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Das 1904 geschriebene Violinkonzert op.82, einsätzig, etwa einer sinfonischen Dichtung zu vergleichen, besticht durch eine blühende Melodik, die sich nicht nur im Soloinstrument, sondern auch im Orchester entfaltet. Dem Solisten bietet dieses Werk, das dem damaligen berühmten Geiger Leopold Auer gewidmet worden ist, die reichsten Möglichkeiten der Entfaltung seines Könnens. Viele Melodien erheischen einen großen, runden Ton. Das Virtuose kommt jedoch nicht zu kurz: Doppelgriffe, brillante Läufe, Flageolettöne, Pizzikato-Effekte sind in die Solostimme eingefügt und bieten viel Gelegen heit einer aufs Höchste entwickelten Technik. Es ist verdienstvoll, dieses selten zu hörende Werk in Dresden in Erinnerung zu bringen. Paul Hindemith: Sinfonie „Mathis der Maler“ Paul Hindemith beginnt mit der Oper „Mathis der Maler“ jene Wandlung in seinem Dasein, die ihn zum Katholizismus und zur Romantik hinführt. Die geistige Zucht des Barocks, der Hindemith bisher unterworfen war, ließ auf die Dauer das Herz kalt und die Wendung zur Romantik ist für Hindemith zugleich eine Wendung zu Herzenswärme, Gefühl und Verinnerlichung. Die Sinfonie ,,Mathis der Maler“ setzt mit formalem Geschick Stücke der Oper zu einer Sinfonie, ja vielleicht zu einer sinfonischen Dichtung zusammen. Diese Einmaligkeit in Hinsicht auf ihre formale Zwitterstellung ist neben dem ethischen Wert gerade dieser Musik, die oft in einem Atem mit Wagners „Meistersinger“, mit Pfitzners „Palestrina“ genannt wird, einer der Haupt gründe für ihre Berühmtheit. Das 1938 geschaffene Werk gliedert sich in drei Sätze, die programmatische Namen tragen, die das Verständnis der Musik sehr fördern. Sie beziehen sich auf Teilbilder des „Isenheimer Altars“ von Matthias Grünewald, der nach neueren Forschungen Matthias Gotthard Neidhardt hieß. Das Engelkonzert beginnt mit einer langsamen Einleitung, in der das mittelalterliche Volkslied „Es sungen drei Engel“ einen sequenz artigen, grandiosen Aufschwung erlebt. Der eigentliche Sinfoniesatz zehrt von drei Themen, die in kontrapunktisch-konzertierender Art eine Fülle von Musik ausschütten. Die Grablegung ist einer der innigsten und erschütternd sten Sätze der Neuen Musik. Dem Ernst dieser Aussage kann sich niemand entziehen. Die „Versuchung des heiligen Antonius“ stellt mit einem Realis mus sondergleichen die höllischen Anfechtungen dar, denen der Heilige stand hielt. Vier großangelegte Themen liefern die Substanz für diesen Satz. Das Thema der Streicher mit dem hohen Trillerton ist der Höhepunkt dieses musikalischen Gemäldes, das eines Dante würdig ist. Es mündet am Schluß in einen sehr lebendigen Lobeshymnus und in ein fast brucknerisch gewaltiges Halleluja. Hindemith hat dieses bedeutende Werk bis heute noch nicht wieder erreichen, geschweige denn übertreffen können. Es wird einmal Zeuge sein von dem musikalischen Streben und Können unserer Zeit.