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Erzgebirgtscher Volksfreund. Tage-und Amtsblatt für die Gerichtsämter Grünhain, Johanngeorgenstadt, Kirchberg, Schwarzenberg und Wildenfels; so wie für die Stadträche Aue, Elterlein; Grünhain, Hattenstein, Johanngeorgenstadt, Kirchberg, Lößnitz, Neustädtel, Schwarzenberg, Wildenfels und Zwönitz. Mittwoch, den 29. Juli. t8«z. Brei- vierteljährlich 1b Ngr. — Jnseraten-Annahme für die am Abend erscheinende Nummer bi« Vormittags 11 Uhr. Jagdverpachtung. Von dem unterzeichneten Justizamte soll die Jagd auf Alberodaer Fluren, 774 Acker 286 Qu. - Ruthen jagdbare Fläche enthaltend, -en L2 Anglist dieses Jahres, Nachmittags 3 Uhr, in der Fr i ed rich'schen Cchänkwirthschast in Alberoda unter den im Termine bekannt zu machenden Bedingungen öffentlich an den Meistbietenden verpachtet werden, was für Pachtliebhaber hierdurch bekannt gemacht wird. Fürstlich SchönLurg'sches Justizamt Hartenstein, den 24. Juli 1863. Neumann. - ' Popp Tagesgeschichte. Die polnische Frage ist durch die Antwort des russischen KabinetS auf die Noten der drei Großmächte Frankreich, England und Oesterreich ohne Zweifel zu einer europäischen Frage angewachsen. Die Antwort des russischen Kabinets ist zwar in einem sehr ruhi gen und scheinbar zahmen Tone gehalten; allein in allen Punkten lautet die russische Antwort — ablehnend. Na mentlich von einer Konferenz, auf der sich die acht Mächte, welche auf dem Wiener Kongreß 18 l 5 die Polen betreffenden Protokolle unterzeichnet haben, darüber einigen wollten und sollten, wie die Ruhe in Polen wieder hcrzustcllen wäre, und wie und aus welche Weise man Polen überhaupt gerecht wer den könnte, von einer solchen Konferenz will Rußland nichts wissen. Es heißt über diesen Punkt in der russischen Ant wort an bas englische Kabinet wörtlich: „Was die Idee einer Konferenz der acht Mächte betrifft, die den Wiener Vertrag (1815) unterzeichneten, auf welchem die als Basen (Unterlagen) zu Grunde gelegten sechs Punkte erörtert werden sollen, so erblicken wir in ihr ernstliche Unzuträglichkeiten, ohne daß wir im Stande wären, irgend einen Vortheil darin zu sehen." Und mit eben so höflichen Worten, wie die Kon ferenzen von Seiten Rußlands abgelehnt worden sind, hat man auch auf die andern fünf Punkte verneinend geantwortet. Es entsteht nun die äußerst wichtige und inhaltsschwere Frage: Wie nun weiter? — Die drei Großmächte Frank reich, England und Oesterreich können sich doch ganz unmög lich mit einer durch und durch ablehnenden Antwort Rußlands abfinden lassen, ohne daß sie etwas weiteres darauf thun, als die russischen Noten still und ruhig einfach zu den diplo matischen Acten zu legen. Sie können das nicht, denn das hieße ihre Macht- und Weltstellung blos stellen; sie können es aber auch darum nicht, weil sie sonst Antheil hätten an den schrecklichen Blut- und Greuelscenen, die in Polen leider Gott! fast Tag für Tag begangen werden. Also wie nun weiter? Schweigen können die drei Großmächte auf Ruß lands jüngste Antwort ganz unmöglich. Und sollen sie wie der AntwortSnoten an das russische Kabinet senden, was wer den sie damit erreichen? Ganz sicher und gewiß ganz das selbe, was sie bis jetzt erreicht haben, das heißt — nichts! Rußland würde abermals höchst artig und ruhig antworten, würde aber durchaus nichts, auch gar nichts zugestehen und — Blutvergießen, Sengen und Brennen, Würgen und Hen ken würden unterdessen ganz ungehindert fortwüthen in dem unglücklichen Polen. „Run, da muß Rußland mit Gewalt gezwungen wer den', den Polen und ihren gerechten Forderungen gerecht zu werden; da mag das Schwert entscheiden!" spricht der ent- schieben Heißblütige. Ausgesprochen ist dieser Satz gar bald; allein die Tragweite, die dieser Satz enthält, ist eine gewal tige, eine furchtbare. Krieg ist und bleibt die fürchterlichste Geisel für die Menschheit. Und kommt es einmal Polens halber zum Kriege, so wird, ja so muß ein europäischer Krieg im großartigsten Maßstab entbrennen, weil gerade in einem solchen Kriege zu vielfache Interessen in Frage kommen. Allein vor der Hand sind die drei Großmächte Frank reich , England und Oesterreich auch noch gar nicht so ganz vollständig einig über manche wichtige Vor- und Hauptfra gen, sind sie sich über ihre gegenseitige Stellung, die sie in einem solchen Kriege einnehmen würden, durchaus noch nicht völlig klar, als daß sie im Stande wären, schnell und kurz entschlossen ein Schutz- und Trutzbündniß auf alle und jede Fälle zu schließen. Namentlich muß Oesterreich mit der äußer sten Vorsicht zu Werke gehen und muß jeden seiner Schritte ernstlich erwägen, sorgsam prüfen. Ein Hauptgrund aber, weshalb die Westmächte höchst vorsichtig in ihren ferneren Schritten gegen Rußland sein müssen, liegt in der Haltung Preußens. Preußen hat bis jetzt fest zu Rußland gehalten und die obersten Schichten und die höchsten Regierungskreise in Preußen sind, das ist ganz zweifellos, von russischen Sympathien warm durchdrun gen. Es entsteht also die große und wichtige Frage: Wird Preußen auch ferner zu Rußland halten oder wird sich Preu ßen doch noch, wenn auch in der zwölften Stunde, zu den Westmächten und mit diesen gegen Rußland wenden? In dieser Frage müssen Frankreich und England vor allen Din gen aber Oesterreich erst klar, ja ganz klar sehen können, be vor sie sich für ernste Schritte, die zu Thaten führen, ent scheiden. Kurz: Die polnische Frage ist durch die abschläg- lichen Antworten Rußlands zu einer europäischen Frage herangewachsen, von der bis zur Stunde auch der scharfsin nigste Staatsmann noch nicht sagen kann, wie sie gelöst wer den wirb. Friedlich leider! wohl kaum. Kaiserstaat Oesterreich. Ans Wien melden die neusten Zeitungen: In Karlsbad hat also unser Kaiser den König von Preußen nicht besucht, und ob unser Kaiser nunmehr nach Gastein geht, um mit dem Preußenkönige zusammen zu treffen, ist «och sehr zweifelhaft. Herr. v. Bismarck setzt zwar alles in Bewegung, um die Zu- sammenkunst der beiden Monarchen zu Stande zu bringen, und es ist sicher, daß er mit aller Bestimmtheit auf den Besuch des Kaiser- Franz Joseph in Karlsbad gerechnet hatte. An höchster Stelle in Wien ist aber fort und fort sehr wenig Neigung vorhanden, dem Wunsche de« Herr« v. Bismarck zu willfahren. — Der russische Gesandte Herr v. Balattne ist von Wien ab. berufen worden. Wie aber die .Presst" berichtet au- Pari-