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In Carl Maria von Webers Ouvertüre zu der Oper „Oberon“ ertönt zu Beginn das Zauberhorn Hüons, des stattlichen Ritters. Es ist das Zauberhorn der romantischen Musik« es ruft alle Köstlichkeiten herbei, die Waldgeister auf den schwankenden Treppen der Holz bläserfiguren, zarten Luftschaukeln vergleichbar, das Heer der Kobolde zu dem Marsch rhythmus der silbern gedämpften Trompeten und den leichthin wippenden Schmetterlings flügeln der Geigen. Bis jener überraschende Schlag einsetzt, der den Vorhang zu einer neuen Welt in die Höhe schnurren läßt. Die diesseitige, die Tagwelt Hüons, der jetzt nicht mehr das Horn, sondern das Schwert führt. In den Klarinetten taucht das Thema der Geliebten auf, voll schwärmerischen Gefühls, und dann jubelt Rezia in den Geigen ihr Liebeslied vor aus: „Mein Hüon, mein Gatte“, und mit. diesem Jubellied, das uns an ein anderes, an das der Leonore im „Fidelio“ denken läßt, klingt die Ouvertüre aus. Beethoven, der schon früh die Absicht hatte, ein Violinkonzert zu schreiben, ohne über einen Torso gebliebenen Versuch hinauszukommen (das Bruchstück wurde später von Josef Helmesberger, dem Wiener Geiger, sehr frei bearbeitet und ergänzt), hat für die Geige im Jahre 1802 die beiden Romanzen geschrieben, die heute noch gerne gespielt werden, außerdem aber hat er uns das Violinkonzert in D-dur geschenkt, das zu den wenigen seiner Art gehört, die in den Konzertsälen heimisch geworden sind. Wenn man dagegen die Zahl der Klavierkonzerte bedenkt! (Mit den Ccllokonzerten steht es ähnlich.) Dabei hat dieses Konzert nach seiner Uraufführung das Schicksal so vieler „zeitgenös sischer“ Musik erfahren müssen: es wurde abgelehnt. Erst später setzte es sich durch. Dann aber um so gründlicher. Es ist. heute wohl das am meisten gespielte Violinkonzert. Beethoven behandelt die Violine als das Instrument des seelenvollen Ausdrucks. Darum legt er auch gleich den ersten Satz mehr als üblich auf gesangsmäßige Linie hin an. Das Hauptthema, fast ein Lied zum Mitsingen, ertönt zuerst in der ausgedehnten Orchestcr- leitung, erst viel später nimmt es die Solovioline auf, mit leichten Verzierungen, nachdem sie sich vorher ohne Begleitung sozusagen in Positur gesetzt hat. Noch inniger ist der Gesang des zweiten Satzes, in dem die Violine zarte Arabesken um die vom Orchester gesungene Melodie flicht. Der letzte Satz ist dann ein Rondo, des seinen Namen daher hat, daß ein Thema immer wieder auftaucht, so wie beim Rundgesang immer wieder die gleiche Strophe wiederkehrt, unterbrochen von wechselnden Strophen, hier von anderen Themen. Die mun tere Lebensfreude des Beethovenschen Rondothemas hat etwas von einem unbeschwerten Reigen an sich. Es ist der Geist des Unbeschwert-Musikantischen, der in diesen Sätzen lebt und webt. Des Musikantischen, das auch und in ganz besonderem Maße in Anton Dvoraks Werken steckt. Bei ihm ist es national bedingt. Die tschechischen Musiker sind ihrem innersten Wesen nach Musikanten. Das trifft auf Smetana zu (man denke an die „Verkaufte Braut“!), und es trifft auf Dvorak zu. Er ist ein Musikant auch in seiner 5. Sinfonie, die den Unter titel „Aus der neuen Welt“ trägt. Er erklärt sich folgendermaßen: Dvorak weilte in den Jahren 1892 bis 1895 in Neuyork als Direktor des Konservatoriums. Charakteristische The men aus der amerikanischen Neger-Volksmusik (die mit der afrikanischen Negermutik nicht das geringste zu tun hat, sondern von Weißen komponierte „Negermusik“ war!) hatte er sich in seinen Skizzenbüchern notiert. Sie haben die Thematik dieser Sinfonie beeinflußt. Aber sie ist doch das Werk des tschechischen Musikanten geblieben, trotz des exotischen Anstrichs, den sie sich gibt. Das „Amerikanische“ läßt sich etwa im ersten Satz in dem synkopischen Charakter des Hauptthemas erkennen, auch in dem trotz seiner Idyll ik fremd artig anmutenden Seitenthema. Aber in dem dann folgenden langsamen Satz ist kaum etwas „Amerikanisches“ zu spüren; in diesem herrlichen Tongedicht in Des-dur und cis-moll singt sich echt slawische Schwermut aus. Heimweh in der neuen Welt nach der alten ... Eher lassen sich noch einmal in dem rhythmisch gepfellerten Scherzo und in dem amerikanischen Tempo des Finales die geographischen Beziehungen herstellen. Bezeichnend für die kompo sitorische Arbeit ist es, daß in allen Sätzen Bezug auf Themen der vorangegangenen ge nommen wird. Das Finale zeichnet sich dabei durch besonders kunstvolle kontrapunktische Arbeit aus. Man siebt daraus, daß das Musikantische und das Kunstvolle sich durchaus nicht ausschließen. Dr. Karl Laux.