GearralstabSchef, damit derselbe die Leitung eines wichtigen Armeekorps übernehmen könnte. — Delombre setzt im „TrmpS* seine Studien über die französische Wirtschaftspolitik fort und be fürwortet heute, daß man auch dos außerordentliche Militärbudget, welches für da» nächste Jahr in einer Höhe von 154 Millionen FrcS. bewilligt worden fei, künftighin abschaffe und die betreffenden Ausgaben, wie bereits sür die Bauten und die Flotte geschehen, m den ordentlichen Haushalt ausnehme, d. h. nicht durch Anleihen, sondern durch den Ertrag von Abgaben decke. Die außerordentlichen Militärausgaben seien im Grunde nur hinsichtlich ihrer Höhe außer ordentlich, sonst aber ganz natürliche, fortlaufende Folgen der steten Verbesserungen und nemn Ansprüche der militärischen Technik. Diese Ausgaben bildeten also einen Teil deS regelmäßigen Unterhalts der Landes verteidigung und gehörten iu den ordentlichen Haus halt, was allerdings richt auSschließe, daß man sie auf ein« Reihe von Jahren verteile. — Gestern fand die alljährliche Ferer der Verteidigung ChateaudunS seitens der Freischärler statt. Der GemeinderatS- obmaun von Paris erklärte in feiner Festrede die Niederlage Frankreich» 1870 dahin, da» Laud habe sich überraschen lassen; eS sei iu Sklaverei einge- schlafen und in der Niednlage erwacht. Jetzt werde sich Frankreich nicht mehr gehen lassen. Jetzt sei die Nation durch die Republik stark und geachtet und habe allen, welche sie unterwerfen wollten, den festen Willen gezeigt, frei zu bleiben. Ebenso wie 1870 alle Fran zosen einig gewesen seien, fürs Vaterland zu kämpfen, so sollten jetzt nicht allein die Republikaner, sondern das ganze Volk sich einigen, um die wirtschaftlichen Ver besserungen durchzusühren und den Frieden zu er halten. — JuleS Simon sagte zu einem Redakteur deS „Echo de Paris", die Presse sei jetzt sehr bedroht, da selbst Republikaner strenge Maßregeln gegen die selbe beantragten. ES sei aber auch im Tone und der Art der Preßfehden ein wahrer Umschwung ein- getretru. Man sage zu den ehrlichsten Leuten: „Sie sind ein Dieb und haben das gestohlen!" Man solle doch solche Verleumdungen gerichtlich verfolgen. I. Simon habe schon unter dem Kaiserreiche gleiches Recht für alle verlangt und keine Ausnahmegesetze sür die Presse. Man solle die Zeitungen in solchen Fällen je nachdem vor die Geschworenen oder da» Zuchtpolizri- gericht stellen, in welchen auch andere Bürger sich vor der entsprechenden Gerichtsbarkeit wegen des gleichen Vergehens zu verantworten baden würden. Die Jour nalistenvereine sollten für die Würde ihres Standes einstrhcn und dafür forgen, daß bei den Wortkämpfen der Zütungen stets die Grenzen der Schicklichkeit und Ehre gewahrt würden. Wie die Advokaten, sollten sie eine TiSziplinarkammer bilden. — Zu dem vorgestern den Ausstellern im Elyse'e gegebenen Ball waren Einladungen an 8200 Personen, an alle PreiLnchter und die Aussteller, welche große Preise oder Gold medaillen erhielten und den ersten 5 Gruppen und der Abteilung für Volk-wirtschaft ongehören, ergangen. höheren, durch die Pflicht und daS Zusammenwirken aller Staatsbürger aufrechterhaltenen Ordnung, al» nach der Herrschaft «ueS einzelnen, der durch die Macht die oberen und die unteren Klassen auf ein gemeinsames Niveau herabdrückt. Wenn der Bauer sich nicht von dem Köder der Demagogen fangen läßt, sagt er: „Wir brauchen einen Herrn, aber einen sol chen, der sür alle gleich ist.* Diese- Streben nach unverständiger und neidischer Gleichheit wird noch lange die ländlichen Massen zwischen dem LäsariSwu» und dem Katholizi-mu» hin- und herschwaukeu lassen. Aber trotzdem findet man in ihnen einen Vorrat von festen Eigenschaften und gesunden Empfindungen, welche für die Zukunft große Hoffnung erwecken. Der Bauer wird reif« werden im Wohlleben, bei d« moralischen Erziehung, iu der Berührung mit Männern, die sich seinen Interessen aufrichtig widmen, und je mehr die bösen Erinnerungen in ihm erlöschen. E» ist unmöglich, daß eine so arbeitsame Klaffe, die in jeder Beziehung geeignet ist, der Regierung de- Lande» einen regelmäßigen und gemäßigten Lauf zu geben, nicht schließlich nach dieser Richtung den Au»schlag giebt: da» muß man von ihr erwarten.* Seit lang« Zeit nehmen die Arbeiter die all gemeine Aufmerksamkeit für sich in Anspruch. Die industrielle Leben-ordnung hat mit ihren Wundern zugleich die schweiwiegendsten Tage»fragen und die bedenklichsten Gefahren an die Oberfläche gebracht. Durch ihre zahlrÄche Bereinigung an gewissen Orten, durch ihre beständigen Erregungen schaffen die Arbeit« jeder Gesellschaft und jeder Regierung einen dunklen Punkt, den man keinen Augenblick au» dem Gesicht vtrlieren darf. Ja diese» vermischten Mengen, in Alle Minister waren zugegen, ein großer Teil de» diplomatischen Corp», viele Abgeordnete und Senatoren wohnten dem Feste bei. Der Ball verlief äußerst glänzend, uur war die Zahl der Gäste so groß, daß die Räume deS Elysee fast ^u beschränkt waren, sie »u fassen. Im Verlaufe de» Abend» unterhielt sich Präsident Carnot längere Zeit u. o. mit dem deutschen Botschafter, Grasen Münster, und mit dem schweizeri schen Gesandten, l)r. Lardy. * Pari-, 20. Oktober. (S. Z.) Hr. Thivrier, der Deputierte für Montluyon, hat sich seinen Wäh- lern gegenüber verpflichtet, die Bluse kammersähig zu machen, er wird also demnächst im blauen Arbeiter kittel in da» aristokratische Palai» Bourbon eiuziehen. Franci» Magnard, der begabte Leiter de» „Figaro", dessen vernünftigen, von keinerlei Souderinteressen be einflußten Ratschlägen alle Parteien und alle Poli- tiler gern ihr Ohr leihen, rät dcm neuen Deputierten, sich einen Bürgerrcck zu kaufen, der doch nicht gar so teuer zu erstehen sei, nicht etwa, weil er am Kleide de» Arbeiters Anstoß nehme, sondern weil er fürchte, daß derartige Kindereien der Sache, der Thivrier die nen wolle, schaden möchten. Arbeitcrvertreter, meint Magnard mit Recht, sollten in Bürgerparlameuteu ihr Mandat nicht dazu benutzen, um den gewalttbätigen Ansprüchen ihrer Genossen Worte zu geben, sondern um in Gemeinschaft mit den wahren Freunden der arbeitenden Klosseu zu prüfen, wie deren LoS zu bessern sei. Bis jetzt ist Frankre ch über parlamen tarischem Skandal und politischem Zank noch nicht zu einer ernsthaften Inangriffnahme der Arbeiterfrage gekommen, obgleich die letzte Kamm« einen Beratungs» tag in der Woche für ihre Erörterung anberaumt hatte; ohnmächtig wie sie war, vermochte sie auch auf diesem Gebiete nichts, und jene Einrichtung blieb ein drin- geudrs Mahnzeichen sür die republikanische Gesell schaft, sür die Sozialdemokraten aber und Anarchisten war sie eine Aufmunterung zu neuen Forderungen. Und doch wäre grade Frankreich kraft seiner Ver gangenheit und seiner Entwicklung vor allem berufen, mit Reformen auf dem sozialen Gebiete voranzugehev. Seine republikanischen StaatSeinrichtungrn machen Frankreich zum Zufluchtsort einer internationalen Gesellschaft, die der Haß gegen die bestehende Ord nung eint, und ein wie fester Kitt die Unzufriedenheit ist, hat auf politischem Gebiet das boulangistische Abenteuer dargethan, dos die Republik nur mit Auf bietung von Zwangsmitteln niederzukämpfen wußte. Anarchismus und Boulangismus haben viele Ähn- lichkeitS- und Berührungspunkte; dieselbe Gefahr, die der umgrenzten staatlichen Ordnung in Frankreich vorr letzterem drohte, droht der Weltordnung von ersterem, und fall» nicht Vorbeugung-Maßregeln grtroff n wer- den, wird der Anarchismus und die bürgerliche Ge sellschaft zunächst da giwaltsam aufeinanderprallen, wo man der sozialen Unzufriedenheit eine Heimstätte ge öffnet und sie durch Untbätigkeit und d e Unfähigkeit, ihr durch Reformen die Spitze umzubiegen, gezüchtet hat. Wenn der Anarchismus sich erst zu einer da» Staatsgefüge unmittelbar bedrohenden Gestaltung verdichtet hat, wild die bürgerliche Gesellschaft in Frankreich gegen ihn ausstrhen, wie sie sich gegen den Boulangismu» ausgelehnt hat, und wird dann auch vor Ausnahme- maßregeln nicht zuiückjchrecken, aber weis« wäre eS, sich di: Erfahrungen auf politischem Gebiete zur Lehre zu nehmen und nicht abzuwarten, ob auch die soziale Gefahr einen Constans findet, der ihr den Kopf zer tritt. — Der KriegLrat hat einstimmig sein Urteil dahin abgegeben, daß Laisaut durch die Wahlrede, in der er das Heer ausgefordert hatte, einer opportu nistischen Regierung die Gefolgschaft zu weigern, sich eines sckweren Verstoßes siegen die Manneszucht schul dig gemacht habe. Auf Beschluß des MimsterraiS und auf d n Bericht des KriegSministerS hat daher Präsi dent Carnot den Erlaß unterzeichnet, der verkündet, daß Laisant, Major der Territorialarmee, aus den Reihen der Tenitorialarmee zu streichen ist. Der „Temps" bemerkt zu dem Schritt: Für die Minister handelte eS sich darum, einen Eingriff in die politische Freiheit der Bürger zu vermeiden, sür eine Regierung deS Recht» aber galt eS, ein miliiürische» Kommando nicht Leuten anzuvertrauen, di^ nicht entschlossen sind, e» den Regeln der militärischen Manne-zucht gemäß zn üben. * Lissabon, 20. Oktober. Se. Majestät König Ludwig I. von Portugal ist gestern vormittag in Ca-cae» verschieden. Um 1 Uhr nachmittags ver- küadrten Kanonenschüsse von den Kriegsschiffen und der Festung, sowie Glockengeläute der Hauptstadt da» Ableben des Königs. Die Minister, welche sämtlich diesen von Natur großmütigen, aber gar n cht oder falsch unterrichteten Gemütern, denen die Wahrheit nur zu oft durch Utopien verschleiert wird, finden die selbstsüchtigen Volksredner ihren natürlichen Zuhörer- krei» und die RevolutionShrlden ihre stets bereiten Truppen. Aber vielleicht noch bemerken-werter ist die Ent wickelung der materiellen LebenSbediagungrn. Diese Bewegung geht weit zurück. Seit der Restauration ist sie im Wachsen begriffen, aber erst mit dem Kai seneich hat sie einen beschleunigten Lauf angenom men und da» entscheidende Übergewicht erlangt. Große Arbeiten und wissenschaftliche Erfindungen, Anstreng ungen der Thatkraft, die Reize der verfeinerten Sit ten: Alle» ist nach dieser Richtung thätig gewesen. Vom materiellen Standpunkt au» betrachtet, ist da» Ergebnis zeitweilig rin glänzende» gewesen, aber in moralischer Beziehung ist eS ein verderbliche» gewesen. Man vernachlässigt nicht ungestraft da» Gleichgewicht, das zwischen den moralischen und materiellen Dingen bestehen muß, zwilchen den Interessen einerfeit» und den Grundsätzen und Empfindungen andererseits. Wenn die Eingebungen der Vaterlandsliebe, der Erziehung und der Pflicht gegen solch« Bestrebungen nicht schließ lich rin Gegengewicht dardirten, befindet sich ein Volk im Zustand tiefen Verfalle', e» ist dann fogar in feiner Existenz bedroht. , Diefe BrrauSsicht kann für uns zur Wirkt chkeit werden, denn jene bedenklichen Bestrebungen haben sich tief bei uv» eingewurzelt. Wir Haden gearbeitet, znsammengerofft und unter dem Schatten der kaif«- Uchen Herrschaft, die UN» jrder männlichen Willen»- brthätigung üb«hob, i« einem vr mäßigen Wohlstand
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