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Dresdner Journal : 09.12.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-12-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188712097
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18871209
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18871209
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-12
- Tag 1887-12-09
-
Monat
1887-12
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 09.12.1887
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W 285. lu. L«ieL»: ^LUrlivt»: .... 18 A»rtr. «« jLkrllek: 4 KO ?t KuiLiuvru: 10 l'k L>»»»«r8»1dtt«« Ueur-ct.«!. Lviods» tritt?o»t uoä 8tvmp«Iru8vl>l»^ i»ü»u ^Qküu«ttisuuis«xvdatireo r t?ür (iso lt»um «wer K-<^pLlt«o«o Zsil^ tlsmsr kvkrttt LO l^t. tlotcr .,Liu>s«!i!u>ät" äiv Zvile KV t'1. tt«I Hb«UvU- lmä ZiÜvIll^LtL vllttpl. Allkbvül»^ Freitag, den 9. Dezember, abends. Dres-Ntl Jourml. Lr^elivtuvu: H^iict. mit Au-wctuuv ä«r 8oiui aL<1 kvwrtt^s »dsuä». lcvro«prvLl>-Au»et»Ia»«: Ur. 1LSS ,.—...», E»<—--XMX ^ür die Gesamtleitung verantwortlich: Gtto Banck, Professor der (itteratur- und Kunstgeschichte. 1887. AuuuL»« ro» »»»Wirt», Lstxtt»; F> ^ra»<LÄetter, 6onurü»«m»Lr «t« Dr««1ll«r 1oarv»l»i S»»>d«A LsrU» Vt«» l^tptt^ >»»«I->r««t»» kr»»U»r1 ». ».: //a»»entte»n L ^o-ter,' I«rU» 5r»»trarl ». U.NiLed«»: L««ij ^ku««,' k»rt, 1»vä»» ->«rU» -kr»LU«r< ». > D«»d« <t tÄ./ N«U»: ovrUU: L,. LtüNeri L»»»»r*r: v Se^a«t«r, u»u« ». ».! /. Larct F Oo S « r » u » U » b « r t Nüni^t- LrpsNitiov äs« l)rs«äL«r äonriuU«, Vrvsäsn, ZvinksrstnuE SO. ?vnupr«rl» Ao»etül»» ltr. 1«VL Ankindignnge« für die Weihnachtszeit finden im „Dresdner Zournat^^ die geeignetste Verbreitung. Hierbei versäumen wir nicht, daraus aufmerksam zu machen, daß aus Anlaß des Weihnachtsfestes Handel- und Gewerb- treibendea bei Ankündigungen mit mehrmaliger Wiederholung außerordentliche Vergünstigungen gewährt werden. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben Allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Cantor emsr. Vogel in Kötzschenbroda, vormals Kirchschullehrer in Rödern, die ihm von Sr. Durchlaucht dem Fürsten Reuß ä. L. verliehene silberne Ehrenmedaille ,,.Ueritv ne äl^ni- tut? annehme und trage. Aerordnu ng, die Veranstaltung einer Ergänzungswahl sür die 11. Kummer der Ständeversammlung betreffend Nachdem der bisherige Abgeordnete zur II. Kam mer der Ständeversammlung sür den 15. Wahl kreis des platten Landes kürzlich verstorben ist, macht sich eine anderweite Wahl in diesem Wahlkreise er forderlich. Es wird daher deren Veranstaltung hierdurch an geordnet und al- Tag der Abstimmung der 10. Januar 1888 festgesetzt. Zum Wahlcommissar ist der Regierungsassessor Kohlschütter in Freiberg ernannt worden. Dresden, am 7. Dezember 1887. Ministerium des Innern v. Nostitz-Wallwitz. Paulig. Nichtamtlicher Teil. Kekgraphische WachricHterr. Lien, S. Dezember, nachmittag«. (Tel. d. DreSdn. Jourm> DaS „W. Krdbl." bemerkt, der Verlauf der gestrigen unter dem Vorsitz deS Kai ser» in der Hofburg abgehaltenen militärischen Konferenz entstehe sich selbstverständlich einer wei teren Mitteilung. Pari», 8. Dezember, Abends. (W.T.-B.) Der Präsident Sadi Carnot konferirle heute Abend mit Goblet und Ribot, die sich nach dem Elis^e begeben hatten. E« verlautet, die Verhandlungen wegen Bildung deS neuen Kabinetts stießen auf Schwierigkeiten. Paris, 9. Dezember, früh. (W. T B) In folge von Verhandlungen, welche stattfanden, um der radikalen Partei zwei Portefeuilles einzu- räumen, verweigerte Ribot in die KabinettS-Kom- binalion: Goblet Präsidentschaft und Inneres, Ribot Justiz, FlourenS Auswärtiges, Ricard Unterricht, Loubet Landwirthschaft Menard-Dorian öffentliche Arbeiten, Clamag^ran Finanzen, Sieg fried Handel, Bourgeois Marine und General Kurier oder General Tbomasfin Krieg, einzu- einzutreten. ES heißt, auch Goblet werde ab- lehnen, jedoch heute Morgen eine nochmalige Unter redung mit Carnot haben. Sollte Goblet nicht eintreten, werde der Präsident auf daS Ministerium Rouvier zurückkommen. Pari«, v. Dezember. (Tel. d. DreSd. Journ.) Die radikalen Blätter tadeln entschieden die Hal tung der Opportunisten gegenüber Goblet, und fordern dielen auf, ein Kabinett ohne Opportunisten zu bilden. Die „Röpublique fran^aise" weist jed weden Kompromiß mit den Jntransingenten und Anarchisten zurück. DaS „Journal deS DöbatS" er klärt sich damit einverstanden, daß bei der Kabi- nettSbildunb jede Verbindung mit der äußersten Linke vermieden werde. Rom, 8. Dezember. (W. T. B.) Nach einer Meldung der „Agcnzia Stefani" auS Massauah wird die dritte Brigade morgen ihr Lager vier Kilometer weit über Monkullo gegen Dogali vor- schiebcn. GerüchtSweise verlautet von einem starkcn Zwiespalt zwischen dem NeguS und Ras Alula; der NeguS wolle den Frieden. London, 8. Dezember, abends. (W. T. B.) Die Kommission der Zuckerkonferenz genehmigte und unterzeichnete heute den über ihre Beratungen verfaßten Bericht, welcher am nächsten Montag in der Plenarsitzung der Konferenz vorgelegt werden soll. London, 9. Dezember. (Tel. d. Tre-dn Journ.) Fergusson sprach gestern im konservativen Verein zu Guilford und sagte unter anderem, eö wäre, soweit die englische Regierung unterrichtet sei, kein Grund zu d»r Annahme vorhanden, daß in irgend einem Lande Schritte grthan würden und Truppen bewegungen in solchem Maße ftattfändrn, daß sie auf eine Störung deS europäischen Frieden« bin- deuten könnten. Die von Klugheit beseelten gro ßen Militärmächte verabsäumten keine Vorsichts maßregeln, aber diese enthielten keinerlei An deutung eines beabsichtigten Angriff-: allgemein sei der ernste Wunsch nach Erhaltung des Frie dens, welcher, wie Salisbury erklärt habe, von allen Souveränen und Ministern Europa« be kundet worden und nach der Überzeugung der englischen Regierung durch die späteren Ereignisse noch gestärkt sei. Nach seinem besten Wissen gäbe eS gegenwärtig keine Ursache, «inen KriedenSbruch zu besorgen. St. Petersburg, -.Dezember. (Teld. Tresdn. Journ.) Bei dem Diner der Ritter de« St. Georg-Ordens brachte der Zar einen Toast auf den ältesten Ritter, auf den Kaiser Wilhelm auS, wobei die Musik die preußische Nationalhymne intonirte. New-Uork, 8. Dezember. (W. T. B.) Johann Most ist zu einer Gefängnisstrafe von 12 Mo naten verurteilt worden; derselbe wird Berufung cinlrgen. — Bevor die republikanische Partei ihrer- seit« Kandidaten für die Präsidentschaft und Lize- präsidrntschaft aufstrllt, wird eine republikani'che Konvention am 19. Juni 1888 in Chicago statt finden. Dresden, 9. Dezember. Zur Lage des französischen Präsidenten. Während in der Pariser Presse verschiedene Partei- blätter bereits anfangen, Sadi Carnot darauf hinzu- weisen, daß allem Anschein nach die schönen Tage von Aranjuez nun bald vorbei sind, wird der mit auf- opsernder diplomatischer Klugheit wider Willen ge wählte StaatSlenker vom Auslände mit mehr Ruhe und Nachsicht beurteilt. Was man mit wohlwollender Gerechtigkeit, doch ohne überstürzten Enthusiasmus begrüßt har, kann man um so leichter ohne Erregung und hochgeschraubte Anforderungen weiter verfolgen. Noch weiß niemand, was Carnot als Staatsmann wert sein wird und welche politische Gesinnung wir in diesem gepriesenen purifizierten Republikaner vor uns habe» bezüglich deS täglichen politischen Brotes unserer Nachbarn, des französischen Revanchegedankens. Für den Augenblick ist nur eine leidenschaftslose Beobachtung der sachlichen Verhältnisse, der Schwierig keiten, die jeder Staatsmann als Präsident zu be kämpfen hat und die Handlungsweise von Interesse, welche Carm t gegenwärtig ausübt. DaS „Fremden blatt" beschäftigt sich in seinen letzten Nummern mit diesem allerdings sehr elastischen und vielgestaltigen Gegenstände, ohne dabei eine strenge Kritik oder gar Prophezeiung auszuüben. Wir schließen uns dieser Darlegung im Nachfolgenden an: Hr. Sadi Carnot ist inmitten der Huldigungen, die UM dargebracht werden und welche die ersten Tage seiner neuen Würde verschönen, mit der keineswegs leichten Aufgabe beschäftigt, ein Ministerium zu bilden. Seine Wahl ist das Ergebnis eines Kompromisses aller republikanischen Fraktionen, und alle Welt wünscht in Paris, daß sich in der Zusammensetzung des Kabi netts das gleiche Bestreben nach Einigung kundgebe, wie in der Abstimmung im Kongresse. Aber es ist leichter, sich über eine Person zu einigen, die eine so wenig politische Vergangenheit hat, wie Hr. Sadi Carnot und eine so sehr zur Neutralität berufene Stellung wie der Präsident der französischen Republik, als über eine Regierung, die, auch wenn sie den Willen hätte, ausschließlich die Verwaltungsgeschäfte zu leiten, doch auf politische Einflüsse reagieren muß. Die schöne Aufwallung im Saale von Versailles, die sich rasch dem ganzen Lande nutgeteilt zu haben scheint, wirkt noch nach in den Worten; man predigt aller- wärts Versöhnung, Entsagung, Verständigung; allein jede Fraktion wünscht, daß man mit ihr sich versöhne, zu ihren Gunsten entsage, auf Grund ihres Programms sich verständige. Clemenceau erklärte dem Präsidenten ganz offen, er und seine Anhänger würden ein Mini sterium nicht unterstützen, das die von ihnen ange strebten Reformen nicht verwirklichen wollte. Er könnte sich mit einer Regierung, welche ihnen keine anderen Zugeständnisse mache, als daß sie einige der ihrigen mit Portefeuilles bedenke, nicht be friedigt erklären. Da Hr. Llämenceau seinen Nimbus in dem Augenblicke einbüßen würde, in wel chem er auf gewisse Forderungen verzichtete, so ist diese seine Haltung begreiflich. Hinter ihm steht Roche fort, der Popularität und Unpopularität zu vergeben hat, steht die Majorität deS Pariser Gemeinderates, die auf bestimmte Dogmen auS der Revolutionsbibel eingeschworen ist, und hinter beiden steht die haupt städtische radikale Masse, welche seit hundert Jahren als das „Volk" schlechtweg betrachtet wird, weil sie im Namen des Volkes am rücksichtslosesten spricht. Clemenceau, der ohnehin schon wegen der Unzuläng lichkeit seines sozialistischen Glaubensbekenntnisses nicht mehr für voll angesehen wird, wäre verloren, wenn er von seinem Programm jetzt noch nachlassen wollte. Dreimal hat er sich schon durch Ministerpräsidenten vertrösten lassen, welche den Radikalismus mit Ge fälligkeiten in Personalangelegenheiten zu Gegen diensten geneigt zu halten suchten. Aber die Zeit der kleinen Geschenke ist vorüber und er verlangt jetzt die großen. Unter solchen Umständen wird Hr. Sadi Carnot darauf verzichten müssen, die äußerste Linke zufrieden zustellen und die Einigung aller Republikaner herbei führen. Vielleicht werden die gemäßigten Radikalen, die in der „Onuebe rackieals" vereinigt sind, und die schon mehrmals in Ministerien vertreten gewesen sind, bereitwilliger sein, in eine umfassende republika nische Regierungspartei einzutreten. Vielleicht haben «—»se»»,—?——— Feuilleton Frieda. Erzählung von B. Mercator. (Fortsetzung.) So viel war klar: Frieda war eher verletzt als erfreut über das kleine Geschenk, ja, hatte sie eS nicht vielleicht gar verbrannt? vor Wallys Augen verbrannt? Oder wie sonst sollte Schmidt eS sich deuten, daß Wally, als er endlich einmal, so geradezu eS sich im Beisein anderer thun ließ, gefragt hatte, dunkel er rötend hauchte: „Um Gotteswillen, lassen Sie das ruhen, eS hat lange genug gebrannt!" Und trotz alledem ries Walter Schmidt, als er am Freitagabend, vorzeitig zum Geben fertig, so ganz allein unter der im Frühlingssturm brausenden Eiche im Klostergarten stand, zum sternlosen Himmel das zuversichtliche Wort: „Herr Gott! Du wirst sie mir doch geben! Ich kann und will nichts anderes glauben, — ich will ja warten, warten, laß mich sie nur noch ein einzig Mal sehen, ehe ich abreise!" Zur selben Zeit rief Frieda flehend der Bürger meisterin, die mit Licht in ihr dunkles Dachkämmerchen trat, entgegen: „Ach, Selma, Selma, ich kann es wirk lich nicht! Ich kann nicht Laß mich doch ruhig hier oben bleiben." „Nein, Du bleibst nicht hier oben! Doktor Höm- melken sagt, eS sei jetzt nur noch nervöse Ziererei mit Dir, und dagegen ist Abwechslung und Gesellschaft daß einzige Mittel." „Selma, ich fühle mich aber jetzt kränker als vorige Woche." „Unsinnl Seit vorgestern bist Du ja außer Bett, solltest Deinem Schöpfer danken, daß ich so für Deine Zerstreuung sorge, und", fügte sie näher tretend, leise raunend hinzu, „daß ich Dir Gelegenheit biete, einem, der mit Dir gespielt hat, während er längst eine andere meinte, einmal zu zeigen, daß Du auch noch einen Funken von Stolz in Dir hast!" Frieda deckte die Hand über die Augen und schwieg. Schweigend fing sie bald an, ihren Morgenrock mit dem blauen Gesellschaftskleid! zu vertaufchen, daS ihr die Schwägerin gebracht hatte. Schweigend und vom Kopf bis zum Fuß bebend betrat sie wenig später die festlich geschmückten und erleuchteten Räume. Ihr Bruder war noch der einzige, der drinnen auf- und niederging. „Mein Friedchen, mein Frie ¬ denskind!" Und er schloß sie fest in seine Arme. „So willst Du wirklich dabei ein? Wird eS Dir denn nicht zu viel?" Sie hob den Kopf von seiner Schulter mit einer ihr fremden Hast. „Nein, netvl Ich will es, ich muß! ES ist daS beste Mittel." „Herzenskind! Wie krank Du noch aussiehst! Kann ich denn nicht» für Dich thun?" „Du lieber, lieber Kurt!" war ihre ganze Ant wort. „Gar nichts, liebe» Kind?" wiederholte er, „Du hast ein Herzeleid, ich seh Dir'» anl" Ihre Augen füllten sich mit Thränen, sie zog den Bruder iu die kleine Erkernische, wo nur ein durch schwere Vorhänge gedämpftes Licht über ihr zuckendes Gesichtchen fiel. „Ja, Kurt, eins kannst Du mir doch thun! Hilf mir, halte Doktor Schmidt von mir fern!" „Schmidt — von Dir — fern?? — aber Fried chen, ich dachte doch —" „Den Herrn Bürgermeister erwarten die Herrschaf ten!" schnurrte der sür den Abend engagierte Lohn diener in diesem Augenblicke und eine ganze Flut von Gästen ergoß sich auf einmal in den vorderen Salon. Wohl oder übel mußte Kurt v. Alten eiligst den Erker verlassen und das unaufgeklärte Geheimnis mit sich nehmen. Der letzte Blick, den er zurückjandte, zeigte ihm sein Friedenskind, wie eS die gefalteten Hände flehend zu ihm aufhob und ihn so traurig an sah, so todtraurig! Da faßte den Bürgermeister ein zorniger Ingrimm gegen diesen Walter Schmidt, diesen diesen Herrgott! Und da war der Mensch ja schon! Frech, wie damals, als er den Schönauer Kirchtum erklomm, ließ er nach der ersten Begrüßung seine vor witzigen Augen suchend im Zimmer rundum schweifen, was suchte er denn? WaS hatte er zu suchen? Fried chen vielleicht? Kurts Friedchen? Sie wollte ja nicht- mit ihm zu thun haben, und er sollte, wahr haftig er sollte sie nicht belästigen l Wer weiß, was geschehen war, während des Hausherrn Abwesenheit! Ja, such Du nur, Assessor! Such Du nur! Wie ein Wächter stand v. Alten mit dem Rücken gegen den Eingang des Erkers. Allein immer un behaglicher wurde die Situation, immer unhaltbarer für den Wirt bei der steten Anttmst neuer Gäste. Sieh! Da erschien auch Doktor Konstantin Pinner! sie auch auS den Erfahrungen der letzten Tage manche Lehre geholt, wie beispielsweise die L-Hre, daß die ersehnte Erweiterung der Befugnisse des Pariser Gemeinderats ganz unberechenbare Folgen nach sich ziehen könnte. Der Pariser Gemeinderat hat während der Wuhlzeit die Haltung eines obersten Rich ters über die Würdigkeit oder Unwürvigkeit der Kan didaten eingenommen, er hat sich als mit der befon- deren Verteidigung der Republik, das heißt der Ver hinderung der Wahl Ferrys, betraut erachtet, hat be schlossen, über die zu diesem Zweck nötigen Maßregeln zu beraten, hat revolutionäre und anarchistische Führer in seinen Sälen empfangen und hat überhaupt den Versuch gemacht, sich als eine besondere Regierung zu konstituiren und die regelmäßigen Gewalten zu über wachen und zu beeinflussen. Es ist schwer zu sagen, ob Hr. Ferry gewählt worden wäre, wenn die Droh ungen der verschiedenen extremen Gruppen und ihrer Anhänger in den Straßen gefehlt hätten. Aber so viel ist gewiß, daß der Pariser Gemeinderat bestrebt war, das Seinige zu thun, um die Leitung deS Wider standes gegen diese Wahl zu ergreifen, und daß er, wenn er einigermaßen über die Pariser Sicherheits polizei zu verfügen und somit auch noch die Schleusen zu Handbaben hätte, die den Volksstrvm dämmen können, die Politik des Landes zu lenken vermöchte. Das muß jedem klar geworden sein, und wer nicht will oder aus Populantätsgründen wollen muß, daß die Menge, der Pöbel einer Hauptstadt den Staat regiere, der muß den beliebtesten radikalen Programm punkt, die Kräftigung der im Pariser Rathause sitzenden Körperschaft, fallen lassen und in dieser Frage, die schon seit Jahren zur Spaltung im republi kanischen Lager beiträgt, an die Gemäß.gten sich an- schließen. Wir haben dieses Beispiel gewählt, weil eS kaum eine Frage giebt, die einerseits so zugespitzt, anderer seits durch die Ereignisse gerade der letzten Zeit so beleuchtet worden wäre, wie die der Zentralmairie. Leichter läßt sich die Frage der Trennung der Kirche vom Staate umgehen, und weit unreifer sind die ver schiedenen radikalen WirtschaftSreformvorschläge, denen ein zu praktischem Fortschritte entschlossenes gemäßig tes Ministerium ohne große Mühe siegreich entgegen treten könnte Daß die Bildung eines Ministerium» gelinge, welches einen großen Teil der Republikaner um sich vereinigen kann und al» dessen voraussicht lichen Chef man von verschiedenen Seiten Hrn. Goblet nennt, ist son.it keineswegs unmöglich, wohl aber ist es trotz allem schwer zu stände zu bringen, da anderer seits gerade die Niederlage Ferrys bei der Präsiden tenwahl das Selbstbewußtsein der Radikalen aller Schattierungen sehr gehoben hat. Man muß eS be greiflich finden, daß der neue Präsident der Republik in dieser ersten Amtshandlung mit äußerster Behut samkeit vorgeht. Nach ihrem Ausfall wird er von der leichtbeweglichen öffentlichen Meinung des Landes beurteilt werden; da jede der republikanischen Frak tionen an seiner Erhebung Anteil genommen hat, wird jede um so wachsamer seine Bewegungen ver folgen. Seine Stellung ist keine leichte, und wenn man ihn beglückwünschen darf, weil er in mancher Beziehung Hrn. Gravy ähnlich ist, so kann man sich doch auch nicht verhehlen, daß die Präsidentschaft ihm nicht als ein so unantastbares Amt zugefallen ist, wie seinem Vorgänger. ES hat sich — möchte man in Abänderung eines bekannten Worte» sagen — nicht» verändert, es giebt nur' um eine Stabilität weniger. Layesgeschichte. * Berlin, 8 Dezember. Se. Majestät der Kaiser besuchte gestern abend die Vorstellung im Opernhause. Heute hörte Se. Majestät zunächst den Vortrag de» Plötzlich hatte Kurt einen glorreichen Gedanken. Nach Austausch einiger gleichgiltiger Bemerkungen mit dem würdevollen Erzieher der lieben Jugend raunte er diesem geheimnisvoll zu: „Herr Doktor, Sie könn ten mir wohl einen Gefallen erweisen, einen großen Gefallen! Da drinnen", er deutete nach dem Erker, „sitzt meine kleine Schwester, der der Arzt nach über standenem gastrischen Fieber diesen Gesellschastsabend zur Zerstreuung verordnet hat, meiner Ansicht nach ein großartiger Blödsinn! Aber da sitzt da» arme Kind nun, und der Kopf schwirrt ihm wahrscheinlich jetzt schon In den allgemeinen Unterhaltungstrubel soll sie sich mit meinem Willen noch nicht wagen, doch so ganz allein, na, wenn Sie die Güte haben wollten?" Endlich hatte Doktor Pinner der langen Rede kurzen Sinn ersaßt Er wußte nicht, sollte er sich geschmeichelt oder verletzt fühlen, jedoch die erstere Stinime gewann die Oberhand, al» der Bürgermeister noch hinzufügte: „Sie sind ja nun doch einmal kein gewöhnlicher Gesellschaftsmensch!" Die Ironie dieser Worte war so leise, daß Doktor Pinner sic durchaus nicht heraushörte und mit dem erhebenden Bewußtsein ein sehr ungewöhnlicher Mensch zu sein, wenig später einen Polsterstuhl möglichst nahe neben das von Friedchen benutzte Taburett rollte. Die Frau Bürgermeisterin hatte an diesem Abend den ganzen Glanz ihres Hauses, ihres Leinen« und SilberschrankeS, ihrer wohlgesüllten Börse entfaltet! Und wie großstädtisch sie die Sache einzurichten wußte! Man speiste nicht an einer langen Tafel, wie da» sonst Schönauer Sitte war, sondern in zwei der strah lenden Prunkzimmer waren überreich besetzte BüffitL
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