Suche löschen...
Dresdner Journal : 30.12.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-12-30
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188712300
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18871230
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18871230
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-12
- Tag 1887-12-30
-
Monat
1887-12
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 30.12.1887
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
W302 l» n,i«v,; lUtrliet», .... 1» L1»rk. ^jättrtiok: 4 l1»r^ bv kk. Liaikl»« ttuouuorn: lv kk. äa«»r>uUd ä« ä»ut«vtt»o livivt»«« tritt ko«t- ll»6 8towp«l»a»ol»l»^ iÜLiu. ^»kll»älxi»»r»U«dadeeo r kür <i«o kLiim vivsr »«»ptUtsnsv 2«il2 ^l«io«r 8« Pritt »0 kk. vstsr v^k»»aät" äi« ^siie bv kk. ö« k»b«tl«»- iwä 2ik«rQs^t» sotipr ^ukiopt»^ Lr»ed»lo»»r kRLliok mit äo»LLtuils ä«r Kou»- a»ä ksiart»^« k'sru-prvoll-äLLLpIu»,: Ur. li»b Freitag, den 30. Dezember, abends. DreMerILMMl. Lür di« Gesamtleitung verantwortlich: Dtto Banck, Professor der Litteratnr- und Kunstgeschichte. 188». V» L»b»»4lU«^« «wvLrWi Lstptt«: LesMtttvttve, Ooouiu»i0QLr «t« ttrvxiLvr 1oara»t»i >L»d«rU >«U» wt«» L«tp«tU >»—I- - Vr»»p1«r» ». ».! K ko-t«r, »«-UL Vi-»-N»»d»i, kr»F-L«tpitK kr»okkarr ». ». »»>«»«: ÄMt Lko««, - I«rU» - kr»»»k«rt ». ». - »t«U»»rt: F Oo.,- L»rU»: /M«u»«t«n<ka«t, Sbrllt»: ks. at«Ut«r» ULLLO^« v SoitSiier, NLU« L. I.I /. L«e«t G Oo. L«r»«»»»»er» Nvni^U Lrp«titio» ä«, vroxtoor soanuttL, vrvxisL. LMlll^«r»tn»«o >0 k«»»xr»od ^u»eUll»« Ikr. l«db Meffessungen auf das „Dresdner Journal" für daS nächste Vierteljahr werden zum Preise von 4 M. 50 Pf. angenommen für DreSde» der der unter zeichneten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), für a»S»är1S bei den betreffenden Po st an st alten. König!. Expedition des Dresdner Journals. Fernsprech-Anschluß Nr. 1295. Amtlicher Teil. Dresden, 30. Dezember. Se. Majestät der König haben die erledigte Oberkammerherren-Funktion dem Wirklichen Geheimenrathe Hermann Grafen Vitz thum von Eckst ädt unter Ernennung zum Ober- kammerherrn zu übertragen geruht. Dresden, 30. Dezember. Se. Majestät der König haben dem Kreishauptmann a. D. Otto Georg Grafen zu Münster da- Hausmarfchallamt unter Ernennung desselben zum Königlichen Hausmarschall zu übertragen geruht. Se. Majestät der König haben Allergnädigst ge ruht, dem Zieler und Hausverwalter der Leipziger Echützengesellschaft, Lasch, das allgemeine Ehrenzeichen zu verleihen. Nichtamtlicher Leit. Telegraphische Wachrichterr. Berlin, 30. Dezember. (Tel.d.Dresdn.Journ.) Graf Peter Schuwaloff, welcher auf der Rück reise nach St. Petersburg hier verweilt, hat sich, wie gemeldet, beim Kaiser vorgestrllt und einige hiesige Bekannte besucht. Derselbe ist ohne jede Mission, »elcken Ramen dieselbe auch haben möge. Paris, LV. Dezember» abends. (W. T. B.) Der neue englische Botschafter Lord Lytton überreichte dem Präsidenten Tarnst heute sein Beglaubigungs schreiben. Nom, LS. Dezember, abendS. (W. T. B.) Der Papst empfing heute die Kardinäle. Der Doyen der Kardinäle sprach dem Papste deren Glückwünsche zu seiuer Jubelfeier auS und über reichte demselben mehrere Exemplare der Medaille, »elche die Kardinäle auS Anlaß der päpstlichen Jubelfeier Haden prägen lassen. Der Papst gab seiner Dankbarkeit und Freude Ausdruck und ge leitete die Kardinäle darauf nach seiner Privat- bidliothek, wo er sich längere Zeit huldvoll mit ihnen unterhielt. Der „Moniteur de Rome" veröffentlicht die vom 22. d. M. datierte päpstliche Encyklika an die bayerischen Bischöfe, welche in sehr bestimmter Weise die Kragen betreffs der Seminare, sowie betreffs der Ausbildung teS Klerus und der Er ziehung der Jugend behandelt. Der Papst er- mahnt die Bischöfe, die Gläubigen von geheimen Gesellschaften abzuwenden, empfiehlt den Katholiken Einigkeit und energische Verfechtung der Rechte der Kirche und deS Glaubens, weist auf die Vor- teile der Einigkeit zwischen der Kirche und dem Staate hin und erinnert an das zwischen Bayern und dem heiligen Stuhle abgeschlossene Konkordat. Der Papst bedauert, daß der Staat nickt in der selben Weise wie der Vatikan seinen Verpflich tungen nachgekommen sei und setzt seine Hoffnung auf die Weisheit deS Prinz-Regenten. Ein Telegramm der „Ageneia Stefani" auS Massauad von heute sagt» es sei nunmehr gewiß, daß Osman Dtgma sich in Tocor festgesetzt habe und in dem Dorfe Tamai häufige Besuch mache. In den letzten Tagen habe OSman Digma an den Häuptling der HobalS, Cantibai, Briefe gesendet, worin er denselben zu Unterhandlungen wegen deS DurchzugS von Waren der Derwische durch sein Gebiet aufgrfordert und im Weigerungsfälle mit Feindseligkeiten bedroht habe. DaS Telegramm meldet ferner, der Obergrneral Marzano habe in der letzten Nacht die italienischen Truppen probe- weise alarmieren lassen und dabei alle Truppen teile, sowohl in den FortS wie auf den Vorposten, in größter Schnelligkeit und Ruhe auf ihren Posten bereit gefunden. Sophia, 2S. Dezember. (W. T. B.) Die Sobranje ist heute geschlossen worden. Prinz Fer dinand dankte in warmen Worten den Deputierten für ihre Hingebung. Dresden, 30. Dezember. Die Wendung in Serbien. Ein grelles Licht auf die augenblicklichen Zustände in diesem Balkankönigreich wirft daS nachfolgende Telegramm aus Belgrad vom 29. Dezember: „Der Ministerpräsident Ristic hat die Demission des Kabi netts überreicht, da die Radikalen auf die Entlastung deS Ministers des Innern, Milojkovic, drängten, das Kabinett aber diese Forderung aus Solidaritätsrück sichten entschieden zurückwies, und da infolge dessen das Bündnis der Liberalen und Radikalen unter Um ständen gelöst wurde, welche eine Wiederannäherung dieser Parteien unmöglich machten. Der König hat das Demissionsgesuch angenommen und das Mini sterium bis zur Bildung eines neuen Kabinetts mit der Fortführung der Geschäfte betraut." Dieser eben emgetretene Wendepunkt, von dem eine günstige Fotge für die österreichische Politik erwartet werden dürfte, verliert viel von seiner überraschenden Wirkung, wenn man die dazu gehörigen einleitenden Vorgänge ins Auge faßt. Ein sachlich klarer Bericht der „Voss. Ztg." vermittelt diese Kenntnisnahme wie folgt: Die Möglichkeit ernster Verwickelungen im Orient verleiht den gegenwärtigen Vorgängen im Königreich Serbien erhöhte Bedeutung. Eine Krisis ist nun nicht mehr zu vermeiden. Die Lage der Regierung ist auch eine so eigenartige, daß der heutige Zustand unmög lich lange währen kann, ohne eine beispiellose Anarchie in" den höchsten Regionen hervorzurufen. Die Re gierung schmiedet Ränke gegen die Krone. Der König kanzelt die Volksvertreter wie Schulbuben ab; die Skupschtina selbst ist in Parteien zerklüftet, deren eine der anderen nicht über den Weg traut. Als König Milan nach den unerquicklichen Zer würfnissen mit seiner Gemahlin und der finanziellen Abwirtschaftung des Kabinetts Garaschanin sich Hrn. Ristic in die Arme warf, meinte er selbst wohl, daß dieses Verhältnis nur vorübergehend sein könne. Volle Klarheit, welche jeden dunklen Punkt aufhellte, ist auch heute noch nicht über jene Ereignisse vorhanden, welche zu der Berufung des Hrn. Ristic führten. Indessen war jedermann handgreiflich, daß dieser Regierungs wechsel einen vollkommeien Systemwechsel bedeutete. Denn Garaschanin hatte Serbien in das österreichische Lager geführt, Ristic aber ist trotz seiner wieder holten Versicherung, mit allen Staaten gute Beziehun gen unterhalten zu wollen, der Feind Österreichs, dem er seinen Sturz 1881 nicht verzeiht. In derselben Zeit aber, da König Milan die Regierung an R stic auSlieserte, versicherte er in öffentlicher Rede, daß Kaiser Franz Joseph sein guter, sein bester Freund und Bundesgenosse sei und bleibe. RisticS Auftreten gegen den König war zuerst schroff, dann, als die Wahlen nicht nach seinem Willen ausfielen, bemühte er sich um die Gunst deS Königs, während dieser seinen Einfluß durch den Gegensatz zwischen Radikalen und Liberalen zu befestigen suchte. Darum stellte er durch seine verfassungsmäßigen Er nennungen zur Skupschtina das Gleichgewicht zwischen beiden Parteien her, und der Kampf konnte fröhlich beginnen. In der That haben sich denn auch bald die alten Reibungen und Eifersüchteleien eingestellt. Der König hatte sich also nicht verrechnet und konnte nun zuversichtlicher auf dem eingeschlagenen Wege weiter gehen. Obgleich er sonst nicht den Ruhm be ansprucht hat, mit Cicero und Demosthenes um die Palme zu ringen, hat er in jüngster Zeit etwelche Reden zu halten für gut befunden. Zuerst apostro phierte der Fürst die Skupschtina mit einer Ermah nung zur Artigkeit; denn er lasse nicht mit sich spielen; bei dem ersten Versuche, ihm »u nahe zu tre ten, werde er Regierung wie Skupschtina vor die Thüre setzen; denn er wolle von beiden nichts wissen DaS ist der langen Rede kurzer Sinn, wenn auch der König in „etwas anderen Worten" sprach. Wenige Tage später aber hielt er abermals eine Ansprache, welche immerhin staatsmännisch genannt werden darf. Er sprach von dem serbischen Nationalgefühl; sollte es zwischen der germanischen und der slawischen Idee einmal zum Kampfe kommen, so habe Serbien zu be denken, daß es wohl slawisiert, nicht aber germanisiert werden könne, daß aber die Slawisierung auch das Ende Serbiens sei. König Milan legt hier ein glänzendes Verständnis für die Bedingungen der staatlichen Existenz am Balkan an den Tag. In der That, Slawisierung und Einverleibung in Rußland ist einerlei. Deshalb können die Balkanstaaten, wollen sie überhaupt be stehen, nur Anlehnung an die Gegner Rußland suchen. Denn an eine Germanisierung der Serben, der Bul garen, der Rumänen, der Bosniaken denkt man am allerwenigsten in Österreich - Ungarn. Ist doch die Habsburgische Monarchie selbst nicht einmal ein ger manischer Staat! Der König Kat also Recht, zu ver langen, daß Regierung und Skupschtina, wenn sie der serbischen Nationalidee leben, nicht für Rußland Partei ergreifen; er hat Recht zu sagen, daß diese Haltung den Überlieferungen seiner Familie entsprech« — das sei das Geheimnis seiner äußeren Politik. Wie aber stellt sich zu dieser Politik die Regierung und die Volksvertretung? Die Adresse, welche die Skupschtina gemacht hatte, ohne daß sie Hr Ristic daran hinderte, ehe sich der König selbst in das Mittel legte und mit der Rute drohte, enthielt die Forderung an den König, Serbien Rußland unterzuordnen, „innerhalb der slawischen Einheit" und als Glied der slawischen Völkerfamilic eine slawische Politik zu ver- solgen. Die Adresse forderte die Beseitigung aller im Gegensätze zu den russischen Wünschen erlassenen StaatSkirchengesetze, Zurückberufung deS gehässigsten Feinde- der Dynastie Obrenowitsch, des früheren Me tropoliten Michael, Rechenschaft für die österreichische Politik, sür Sllvnitza, für Verbrechen der früheren Minister, für die Finanzgebahrung des Kabinetts Garaschanin — kurzum, ein schrofferer Gegensatz, als zwischen dem Monarchen und der Majorität der Skupschtina ist nicht denkbar. Ristic dagegen lavierte, weil er sich auf die Radikalen nicht verlassen konnte und selbst in den Reihen der eigenen Pattei unbot mäßigen Abgeordneten begegnete. Ristic beobachtete ersichtlich eine abwartende Haltung; er hat nicht lange warten dürfen, die Krisis ist früher eingetreten, als es noch vor acht Tagen den Anschein hatte. Die Radikalen hatten darauf verzichtet, ihre For derungen in der Adresse aufzuführen, angeblich weil ihnen Ristic daS Unzeitgemäße derselben während der europäischen Krisis zu Gemüte geführt hatte. Um so erbitterter waren sie jetzt über die Rede ihres König», und als noch der Umstand hinzutrat, daß Ristic bei den Ergänzungswahlen sie täuschte und die Polizei- aewalt zu Gunsten der liberalen Pattei in Bewegung setzte, gingen sie zur entschiedenen Opposition über. Die gesamte radikale Partei beantragte, den Minister des Innern Milojkovic wegen Wahlfälschung in An klagezustand zu versetzen. Ristic wollte seinen An hänger nicht fallen lassen. Der König schwankte, ob er das Ministerium entlassen oder die Skupichtina auflöien solle. Wahrscheinlich ist eS der Rat Gara- schaninS, der in Ristic seinen schlimmsten Feind sieht, gewesen, der die Entscheidung zu de» letzteren Ungunsten herbeigeführt hat. Lagesgeschichtr. * Berlin» 29. Dezember. Se Majestät der Kai,er nahm heute den Vortrag de» Gräfin Perponcher ent gegen, empfing einige Meldungen und konferierte längere Zeit mit dem Kiiegsminister. Mittags arbeitete der Monarch mit dem Stellvertreter de» erkrankten Gene ral» von Albedyll und empfing nach der Rückkehr von einer Ausfahrt den österreichischen Feldmarschalllieute nant Prinzen Joseph zu Windischgrätz. Über da» Befinden Sr. Kaiser!, und König!. Hoheit des Kronprinzen !iegt folgende» Bulletin aus San Remo vom heutigen Tage vor: „Die zuletzt ausgetretene Wucherung am linken Taschenbande hat nicht weiter um sich gegriffen, son dern hat sich in eine GejchwürSflocke umgewandelt, welche sich zu benarken beginnt; in der Umgebung derselben bleibt eine dauernde Verdickung des Taschen bandes, sowie eine Neigung zu Schleimabsonderung, welche jedoch auch im Nachlassen begriffen ist. DaS Allgemeinbefinden ist wie immer seit Wochen durch aus befriedigend. Mackenzie. Schrader. Kraufe. Hovell." Wir meldeten gestern, daß Se. Majestät der Kaiser den ehemaligen russischen Botschafter in London, Gra- fen Peter Schuwaloff, empfangen hat. Wie der heutige sogenannte „Hofbericht"' meldet, ist Graf Schu waloff in besonderer Mission aus St. Petersburg hier angrkommen. Auch von Ihrer Majestät der Kaiserin wurde der Graf in besonderer Audienz em pfangen. Zu dieser Nachricht bemerkt die „Voss. Ztg.": Dies« Thatsacht wird als ein« bedeutlam« Beru-iguog der Sffentlichen Meinung aufgefaßt. Al» auf dem Berliner Kongreß Gras Schuwaloff neben dem Fürsten Gortfchalosf Bevollmächtig ter de» Zarenreiche» war, trat der Gegensatz »»ischra beiden Diplomaten in scharfer Weise bet der LSsung der bulgarischen Frage hervor. Die Bestimmungen über da» Schicksal Bulgarien» find nicht von dem Fürsten Gortfchakoff, sondern von Schuwaloff geschrieben worden Gras Schuwaloff hatte fine Zugeständnisse nach eingeholter Zustimmung de» Kaiser» Alexa der gemacht. I» der russischen Presse aber begann attbald eure Hetze argen den Grafen, welcher derselbe mcht lange widerstehen sollte. Akjakoff ries in einer Rede vor dem Moskauer Slawenkomitce, der Kongicß sei eine freche Beschimpfung dessen, wa» Rußland gewollt habe, man habe Rußland eine Narrenkappe mit Schellen aufgesetzt, der Kongreß sei eine koloffalt Absurdität, ein ver blüffende« Unding, eine offenbare Schmähung Rußland», ein krankhaftes Betrügen und Zrreführen de« eigenen Gewissen«, eine Berschwörung gegen da« russische Volk unter Beteiligung von dessen eigenen Vertretern, eine Ohrfeige für Rußland, gefähr licher al« der Rihili«mu« Und man sagte, daß der Großsürst- Thronsolger, der heutige Zar, über den Kongreß genau so denke, wie Hr. Aksakoff Fürst Gvnjchakoff nannte den Berliner Vertrag da« dunkelste Blatt auf seiner dtenstlichrn Laufbahn. Die „Nowoje Wremja" wütete gegen die Diploma ten, welche Rußland von der Besetzung Konstantinopel« ab- gehalten hätten und schrieb: „Unser damaliger Botschafter in London, Bras Schuwaloff, war die Seele jener Unentschlossen- heil, jener leeren Angst, die sich mit dem Namen der Vorsicht ausputzte. Der damalige Minister de« Innern, al« Vorgesetzter der Presse, bedrohte die Artikel mit Strafe, in welchen die un umgängliche Besetzung Konstantinopel- dargrlegt wurde . . . . Der Berliner Bcrirag wurde von der europäischen Presse ge- feiert, der sich ein Teil der russischen Presse anschloß, die sich in Feuilleton. K. Hostheater. — Altstadt. — Donnerstag, 29. Oktober wurden R. Wagner» „Meistersinger von Nürnberg" gegeben. Die Gesamtdarstellung war eine vorzügliche so von Seiten der Sänger, wie durch die musterhafte Ausführung deS Orchesters. Bon ersteren seien in ihren ausgezeichneten Leistungen Fr! Malten (Eva), die Herren Gude huS (Walter), Erl (Lehrbube David), Jensen (Beckmesser) und demnächst Hr. Scheidemantel als Hans Sachs, Hr. Decarli (Pogner) undFrl.Löffler (Evas Amme) ge nannt. Hr. Scheidemantel bemühte sichln höchst anerken nenswerter, teilweise auch erfolgreicher Weise und mit richtiger Intention den HanS Sachs charakteristisch zu gestalten Aber eS ist für einen so jungen Künstler eine kaum lösbare Aufgabe, für diese so lebensvolle poetische Figur den rechten Vortragston zu treffen, mit dem ruhigen, schlichten, tief gemütvollen und sin nigen, nur innerlich bewegten Ausdruck auch Humor, eine fühlbare geistige Überlegenheit de» Wesens zu verbinden. Bor allem ist dazu auch deutlichste Aus sprache unbedingt nötia. Hr. Jensen wird in feiner vortrefflichen Wiedergabe des Beckmesser darauf achten müssen, im Sarrikieren de» Stimmklang» (z. B. im ersten Akt) nicht zu weit zu gehen. Die Teilnahme des Publikum» war eine ungemein warme und äußerte sich in lebhaftem Beifall und durch mehrfache Hervor rufe. E. B Weihnachtserzählung von Marcn« Bohr». (Fortsetzung.) Als die beiden Frauen in die geöffnete HauSthür traten, kam der junge Mann langsam über die Straße auf sie zugeschritten. Die alte Justine faßte krampf haft Lisbeth» Arm. „Er ist'», Fräulein, eS ist der Georg," ries sie heiser, „er hat ja dunkle Augen wie sein Vater Aber hinein mit ihm auf der Stelle, bringen Sie ihn nach oben in die keine Kammer neben meiner Stube, schnell Fräulein, ich mein', ich hör' da» Husten von der Frau Rat, von unten weiter die Straße zurück, zu un» herschallen. O ja, da kommt die Frau schon, rasch fort nach oben und bei Leibe keinen Muck» von sich gegeben." Schweigend ließ sich der Fremde von dem zittern den Mädchen in die abgelegene Kammer leiten; oben im Halbdunkel hielt er die keinen Finger ängstlich fest, da» Treppensteigen war ,hm ersichtlich sehr schwer geworden, und daS Sprechen schien ihm Mühe zu machen. „Fräulein," flüsterte er dann, „möge mir Gott verzeihen, daß ich jetzt hierher gekommen, ich habe mich lange gesträubt, aber e» zog mich mit aller Gewalt her. Wenn meinem elenden Leben noch soll geholfen werden, so kann nur hier mir die rechte Hilfe kommen. Eine Mutter, die sieben Jahre —" „O still", flüsterte Lisbeth, „Sie müssen jetzt still sein, meine Großmutter darf jetzt nicht gleich von Ihrer Anwesenheit erfahren, wir müssen lange be raten, wie wir zuerst ihr sagen dürfen, wa» sie hören soll." Ein matte« Stöhnen kam über de« Manne» Lippen. „Wie lange soll ich noch warten", ächzte er, „ich bin so krank und müde." Lisbeth streichelte sanft seine Hand, sie leitete den fast Wankenden zu einem Sitz, die Thränen liefen ihr über die frischen Wangen. „O Geduld", schluchzte sie, „jetzt wird ja alles gut werden. Die Großmutter hat schon so sehnsüchtig darauf gewartet, gut gegen Sie sein zu können. Ich muß Sie jetzt für einen Augen blick verlassen, in wenig Minuten bin ich wieder hier, ich bringe Licht." „Und Brot, o bringen Eie mir einen Trunk." Da» Mädchen erschrak vor dem Klange von Elend, der diese Worte durchzitterte, aber sie schwieg, denn draußen hörte sie die Stimme der Großmutter zu Justine sprechen. So drückte sie nur nochmals Georgs kalte Hand und eilte rasch au» der Kammer. Im Zimmer bei der Großmutter stand sie wie auf Kohlen. Die Frau Rat schien sich Freude von dem seltenen AuSgang heimgebracht zu haben, sie hielt mit leisem Lachen ein Päckchen Li-beth vor Augen, eh« sie dasselbe tm Schranke verschloß Dann strich sie dem Mädchen über die glühenden Wangen. „Bist ja so still, Kindchen," lächelte sie, „hast wohl selbst noch Weihnachtssorgen im Kopf? Sv geh denn, daß Du noch schaffen kannst, ich will bi« zum Abendthee nicht nach Dir fragen " Li»beth nickte schweigend, die Thrünen wollten ihr wieder in die Augen kommen. Sie schlang die Arme um die Großmutter und verbarg ihr Gesicht. „Gute» Kind, liebe» Töchterchen," flüsterte die alt« Frau zärt lich, „ich w«iß, wa« mir Deine nassen Lugen sagen wollen, und ich danke e« Dir, daß ich mich solcher Erkenntnis nicht mehr bitter verschließe Dern Hier sein ist der alten, einsamen Großmutter zum Segen geworden." Fester schlossen sich Lisbeth» Arme um die Greisin. „Großmutter, wenn er nun wieder käme?" sprach sie leise. Die Frau Rat atmete schwer. „O Kind, e» ist wohl thöricht von mir, aber mir ist jetzt oft zu Mut, als wollte ich deu Lichterbaum morgen nur meinem trotzigen Knaben anzünden Sieben Jahrei Ob er nicht selbst gedacht hat, e» sei nun genug gelitten und bereut?" Draußen wartete die alte Justine auf Lisbeth. „Fräulein, war thun wir nun? Der Georg sieht mich mit großen Augen an und spricht kein Wort zu mir, er ist wie schwer krank." Da» Mädchen trat in die Kammer, sie hielt dem dort bewegungslos gegen die Wand Lehnenden ein mit Wein gefüllte» Glas an die Lippen. Der Kranke trank begierig und aß dann von dem vorgehaltenen Fleisch, allein er sprach kein andere» Wort, al» nur im Nagenden Ton immer von neuem: „Sieben Jahre, sieben lange Jahre!" „Wir führen ihn auf Dein Bett, Justine, und eia Arzt muß gleich kommen", entschied Lisbeth. Der Kranke streckte sich stöhnend auf da- Bett, sein blasse» Gesicht röttte sich, dann schlief er ein. Nach wenigen Minuten kam Justine zurück „Der Arzt wird kommen, ich lief sogleich zum nächsten", sagte sie, „aber gehen Sie hinunter vor d e Thür, Fräulein, daß di« Frau Rat da» Klingeln nicht Hörl." Lisbeth hüllte sich in ein Tuch und schlich hin unter. Draußen glitzert« der weiße Schaer, frisch
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite