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alle Vorzüge der Griegschen Kompositionsweise, die er bisher nur immer in kleinen Klavierstücken und Liedern gezeigt hatte. Da ist die nordische Har monik, die er in geballten Akkordklängen gleich zu Anfang zeigt, die er auch gern in Arpeggien auflöst. Da ist eine sehr gefühlsbetonte Melodik, die von einer gedämpften Melancholie überhaucht ist. Da ist eine etwas derbe Rhyth mik von herbem, bäuerlichen Einschlag, die gerade im Schlußsatz zu spüren ist. Grieg ist neben Sinding und Sibelius der große Sänger der norwegischen, der skandinavischen Welt — und in diesem Klavierkonzert singt er ein Epos der nordischen Natur, der Sehnsucht und der Einsamkeit des Menschen in ihr, erzählt er vom norwegischen Volk. Das Werk ist mit allen Finessen aus gestattet, die ein Pianist schätzt, da er an ihnen sein Können beweisen kann. Th. Ludwig van Beethoven: 8. Sinfonie F-Dur, op. 93 Beethoven schrieb seine achte Sinfonie in F-Dur, op. 98, im Sommer des Jahres 1812. Als sie am 27. Februar 1814 in Wien uraufgeführt wurde, war die Aufnahme vom Publikum recht kühl, worüber sich Beethoven maßlos ärgerte. Das Werk ist humorvoll in seiner Grundhaltung und nötigt dem Kenner die bewundernde Hochachtung vor dem musikhandwerklichen Können Beethovens ab. Da ist zum Beispiel der zweite Satz, das Allegretto scherzando, von einer klanglich so feinen, damals als revolutionär geltenden Art, daß man erstaunt ist, beim schon sehr ohrenleidenden und schon weitgehend schwerhörigen Beethoven solche delikaten Klänge zu hören. Der erste Satz beginnt unvermittelt mit dem pulsierenden, frischen ersten Thema. Das Thema ist eine ebenso lebendige Ländlermelodie, während ein Thema, das gesanglichen, lyrischen Charakter hat, nur als musikalischer Nebengedanke auftaucht. Der zweite Satz wird heute zu Beethovens glücklichsten Eingebungen ge rechnet, obgleich er im Schluß dieses Satzes die damals übliche italienische Manier zu musizieren parodiert. Das Menuett ist derb, ziemlich grobschlächtig. Das Trio beschwört Alt-Wien: Hörner und Klarinetten spielen gemütlich, begleitet von den virtuosen Triolen eines Solocellos. Alles, was Beethoven an guter Laune und an Frohsinn in sich trug, hat er im Schlußsatz losgelassen. Es kichert und lacht in diesem Satz, in welchem eine so übermütige Stimmung herrscht, daß Ludwig Spohr meinte, es wirke auf ihn, als ob jemand mitten im Gespräche die Zunge heraussteckte. Vielleicht nahmen dies damals die kühlen Konzertbesucher übel? Dieses Sehlußrondo ist jedenfalls ein Meister stück — und die ganze Sinfonie in ihrer geschlossenen Heiterkeit ebenfalls. Th. Vorankündigungen 28. Februar: ,,Meisterwerke des 20. Jahrhunderts“, 7. Abend; Solist: Sigmund Illeier, Stuttgart 13. und 14. März: 8. Philharmonisches Konzert; Solist: Herbert Becker, München 62/39 PI II1-9-5 254 1.3 It 17278/54