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Dresdner Journal : 15.01.1889
- Erscheinungsdatum
- 1889-01-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188901157
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18890115
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18890115
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1889
-
Monat
1889-01
- Tag 1889-01-15
-
Monat
1889-01
-
Jahr
1889
- Titel
- Dresdner Journal : 15.01.1889
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groß und stark, der mächtigste Staat der Erde, der starke Hort seiner Freunde, die Furcht seiner Feiude; seine inneren Verhältnisse sind festgefügt und wohlge ordnet, seine Verkehr-einrichttmgen musterhaft; die bürgerliche Freiheit ist nach jeder Richtung gewähr leistet; eS giebt reichere Völker, aber keine mit so ent wickeltem lebenskrästig aufstrebenden Mittelstände, wie dem unserigen, dem die Zukunft gehört; die soziale Notlage erreicht in Deutschland nicht entfernt die Höh« wie rm Auslande; die bestehend« Staat»- und Gesellschaftsordnung ist bei unS geschützter und durch die Sozialreform m ihrem Bestände auch garantierter wie irgendwo, sei eS in Frankreich, England oder Amerika, wo sich die StaatSautorität dem verbrecherischen Treiben der Umsturzvarteien gegen über noch dazu nur in einem Mähe zu behaupt-n vermag, mit dem man in Deutschland und namentlich auch ln den Kreisen unserer bürgerlichen Demokratie schwerlich zufrieden sein würde. Unser vielbeklagteS Pattelwesen erscheint im Vergleich z. B. mit dem französischen Wirrwarr als eia wahres Muster an Einfachheit und Mähigung; wir kennen kei e irische Frage, kein agrarisches Elend, keine italienische Finanz- not, keine spanischen Be schwörungen, keine norwegischen Verfassungskämpfe, kein dänisches Regime ohne Bud get, keine österreichischen StammeS^ämpfe, keinen russi schen Nihilismus, keine amerikanische Korruption, keine Verlegenheiten, wie sie den Engländern in Ägypten, den Italienern am Roten Meer, den Franzosen rm Tonkin beschieden waren — wenigstens verschwinden gegen diese Bedrängnisse unsere eigenen kolonialen Beschwerden in Ostafrika und in der Südsee voll kommen —; wir haben keine Panamakrisis zu er leiden gehabt — kurz wohin wir auch blicken, überall tritt vor Augen, dah bei uns alles in guter Ordnung steht, daß Deutschland unter seinem jungen Kaiser stark nach innen und außen mit größerer Zuversicht als irgend ein ausländischer Staat der Zukunft und ihren Schickungen entgegenfeh n darf Dies alles aber verdanken wir zum weitaus größten Teile dem deutfchen Herrfcherhause und dessen ersten Berater, dem Fürsten Bismaick. Um so pein licher und schmerzlicher muß es berühren, daß eS ein immerhin bedeutender Bruchteil der deutschen öffent lichen Meinung über sich gewinnt, trotz alledem immer wieder nach dem in allen Stücken schlechter gestellten AuSlande zu schielen, nur um diejenigen zu kränken, die unsere eigene Größe und Wohlfahrt begründet haben und deren Verdiensten gerecht zu werden, Jahr hunderte innigster DankdarkeltSbezeugung kaum aus- reichen würden. Wir unfererfeltS bewundern an dem Fürsten BlSmarck und dem jungen, von bestem Wollen und Streben feines erlauchten Geschlechts erfüllten Kaiser nur eins: ihre geduldige Langmut dem die Ehre und die Würde der Nation gerade dem AuS lande gegenüber schwer kompromittierenden Treiben unser demokratischen Presse gegenüber Wir sind längst zwefelhoft geworben, ob dieses Treiben unser öffentliches nationales Leben nicht ärger vergiftet, at er die sozialdemokratische Agitation zu irgend einer Zeit gethan hat Lagesgejchlchte. * Berlin, 14. Januar Se. Majestät der Kaiser wohnte heute in der Schloßkapelle dem der LandtagS- eröffnuvg vorausgehenden iKottesdienste und demnächst der LonotagSeröffnung selbst be-. Später nahm der Monarch mehrere Vorträge entgegen und erledigte so dann Regierung-angelegenheiten. Die »Post" brachte kürzlich die Nachricht, daß die Vorlage, betreffend die Bekämpfung des Sklavenhan dels m Ostafnka, an den Bundesrat gelangt sei. Diese Mitteilung ist der „Norbd. AUg Ztg." zufolge verfrüht. Nach den Informationen des letzteren Or gans b-findet sich die Vorlage noch rm Stadium der Vorberatung, weil es sich als notwendig ergeben hat, weitere Info, Marionen einzuziehen und namentlich mit der deutsch - ostafrlkanifchen Gefevfchaft wegen ihrer civilrechiltchen Ansprüch- aus dem Vertrage mit dem Sultan vou Sausibar in erneute Verhandlungen ein zutreten. Die amtlichen „Braunfchweigifchen Anzeigen" vom 13. d. MtS. schreiben: Von den in der Nr. 17 des „Braunschweigischen Tageblattes" vom 10. d. M. an die Öffentlichkeit gebrachten hier umlaufenden Ge rüchten ist rn waßgebei den Kreisen durchaus nichts bekannt." Die „Nordd. AUg. Ztg." fügt dem hinzu: Wir können nach unseren Nactrichten diese Berich tigung dahin vervollständigen, daß die Erfindung der in dem „Braunschweigischen Tageblatt" vor einiger» Tagen besprochenen Angaben über den Herzog v. Cum berland auf die hergebrachten welfifchev Jntriguen uud Schwindeleien zurückzusühren ist. Mittelst Allerhöchster Labinettsordre vom 10. d. MtS. ist dem Koutreadmiral Paschen, Vorstand de» Hydrographischen Amte» der Admiralität, einstweilen die Vertretung de» schwererkrankten kommandierenden Admiral», Vizeadmiral» Grafen v. Mont», über tragen worden. Zur preußischen Thronrede äußern sich die „Berl. Pol. Nachr." unter anderem wie folgt: Die Thron rede berührt, ehe sie sich den besonderen Aufgaben der bevorstehenden LandtagSsefsion zuwendet, zwei Punkte von allgemeiner ganz Deutschland betreffenden Bedeu tung. Mit lebhafter Genugthuung wird der Ausdruck festen Vertrauens auf die fernere Erhaltung de» Frie dens, wie sie der Gegenstand unabläfsigrr und per sönlich bethätigter Fürsorge Sr. Majestät des Kaisers ist, überall im deutschen Reich, aber auch, wo nicht Leidenschaft da» Urteil fällt, außerhalb der Grenze Deutschlands begrüßt werden. Mit nicht minderer Genugthuung werden da» deutsche Volk und mit ganz besonderer Befriedigung die Anhänger der Politik de» Schutze» der nationalen Arbeit den Hinweis auf die erfreuliche Hebung der wirtschaftlichen Lage der In dustrie und der arbeitenden Bevölkerung begrüßen. Für die letzteren liegt ohne Zweifel eine befondere Bedeutung darin, daß als die Periode, für welche an der Hand des Sparkassenverkehrs jene erfreuliche Er scheinung konstatiert wird, die Zeit feit dem Eiulen len in die Bahnen der gegenwärtigen Wirtschaft-- und Zollpolitik gewählt ist. Waren e- doch am 15 De zember v. I. gerade zehn Jahre, seit Fürst Bismarck in dem bekannten Dezemberbries die Notwendigkeit de» Üderganges zu dieser Politik bahnbrechend betont hat. ... Der Landtag der preußischen Monarchie wurde heute durch Se. Majestät den Kaiser und König per sönlich eröffnet, worauf in beiden Häusern die Er öffnungssitzungen stattsanden. Wahrend das Herren haus sich durch Wiederwahl seines bisherigen Präsi diums (Herzog v. Ratibor, Hr- v. Rochow-Plessow und l)r. Miquel) konpituierte und seine nächste Sitzung behufs Beschlußfassung über die geschäftliche Behand lung der bereits eingtgangenen Vorlagen Dienstag 1 Uhr abhaltev wird, findet die Wahl des Präsidiums im Abgeordnetenhaufe erst in der nächsten für Mittwoch 1 Uhr anberaumten Sitzung statt. In bei den Häusern brachten die Präsidenten, Präsident Herzog v. Ratibor, reip Alterspräsident Dr. Reichens perger, ein Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König aus, in welches die Mitglieder dreimal begeistert einstimmten. Bei der Reichstagsersatzwahl für den ver storbenen Adg. Kracker, welche heule »n BreSlau stattfand, wurden abgegeben für den Schneidermeister Kühn Soz.) 7799, für den Stadtrichter Friedländer (dfreis.) 5533, für den Kaufmann Tschocke (Kartel parteien) 4585 Stimmen, für den Stellmacher Kühn (soziale Reform und Zentr.) 1481 Stimmen. Sonach findet zwischen Schneidermeister Kühn und Stadtrichter Friedländer eine Stichwahl statt. Wien, 14. Januar. Anläßlich der Verlobung der Erzherzogin Marie Valerie mit dem Erzherzog Franz Salvator findet heute bei Sr. Majestät dem Kaiser ein Diner statt, an welchem alle Mitglieder des Kaiserhauses teilnehmen werden. — Seit einigen Togen begegnet man in hiesigen Blättern geheimnis vollen Andeutungen über eine angebliche »innere Krise". ES wird nämlich behauptet, daß der fort geschrittene Flügel der Klerikalen, mit Graf Blome an der Spitze, höchst unzufrieden sei über die Nach giebigkeit Liechtenstein- und seines Anhänge-, welche »n die nochmalige Vertagung de- bekannten Schul- reformantroges eingewilligt haben. Die extremen Klerikalen seien entschlossen, eine »schärfere Tonart" avzustimmen und erachteten den Augenblick für ge kommen, um ein ihnen näherstehendes Ministerium zu erzwingen. Hierbei rechnen sie, so wird behauptet, auf die immer stärker anwachfende antisemitische Strömung, welche für sich allein machtlos, im Bunde mir dem ÜlerikalismuS einen beträchtlichen Faktor repräsentiere. Es ist avzuwarten, was sich von diesen Gerüchten bestäiigen wird. * Buda-Pest, 13. Januar. Sebr beruhigend und hoffnung-sicher ist die folgende Au-lassung des Buda Pester Mitarbeiters der »Pol. Corr.": Die Debatte über die Wehrvorlage gestaltet sich in den Partei klubs des Reichstages, wie im Plenum deS Abgeord netenhauses zu einer lebhaften und langwierigen. Die Ari, in welcher die Regierungspartei an diesen Er örterungen sich beteiligt, hat aber in oppositionelle»» Kreisen, sowie beim Publikum im allgemeinen, bezüg lich der Stimmung und der Bestiebungen der erwähnten Partei in betreff der Wehrvorlage iu vielen Richtungen durchaus irrige Vorstellungen geweckt, welche in den Kundgebungen der oppositionellen Redner im Reichs- tog, sowie in den ZeitungSorganen der letztbezeichnevn Parte» Ausdruck fanden. Diesen falschen Auffassungen gegenüber fei festgestellt, daß eS keinem Mitgliede der Regierungspartei iu den Sinn gekommen ist, der An nahme der Wehrvorlage in ihrer Allgemeinheit seine Zustimmung zu verweigern; lediglich die in diesem Gesetzentwürfe enthaltenen Abänderungen de- Institut» der Einjährig-Freiwilligen, sowie gewisse verfassungs rechtliche Bestimmungen der Vorlage sind es, gegen welche in den vertraulichen Beratungen der Regierungs partei Einwendungen erhoben wurden. Die hierbei von Anhängern der Regierung ausgesprochenen Bedenken sind nur infolge einer Indiskretion und überdies in fehr über triebener und entstelltet Form in die Öffentlichkeit gebracht worden und dieSchlußfolgerungen, welche au' eieserGrund- läge aufgebaul wurden, müsfen selbstverständlich in mannigfachen Richtungen irrige fein. Es kann an dererseits nicht in Abrede gestellt werden, baß die Stell ung der Regierung auch gegenüber ihrer eigenen Par tei mit Bezug auf die obgedachten zwei Punkte eine schwierige ist; eine Lage, welche nur durch beruhigende Kundgebungen der Regierung im Schoße der Partei, sowie durch die Erteilung von Aufklärungen und Bürgschaften im Reichstage erleichtert werden lann. Es wäre jedocb ein Trugschluß, aus dieser Thatsache den wahrscheinlichen Elmiitt einer Umgestaltung der Parteiverbältmsse im ungarischen Reichstag und seine Aenderung in dem Verhältnisse der Regierung-pattei zum Kabinette Tisza zu folgern. Für eine derartige Wendung ist auch nicht das jchwächste Anzeichen vor handen und e* ist eme ganz haltlose Annahme, daß durch die bezüglich einzelner Punkte der Wehrvorlage zwischen der Regierung und ihrer Partei bestehenden Meinungsverschiedenheiten eine Lockerung der zwischen beiden bestehenden Bande herbeigeführt werden könnte. Es ist sogar die Möglichkeit vorhanden, daß die starr sinnige und leidenschaftliche Haltung der Opposition mittelbar noch zur Festigung dieser Bande beitragen wird Pari-, 13. Januar. Rückantwort des Hrn. Jacques an den Hrn. Boulanger. Neuer Zettelanschlag des Ersteren: „An die Wähler der Seme. Bürger I Mit einer republi kanischen Armee Hal man kein Sedan zu besürrten. Mrl einer jährlichen, unt einer, welche nicht mehr ausschließlich französisch, sondern die eines empörten Soldaten wüie, träte zur Niederlage noch die Schande hinzu. Die MannSzuchi ist eS, welche unsere Truppen unüberwinolich machen wird Die MannSzuchnosigten amnestiert, daS ist die Entnervung der Armee, die Preregedung des Balerlandes an den Feind. Bürger I Höret nicht aui einen Soldaten, der das Nechl verloren hat, sich aus die Fahne zu berufen! Thut nicht den treuen Soldaten, die im Süllen an der Wiederaufrichlung deS Vaterlandes arbeiten, die Erniedrig ung an, je unter den Besetzten eine« Gebieter« dienen zu müssen, der es nicht verstand, ihr Führer zu bleiben Weget mit Eurer ganzen Entrüstung die Lanbidalur zurück welche „Mannszuchl- losigleit und Verderben der Natron" bedeutet Es lebe die Republik!" Von den gestern abend stattgehabten Wählerversamm lungen sprachen sich 3 für Boulanger, 4 für Jacqur» aus. — Im weiteren Veilouse der gestrigen Lammer sitzung stimmte der Krieg-Minister de Freycinet den von Martrn-Feuillöe gegen das vom Ausschüsse vorgeschlagene Rekrutierungssystem erhobenen Elv- wendungen bei und befürwoitete den vom Genannten und Merillon eingebrachten Gegenvorschlag, wonach das LoS alljährlich diejenigen Mannschaften in einer vom Krieg-Minister für jeden Kamon festzujetzenden Anzahl bezeichne» soll, welche nach dem ersten Dienst- jahre, wenn sie sich gut aufgeführt haben, entlassen, aber nach Ermessen des Kriegeuunisters aucb jederzeit während der 2 letzten Jahre ihrer Dienstpflicht wieder emgezogen werden können. Die Kammer gab mit 412 gegen 130 Summen (die Rechte, dre Mitte und einige Boulangisten gegen die Radikalen) diesem System den Vorzug vor der den Ober sten zu gewährenden Besugni», nach Ermessen »Familienstützen" zn beurlauben. Die radikale Pleffe tadelt den Krieg-Minister, seine Einwendungen gegen letztere- System nicht zuvor im Schote des Aus schusses entwickelt zu haben, an welchen nun die Vor lage zurückgehen müsse, und hofft, der Berichterstatter Labordere, der seine Entlassung infolge dieser Nieder lage gegeben hat, werde sein Amt weiterführen. Diese Hoffnung ist jedoch trotz ter einstimmigen Schritte „Sybilla, Sie verkennen sich selbst!" gab er, ein lenkend, zurück »Am wenigsten je eine Liebe zwischen Ihnen und mir. Hie Humblot — hie Holm, vergessen Sie völlig jenes Wort?" Des Grasen Auge hing in glühendem Feuer des Verlangens an dem ihrigen, dem der edle Zorn eiven unsäglichen Zauber verlieh. »SybillaI Ich gelobte mir, keine Ruhe wohne eher in meiner Seele, bi- nicht jenes FriedenSdand Sie und mich und die Meinigen umschlingt, da- für alle Zeiten sest au- den Fäden der Verföhnung ge woben wird." »Es kann, eS darf nicht s.in, Graf HanS, auch ich gelobte, aber nicht die nachgiebige Schwäche, die zum Frieden führt, sondern die Thatkraft, die das Recht sucht, um es zu finden und es zu gebrauchen, damit sich der Makel de» schweren Unrecht» vertilgen lasse. Sühne »st mein Leben-molto, daher bi- zu folchem Moment: Hie Humblot und hie Holml" (Forts, folgt.) -t- Öffentliche Vorträge. Gestern abend hielt Hr. Prof. Or. Fritz Schultze den ersten seiner für diesen Wimer angekündigten allgemeinverständlichen pbilosophischen Vorträge, die er unter do» Stichwort: „Psychologische Charakterbilder" gerückt hat und in denen er da- Seelenleben de» enrwickelten Menschen darstellen will. Em großer Zuhörerkrei» hatte sich, geleitet von der dankoaren Erinnerung an die viel seitige Anlegung und Belehrung, welche er schon mehr mals von dles-m freigebigen Gelehrten empfing, in der Aula de» König!. Polytechnikums eingefundev, um auf einem defonbrr» interessanten Gebiete die sichere» Er gebnisse der Wissenschaft zu erfahren und die reifen Früchte der ersprießlichen Denkarbeit deS Redners mit lebendiger Teilnahme entgegenzunebmen. Wie stet» vordem, so gewannen auch diesmal die Klarheit der geoanklichen Entwickelung und die Prägnanz und Schönheit der Form dem Vortragenden ungeteilte Auf merksamkeit und wärmste Anerkennung. Hr. Prof. Schultze sprach über die vier Tempe ramente. Seine von höchster Sorgfalt der Beobach tung wie von unbefangenster Sichtung des Matenal» beeinflußten Darlegungen veranlassen uns, den Kern derselben in den folgenden Bemerkungen blobzulegen. Wenn man die Geschichte des menschlichen Er kennen» danach befragt, welche Auffassungen über die Temperamente zu verschiedenen Zeiten vorherrschend gewesen sind, io begegnet u.iS auf diesem engen Teil gebiete der Psychologie dieselbe Mannigfaltigkeit der Denkart, welche in allen benachbarten Räumen der eifrig gesiegten Wissenschaft ihre Spuren hinterlassen hat, und ern krauser Weg führt un» von Heraklit zu Galeno», über dre weite Fläche des Mittelalters zu Kant, und von dem Königsberger Gelehrten zu Schel ling, Hegel und damit zur Naturphilosophie, welche um dre Mitte unseres Jahrhundert» da» geistige Leben in ihre Anichauungen fesselte. Aber alle, Heraklit, der zwischen heißen und trockenen, feuchten und kalten Naturen unterschied, Galen, der un» die Vierteilung der Temperament gab, welche da» Mittel- alter überdauerte uud noch heute die Terminologie vorschreibt, Kant, der gleich oem großen Arzte ieme Erklärungen au« dem Wesen de» Blute» schöpfte, Schelling uud Hegel, die aus der Irritabilität der Muskelfasern da» Lemperamrut zu begründen suchten, sie und die Naturphilosophen, welche iu dem Nerven system, dem MuSkel- und Verdauung-system die Grundlagen der Temperamente erblickten, sie alle be wegten sich auf einer falfchen Fährte, denn sie mühten sich, ihre Ausgabe mit Hilfe der Physiologie zu lösen, und wurden dabei von dem Wesen diejer Wissenschaft und von den Thatsacheu verleugnet. E» erwies sich als unmöglich, die Temperamente physiologisch zu er klären, und der rechte Pfad ward erst beschritten, als man den Versuch mit rein psychologische, Mitteln er neuerte und dabei zu glücklichen Beobachtungen und überzeugenden Ergebnissen gelangte. Das Temperament ist das T mpo des Seelen leben», also eine Form seelischer Thätigleit, aber auch nur die Form, denn mit jedem Temperament kann ein bedeutender oder unbedeutender qeistiger Inhalt verbunden sein. Die Grundform aller psychischen Thätigkeit stellt sich dar in Einwirkung und Rückwirkung; beide weisen natürlich sehr verschiedene Grad« auf. Wo der Ein druck lehr stark und auch die Wirkung stark, aber flüchtig ist, tritt un- der Sanguiniker entgegen; wo der Reiz wie auch die Rückwirkung sehr kräftig sich äußern, letztere aber bleibend ist, herrscht da- cholerische Temperament vor; wo die Einwirkung sehr stark, aber die Ruckwirkung schwach, zeigt sich der Melancholiker; wo die Einwirkung schwach und auch die Rückwirkung schwach, zeigt sich der Phlegmatiker. Da» sind die vier typischen Grade, in welchen Reiz und Rückwirkung sich äußern. Da es aber unendlich viele Nüancen der Stärke giebt, so sind innerhalb der vier Hauptformen unendlich viele Abstufungen möglich, die sich individuell geltend machen. welche der Ausschuß gestern bei Hrn. Labordtrr gethan. hat, nicht in Erfüllung gegangen: der Major verharrte auf feine« Rücktritte und zwar, wie er erklärte, nicht etwa weil er sich persönlich verletzt fühle, sondern weil er die Verantwortung für den von der Kammer dem Au-schusse ausgezwungeaen Änderungsantrag Merillon- Marlin Feuiller nicht übernehmen wolle, der daS ganze Gesetz auf den Kopf stelle und den demokratischen Grundsatz der Gleichheit, welcher dem Au-schuhentwurf zu Grunde gelegen habe, schwer verletze. Hr. Labordöre hat heute abend Pari» verlaffen. Haag, l4. Januar. Eine wesentliche Ändern»« in dem Befinden de» König» ist nicht eingetreten. Der gestrige Tag und ein Teil oer Nacht war leid lich gut Später trat wieder größere Unruhe ein. Besorgniserregend ist e» vor allem, daß der König nur ganz geringe Nahrung zu sich nimmt. * Rom, 14. Januar. Die italienischen Fran- zofenfreunde und zahlreiche Gäste aus Frankreich sind gestern in Mailand zur Abhaltung eines soge nannten „Frieden-Meeting»" zusammen gewejen. Ewiger Friede auf Erden ist ein fehr schöne» Ideal, wie ja überhaupt an Idealen, denen kein Mensch von vornehmer Denkwei'e sein grundsätzliches Mitgefühl versagen wird, nicht eben Mangel herrscht. EtwaS ganz anderes aber ist es, das Ideal als solche» pflegen, und in der Sucht, ihm eine irdische Heim stätte zu schaßen, den wirklichen Boden unter den Füßen verlieren. Letztere- aber thun alle Schwärmer ohne Ausnahme, mögen sie sich nun für den ewigen Frieden oder für ein sonstiges Phantasiebilb erbitzen. Wenn nun obendrein, wie eS bei den Mailänder Kundgebungsteilnehmern, wenigsten» bei fehr zahl- reichen derselben der Fall ist, die Schwärmerei für den ewigen Völkerfrieden chauvinistisch verquickt ist mit eimm ganzen Rattenkönig von Hinterhalten und Vorbehalten, wenn die Wortführer meinen, sich zur Lösung de» Problem» ganz besonders durch eine ablehnende Stellungnahme zu dem mitteleuropäischen Bunde, dem hauptsächlichsten, wenn nicht allei nigen Bollwerk des Frieden- zu eignen, da d ängen sich die begründetsten Zweifel, sei es an der logischen Zurechnungsfähigkeit, sei e- an der politischen Ehrlichkeit jener Gesellschaft auf. WaS können fran zösische Anarchisten und Boulangisten, also Leute, welche die Schürung des wirtschaftlichen Klassen- kampfeS, bez. deS Kultus des Rachekriege- gegen Deutschland al- Lebeusberuf erkennen, im Kreise von überzeugten, unbedingten Friedensfreunden zu schaffen haben? Und wie können ehrliche Friedensfreunde jenen falfchen Brüdern die Hand schütteln, deren brand- ftisterische Umtriebe weltkundig sind? Die Antwort hierauf liegt vor in den strengen Weisungen, welche der italienische Ministerpräsident, Hr. Crispi, den Mailänder Behörden in Ansehung deS „FliedenSmee- tiugs" zugehen lieh, sowie in der hochgradigen Ent rüstung, womit der gesunde Sinn des italienische» Volkes die Mailander Eulenspiegelei im Voraus verurteilte. Auch der drastische Absagebrief deS wegen seiner vor geschrittenen politischen Gesinnung bekannten, nament lich bei der akademischen Jugend Italiens in Ansehen stehenden DichiersCarducci an das Mailänder Komitee hat zur Klärung der Gemüter vieles delgetragen. Hr. Crispi kennt seine Leute, und daß seine Vorbeugung»- matzregeln den Beifall aller irgen wie in» Gewicht fallenden italienifchen Parteien und Parteiorgane finden, zeigt, wie triftig die Besorgnis war, daß im Unter- lassungsjaüe das Mailänder sog. FriedenSwening die inlernationalen Beziehungen Italien» hätte schädigen können. Bis jetzt liegt noch keinerlei Nachricht über den Verlauf der Farce vor; e» scheint, daß die Herren sich der Wirkung der nach Mailand ent sandten vielfachen kalten Wasserstrahlen nicht entzogen und ihre Weisheit ganz im engen Kreise verhandelt haben. * Madrid, 9. Januar. Die politische Lage des Landes hat sich in erfreulicher Weise gebessert, seitdem die durch den früheren Kriegsminister General Cassola angeregte Frage der Militärreform ihren bedrohlichen Charakter verloren hat. Man weiß, daß Cassola--Reformvorschläge nicht nur die Spaltungen im Kabinette hervorgerufen hatten, welche zur letzten Krise und Neubildung de- Ministeriums führten, sondern auch in der Armee den Parteigeist entfachten, indem Cassola die taktischen Truppen, Infanterie und Kovallerie, gegen die technischen und Spezraltruppeu auSspielte. Die Reibungen im Heere spiegelten sich in der Kammer wieder und übertrugen sich auf die Presse, welche, je nach ihrem politischen Bekenntnisse, Nach dem ausgestellten Grundsatz von Reiz und Wirkung ist es der Sanguiniker, welcher einen tiefen Eindruck empfängt und demselben in lebhafter, aber flüchtiger Weise antwortet. Daraus folgt, daß er jedem Eindruck unterworfen ist, da er jeden leicht ver windet; darum ist er der Mann der Gegenwart, der nur dem Augenblicke lebt, nur da- Angenehme aufjucht, der Mann be» Genüsse-, der Fröhlichkeit, dem man mit gewohnheitsmäßigem Unrecht meist einen schlechten Charakter, Leichtsinn und Oberflächlichkeit zujchreibt; Fehler, die keineswegs mit diesem Temperament ver bunden sind, deren Entwickelung freilich gerade das sanguinische Temperament begünstigen kann. Der Choleriker wird rasch von dem Eindruck erfaßt, rasch antwortet er demselben, aber die Wirkung ist dauernd, sie treibt ihn zum Handeln und Vollbringen. Somit ist er der Mann der Zukunft, dem die Gegenwart nur al» Durchgang-punkt erscheint, der in rastloser Thällgkeit sich nicht genugthun kann uud vor keinem Hindernis zurückweicht. Die Schattenseite diese- Tem perament» kommt da zur Geltung, wo die Thatkraft, der Mut durch schwe e Hemmnisse zur Gewaltthätigkert, zum unbesonnenen Eigensinn auswachsen. Einem starken Eindruck unterliegt auch der Melancholiker, aber die Wirkung gewinnt nach außen hin keine Gestalt; ,er vertieft sich in den inneren Eindruck, darüber entweicht dre Zett und so kleben sein Gesüvl und Gedanke schließ lich an der Vergangenheit Tiefe Deuker und Dich ter unterliegen defonder» diefem Temperament, da» ebenfo, wie die anderen, Gefahren in sich birgt. Der stete Blick auf da- Velgaugeue stumpjt da- Auge für da- Gegenwärtige uud Neue, der Choleriker wird der jmlgeu Generation entfremdet, seine Krück wird un-
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