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Dresdner Journal : 16.07.1889
- Erscheinungsdatum
- 1889-07-16
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188907161
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18890716
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18890716
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1889
-
Monat
1889-07
- Tag 1889-07-16
-
Monat
1889-07
-
Jahr
1889
- Titel
- Dresdner Journal : 16.07.1889
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W163. Dienstag, de« 16. Mi, abends. 1889. ttr vr««a»> » U. bv kt., k«t ävo <>ou1,ol»so ?o»vi«r»«l- MkrUol» S tt.; »a»ortulld äo« äoatso^a» tritt kost- a»a 8t»n»p»I»llivlü»^ tuLio. ^»tkoälss»»F^»dNt>r»», k'ür <j«o L«uuil «i»»r »»>p»lt«»«o 2«I« kl»ü»«r 8vdritt SV kk v»t«r äi» 2«it« SV kt. v«i 1»b»U«N- LQÜ 2iü»r»«»t« «t»pr TS^Uol» »it An»»bm« äor 80»- a»ä kaim«»», k'vritipr«,«-^tL»ollii»r Ur. 1SVS. Dres-nerZournal. Für die GefamUeitung verantwortlich r ^ofrat Gtto Banck, Professor der Litteratu» und Kunstgeschichte. t—ro» SMSI-iU»»»»» »»HNtrl,, />> Lr— Lo»ulU»«iooLr ä« 0r««äL»r ^oar»»t,; S»»lttlr« - N«rll» -Vis» - LslpiiU - »„«1 Sr«I»a ». N. //»a«e^«ts»n L N«rU» Vis» N«Md»rU- kr»^ L»lx»i^ - rr»»K1vrt ». N -Hüvek»»: L/o««,' k»rt» -Lo»äo» -L«rUL -rr»LkNlr1 ». N-St»tt^»rt: /-«»d« L 60., L«rU»: /Nvat»ct«»<ta»>t, SÜrllti: S. LlM«r« L»»»or«r, v. Lc^ü^er, S»U« ». I.t L»rot L Oa. U«r»o»rod»r: Lvni^t. Lrpvüitioo ä«, Orvxtt»« ^oanuü». vr«a«a, ÜMi»8«r«tr«,5« SO. kvriuprook-ALsoblll,»: Ur. 1L8L. Amtlicher Teil. Dresden, 1b. Juli. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den nachstehend aufgeführten Offizieren die Erlaubnih zur Anlegung der denfelbeu verliehenen fremdherrlichen Ordensdrkorationen zu er» theilen und zwar: des Königlich Preußischen Kronen-Ordens 2. Klasse mit Brillanten: dem Oberst und Kommandeur de» 2. Grenadier« Regiments Nr. 101 „Kaiser Wilhelm, König von Preußen" von Egidy; de- Königlich Preußischen Kronen-Ordens 3. Klasse: dem Major L la suit« des Fuß-Artillerie-Regiments Nr. 12 und Artillerie-Offizier vom Platz in Dresden Hentfchel; des KomthurkreuzeS 2. Klasse des Herzoglich Sachsea-Ernestiuischeu Hausordens: dem Major und Bataillons Kommandeur im 6. In« sanierte. Regimevte Nr. 10b Franz. Bekanntmachung, die Abhaltung der diesjährigen Wahlfähigkeits- und Fachlehrer-Prüfungen betreffend. Die diesjährigen WahlfähigkeitS-Prüfungeu für solche Hilfslehrer und Hilfslehrerinnen, welche ihre Kandidaten Prüfung fchon Ostern 1887 bestan« den haben, sollen zwischen Michaelis und Weihnachten stattfindeu. Hilfslehrer, welche sich dieser Prüfung unter werfen wollen, haben spätestens am 30. September, Hilfslehrerinnen dagegen spätestens am 31. August ihre ZulasfuugSgefuche bei dem BezirkSschuttnspec- tor ihres Wohnorts unter Beifügung der in 8 16 der Prüfungsordnung vom 1. November 1877 (S. 313 des Ges. und VdgS. Bl. v. I. 1877) vor- geschriebenen Zeugnisse einzureichen, worauf sodann von den BezirkSschulinfpectoren die Gesuche bis zum 15. October beziehentlich 15. September an den Prüf ungskommissar unter Beobachtung von 8 16, s der Prüfungsordnung abzugeben sind. Diejenigen, welche sich einer Fachlehrer-Prüf ung unterwerfen wollen, haben ihre Gesuche um Zu lassung nebst den nach 8 28 der Prüfungsordnung beizufügenden Zeugnissen bis spätestens den 31. August lausenden Jahres bei dem BezirkSichulinspector ihres Wohnortes anz'- bringen, woraus den Nachsuchenden s. Zt. weitere Be scheidung zugehen wird. Dresden, am 1b. Juli 1889. Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts. v. Gerber. Götz, Secretär. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische WachricHLen. Gastein, 16. Juli. (Tel. d. DreSdn Journ.) Kaiser Kranz Joseph traf früh H8 Uhr hier ein. k > Feuilleton. Verschlossene» Herz. 7 Rovelle von Adolf Stern. (Fortsetzung.) „Die Augen waren's wohl nicht! * hörte sie den Führer dumps vor sich hin saaen und beschleunigte jetzt den wortlosen Rückgang, auf dem Rainer immer einige Schritte hinter ihr zurückblieb. Sie scheute sich, noch tiefer in seine Seele hinabzublicken, als sie es schon gethan hatte und vermied es, sich noch ein mal nach ihm umzusehen. Ihr Gespräch mit Laute Clotilde von diesem Mittag fiel ihr unablässig wieder ein »vielleicht hättest Du um de» armen Manne- Willen vorsichtiger sein sollen!" klang e» in ihr nach und rS half ihr nicht-, daß sie in stummer Entrüstung hinzusetzte: „Was kann ich dafür, daß er ein Narr ist?* Unruhig, mit sich selbst so unzufrieden, al- mit ihrem Begleiter, legte Hermine den Weg bi- nahe zur Stelle zurück, wo Tante Clotilde und deren Ge sellschafterin ihrer warteten. Erst al- sie ganz nahe war, fiel ihr ein, daß den Augen der Tante die plötz liche Veränderung ihrer Haltung nicht entgehen könne — sie machte daher laogiamere Schritte, um Rainer neben sich kommen zu lassen. Er achtete nicht darauf und ging den letzten Test de» kurzen Wege» so düster und schweigsam an der Seite de» schönen Mädchens, wie er vorher hinter ihr dreingegangev war. So sehr sie ihm zürnte, daß er ihr den Tag ver dorben habe und ein empfindlicher Thor sei — wenn Pari-, 1S. Juli, abend». (W. T. B.) Die Deputiertenkammer genehmigte in ihrer Abend- sitzung die Amnrstievorlage mit den vom Senate vorgenommenen Abänderungen. Der Präfioent verlas darauf da- Dekret, durch welches die Session geschloffen wird, dankte den Präfidialmit- gliedern für die ihm bei der Leitung der Geschäfte geleistete Unterstützung und fügte hinzu, in der zu Ende gegangenen Legislaturperiode seien vorzüg liche Gesetze geschaffen worden; er hoffe, die be vorstehenden Wahlen würden die Republik befesti- gen. Die Sitzung schloß u11 Uhr. (Forschung der Telegramme aus Seite 11K0.) Dresden, 16. Juli. Der Gedenktag des BasiillensturmS. -s- Den Franzosen gilt die Erstürmung der Bastille als der Beginn ihrer großen Revolution, als der Aus gangspunkt ihres bis zur Gegenwart noch unabge schloffenen Ringen» nach einer endgiltigen StaatSform, welche die Beweglichkeit des Einzelnen mit der Ord nung der Gesamtheit harmonisch verknüpft; darum haben sie den 14. Juli zum Nationalfesttag erhoben, den sie seit Jahren schon mit steigendem Glanze be gehen, und dessen diesmalige Fei-r am Sonntag das Pariser Volk in eine besonders gehobene Stimmung versetzt hat. Mögen unsere Nachbarn ihre Feste feiern wie sie fallen, uns wird das nicht kümmern, solange sie dem nationalen Chauvinismus keine für den Unbeteiligten bedenkliche Nahrung zusühren, oder in geistige Be trachtungen und Erklärungen auslaufen, deren radi kaler BerallgemeinerungStrieb und unbegründete» Seldst- bewußtsein im Interesse einer thatsächlich unbefangenen Auffassung und Darstellung zu offener Abwehr herauSfor- dern. Gerade der Gedenktag der Erstürmung der Bastille scheint uns aber einer solchen Zurückhaltung zu entbinden und um der geschichtlichen Aufrichtigkeit willen eine Kritik der an ihn geknüpften Erörterungen über seine Bedeutung für Frankreich und die Menschheit um so mehr zu rechtfertigen, als in dem Jubiläumsjahr der Revolution die Ergebnisse jener umwälzet den Zeit aus an sich begreiflichen Gründen in eine ungleich hellere als richtige Beleuchtung gebracht worden sind. Die nachprüfeude Erwägung wird zueist die Frage beantworten müssen: Was geschah am 14 Juli? Um die Mittagsstunde des 12. Juli 1789 ver breitete sich in Paris die Nachricht von der Entlass ung des Kabinetts Vecker, mit anderen Worten von dem gelungenen Staatsstreiche der Feudalpartei, und binnen wenigen Stunden flammte der durch diesen Sieg der Privilegierten zum äußersten angestachelte Haß des Volkes in einer blitzschnell angewachsenen Bewegung auf, die viele Tau ende, mutige Männer aus allen Klaffen, Arbeiter und Studenten, Kaufleute und HandwerSburscheu, freilich auch Bettler, Vaga bunden und Diebe umfaßte. Im PalaiS Royal brach der Tumult los, aus den Fenstern des Cass Foy rief Camille Des oulinS zum Widerstand und fand überall bereitwilliges Gehör. Die Nacht zum 13. Juli war angefüllt mit Brand, Plünderung und Gewaltthaten, an diesem Tage selbst rettete nur die Bürgerwehr Paris vor dem Ansturm der Banditen, nicht aber vor der revolutionären Bewegung, die un aufhaltsam vorwärtsschritt, alle Leidenschaften der menschlichen Brust entfesselte und in drohenden oder aben teuerlichen Plänen nach Freiheit und Rache schrie. Die ihr Auge seine aschfahle Wange und die gesenkte Stirn streifte, wallte ein herzliches Mitleid mit einem Tropfen eignen Schuldbewußtseins gemischt in ihr auf und sie nahm sich vor, ihn aus dem weiteren Hinabweg zugleich zu begütigen und ein wenig zu be schämen. In diesem Vorsatz sand sie ihren freien Blick und ihren hellen Ton wieder, mit denen sie die Tante begrüßte. Fräulein Clotilde Krüssow war schon ein wenig ungeduldig geworden und bemerkte, daß die Sonne hinabgehe und eS merklich kälter werde. Her mine entgegnete lebhaft: „Versuchen Sie einmal einen Dauerlaus bergunter, Tante, wie ich ihn vorhin mit Rainer bergauf gemacht!* und lachte nur, als ihr Tante Clotilde zuflüsterte: „Recht schicklich sah eS nicht aus, Hermine!" Rainer Tiesenbrunuer hatte sich inzwischen zu den beiden älteren Damen ge sellt. Ohne sich nach Hermine umzusehen, half er ihnen sorglich den steilsten Abhang hinab, er schob, al» sich eine Art Pfad aufthat, Steine aus dem Wege und sein Arm streckte sich in jedem Augenblick hilf reich au», wo eine oder die andere seiner Schutzbefoh lenen auSzugleiteu drohte — er schien wie aus einem Traume erwacht, aus seinem Gesicht zeigte sich ein neuer Anhauch kräftig gesunden Rotes — er war wie der ganz der tüchtige, achtsame Führer. — Hermine atmete auf, als sie ihn so erblickte, da» srohe Gefühl, in dem sie sonst mit ihm verkehrt hatte, wollte sie neu erfassen, sie widerstand t«r R-vung und sagte sich: „Rein — nein! ich werde ernsthast mit ihm reden!* Mit diesem Vorsatz folgte sie al» die letzte deS kleinen Zuge». Sobald der Psad gleichmäßig und minder abschüssig ward, nahm Tante Clotilde die Hilse Ltefenbrunner» nicht mehr in Anspruch und gesellte Hauptstadt sah sich gänzlich in der Gewalt der In surrektion. Ruhigere Köpfe wünschten jetzt eine Ver bindung mit der Nationalversammlung, doch in den wild erregten Massen herrschte kein anderer Gedanke, als Kampf bis auf den letzten Blutstropfen, bis der König sein neues Ministerium entließ. Dazu bedurfte man aber Waffen und fo warf sick ein Schwarm auf den Palast der Invaliden, wo 28 000 Flinten er beutet wurden, und ein anderer richtete von der Antons studt einen Angriff auf die Bastille, wo man eben falls Waffenvorräte vermutete. Die Besatzung dort zählte 138 Mann, davon ein Drittel Invaliden, besaß keinen Proviant und durfte auf keinen Ersatz rechnen. Aus der Vorstadt wälzte sich eine unabsehbare be waffnete Menge heran, unter ihr mehrere Compagnien der zur Revolution übergetretenen Regimenter, dennoch weigerte der Befehlshaber de Launay die Übergabe. Ter Kampf Hub an, die Letten der Zugbrücke wurden durchschnitten, der erste Hof des Schlosses genommen, ein Sturm auf den zweiten aber blutig zurückgcwiesen. Und in diesem Augenblick begehrten die Invaliden zu kapitulieren! Empört wollte Launay die Bastille in die Luft sprengen, seine Offiziere verhinderten ihn indes uud nun erst ließ der Tapfere auf Zusage freun Abzuges die zweite Brücke niederrasseln, über welche die siegende Masse in das alte Gebäude flutete. Trotz des Versprechens bedrohten die Mord- lustigen das Leben der Besatzung, mit Anstrengung schützten französische Garden die gemeinen Soldaten, nur Launay und seine Offiziere fielen dem blut gierigen Pöbel zur Beute; im Triumph brachte man ihre Köpfe in die Stadt zurück. Gleich darauf fiel auch der Präsident des AusschussesGestelles, weil er de Launay Beistand versprochen, dann wogte die Be wegung tosend, alle Sicherheit bedrohen durch Paris, bedeckte die großen Straßen mü Barrikaden und zog in ihrem Strome allmählich auch Teile der bis dahin ruhigen Bürgerschaft mit sich, sodaß der Herzog v. Larochefoucauld-Liancourt noch in der Nacht Sr. Majestät dem Könige die Meldung machen konnte, die Revolution sei ausgebrochen. Tas war die Heldenthat von, 14. Juli, welche alle politische Freiheit, deren die Franzosen sich erfreuen, und mit ihr zugleich die bewunderungswürdige Ein heit ihres Staates gebar, das war die denkwürdige That eines seine Ketten zerbrechenden Volkes, deren Andenken überall auf dem ganzen Erdenrund mitgefeiert wird, da weuigstrns, wo Menschen wohnen, welche Freiheit und Gerechtigkeit schätzen und ein Verständnis für den jammervollen Zustand sich bewahrt haben, in welchem die Menschheit schmachten würde, wenn jene Güter nicht wären für sie erobert worden. So denkt man in Frankreich, so schreibt sogar ein angesehenes öfter- reichisckes Blatt uud vertritt damit die symbolische Auffassung des Ereignisses, wre sie sich unter dem unmittelbaren Eindruck des Geschehenen in ganz Europa geltend machte. Schon damals sah man die Erstürmung keineswegs als eine kriegerische That an, man sah nicht den Fall einer schwach verteidigten Feste, sondern den Zusammensturz eines starken Boll werkes despotischer Willkür, den Fall eines Hemm nisses im Strombette der Revolution, mau sah nicht die meuterische Erhebung gegen die allgemeine Ord nung und Ruhe des Staates, sondern die von einer strafenden höheren Gewalt übermächtig gelenkte Be wegung gegen tausendjährige Unterdrückungen und taus.ndjährigeS Elend, und je breiter sich die Zeit zwischen die Thut und den Beurteiler legte, um so geneigter ließ man die Bedeutung der Folgen auf die Schatzung des Ereignisses selbst einwirken, um schließ lich in dem 14. Juli den Geburtstag einer neuen Weltordnung zu erblicken. ES muß vielfach Wunder nehmen, daß man noch heute in- und außerhalb Frankreichs so stark im Ur- sich der PfarrerSwitwe zu, welcher sie ihre im Grunde für Hermine bestimmte Meinung eröffnete, daß ein Spazier gang bei Thale oder Tabary doch weit lohnender sei, als die Kletterei auf dieser öden Höhe. Das junge Mädchen hörte nicht darauf, denn sie hatte in dem Augenblicke, wo Rainer wieder zwischen ihr und den Damen ging, den Führer angerufen. Sie sah freilich, daß er sich Zwang anthun mußte und daß die Gram salte um seinen Mund noch nicht geglättet war. So scheute sie sich, das Gespräch mit scheltenden Worten zu beginnen und fand heute den Scherz nicht, der ihr sonst im Verkehr mit ihrem Führer so leicht über die Lippen gesprungen war. Sie empfand ein Verlangen, Rainer durch gütige Teilnahme an seinem Treiben und Wesen zu zeigen, wie ungerecht seine Empfindlich- keit gewesen fei. Sie fragte daher: „In ein paar Tagen werden wir abreisen, Rainer — der Sommer geht rasch zu Ende. Werden nach uns noch viel Leute kommen, die Besteigungen unter nehmen, oder haben Sie bald Ruhe?* „Glaub's nicht daß viele kommen!" versetzte Rainer kurz und wandte dabei sein Gesicht adermal» von der schönen Frogerin hinweg. Nach einigem Besinnen fügte er doch hinzu: „Vor zwei Jahren war ich mit drei Studenten von Innsbruck noch am 5. Oktober auf dem Monte Lristallo, aber im vorigen Jahre lag bereits am letzten September alles verschneit. Auch der Gasthof drunten und wir in Stilfs." „Die Winter hier müssen lang und hart sein,* sagt« Herm.ne leicht erschauernd Sie dachte in Wahr heit zum ersten Mal daran, wie Rainer» Leben in der Zeit »wischen zwei kurzen GebirgSsovnen verlaufen möge, und die Vorstellung ward sofort so lebhaft, daß teilsmaß sich vergreiste Nicht als könnte man dem Tage seine historische Bedeutung ableugnen, sie gebührt ihm, da er die despotische Autokratie brach, aber von ihm den Segen des modernen Rechtsstaates herzuleiten, vermag nur, wer aus den Thatsachen liest, was ihm beliebt, nicht was er findet, und diesen Tag im ange- deuteten Sinne feiern wird nur, wer die Vorgeschichte jener Zeit ebensowenig in Betracht zieht wie ihren eigent lichen Verlaus. Schon längst hatte der Strom der Gedanken eft e revolutionäre Wendung genommen, die sich gegen den alten Staat richtete, der von dem Menschen als solchem niemals Notiz genommen, und dessen Macht haber die Richte der bestehenden Ordnung zugäng lich machten, wem sie ihre Gunst sreiwillig oder gezwungen zuwandten; schon längst hatte die Auf klärung an der morschen Weltordnung gerüttelt und mit geistigen Waffen für die Herstellung eines fruchtbaren Gleichgewichts zwischen Macht und Freiheit gekämpft, und erst als sich die vorhandenen Köpfe und Kräfte zu schwach erwiese', um solchen notwendigen Ausgleich herzustellen, nahm sich die Demagogie der Aufgabe an, deren Lösung sie mit Hilfe de» unter jammervollem Druck erwachten Freiheitssinnes des Volkes versuchte. Der erste Schritt war der Sturm der Bastille und gleich dieser zeigte den blutigen Charakter der vorbedachten Mittel. Blut war von nun ab die treibende Kraft der Revolution und an dieser Erb sünde krankt noch heute das große Welt, welches die Epoche ausgerichtet hat. Wie konnten auf dem blutgedräng ten Boden die Ideen des Rechtes aufgehen und gedeihen! Es folgten die Erklärung der Mensä enrechte, die Auf hebung dcr Feudalrechte, die Schaffung eines allge meinen Staatsbürgerrechts, und doch war der moderne Rechtsstaat noch lange nicht herausgewachsen aus einem Acker selbe, das man mit den Opfern der Guillotine gedüngt hatte. Wohl war der Gedanke, daß das Leben jedes einzelnen Menschen für den andern von Bedeutung sei, zu lebendigem Ausdruck gekommen, wohl arbeitete man mit starkem Eifer an einer ha t- daren Verbindung zwischen Zentralregreruug und Srlst- gewalt, zwischen Kronrecht und ständischem Recht, aber so lange die RevolutlonStnbunale mit ihren Urteilen die Gewaltakte des Königtums Überboten, so lange sich das Bewußtsein von der Kraft des Rechtes nicht fistzusetzkn vermochte und statt seiner der Gedanke un beschränkter nationaler Souveranetät die Köpfe ge fangen hielt, solange die absolute Legalität keine sesten Warzeln gelchlagen, — solange war von einer wirk lichen Umwandlung des Feudalstaates in den modernen Rechtsstaat nicht zu sprechen. Die Kuliurvölker Europas haben in jahrzehnte langer mühsamster Arbeit die Anregungen der Revo lution sich zu eigen gemacht und mit wenigen Aus nahmen die sichere Gestaltung ihrer politischen und gesellschaftlichen Einrichtungen früher erreicht als Frankreich, daselbst man noch heute die schweren Pflich ten sreier Institutionen nicht immer zu erfüllen ver mag. Nach Beweisen für diese Bemerkung wird in der Gegenwart niemand frage.'. Lagesgeschichk. * Dresden, 16. Juli. Der Kümgl. bayerische Gesandte Frhr. v. Niethammer hat einen mehr- wöchentlichen Urlaub angetreten. Für die Zeit seiner Abwesenheit ist die Führung der lausenden Geschäfte der Gesandtschaft dem König!, bayerischen General konsul Hrn. Hesse hierselbst übertragen. * Berlin, 15. Juli. Se. Majestät der Kaiser traf gestern früh vor Drontheim ein. Abends um 7 Uhr begab sich der Monarch ans Land und wurde von der Bevölkerung sehr herzlich empsangen. Allerhöchst ste seine Antwort nicht erwartete, sondern ausrief: „Sind Sie iu Ihrem Hause ganz allein? — ist'» unter Ihrem Dacbe gesund und warm, wie bringen Sie die langen Wochen hin, wenn Sie nickt aus dem Dorf heraus können?* „Ich hab' ja noch die Mutter daheim*, erwiderte Tiesenbrunuer. „Und wenn gnädiges Fräulein Wort gehalten hätten — Sie wollten mich mit der Frau Doktor schon im vorigen Jahre besuchen, Sie haben es aber vergessen und jetzt hoff' ich's nimmer! Die Winier sind lang — aber ich hab' genug zu thun ge habt, ich habe gelesen — mich unterrichtet — so gut's halt angmg, damit man doch nicht immer ein dummer Bauer bleiben mußte.* Hermine Krüssow hörte den bitteren Ton in den Worten des Führers nicht i nd nahm deu Blick — halb leidvoll bittend, halb schlau und scharf prüfend — nicht wahr, den der Tiroler auf sie richtete. Sie erschrak vor der neuen Vorstellung, die sie überkam, daß auch die Bildungslust Rainers mit allem zufam- mevhängeu möge, wa» sie heut erfahren batte. Ja diesem Augenblick erst ward sie sich dessen bewußt, was ihr doch schon im vorigen und noch mehr in diesem Sommer zu jeder Stund« hätte auffallen können, daß der stattliche Mann wenig, beinahe gar nicht, im Dialekt seiner Heimat sprach. Sie lächelte etwas ge zwungen und brachte ein mühsames Lob hervor: „Wahrhaftig, Rainer, man hört Ihnen an, daß Sie Schriftdeutsch reden und sich bester al» alle ihre Genossen mit un» Fremden verständigen können. Was lesen Sie also an den langen Winterabenden — und werden Sie nicht müde beim ungewohnten Still- fitztvV* (Smtfthumt i-l-t.)
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