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Dresdner Journal : 23.05.1889
- Erscheinungsdatum
- 1889-05-23
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188905232
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18890523
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18890523
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1889
-
Monat
1889-05
- Tag 1889-05-23
-
Monat
1889-05
-
Jahr
1889
- Titel
- Dresdner Journal : 23.05.1889
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O11S Donnerstag, den 23. Mai, abends. 1882. vr»»L«» vivrtslMrUvd » N -0 kt., d«i Leo L»ot»cl>«o ?o»t»Q»t»It»o viortol- KürUel» L K; »u,«srti»Id L«» Leut»ct»«o Loied«, tritt ?o»t- uoL 8tswpstru»ctil»8 tuoio. L»KN«atU»»^»^dUdre» r tllr Lvo «ü»vr b^p^lteoeo 2«Ue U«ü»»r koNrilt SV KL Notor „tün-^«»i^Lt" Li» Lail» KO kt. 8« labaU«- aoL LNar»»»t» aatapr. ^aLodl»^ LraaNat»«»» rNUUok mit Aoonotim» Lar So»»- waä kaiartasa odooä» k«o>pr»o^ AL«,llo—r Ur. LL-t. DreMerÄoumal. ^ür dir Gesamtleitung verantwortlich: Hofrat Gtto Banck, Professor der (itteratur- und Kunstgeschichte. LaaaL«« ra» ^»-«»Lt»i»«»» ,a,WNrtar taip»tU: />> Lr»nL»t«tt«r, 6oww>»ilouLr Le» l>re»Laor Loornol», U»»dor» L»rUo - Vt»a - I^lpilss - S—l Nr«»l»« 5r»o^tor1 ». ».! Aaa»en«t«>» L ^vAi«r, N»rllo wi»o llowdarx kr»^ l.«tp»i^ rr»a^N»rr ». ». NLüed»»: L/o«e, ?»rt» - l.oackoQ - L»rIUl -^»»LkNirt ». ».-»roN^art: /)a^« L (,0., LarUa: SSrM»; ü LfMer» ^Vac^/oto«', Nooo«v«, v. Lc/»ü«i«r, L»U» ». ».: F Larot L öo. Lar»n»r»d«r: Lvoi^I. LxpsLItioo Ls» VreaLZlar Loorool». vro»äoo, Lmuzeritr»»»« >0. t'oraipravN-^tLZvNtll»»: Nr. 189». Amtlicher Teil. Dresden, 23. Mai. Ihre Majestät die Königin sind heute Vormittag von Bad EmS nach Brüssel abgeretst. Se. Königliche Hoheit Prinz Friedrich August, Herzog zu Sachsen, ist gestern Abend v.m München hierher zurückgekehrt. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische Wach richten. Chemnitz, 23. Mai. (Tel. dDreSdn. Journ.) Der bergbauliche Verein de» Lugau-ÖlSnitzer Kohlenreviers hat eine Erklärung erlassen, derzu- folge eine entsprechende Lohnerhöhung bewilligt werden soll, dir Gewährung achtstündiger Arbeits zeit einschließlich der Ein- uud Ausfahrt aber un möglich ist. Kerner sollen die Sonntagsschichten aufs Notwendigste beschränkt werden und bei Über- scdichtru wird kein direkter oder indirekter Zwang stattfindev. Eine wöchentliche Abschlagszahlung mit vierwöchentlicher Abrechnung der Gedinge wird bewilligt, desgleichen die Verkürzung der Kündig. ungSzett auf sechs Schichten, sowie die entsprechende Abänderung der Arbeiterordnuug. Sonstige nur einzelne Werke betreffende Forderungen sollen sorg fältig geprüft und im Kalle der Berechtigung ent- sprechend geordnet werden. Zwickau, 23. Mai. lTel. d. Dr-Sdn. Journ) Der Stand beS Streiks ist ziemlich unverändert. Auf verschiedeneu Schächten wird, wenn auch in verminderter Zahl, fortgearbeitet. Bon den 10 Ott« Arbeitern des hiesigen NrvierS streiken noch 4000. Brüssel, 22. Mai. (W. T B.) In den Stein- brüchen von Quenast ist ein neuer Streik auS- gebrochen, alle Arbeiter haben die Arbeit nieder- gelegt. Lüttich, 22. Mai. (W. T. B.) Der Streik in den Kohlenbergwerke» von Marihaye vnd Se- raing nimmt zu?, drei Biertteil der Belegschaften, etwa 900 Arbeiter, haben die Arbeit niedergelegt. Die Grubenverwaltuvg bot den Streikenden eine Lohnerhöhung von 5^, welche jedoch abgelehnt wurde. Die Nutze wurde bisher nicht gestört. Rom, 23. Mai. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Die letzten Nachrichten über den Agrarstrrik im ober- mailändischen Bezirk lauten sehr beruhigend; in vielen Gemeinden hat man die Arbeiten wieder ausgenommen. Die eingrleitete Untersuchung ergab, daß »S Anarchisten waren, welche zu den Ruhe störungen aneiferteu. Mehrere Abgeordnete und andere politische Notabilitäten der Provinz Mai- land vermitteln zwischen den Keldbauern und den Eigentümern. Ministerpräsident CriSpi forderte von dem Präfekten einen genauen Bericht über den Streik. — Infolge von Wolkenbrüchen, die in den Appevniven viedergingen, sind die Gewässer in der Provinz Pavia ungeheuer angeschwolleu. Dir Brücken über den Staffara bei GodiaSeo und Larzi wurden wrggerisse», auch die im Baur be- griffrnr Straße im Tidorethal ist zerstört worden. Der Po ist im Steigen. Moskau, 23. Mai (Telegr. d. Dresdn. Journ.) Der Schah von Persien ist gestern abends 10 Uhr nach St. Petersburg abgereist. Feuilleton. Die zweite Wahl. Novelle »ou H. Nau« barg. (Korlsetzuog.) Mimi schüttelte den Kopf Die Erinnerung an ihren VerlobungStag hatte sie schon mehr als einmal gequält; sie gestand sich, daß sie mit ihrem Ungestüm ihn gewissermaßen sortgerissen hatte; aber dann kam sie doch immer wieder zu dem Schluß, daß er ohne Neigung nicht um sie geworben und nach der Kata strophe ia Bergedoif nicht bei seinem Entschluß be harrt haben würde. Auch kam sie, nachdem Cäcilie gegangen war, wieder zu demselben Resultat. Aber sie war von Natur wenig geneigt, unerfreulichen Ge danken nachzuhängen, und heute war ihr ganze- Trach ten auf da- MaSkenfest gestellt, und sie versuchte un ablässig noch kleine Veränderungen und Verbesserungen mit dem Anzug vorzunehmen. Mur heute komm nicht zu spät zurück, Konrad," bat sie. „Verlaß Dich darauf, so bald ich kann! Gieb acht aus Hau-; er schläft jetzt, aber er steht nicht gut auS." „E- wird nicht- sein," tröstete sie. „Die Kinder frau will sich meiner Unerfahrenheit gegenüber mit ihrer Weisheit wichtig machen. Sie macht au- jeder Kleinigkeit so viel Aufheben»!" „Er ist eigensinnig," beruhigte sie sich, al- Han» nach dem Erwachen noch matter und unluftiger al» am vormittag war vnd sich weigerte, mit in Dresden, 22. Mai. Eine französische Zeitungsstimme über den Besuch des König- von Italien in Berlin. ES ist männiglich bekannt, daß die gesamte Pariser Presse, von ganz vereinzelten Ausnahmen abgesehen, sich keine Gelegenheit emgehen läßt, um nicht nur die Deutschen selbst, sond-rn auch alle, die in dem Ver dachte stehen, gute Beziehungen zum deutschen Reiche zu pflegen, mit ihren Haß- und Wutausbrüchen förm lich zu überschütten. Schon der Name „Deutschland" übt auf gewisse Politiker an der Seine dieselbe Wirkung aus wie der rote Lappen auf den Stier. Nur hin und wieder wagt es einmal ein französischer Journalist, feine Landsleute vor diesem Treiben zu warnen und ihnen zu Gemüte zu führen, daß durch die fort währenden Hetzereien der Revancheblätter die Gefahr eines Zusammenstoßes zwischen den beiden Nachbar ländern in frivolster Weise herausbeschworen wird. So wies vor kurzem der bekannte Pariser Publizist und Mitarbeiter des „Figaro", St. Genest, in einem vielbemerkten Aufsatze auf die Schädlichkeit der chau vinistischen Feindseligkeit der Franzosen gegen Deutsch land hin uud machte zugleich in sehr nachdrucksvoller Weise auf das Unberechtigte derselben aufmerksam. „Deutschland", so sagte Herr St. Genest, „hat in dem jüngsten deutsch-französischen Kriege nur Vergeltung an Frankreich geübt; es hat das wiedergenommen, was ihm in früheren Jahrhunderten von uns entrissen worden war. Das revanchelustige Frankreich hat also gar keinen G>und, sich über den Verlust von Elsaß- Lothringen zu beklagen; der Kampf vm die Macht hat sich eben zu gunsten Deutschlands entschieden und e- ist thöricht, fortwährend zu wiederholen, daß die Preußen ein Verbrechen begangen hätten, weil sie uns nach Sedan drei Departements nahmen, während wir ihren nach Jena drei Viertel ihres Lande« genommen Haden." Es ist gewiß sehr verdienstvoll und anerkennens wert, wenn ein hervorragender französischer Publizist seinen Landsleuten in dieser Weise die Wahrheit sagt und es scheint fast, als ob das von Hrn. St. Genest gegebene Beispiel auch in anderen besonnenen Kreisen des Pariser Journalistentums Nachahmung finden sollte. Wenigstens deutet die eindrucksvolle Ermahnung, welche ein bekanntes französisches Wochenblatt, da- „Llemo- rial <Uploluntii<jU8"aus Anlaß der Reise König Humberts nach Berlin an die Pariser Presse richtet, hieraus hin. Die meisten ter französischen Blätter konnten es natürlich nicht unterlassen, den Groll zu unierdrücken, mit dem sie durch die Berliner Reise des Königs von Italien ersüüt werden. In einstimmigem Zusammenklang wur den König Humbert, Crispi und das gesamte Italien abgekanzelt und verhöhnt. Ein Blatt brachte sogar glückl'ch heraus, daß die Reise nach Berlin eine Fahrt nach Canossa sei und andere belustigten sich schon im voraus über die küh e und gleichgtltige A' t, mit wel cher der italienische Herrscher in der deutschen Reichs- Hauptstadt empfangen werden würde. Derartig-n Wut ausbrüchen gegenüber ist es erfreulich zu sehen, daß wenigstens noch eine Zeitung den Mut findet, die Reise König Humbert- in der Weise zu besprechen, wie es von seiten des „ülömorial äiplowatiguv" ge schieht. Das Blatt sagt: „Der Besuch des Königs von Italien in Berlin hat die Gabe, die Galle mehrerer unserer Pariser Kollegen zu erregen. Wir sind zu unserem tiefen Bedauern wiederum gezwungen, diesin Zeitungen zu erklären, daß wir ihren Anschauungen durchaus nicht beistimmen. Es ist doch notwendig, daß wir endlich einmal dahin gelangen, die auswärt gen Ereignisse nicht vom Standpunkte der Partei aus, welcher man angrhört, zu beurteilen, sondern dieselben m ihrer das Ankleidezimmer zu kommen, was er sonst so gern that, um zu sehen, wie Mama die schönen Kleider anlegte und die Jungfer die hohe Lockensrisur auf türmte und puderte. Dies Kunstwerk wollte nicht so gut wie bei den Proben gelingen, uud Mimi achtele nicht darauf, wie lange Zeit darüber verging, dis es endlich zu ihrer Zufriedenheit hergestellt war, und die Aigrette genau an der Stelle steckte, an welcher die Brillanten am wirkungsvollsten blitzten. Die Kinderfrau war inzwischen an die Thür de» Toilettenzimmer- gekommen, um zu fragen, ob Frau Gräfin nicht noch dem Doktor schicken wolle; es müsse doch etwa- anderes, als eine gewöhnliche Er kältung sein. Mimi wurde ungeduldig, lies im Frisiermantel an da- Bett des Kindes. „Der Junge ist ein bißchen verschleimtI Um einer solchen Kleinigkeit willen werden wir doch nicht den Geheimrat rufen lassen. Er wird sich schon wieder zurechtschlafen l" sagte sie und eilt«, ihre Toilette zu beendigen; denn sie wollte Konrad schon fertig empfangen. Diesmal kam er pünktlich. Sie atmete erleichtert auf, als sie den wohlbekann- ten Schritt im Flur hörte. „Ahl wie reizend, Mimi!" sagte er, als er in da» Zimmer trat. „Ich danke Dir für die Aufmerksamkeit, Dich zu meiner Urgroßmutter zu machen I Uud wie geht eS Han»?" „ES ist noch ziemlich beim alten — laß dich nur nicht von der lÜnderfrau beunruhigen!" rief sie ihm nach, da er gleich nach der Kinderstube eilte. Mimi klebte «och ei» Schönpflästerchen dicht neben Wirklichkeit zu bewachten und die Tragweite zu er messen, welche sie thatsächlich haben können und nicht diejenige, welche man ihnen im Interesse einer Sache, oder aus Voreingenommenheit oder au- irgend einer Leidenschaft zu geben beliebt. Unter dem Drucke dieser bedauerlichen Irrtümer, hat der größte Teil unserer französischen Zeitungen — wir beklagen, die- hier offen erklären zu müssen — ln betreff der auswärtigen Politik unsere- Lande» seit achtzehn Jahren nicht aufgehört, dem Publikum ein europäisches Phantasiegebilde und rein erdachte Staatsmänner zu zeigen. Die älteren Männer dürften sich erinnern, daß vor 50 Jahren beschränkte Geister alles, was sie unangenehm berührte, auf Rechnung der Cholera, später auf diejenige der Jesuiten fetzten. Einige Zeit darauf nahm der Kaiser Niko'auS den Platz dieser beiden Weltplagen ein und heute ist eS Hr. v. BiSmarck. Es geht nichts in dem entlegen sten Winkel der Erde vor, ohne daß die fruchtbare Ein bildungskraft der Zeitungen darinden böfen Geist Bismarck entdeckt. Weder die Dummheit der einen, noch die Unwissenheit der andern kann sich dazu entschließ n, sich selbst die ihnen zustoßenden Widerwärtig! tten zuzuschreiben; der Macchiamllismus des Hrn. v. Bis marck muß ihnen zu Hilfe kommen, damit ihnen ihre Fehltritte verzichen werden oder ihre Blindheit ge rechtfertigt ericheint. Will man einen Beweis des Mißkredits haben, in den die französische Presse, mit elmgen seltenen Ausnahmen, infolge ihrer Beurteilungen der auswärtigen Angelegenheiten bei dem europäischen Publikum geraten ist? Nun — h er ist der Bewers! Nur selten wiid im Auslande bei Besprechung dieser Fragen die Anschauung einer französischen Zeitung angeführt! Und da die Presse, was man auch da gegen einwenden mag, die siebente Großmacht ist, so muß man seinem Bedauern Ausdruck geben darüber, daß sich die französische Presse durch ihre eigene Schuld in der internationalen Politik in den Zustand einer vollständigen Ohnmacht ver'etzt hat. Lärm machen, die Gemüter beunruhigen, Leidenschaften an fachen, oder die Leser belustigen: das alles ist für ein billiges ins Werk zu fetzen, aber man schädigt die Sache Frankreichs Augenblicklich sind die Spalten unserer Zeitungen mit der Reise des Königs von Italien noch Berlin angefüllt und e» sind in diesen Spalten Zornausbrüche ansgestopelt, zu denen noch unserer Ansicht dieses Er eignis in keiner Weise Anlaß giebt. Erwiderte der König Humbert wcht den ihm vor-ges Jahr vom Kaiser Wilhelm abgestatteten Besuch, so würden alle diese Feurrköpse den Kaiser auslachen, dessen Artigkeit mit einer Grobheit vergolten wird. Ist aber der König Humbeit artig, flugs verkünden dieselben Zen soren, er habe sich vor dem Teutonen stach auf den Bauch gelegt. Nun sagen einige, man könne sich wohl den Besuch erklären, es sei ober eine Beleidigung für Frankreich, daß man zu diesem Besuche gerade die Zeit, wo auf dem Mar-felde die Ausstellung statt- findet gewählt hat. Es liegen sogar mehrere Zeitungs artikel vor uns, in denen eS wörtlich heißt, der König von Italien habe, vom Fürsten Bismarck dazu gedrängt, durch seine Reise unsere Ausstellung in den Schatten zu stellen und den G anz unserer Pariser Feste durch die in der preußischen Hauptstadt ihm zu Ehren ver anstaltet, n Festlichke'ten ab-uschwächen beabsichtigt. Derlei Urteile sind unS unbegreisrich. Besuche unter Souveränen werden nach Brauch in der Regel inwrhalb eines Jahres erwidert. Im Oktober ist ein Jahr verflossen, feiidem der Kaiser Wilhelm 1l. sich noch Rom begeben hat: giebt es da etwas Natürlicheres, al» daß der Küwg Humbert sich noch vor Ablauf d r gebräuchlichen Frist seiner Pflicht entledigt? Etikettenangelegenheiten werden überdies zwischen Souveränen nicht ander- als zwischen Pri- das Grübchen in ihre Wange und folgte ihm, aber schon im Flur begegnete sie ihm mit dem Diener. „Ich ließe den Herrn Geheimrat dringend ersuchen, gleich zu kommen," sagte der Gras, und seine Stimme schwankte. „Wenn er nicht da ist, fahre« Sie nach dem Kran kenhaus, und bitten Sie einen der Assistenzärzte, mit Ihnen zu kommen." „Was ist Dir?" fragte sie bestürzt. „Han- ist viel kränker al- vorhin — der Hals ist sehr verschwollen — die Mandeln haben einen Belag — eS herrscht so viel DiphteritiS —" Mimi war im Begriff gewesen, in das Kinder- zimmer zu gehen — unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück. Ihm entging die Bewegung nicht, und ein bitterer Ausdruck zuckte um seinen Mund. Das Rokoko kostüm, das ihn im ersten Augenblick ent- zückt hatte, schien ihm wie ein Hohn bei der Angst, die ihn quälte; denn nur zu gut kannte er die fürch- terliche Krankheit „Wer wird denn immer gleich da- Schlimmste fürchten?" sagte sie gereizt in der Besorgnis, um da» hrißersehute Fest zu kommen. „Wenn e» Dich be ruhigt, den Geheimrat zu sehen, ehe Du fortgehst, um so besser! Du gönnst mir vielleicht da» Vergnügen, wenn er Dir versichert, daß e» nicht» al» ein wenig Schnupfenfieber ist, wie Hon» schon manchmal ge habt bat." „Ich will Dich überhaupt iu Deinem Ver gnügen nicht störe«", sagte er iv eisigem Lon, „und werde Grüning» bitte«, Dich outzunehmen, ihr Wage« fuhr vor, al- ich kam Ist die Sache wirklich so uu- vatleuten geregelt. Wenn ein auswärtiger Freund uns besuchen will, so wird er zumeist seine Reife nicht eher antreten, als bis er bei uns angefragt und von uns die Zusicherung erhalten hat, daß unS sein Be such zu der und der Zeit angenehm sein wird. Unter gekrönten Häuptern ist dieses Verfahren noch viel notwendiger, denn sie haben zahlreiche Pflichten zu erfüllen, haben im Sommer bald ihre Truppen zu besichtigen, bald Provinzen des Landes zu berei;en und andere Besuche abzustatten. Da ist es wohl begreiflich, daß e» für diese hohen Persön lichkeiten keine kleine Sache ist, das Datum einer Reife und einer Heerschau festzustellen. Wenn der König Humbert für seine Abreise nach Berlin den letzten Sonntag des Monats Mai gewählt hat, so möchten wir annehmen, daß dieser Termin persönlichen Vereinbarungen entspricht, welche der hohen Politik ganz fremd sind. Es wird uns wirklich nicht leicht, bei dem anderen Vorwurf wegen des Zutammen fallens des königlichen Besuches mit unserer Ausstell ung auch nur einen Augenblick zu verweilen. Letztere dauert sechs Monate, der Be uch de- König- Hum bert nur einige Tage. Bei dieser Lage, hätte der Besuch bis zum Monat November verschoben werden müssen, um unserer Ausstellung nar ja keine Konkur renz zu machen, er hätte wohl gar erst mitten im Winter ftatthaben können, wenn e« wahr ist, daß die Ausstellung noch länger geöffnet bleiben soll. Es ist wahrhast'g Zett, mit solchen einer großen Nation, wie die unsrige, unwürdigen Kleinlichkeiten endlich zu brechen. Man muß andern gestatten, was wir für uns felbst in Anspruch nehmen, d. h. die Freiheit, seine persönlichen Handlungen nach seinem eigenen Ermessen einzurichten Man sage un- nicht etwa, daß es sich hier um einen Aki hoher Politik handelt, den wir kritisieren dürfe«. Wir stellen die politische Tragweite, die man der Reise des König- Humbert unterschiebt, energisch in Abrede. Hat der Besuch Wilhelms 11. in Rom eine Änderung in der auswärtigen Politik herbeigeführt? Warum fall denn jetzt ter Besuch de- König- Humbert in Berlin eine solche Änderung zur Folge haben? Wenn sich beide Souveräne über Politik unterhalten, was ja wahr scheinlich ist, so werden sie wohl einander sagen, daß die Lage der Dinge dieselbe ist, wie im Jahre 1888, daß ihr Vertrag noch immer besteht, daß sie Freunde w:e bisher bleiben." Dieser Auslassung des Pariser Blatte- ist nicht- weiter hinzuzufügen, als der Wunsch, daß die Pariser Revanchtblätter die Auffassung ihres Kollegen vom „kileworiul üipIowLtique" so bald als möglich zu der ihrigen machen möchten. Lagesgeschichte. * Berlin, 22. Mai. Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin mit den erlauchten italienischen Gästen und der Mehrzahl der hier anwesenden Mit glieder der königlichen Familie nahmen heute die Fest parade über die Berliner Garnison ab, ein militärisches Schauspiel, welches, von prachtvollster Witterung be günstigt, auf das Glänzendste verlief, und eine unzähl bare Menschenmenge auf die Straßen und hinaus nach dem Tempelhofer Felde gelockt hatte. Nach Beendigung der Parade kehrte der Kaiser an der Spitze der Fahnen kompagnie ins Schloß zurück. Der übrige Teil des Tages ward durch festliche Veranstaltungen zu Ehren des italienischen Besuches ausgefüllt. — Das Echo, welches die dem Könige und dem Kronprinzen von Italien zu Ehren ver anstalteten Berliner Empfangsfeierlichkeiten jenseits der Alpen wachgerufen haben, spiegelt sich wider in den römischen Telegrammen über den Verlauf der gestrigen Kammerdebatte. Obgleich im'Vorhinein jeder bedeutend, wie Du behauptest, komme ich Dir nach." Sie schwieg gekränki. ,,Lr hat nur wieder keine Lust und will aus gute Manier von dem Fest lo»- kommen", sagte sie zu sich, um die Stimme ihre- Ge wissen- zu beschwichtigen. Er zögerte noch einen Augenblick in der Hoffnung, daß sie ihre Bereitwilligkeit au-sprechen werde, mit ihm zu Hause zu bleiben, bis der Arzt dageweseu sei; da sie aber trotzig vor sich niederblickte, eilte er schnellen Schritte- die Treppe hinunter, bat da» sich zur Absahrt rüstende Ehepaar, seine Frau unter ihren Schutz zu nehmen, eine plötzliche Abhaltung mache es ihm unmöglich, sie zu begleiten, und auf die freundlich erteilte Zusage kehrte er schnell zu Mimi zurück, hüllte sie in ihren Pelz und führte sie an den Wagen. Sie wechselten beide kein Wort auf der Treppe, und au dem Wagenichlag sprach er auch nur mit Grüning» uud kehrte dann schweren Herzen- au da» Lager seiue» Kinde» zurück. Mimi hätte aufschreien mögen, so weh war ihr um da» Herz. E» war alle» so blitzschnell gegangen, sie hatte ganz ohne Überlegung, nur iu ettler Auf wallung von Trotz und Vergnügungssucht gehandelt, und sie kam jetzt erst zu dem Bewußtsein dessen, wa» sie gethau. E» war ihr, al- sei etwa» Unwiderrufliche» ge schehen, und al- könue e- zwischen Konrad und ,hr uie wieder so werden wie vorher. In einem Augenblick wollte sie umkehren uud ihu um Ver zeihung anfleheu, weil sie herzlos und pflichtver- gessen gehandelt hatte, deun eine geheime Stimme r« ihrem Innern sagte ihr, daß seine Besorgnis um
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