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trat. In der Goethestadt wurde im engeren Sinne und im Rheinland im weiteren Sinne sein Geist erzogen und früh genug auf sein eigentliches Gebiet, die Musik, gewiesen. Er studierte am Frankfurter Hochschen Konservatorium bei Iwan Knorr und James Kwast, war dann beruflich als Dirigent und Lehrer tätig in Koblenz, Mainz, Berlin, München, Straßburg (hier wurde er Professor und Doktor h. c.), kam anschließend nach Berlin und München jeweils als Leiter einer Meisterklasse für Komposition zurück. Er starb 1949, nachdem er seine letzten Jahre nach 1945 in einem Altersheim in München (!) zugebracht hatte, in Salzburg. Begraben wurde er schließlich auf dem Wiener Zentralfriedhof. In der Komponistengeneration eines Richard Strauss und eines Max Reger ist Pfitzner der Ver treter des nach innen gewendeten, oft grüblerisch-verschlossenen, dennoch auch mit Ek stase aufbrechenden Spätromantikers. Er stand in grundsätzlicher Spannung zur Gegen wart, war geradezu stolz auf die hämische Bemerkung der Gegner vom ,,unbequemen“ Pfitzner. Gewiß hat er sich keine Freunde geschaffen, wenn er als Leiter seiner eignen Werke die Interpreten bis zuletzt genau kritisierte, wenn er Paul Bekker und dessen Freunde der neuen Musik in seiner,,Neuen Ästhetik der musikalischen Impotenz“ bissig schockierte: „Wir sind verkitscht, versaut, versumpft und stecken bis über den Hals in Lüge, Dreck und Verwesung!“ — oder wenn er dem Vater Dr. Julius Korngold, dem damals maßgeben den Musikkritiker Wiens, auf dessen Frage, was er von den Kompositionen seines Sohnes, des Wunderkindes Erich Wolfgang Korngold halte, kurz und knurrig antwortete: „Nichts !“ Wenn er auch gelegentlich irrte, er hatte in den Stürmen zwischen den beiden Weltkriegen stets nur sein hohes Ziel vor Augen, ohne Konzession, unbeirrbar, unbestechlich. War seine Schreibart trotz romantischer Harmonik unsinnlich, gotisch-linienverwirrend, bald grauschattig — besonders am Straußschen Orchesterkolorit gemessen —, bald voll zierlicher Buntheit, so war sie doch immer von größter Gefühlsgesammeltheit und verhaltener Leiden schaft. Es sei besonders seiner Lieder, seiner Kammermusik, seiner Bühnenwerke, vor allem des „Palestrina“, des „Armen Heinrich“, des „Christelflein“ gedacht. Das Konzert für Violine und Orchester in h-Moll op. 34 in einem Satz, der damals berühmten australischen Geigerin Alma Moodie gewidmet, läßt die Solovioline sogleich beim ersten Thema „Lebhaft und energisch“ einsetzen, das von der Lyrik des zweiten Themas abge löst wird. Das dritte Thema bringen die Bläser allein, es folgen Variationen dieses Themas. Am Schluß der siebenten Variation leitet eine kurze Kadenz der Solovioline zum lang samen Satz über, der zunächst von der Oboe und der Posaune solistisch geblasen wird, bis ihn die anderen Instrumente übernehmen. Die Solovioline findet sich schließlich „etwas gemächlicher und freier zum Zeitmaß des Anfangs“ zurück und beschließt mit laufenden Arabesken das Werk. Bei der fünften Sinfonie op. 82 von Jean Sibelius — wir besitzen von ihm, eine unver öffentlichte Jugendsinfonie abgerechnet, insgesamt sieben Sinfonien — muß man bedenken, wie wenig die nordischen, national-finnischen Themen im Grunde einer sinfonischen Be handlung in unserem Sinne entgegenkommen. Denn seine Werke sind erfüllt vom Geiste des Volksliedes, obwohl kein einziges eine wirkliche finnische Volksweise verwendet. So umfaßt der erste Satz der fünften Sinfonie (molto moderato) volksliednahe Balladen themen im 12 / 8 -Takt, geht dann attacca (sogleich anschließend) zu einem Scherzosatz (Allegro moderato) im 3 / 4 -Takt über. Der langsame Satz (Andante mosso, quasi allegretto) be singt das Vaterland Sibelius’, unheimlich, zart, majestätisch, kühn. Der vierte Satz (Allegro molto) läßt trotz seines graziösen Charakters Finnland, das Land der tausend Seen, mit sei nen mannigfaltigen und wechselnden Farbtönen durchklingen. Man muß sich vor allem an die intensive und edle Wärme der Empfindung, an den Zauber der tiefen Schwermut halten, will man den bald rhapsodischen, bald den gebundenen Gedanken mit der sym phonischen Form in Einklang bringen. Dazu kommt noch: Sibelius ist im Grunde genom men ein Meister, dessen Orchesterkolorismus, dessen Ton- und Stimmungsmalerei ihn in erster Linie auf das Feld der Programm-Musik verweisen. Der Inhalt der Sinfonie ist von der ersten Note bis zur letzten der gleiche: Finnlands Seele in Natur und Volk! Prof. Dr. Hans Mlynarczyk LITERATURHINWEISE Conrad Wandrey: Hans Pfitzner, Leipzig 192z P. N. Cossmann: Hans Pfitzner, Leipzig 1904 Walter Niemann: Jean Sibelius, Leipzig 1917 H. J. Moser: Musik-Lexikon, Hamburg 1955 VORANKÜNDIGUNG Nächste Konzerte im Anrecht B, 30. April und 1. Mai 1960 Nächste Konzerte im Anrecht A, 14. und 15. Mai 1960 Auf Vorschlag des Besucherrates bitten wir, folgenden Hinweis zu beachten: Geben Sie Ihr nichtgenutztes Anrecht an Ihre Freunde oder Bekannten weiter. Melden Sie uns telefonisch oder schriftlich Ihre Platznummer (n) (ohne finanzielle Gewähr), so daß wir weiter darüber verfügen können, an unsere Anschrift: Dresdner Philharmonie, Dresden A 1, Lingnerplatz 1, Ruf 41580. Wir wollen dadurch vermeiden, daß in unseren Konzerten Plätze frei bleiben, für die sich Konzertbesucher an der Abendkasse interessieren. 6081 Ra 111-9-5 460 1,4 It G 009/60/32 9 PHILHARMONISCHES KONZERT