Sonntag, 8. Januar 1961, 19.30 Uhr Montag, 9. Januar 1961, 19.30 Uhr 5. Philharmonisches Konzert Dirigent: Prof. Heinz Bongartz Solistin: Adele Stolte, Potsdam (Sopran) Franz Schubert (1797—1828) Karl-Rudi Griesbach (geb. 1916) 5. Sinfonie B-Dur Allegro Andante con moto Menuetto Allegro vivace 6 Lieder für hohe Stimme nach Texten von Joseph Weinheber (Uraufführung) Tulpe V ergißmeinnicht Distel Sommer Von einem Angesichte Ziehharmonika Pause Zum 50. Todestag Gustav Mahler (1860—1911) 4. Sinfonie G-Dur (mit Sopransolo) Heiter, bedächtig In gemächlicher Bewegung Ruhevoll Sehr behaglich Zur Einführung Dieses Programm ist der Fröhlichkeit, bei Gustav Mahler sogar der Parodie verschrie ben. Die Fünfte Sinfonie in B-Dur von Franz Schubert bietet nichts von pathetischer Gestik, nichts von Schubertschem ,,Lächeln unter Tränen“, nichts von der Tragik der ,,Unvollendeten“, nichts von der Todesangst aus den Varia tionen des Streichquartetts „Der Tod und das Mädchen“. Im Gegensatz zur anderen (zur zweiten) B-Dur-Sinfonie schlägt das Pendel der Stimmung hier gar nach der Gegenseite aus — die Fünfte Sinfonie ist voller Fröhlichkeit, wenn man unter Lustig sein nicht Frivolität und Ironie verstehen will. Schuberts Wort „Kennen Sie lustige Musik? Ich nicht!“ wird in diesem Werk (wie in manchem anderen) geradezu Lügen gestraft. Der erste Satz betont besonders den fröhlich „klingenden“ Kontrapunkt, wie ihn Schubert liebt, und ist im Sinne des späteren Mozart imitatorisch durch wirkt. Der langsame Satz seufzt und schmachtet nicht, sondern geht in volkstüm licher Dreiklangsseligkeit jeder modulatorischen Problematik aus dem Wege. Im Trio des Menuetts bleibt Schubert einfach-ländlich, vermeidet instrumentale Diffe renzen, die dudelsackähnlich liegenbleibenden Bässe geben dem Ganzen etwas locker erdgebundenes, wie auch das Allegro vivace des Schlußsatzes die Gesamt heit der Sinfonie munter zu Ende führt. Auch die instrumentale Besetzung der Fünften Sinfonie ist schlichter als bei den bisherigen Schubertschen Sinfonien: Die Erste Sinfonie braucht elf Bläser und die Pauken (und selbstverständlich die Streicher), die Zweite und Dritte Sinfonie erfordern zwölf Bläser und die Pauken, die Fünfte Sinfonie dagegen hat nur eine Flöte, keine Klarinetten, keine Trompeten, keine Pauken, sie verlangt insgesamt nur sieben Bläser! Vielleicht hat Schubert Rücksicht genommen auf die Auffüh rungsmöglichkeit, die vom freiwilligen Orchester im Hause des Wiener Burg theatermusikers Otto Hartwig vorgesehen war. Wir wissen jedoch, daß von diesem freiwilligen Orchester auch Boieldieu, Mdhul neben Mozart und Haydn musiziert wurde, so daß die 2. Flöte, die Klarinetten und Trompeten gewiß leicht zu be schaffen gewesen wären. Es ist also naheliegender, der Verzicht Schuberts auf diese Instrumente ist ein ganz bewußter künstlerischer Verzicht: Die Werke des jungen Haydn und Mozart haben ihm als Vorbild vorgeschwebt. Auch der naheliegende Vergleich mit der g-Moll-Sinfonie von Mozart, für den es einige Anhaltspunkte gibt, hinkt insofern, weil Schubert eine ganz andere, naivere Fröhlichkeit, nicht die schmerzlich-befangene Freude der Mozart-Sinfonie zeigt. Eine unbefangene, fast rustikale Munterkeit lassen auch die Weinheber-Texte er kennen, die Karl-Rudi Griesbach vertonte. „Was ist über Lieder schon zu sagen! Da gibt es keine ausgeprägten musikalischen Formen. Es handelt sich jeden falls um Natur- und Liebeslieder, bei denen ich versucht habe, die Linie Schubert- Wolf—Mahler auf selbständige Weise fortzusetzen“, schreibt der Komponist von seinen Gesängen. Man ist zuerst verwundert über die relativ große Orchesterbeset zung (zwei Flöten, zwei Oboen [davon eine Englischhorn], zwei Klarinetten, zwei Fagotte, vier Hörner, drei Trompeten, zwei Posaunen, kleine Trommel, Pauken,