Suche löschen...
Dresdner Journal : 03.09.1888
- Erscheinungsdatum
- 1888-09-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188809032
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18880903
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18880903
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1888
-
Monat
1888-09
- Tag 1888-09-03
-
Monat
1888-09
-
Jahr
1888
- Titel
- Dresdner Journal : 03.09.1888
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
W 205 8e»u«»xr«t», > L>—«rd»l» ä« <j»vt»vd«» LoivL», tritt kott- a»ö 8tov>p«I-v»vdI»8 tn»»v. ILLrllol»: ....»« N»rtl. ^MirlioL- 4 IQu* 40 kL Lu»L«ti»v tiruruvsri»: 10II. kür äso lttuuo «u»«r 2«U« W»!»^ Schritt rv kL vottr äi« 2ei1« 50 kL 8« ^»b«UsI»- „»ä 2iL«rw»»tt «ottpr. AaLoll»E. lA^Uok «üt Xllkm»Liii« ä« 8oiu»- a»ä k««rt»^» korv»pr»ol»-^M»ok1u»»: Ur. I8VK. ,.,. Montag, den 3. September, abend-. Dres-nerZournal. ^ür die Gesamtleitung verantwortlich: Hofrat Gtto Banck, Professor der titteratur- und Kunstgeschichte. 1888. LuuHlu»» v» L»L0»ai4»»««»7„»n»eL>, Lttstt« H LmmMMee, 0oM«1i«<mLr da» Vrvxii« ^ovriua», L«»d«>F-I«rU» V>»» - r^tptt« «—I Lro1»a rrottiat ». U.! ko^kee, I»rU»-Vt«»-N»»»d«rU- ?r»U-L«tp»ti »rittckarl «. ».-»tttt-d«»: L»«t Ako««,' r»r1» L»»4o» >«rltt I^»L^kart ». U »t«NU«r»: /-«<-« «» <7o., lerU» SvrUt»: S. ««1«-, ^«eVot-ee.- »Eor«r: 0 «LU» ». F. Laect L Oo. ller»u»«ed»r, LSvi^L L»p«titioo äs» Lrssiiosr ^oarwll«. l)rv«a«i», ^vio^sretru«« >0. k«rv«xrvo!»-AL»oUa«i Kr. 1LV5. Amtlicher Teil. Dresden, 3. September. Se. Majestät der König sind gestern Nachmittag von Berlin im Hof» lager zu Pillnitz wieder eingetroffen. Dresden, 3. September. Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht, den nachgenannten Offi zieren die Erlaubniß zur Anlegung der denselben ver» liehenen Königlich Preußischen OrdenS-Dekorationen zu ertheilen und zwar: des Rothen Adler»Ordens 2. Klasse mit dem Stern: dem Generollieuienant und Kommandanten von Dres den Freiherr ü Byrn; des Kronen-Orden» 2. Klasse: dem Oberst und Kommandeur des 2. Grenadier-Regi- mentS Nr. 101 „Kaiser Wilhelm, König von Preu- ßen" von Egidy; des Rothen Adler-Ordens 3. Klasse: dem Oberstlieutenant und etatsmäßigen Stabsoffizier desselben Regiments Hohlfeld; des Rothen Adler Orden» 4. Klasse: den Majors und Bataillons-Kommandeuren in dem selben Regiment« Graf Vitzthum von Eckstädt, von Wurmb und Jungnickel, dem überzähligen Major dieses Regiments Meißner, sowie dem Haupt mann und Kompagnie-Chef in demselben Regimente Freiherr von Friesen; des Kronen-Ordens 4. Klasse: den Premierlieutenants Graf von derSchulenburg- Hehlen und von Keßinger, sowie dem Sekonde- lieutenant Hoch desselben Regiments. Nichtamtlicher Teil. Kete^raphische WcrchricHten. Malmö. 2. September. (W. T. B.) Se. Majestät der König von Schweden wurde, als er auf der Rückreise aus Berlin beute hier eintraf, von der Bevölkerung äußerst entbufiastisch begrüßt. Bei dem von den Notadilitäten der Stadt zu Ehren des Königs veranstalteten Dejeuner hieß der Bürgermeister Ahlström den König namens aller Anwesenden in beredten Worten willkommen und brachte ein Hoch auf den König auS. Der König erhob sich darauf und brachte einen mit lebhaftem Enthusiasmus aufgenommenen Toast auf den deutschen Kaiser auS, in welchem er etwa folgendes sagte: Im Schwedenlande, wo die Gast freundschaft von jeher in jeder Heimstätte Sitte gewesen, könne man am besten die Gefühle wür digen, von denen er bei der Heimkehr in sein Land beseelt sei, nachdem er im Schlöffe deS deut schen Kaisers und in der Hauptstadt Deutschlands die herzlichste Gastfreundschaft genossen. Alle hier Anwesenden seien sicherlich im stände, die Dank barkeit zu verstehen und mitzufühlen, die er für den ihm gewordenen so überaus herzlichen Empfang empfinde und dem er in einem Toast auf den deut schen Kaiser recht warmen Ausdruck geben möchte. Der Kaiser habe dadurch, daß er dem neugebore nen Prinzen nicht nur seinen (des Königs) Namen beigelegt, sondern demselben auch ausschließlich schwedische Namen verliehen habe, nicht bloß ihm, sondern auch dem vereinigten Königreich einen teueren und hochschätzbarrn Beweis seiner freund lichen Gesinnungen gegeben. Er sei überzeugt, daß alle Anwesenden seinem Toast auf den mäch tigen Herrscher deS deutschen Reichs, der jetzt auch dem Verbände der schwedischen Streitmacht ange- höre, in solcher Weise zustimmrn würden, daß der Toast auf der anderen Seite der Ostsee lebhaften Widerhall finde. Alle Anwesenden stimmten jubelnd in daS Hoch deS Königs ein. London, 3. September. (W. T. B.) Wie das „Reutersche Bureau" auS Baltimore von gestern meldet, ist eine Reihe von Warenmagaziven in der Sharpstraße, zwischen der Lombard- und Prattstraße gelegen, in einem der schönsten Stadt- viertel durch Feuersbrunst zerstört worden. EineS derselben stürzte während des BrankeS ein, und sind dadurch 7 Feuerwehrmänner getötet worden. Der Schaden wird auf 1k Millionen Dollars ge schätzt. Dresden. 3. September. Die politifche Lage Frankreichs. x Die Übungen der französischen Mittelweerflotte boten in diesen Tagen dem Ministerpräsidenten Floquet sowohl wie dem Marineminister Admiral Krantz Ge legenheit, die Friedfertigkeit der Republik mit großer Entschiedenheit zu betonen und Frankreich als den Hort des europäischen Friedens hinzustellen. Daß diese Erklärungen der beiden französischen Staats männer nur völlig aufrichtig gemeint waren, dürfte wohl zweifellos sein, denn nach der letzten Note Goblets hat das französische Kabinett offenbar nicht die Ab sicht, die Massauah-Angelegenheit aus die Spitze zu treiben und daß man in Italien die Sache gleichfalls für abgethan ausieht, wurde in dem jüngsten Rund schreiben Crispis an die Mächte schon hervorgchoben. Die Befürchtungen, welche anläßlich der französischen und italienischen Flottenübungen und der Crispijchen Reisen nach Friedrichsruhe und Eger hier und da laut wurden, dürften sonach als vollständig beseitigt anzusehen sein. Bei der völligen Isoliertheit der fran zösischen Republik war es übrigens unschwer voraus zusehen, daß Frankreich es nicht aus einen ernstlichen Konflikt mit Italien ankommen lassen würde. Die französische Nation hat vorläufig im Innern noch so viel zu thun, daß sie einen Krieg an den Küsten des Mittelmeeres nach Möglichkeit zu verhindern suchen muß. Tenn trotz aller gegenteiligen Versicherungen der republikanischen Blätter und trotz der von Hrn. Floquet in seiner.Besichtigungsrede" besonders betonten Er klärung, daß die Republik keine inneren Feinde — weder die offene Reaktion noch usurpatonsche Ver suche — fürchte, ist die innere Lage der Republik eine höchst bedenkliche, um nicht zu sagen gefährliche. Noch stehen zwar alle die Aufrechterhaltung der Ordnung verbürgenden Elemente zusammen; allein die Stunde ist kritisch und die gegenwärtige Lage hat mit der jenigen nach der Pariser Revolution zur Zeit der Präsidentschaft Louis Napoleons eine verzweifelte Ähn lichkeit. Man hat die parlamentarische Regierungs- sorm mehr als satt und sehnt sich nach einer Ände rung. Man will vor allen Dingen eine feite und beständige Regierung, die Gewähr für die Wieder herstellung geordneter Zustände im Innern und für die Hebung de» gesunkenen Ansehens der Nation nach Außen bietet. Wenn man bedenkt, welche Zustände die gegenwärtige Regierungsform herbeigeführt hat, so hat diese Strömung der öffentlichen Meinung durch aus nichts überraschende». In einer vor kurzem erschienenen Broschüre schildert ein genauer Kenner Frankreich», Graf Alexander Chaudordy, die Übel, an denen bas Land krankt, und bemüht sich, die Mittel auseinander zu setzen, wodurch ohne Schaden für die Republik wieder geordnete und bessere Verhältnisse herbeigeführt werden könnten. Feuilleton. der Besuch des Theaters auch in der Vorstellung deS „Egmont", erwies. B. K. Hoftheater. Sonntag, den 2. September, gastierte in Schillers Schauspiel „Wilhelm Tell" Hr. Precht! er als Arnold. Schon in den ersten Scenen dieser Partie wiederholte sich der bei seiner Darstellung des Rustan empfangene Eindruck. Es fehlt Hrn. Prechtler nicht an einem temperamentvollen Erfassen der Gefühlseffekte, aber es fehlt ihm künst- lerrfche Beherrschung der Sprache, der Tongebung, Mäßigung de» Vortrag». Dieser zerstückt die Rede in ihrem Zusammenhänge, macht den Sinn derselben undeutlich. Das Organ des Gastes ist bei der vor waltend angestrengten Tongebung und heftigen Acceu- tuierung kräftig und ausgiebig, erscheint aber in den Momenten ruhigen und gemäßigten Ausdrucks inniger Empfindung etwas matt und unklar mit geringer Tragkraft des Klanges. Übrigen» trifft der Tadel der Redeweise nicht ausnahmsweise den Gast. Im Schauspiel, wie in der Oper hat aus der deutschen Bühne statt der Kunst der Rede Und de» Gesänge» bei einem großen Teile ihres Personal- da» Schreien, der Verbrauch de» rohen Toumaterial» überhand ge nommen, und auch da» für die so leicht errungene Wirkung empfängliche Publikum hat sich gefunden Die Gesamtau»führung von Schillers Schauspiel bei der gewöhnlichen Besetzung de»>elben ist genugsam bekannt. Das Publikum der oberen Ränae hält am treueste» an seiner Liebe für die klassischen Dichtungen fest, wie Die letzten Tage der freien Reichsstadt Metz. Geschichtliche Erzählung von O. Elster. (Fortsetzung.) .Ich danke Euch für die Nachricht", antwortete Anna mit bebender Stimme. „Der Bruder an ehren voller Stelle, der Vater im Gefängnis und ich — eiu machtloses, elendes Weibl" Ihre Stimme erstickte in schmerzlichem und doch zornigem Schluchzen. „Mademoiselle", sprach der Franzose, und seine Augen blitzten in begeistertem Feuer auf, „des Rit ters schönste Pflicht ist der Dienst der Damen Ich stehe Euch zu Diensten mit Leib und Seele! Was kann ich für Euch thun? Euer leisestes Wort ist mir Befehl." „So führt mich zum König", rief Anna de Gour- nay, „daß ich von ihm die Freilassung meine» Vater» fordern kann, daß ich ihm die Gcwaltthat, dar Un recht, da» man ihm und der Stadt zugefügt, vorwer» fen kann." Der Franzose trat einen Schritt zurück und, sich stolz aufrichtend, sprach er: ,Lch habe meinem Könige Treue geschworen; ich darf nicht den Maßstab an seine Handlungen anlegeu wie Ihr, die Ihr durch seine Diener verletzt seid. Eine Bittende kann ich zu mei nem Herrscher führen, keine trotzig Fordernde." Erstaunt sah da» junge Mädchen zu dem Ritter auf, dann zuckte ein stolze« Lächeln um ihre Lippen, und langsam erwiderte sie, währeud ihre große« Augen nerals auch diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen er scheint. Der Graf scheint vielmehr, trotzdem er dies nicht ausdrücklich ausspricht, an den General Saussier zu denken, der vielleicht schon bei der vorjährigen Wahl zum Präsidenten erwählt worden wäre, wenn er nicht die Kandidatur öffentlich abgelehnt hätte. Um einen volkstümlich angesehenen Präsidenten- General würde sich nach Graf ChaudordyS Meinung sehr bald eine große national gesinnte Partei bilden, von der man erwarten könne, daß sie dem Lande zu einer auf gesunden Grundlagen aufgebauten Verfassung verhelfe. Ob der Graf mit seinen Vorschlägen das Richtige trifft, wer vermöchte das bei dem ganz unberechen baren französischen Volkscharakter zu sagen? Fest stehen dürfte nur, daß der Republik eine ernste Krise nicht erspart bleiben wird und daß, wenn die leiten den französischen Staatsmänner noch lange zögern, die Wünsche der Natton zu befriedigen, dem Staate durch .den Willen des Volkes" eine andere Regier ungsform aufqezwungen werden wird. Lagesgeschichte. "Berlin, 2.September. Se. Majestät der Kaiser begab sich gestern morgen um K8 Uhr, in Begleitung der Flügeladjutanten vom Dienst, vom Königl. Schlosse auS zu Pferde nach dem Königl. Palais und von dort aus an der Spitze der Fahnencompagnie des ersten Garderegiments z. F„ welche die Fahnen abgeholt hatte, nach dem Paradefelde auf dem Kreuzberge. Se. Majestät der König von Sachsen, Se. Majestät der König von Schweden, der Großherzog und die Groß herzogin von Mecklenburg-Schwerin, sowie die Königl. Prinzen und andere Fürstl. Herrschaften trafen erst später auf dem Paradefelde ein. Nach dem Schluß der großen Herdstparade kehrte Se. Majestät der Kaiser mit den anderen hohen Herrschaften vom Tempelhofer Felde durch die Friedrichstraße nach dem Königl. Schlosse zurück, wo der Monarch später noch einige Vorträge sowie Meldungen eutgegennahm und Besuche empfing. Um K5 Uhr begab Allerhöchstderjelbe sich zur Teilnahme an dem Paradediner von 360 Ge decken nach dem Weißen Saal, woselbst die höchsten Herrschaften nebst Gefolge und Ehrendienst, die Königl. Prinzen, die gegenwärtig hier weilenden landsässigen Fürsten, zahlreiche andere geladene Personen, d.r Hcs chargen, die Militärbevollmächtigten, die Generäle und Stabsoffiziere, deren Regimenter am Vormittag in Parade gestanden, bereits anwesend waren. Unter den Tönen einer Fanfare erschienen unter Vortritt des Oberzeremonienmeisters Grafen zu Eulenburg und des Oberhof- und HauSmarschalls v. Liebenau die Fürst!. Herren in langem Zuge einzeln im Saale. Voran Se. Majestät der König Oskar von Schweden in deutscher Admiralsumform mit dem Bande des Schwar zen Adlerordens; sodann Se. Majestät der König Albert von Sachsen in der Uniform seines ostpreußischen Dragonerregiments Nr. 10, mit den goldgestickten Äb- zeichen eines Generalfeldmarschalls, mtt dem Großkreuz deS Eisernen Kreuzes und dem Bande de« Schwarzen Adlerordens. Zwischen beiden Königen nahm Se. Majestät der Kaffer in der Uniform seines Leibgarde husarenregiments Platz. Gegen Ende de» Diners erhob sich der Kaiser und leerte jein Glas auf das Wohl des Gardecorp». Nach Aufhebung der Tafel kehrte der Monarch in seine Gemächer zurück, woselbst Allerhöchstderselbe mit Erledigung von RegierungSangelegenhelten beschäftigt den Abend über verblieb. Gegen 10 Uhr war Se. Majestät der Kaiser im Marmesaal des hiesigen Königl. Schlosses mit seinen erlauchten Gästen Ihren Majestäten den Königen von Schweden und von Sachsen, den Großyerzogl. mecklenburgischen Herrschaften und den hier anwesenden Königl. Prinzen zum Thee und Graf Chaudordy glaubt nicht, daß die Wiederherstell ung der Monarchie — sei es nun die orleanistische oder die bonapartistische — mit Aussicht aus Ersolg angebahnt werden könne, dagegen ist er der Meinung, daß die Grundursache der gegenwärtigen unhaltbaren Hustände in erster Linie in dem herrschenden Re gierungSsysteme zu suchen sei. In einem Lande, das von politischen Leidenschaften so sehr durchwühlt ist, wie Fiankreich, macht die eingerissene Spaltung der Parteien jeder von dem Willen der Volksvertretung abhängigen Regierung die regelmäßige Ausübung ihrer Obliegenheiten fast unmöglich. Graf Chaudordy schildert in launiger Weise, wie man zur Zeit in Frankreich Minister wird. Einige, so sagt er, ver danken ihre Stellung dem Umstande, daß sie als Ärzte oder Advokaten ihre Klienten für wenig Geld oder gar umsonst bedient haben. Das ist gewiß sehr ehrenwert, aber wer will behaupten, daß dies eine gute Vorbereitung ist, um die Regierung eines Lande» zu sühren? In die Kammern gelangt, werden sie, wenn sie ein bischen Rednergabe besitzen, in Er mangelung kompetenter Männer sehr leicht Präsidenten von parlamentarischen Gruppen oder Kommissionen, und von da bis ins Ministerium ist nur ein Schritt. Und wenn sie sich noch mit erfahrenen Männern um gäben! Doch sie ernennen, kaum im Ministerhotel angelangt, ihre Söhne, Cousins und Familienfreunde, die von den Geschäften noch weniger verstehen al» sie selbst, zu ihren KabinettSchess und alle zusammen machen sich daran, die einzelnen Verwaltungsdienste zu zersetzen und die fähigen Leute, die sie verächtlich Bureaukrateu nennen, aus der Staatsverwaltung zu verdrängen. Um seine Eitelkeit zu befriedigen und sich den Anschein zu geben, al» bedürfe er nicht der Ratschläge eine» Dritten, begeht der Minister oft die unglückseligsten Irrtümer, die natürlich da» Ansehen der Regierung weder in der Fremde noch im Lande selbst besonders erhöhen. Das Hauptbestreben der Minister besteht darin, sich so lange als möglich im Sattel zu erhalten; das Staatsinteresse geht nur nebenbei her. Und selbst wenn ein Minister die besten Absichten mitbringt, so hat er in den meisten Fällen keine Zeit, sie zur ÄuSsührung zu bringen. Sollte ihm dies aber doch ausnahmsweise einmal beschieden sein, so ist zehn gegen eins zu wetten, daß sein Nachfolger die von ihm ge «offenen Maßregeln wieder umstößt. Am schädlich sten wirken derartige Zustände natürlich auf die Leit ung der auswärtigen Angelegenheiten ein. Kaum hat sich der neue Minister ein wenig mit den diplomati schen Noten — von denen er in den meisten Fällen bis zu seinem Amtsantritte keine einzige vor Augen gehabt hat — einigermaßen vertraut gemacht und an die Namen der Botschafter und Gesandten gewöhnt, so muß er das Ministerhotel schon wieder verlassen und seinem Nachfolger Platz machen. Um diesen Zuständen ein Ende zu machen, schlägt Graf Chaudordy vor, die Verfassung dahin abzu ändern, daß das Staatsoberhaupt die Ermächtigung erhalte, unabhängig von der Volksvertretung seine Minister aus den Reihen geschäftskundiger Männer zu wählen. Gewiß ist dieser Vorschlag sehr beher zigenswert und es würde die Ausführung desselben zweifelsohne dazu beitragen, dem Lande wieder Ruhe und Sicherheit zu geben. Als weiteres Mittel zu diesem Zweck empfiehlt der Graf, einen geachteten, von der Armee geliebten General als Präsidenten der Republik an die Spitze des Landes zu stellen, der durch sein Ansehen die Ordnung bald wiederherstellen werde. Graf Chaudordy hat aber, wie er ausdrück lich hervorhebt bei diesem Vorschläge nicht den Ge neral Boulanger im Auge, dessen Aussichten an die Spitze des Staates zu gelangen, er für sehr gering hält, obschon nach den letzten Wahlerfolgen des Gr einen kalten Ausdruck annahmen: „So geht, Herr Ritter. Ihr dürft dann auch nicht mit einer Feindin Eures Königs verkehren. Geht, ich habe mich auch in Euch getäuscht, wie in jenem Jugendfreund, der mich verließ um des Wortes feines Vaters willen." Mit stolzer Handbewegung zum Abschied wandte sie sich ab, als sie plötzlich ihre Hand ergriffen fühlte und die flüsternden Worte hörte: „Anna, Ihr dürft nicht jo von mir gehen. Ihr thut mir Unrecht — Ihr kränkt mich, wenn Ihr mich mit einem Treulosen vergleicht. Seit jenem Augenblicke, wo ich in Eure dunklen Augen geblickt, habe ich allstündlich an Euch gedacht. Nur sür Euch schlug mein Herz, und nur mit dem Gedanken, Euch glücklich zu machen, beschäf- tigte sich mein Geist. Sprecht ein Wort, ein be glückendes Wort, welches mir die Bestättgung giebt, daß ich nicht vergeblich gehofft, und noch in dieser Stunde trete ich mit Euch vor den König und fordere von ihm die Freilassung Eures Vater-!' „Soll ich Euch den Dienst bezahlen?" fragte stolz da» Mädchen. Die Röte de- Unmut» flammte auf der Stirn de» Ritter-, aber er bezwang sich und erwiderte mit ruhiger Stimme: „Nicht Zahlung sollt Ihr mir geben durch jene» beglückende Wort, sondern ein Recht, für Euch zu sorgen und für Euch eivzutreten. Aber ich fehe, Ihr versteht mich nicht oder wollt mich nicht ver stehen. Ich sehe, daß ich Euch lästig falle, daß mein Hoffen vergeblich war. Ich werde gehen, aber, Anna, ich schwöre Euch zu, daß selbst im müdesten Kamps- getümmel, da» mich bald umtosen wird, ich Euer ge- denken werde, und daß, trifft mich de» Tode» Streich, Euer Name mein letzter Hauch sein wird. Lebt wohl und denkt nicht mit Schmerz an diese Stunde!" Der Ritter neigte da» edle, männliche Haupt und wandte sich zum Gehen. Mtt sich kämpfend, stand Anna einen Augenblick da; der Jungfrau Schamgefühl hielt sie zurück, doch das Mitleid, dieser Vorbote der Liebe, mit dem Mann drängte sie zum Sprechen. Der Edelmann sah ihren Kampf und blieb erwartungsvoll stehen. „Herr de Tinteuille", sprach sie endlich mühsam und gepreßt, „ich wollte Euch nicht kränken. Verzeiht einem unerfahrenen Mädchen, das sich in Not und Gefahr befindet. Ich flehe Euch jetzt an, geht Ihr zum König, fo sprecht für mich! Sprecht an meines Bruders Statt! Man hat meinem Vater Unrecht ge- than. Denn nicht kann eS ihm zum Vorwurf gemacht werden, daß er die Treue seinem allen Herrn halten wollte. Ihr seid edel und hochherzig, Ihr werdet mich auch ohne viele Worte verstehen." Herr de Tinteuille trat eineu Schritt näher, und der erglühenden Jungfrau inS Antlitz schauend, fragte er: „Und wenn mich mein König fragt, in welcher Eigenschaft ich zu ihm komme? Kann ich nicht ant worten, al- Euer Freund, als Euer Verlobter?" Anna schlug voll die dunklen Augen zu dem Manne auf; dann erwiderte sie mit ruhiger, tiefklingender Stimme, die feine Hand dem Ritter entgegenstreckend: „Führt mich zum König! Stellt mich Eurem Herrscher vor als Eure Braut!" „Anna!" Wie ein Jubelruf drang dieser Name auS der Brust des Franzosen. Er ergriff die Hand des jungen Mädchen», schlang seineu Arm um dre biegsame Ge«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite