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Dresdner Journal : 29.11.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-11-29
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188711290
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18871129
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18871129
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-11
- Tag 1887-11-29
-
Monat
1887-11
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 29.11.1887
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N « r >»« « U e d » r r NSui^I. krpsäitäov äs« 0r«lto«r ^ounutl», Or^lieo, 2vin««r»tr»»i« SO. ksraoxrsvN-^LioNIll», Xr. lLSL Ankündigungen für die Weihnachtszeit finden im „Dresdner Zournat" die geeignetste Verbreitung. Hierbei versäumen mir nicht, darauf anfmerksam zn machen, daß aus Anlaß des Weihnachtsfestes Handel- und Gewerd- treibenden bei Ankündigungen mit mehrmaliger Wiederholung au:erordentliche Bergünstiguuge« gemährt werden. Amtlicher Lell. Dresden, 25. November. Se. Majestät der König haben allergnädigst zu genehmigen geruht, daß der Hosopern- und Kammersänger Paul Bulß die von Er. Hoheit dem Herzoge zu Sachsen-Altenburg ihm verliehene Verdienstmedaille für Kunst und Wissen schaft in Gold mit der Krone annehme und trage. Nichtamtlicher Teil. Detegvaphische IlachricHten. Paris, 28. November, abends. (W. T. B.) Clömencrau batte abends eine Unterredung mit Floquet über dessen Absichten bezüglich einer Prä sidentschaftskandidatur und machte hierbei darauf aufmerksam, daß eine Zersplitterung der Stimmen der Radikalen zwischen Kreycinrt und Floquet mißlich wäre. Floquet soll erwidert haben, daß er nicht als Kandidat ausgetreten sei, demnach auch nicht von einer Kandidatur zurücktreten könne, er überlasse seinen Freunden jede Verantwortlichkeit für ihre Haltung. Rom, 28. November. (W. T. B.) Deputierten- kammer. Auf die Interpellationen BongbiS und SaechiS erklärte der Justizminister, alle Prokura- toren seien dahin übercingekommen, daß keine Ver anlassung vorliege, die Zustimmungsschreiben der italienischen Bischöfe an den Papst und die Pe tition der italienischen Katholiken an die Kammer wegen Wiederherstellung der weltlichen Macht deS Papstes gerichtliä, zu verfolgen, übrigens sei in der Petition der ausdrückliche Wunsch wegen Wieder herstellung der weltlichen Macht deü Papstes sorg- fällig vermieden, Cr (der Minister) halte aller dings gewisse an die Bischöfe gerichtete Schreiben für strafbar, allein eine Verfolgung derselben sei inopportun, weil man dadurch die Wünsche auf Hervorrufen eines Aufsehen erregenden Prozesses begünstigen werde. Demnach sei es besser, dieselben der allgemeinen Gleichgiltigkeit anheimfallen zu lassen. Dadurch beweise man, welche große Frei- heit in Italien die Gegner der nationalen Jnsti- tutionen genießen. Die Regierung werde, obgleich sie die Freiheit im allgemeinen Recht anerkennt, eine Verletzung der italienischen Einheit niemals zugeben. London, 28. November. (W. T B ) In der heutigen Sitzung der Zuckerkonferenz, welche von 2 bis 4 Uhr dauerte, hielt der ParlamcntSsekretär deS HandrlamtS, WormS, eine längere Ansprache an die Delegierten. An der hierauf folgenden Generaldebatte nakmen vornehmlich die Delegierten Belgiens und Österreichs teil. Man glaubt, Eng land werde keine Ausgleichszölle Vorschlägen. Belgien ist gegen die Zuckerprämien, während Österreich dieselben billigt. Die nächste Sitzung findet Mittwoch statt. LhomaS Callan aus Massachusetts und Michael HarkinS auS Philadelphia, welche angeklagt find, sich behufs Herbeiführung von Dynamiterplosionen Feuilleton. Konzert Montag, den 28. November, fand im Saale des,Hotel de Saxe" das Konzert des Pianisten Hrn. Johannes Schubert statt, welches durch gütige Unter stützung ausgezeichneter tünstlenfcher Kräfte besonder» interessant und genußreich wurde. Beethovens großes lj-äur-Irio in musikalisch vorzüglicher Ausführung durch die Herren Professor Lauterbach, Konzert meister Grützmacher und den Konzertgeber eröffnete da- Programm. Hr. Lauterbach, welchen der beson ders erfteute Empfang des Publikums überzeugen möchte, wie sehr man sein öfteres Auftreten wünfcht, fpielte die „Air" aus Goldmarks Violinkonzert und Schumanns Abendlied; er entzückte durch bestrickenden Tonzauber und poetische Empfindung und mußte dem allgemeinen Verlangen durch Wiederholung des Abend- liedeS entsprechen. Hr. Grützmacher trug zwei von ihm für Violoncello mit Klavierbegleitung höchst ge schmackvoll und feinsinnig bearbeitete lyrische Stücke (von C. Banck) vor, welche in dieser Umgestaltung und durch die Meisterschaft und Gefühlsinnigkeit seines Spiels großen Beifall fanden. Miß Mary Howe enthusiasmierte das Publikum durch den ganz reizenden Klang ihrer Stimme, namentlich der Kopfstimme, und ihre ungewöhnliche Begabung für Koloratur und besonders für Staccatopaffagen, welche sie mit sicherer Vollendung auSsühtte. Sie sang Variationen von Proch, Lieder von Volkmann und Taubert und als Zugabe das russische Volkslied „Nachtigall", welche» — beiläufig bemerkt — in feiner verschworen zu haben, erschienen heute wiederum vor Gericht. Nach Veinehmung mehrerer Zeugen wurde die weitere Verhandlung auf 8 Tage vertagt. St. Petersburg, 29. November. (Tel. d. Dresdn. Ionin.) Der „RegierungSanzeiger" meldet, daß Se. Majestät der Kaiser die durch Urteil deS Lr. Petersburger Kriegsgerichts wegen rechtzeitig entdeckter ohne Folge gebliebener Empörung gegen die vde ste Gewalt zu ZwanqSarbeit, resp. Deportation verurteilten 13 Landoffiziere und 5 Seekadetteu begnadigt hat, weil dieselben minderjährig sind, durch andere verleitet wurden uud aufrichtige Reue an den Tag gelegt haben. Sämtliche Begnadigte wurden zu gemeinen Soldaten degradiert, unter Einräumung der Möglichkeit nach einer gewissen Frist den OffirierSrang wieder zu erlangen. Eia Scekadelt bleibt noch in Haft. Der russische „Invalide" veröffentlicht die Ein stellung des Obersten Golrnitscheff-Kutusow in dir Suite deS Kaisers von Rußland. Dresden, 29. November. Der Kampf um die Schule in Frankreich. L? Vor den lauten politischen Streitigkeiten der letzten Wochen ist ein wichtiges Gesetz, welchem die französische Kammer am 14. November ihre Zustim mung gab, bislang fast gänzlich unerörtert geblieben. Dieses Gesetz rst bestimmt, der französischen Staats gewalt in dem Kampfe, welchen sie seit nunmehr 8 Jahren mit der Kirche um die Volksschule führt, eine neue gemeingefährliche Waffe in die Hand zu geben. Bekanntlich lag bis zum Jahre 1879 der französische Volksunterricht völlig in den Händen der geistlichen Orden. In jenem Jahre brachte Jules Ferry sein berüchtigtes Schulgesetz ein, dessen Artikel 7 die Lehr- thätigkeit der Ordensbrüder an staatlich unterstützten Schulen von einer Genehmigung der Behörden ab hängig machte. Durch dasselbe Gesetz wurde ferner die allgemeine Schulpflicht und die Unentgeltlichkeit des Unterrichtes bestimmt, sowie endlich die Regelung des Religionsunterrichtes den Gemeinderäten anheim- gestellt. Die letztere Bestimmung hatte zur Folge, daß die zumeist atheistisch gesinnten Behörden der großen Städte und der sonstigen republikanischen Di strikte den Religionsunterricht gänzlich aus der Volks schule verbannten, denn der Atheismus ist, wie be kannt, gegenwärtig die StaatSreligion, dankenswerter Weise wohl zu merken nicht die Volksreligion in Frankreich, und seine Vertreter sind nicht minder un duldsam, als es die Zeloten irgend einer positiven Religionsgesellschaft nur jemals waren. Natürlich ging der Pariser Gemeinderat, wie alle zeit, wenn eS sich um die Verwirklichung radikaler Theorien handelt, mit dem einer besseren Sache wür digen Beispiele eifernd voran. Binnen kurzem war jede Spur deS Christentums in den hauptstädtischen Volksschulen vertilgt, und der geistliche Unterricht hatte schon im Jahre 1880 ein völliges Ende genommen. Während sich im Jahre 1879 von den 339 Gemeinde- schulcn in Paris 144 in den Händen der Ordens brüder befanden, gab es ein Jahr später nur noch 6 Knaben- und 10 Mädchenschulen, die nicht verwelt licht waren. Dieses Resultat konnte bei den gegebenen Verhältnissen für niemand überraschend kommen. Die Ordensschulen waren bislang in annähernd ebendem selben Maße unterstützt worden, wie die Laienschulen, und nun hörten mit einem Schlage alle staatlichen Beiträge auf. Schon dadurch wurden die freien Schulen aus das schwerste bedroht. Aber dazu kam noch die Unentgeltlichkeit des Unterrichtes in den Gemeinde schulen, welche auf den ersten Anblick viel Bestechendes hat und doch von den Ordensbrüdern nicht bewilligt einfachen Gestalt schöner und eine bedeutendere Ge sangsaufgabe ist und durch die neuerdings zum besten der Virtuosität eingelegten Verzierungen seinen natio nalen Charakter völlig einbüßt. Der Konzertgeber endlich spielte mit wohlgelunaenem, lobenswertem Vor trage Variationen eigener Komposition — die erst kürzlich an dieser Stelle als talentvolle und gediegene Komposition Erwähnung fanden — ein Notturno und 6-mc>U Ballade von Chopin. Für letztere war allerdings Auffassung und Gestaltung des Vortrag» verfehlt. Chopin spielte übrigens keineswegs mit heftigen willkürlichen Rückungen im Tempo und Schwankungen der Rhyth mik, diefe sehr verbreitete Annahme ist falsch, wie ich nach eigener Erfahrung auSsprechen kann. Und über haupt ist der Gefühlsausdruck nicht im Wechsel der Bewegung zu suchen, sondern dieser muß vielmehr natürlich und in maßvollsten und sich ausgleichenden Modifikationen aus dem Gefühlsausdruck entspringen. Zum Schluß brachte der Konzertgeber noch Schumanns „Karneval" zum Vortrag, dem ich nicht mehr bei wohnen konnte. Das Konzert war um eine halbe Stunde zu lang. Es sei gebeten, für weitere Konzert- arrangementS die passende Zeitdauer mit Aufmerksam keit inne zu halten. E. B. Frieda. WHihlun, von B. vterrat»». (Fortsetzung.) AuS Frieda« Augen leuchtete süße, stolze Bejahung, aber Walters Lippen sprachen da» erwartete freudige Ja nicht au»! Sie schlossen sich für einen Moment ganz unnatürlich fest, und emporfpringend sagte er werden konnte, weil sie sich damit auch die letzte Ein nahmequelle verstopft hätten. Die natürliche Folge von alledem war, daß die geistlichen Schulen eingingen. Die augenblicklichen Staatsvertreter schienen gewonnenes Spiel zu haben. Zu einer maßvollen Schulreform hatte allerdings der Staat alle Veranlassung gehabt; denn sicherlich ist e» nicht angemessen und m.t den Aufgaben des Staates kaum verträglich, daß die Erziehung breiter Bolksklassen ausschließlich in den Händen des Klerus liege. Die Erfolge, welche die geistlichen Herren mit ihrer erzieherischen Thätigkeit erzielten, waren zudem durchaus keine glänzenden, ihre Lehrkräfte ließen sehe- oft in mancher Beziehung zu wünschen übrig. Es war mithin dringend nötig, daß die Staatsbehörden Einfluß auf die Volksschule gewannen, aber Ferrys Gesetz schoß weit über das Ziel hinaus, es machte nicht nur der kongreganistischen Volksschule, sondern überhaupt der christlichen ein Ende, oder versuchte es wenigstens. Damit war begreiflicher Weise den auf Religion und Glauben hallenden Schichten des fran zösischen Volkes nicht gedient. Es erhob sich eine mächtige Reaition gegen die rein weltlichen Schulen und ungeachtet deS Mangels einer staatlichen Unter stützung, ungeachtet der Schwierigkeiten aller Art, welche man ihnen in den Weg legte, haben sich heute die Schulorden eine gefestigtere nid glänzendere Stellung erobert, als je zuvor. In Paris bestehe» gegenwärtig 246 geistliche oder, wie sie zumeist ge nannt werden, kongreganistische Schulen, mithin 102 mehr, als vor dem Erlaß des Ferryschen Gesetzes. Diese Schulen werden von rund 150 <«00 Kindern be sucht, was gegen das Jahr 1879 einen Zuwachs von 70000 Schülern bedeutet. Dagegen werden die Ge meindeschulen von Semester zu Semester geringer be sucht, ja, über kurz oder lang wird mehr als eine der letzteren wegen Mangels an Zöglingen geschlossen werden müssen, wenn anders das neueste Gesetz keine Änderung der Sachlage im Gefolge hat. Dies sind die Verbältnisie in Paris, wie sie Eugi-ne Rendu in seinem unlängst erschienenen Buche: „8vpt- »us äs I-'snssiSusment librs ä l'uris äs 1880» 1886", anschaulich und wahrheitsgetreu schildert. Bedenkt man, daß die atheistische Geistesrichtung in der Hauptstadt bei weitem mächtiger ist als sonst wo im Lande, so kann man sich leicht vorstcllen, wie es um die staatliche, religionslose Schule in den Provinzen stehcn mag. An der ganzen Sachlage überrascht am meisten, daß die kongreganistischen Schulen auch in den Arbeitervierteln der großen Städte den Kamps mit der religionslosen Schule glänzend bestehen. Nach den Männern zu urteilen, welche diese Arbeiterbevölkerung in das Parlament und in die Gemeinderäte sendet, sollte man meinen, daß sie allem, was nur irgend einen religiösen Beigeschmack habe, als Feind gegenüber stände, und doch vertrauen dieselben Familienväter, welche regelmäßig für die rötesten Kommunarden, für die Vorkämpfer des unverfälschten Bestialismus stim men, fast ebenso regelmäßig ihre Töchter den Nonnen, ihre Knaben den Schulbrüdern zur Erziehung an. Es mag dies zum Teil an dem Einflüsse der Mutter liegen, zum Teil auch muß man es der G-wohnheit beimessen, welcher selbst bei einem so wetterwendischen Volke, wie eS die Franzosen sind, ihre im Laufe der Jahrhunderte erlangte Macht nicht von heute auf morgen zu ent reißen ist. Neben den Hunderten von Volksschulen hat der Klerus auch vier höhere Unterrichtsanstalten in Paris geschaffen: eine Handels- und eine Kunstgewerbeschule, sowie je eine Fakultät für Chemie uud Physik, welche den StaatSschulen einen gefährlichen Wettbewerb bereiten. Aber wer unterhält alle dieft Anstalten? Vom Staate und von der Gemeinde werden sie nut keinem Francs unterstützt, daher sind sie wesentlich auf frei ernst: „Ihre Frage kommt zn guter Stunde, mein Fräulein; sie erinnert mich an ein Versprechen, welches ich heute abend noch einlösen muß, muß! denn ich be mühe mich wirklich, mein Wort als ein Mann allzeit zu halten." Man protestierte gegen den urplötzlichen Aufbruch, man bat, man neckte, nein! Walter Schmidt wollte einmal, „und wenn er will, dann will er," stöhnte sein Vetter, sich in feinen Überrock zwängend. „Sag lieber, wenn er muß, dann muß er," lachte Walter. „WaS sagen Sie mir?" fragte er Vann leife, sich zu Frieda wendend. Er lag ein köstlicher Ernst auf ihrer klaren Stirn. „ES thut mir leid, daß Sie schon gehen, aber eS thäte mir noch viel mehr leid, wenn Sie noch blieben," flüsterte fie, groß zu ihm aufschauend. „Da» wußte ich ja wohl!" und er reichte ihr die Hand zur guten Nacht. Dann verabschiedete er sich ein wenig höflicher und ein wenig eiliger als Karl Reichert von den übrigen Familiengliedern, „der son derbare Mensch!" wie Frau Selma ihn ru nennen beliebte, sobald die HauSthüre in» Schloß gefallen war. „Ebenso gescheit wie sonderbar, und seine Son derbarkeit ist Charakter!" meinte Papa mit auffällig bürgermeisterlicher Betonung. Seine Gattin maß ihn erstaunten Blickes. „Natür lich, natürlich! eine Krähe hackt der andern die Augen nicht auS. Ist ein Mann recht schrullig und eigensinnig, so heißt eS gleich: Hat der aber einen prächtigen Charakter! Und erlaubt sich eine arme Frau nur die geringste Eigentümlichkeit, so schreit Ihr gleich Zeder Mordio über da» launische, eingebildete Ge schöpf! Da» kennen wir, nicht wahr, Wallychen?" willige Beiträge angewiesen. Diese fließen denn auch so reichlich — das bezügliche Pariser Komitee nimmt gegen 2H Millionen FrcS alljährlich ein —, daß Geldsorgen an die Verwalter der freien Schulen kaum herantreten. Außerdem haben auch die Eltern ein monatliches Schulgeld für ihre Kinder zu entrichten. Die Höhe desselben ist nicht festgestellt, man überläßt es den Familien, sich selbst abzuschätzen, und die Armen zahlen gar nichts. Aber nur verschwindend wenige machen von diesem Rechte Gebrauch, bei weitem die Mehrzahl auch der Arbeiterfamilien giebt nach ihren Kräften und über dieselben. Tas Pariser Schul wesen lehrt demnach die bemerkenswerte Thatsache, daß die Unentgeltlichkeit des Unterrichtes selbst von den ärmeren Volksklassen durchaus nicht allzu hoch angeschlagen wird, denn sonst würden sie ihre Kinder in die Gemeindeschulen schicken oder wenigstens den kongreganistischen Kassen das Schulgeld vorenthalten. Größere Sorge, als die Aufbringung der nötigen Geldmittel, bereitet den Leitern der freien Schule die Herbeiziehung geeigneter Lehrkräfte. General Bou langer hat es bekanntlich durchgesetzt, daß auch die Volksschullehrer drei Jahre in der Kaserne zu ver bringen haben, während sie bislang völlig vom Mi litärdienst befreit waren. Wir brauchen nicht erst die Nachteile auszuzählen, welche diese Bestimmung für die Heranbildung eines tüchtigen Lehrerstandes mit sich führt. Auf kongregainstischer Seite hegt man außerdem noch die Befürchtung, daß die jungen Leute, welche in den geistlichen Seminaren, und zumeist un entgeltlich, ausgebildet wurden nach Absolvierung ihrer Mllitärzeit einen anderen Beruf als den schweren des Volksschullehnrs ergreifen könnten. Um diesem vor- zubengen, hat der Lerwaltungsrat der freien Schulen beschlossen, fernerhin nicht mehr auf der Ehelosigkeit der Lehrer zu bestehen. Diese und andere Maßregeln mehr dürften voraussichtlich ihren Zweck erfüllen und das kongreganistische Schulwesen trotz der Mißgunst der Staatsgewalt immer fester sich bewurzeln lassen. Eine solche Aussicht ist begreiflicherweise für die bis herige republikanische Regierung sehr unerfreulich, und es sind daher im Lause der letzten Jahre mehrfache Versuche gemacht worden, die Laienschule in ihrem Kampfe gegen die geistliche zu kräftigen. Diefem Zw-cke dient ein Gesetz vom April des vorigen Jahre», durch welches jede Unterstützung der kongreganistischen Schulen, wie sie bis dahin noch zahreiche Dörfer auf Gemeindekosten bewilligt hatten, untersagt wurde. In derselben Absicht auch wurde von Hrn. Spuller der neueste Gesetzentwurf ausgearbeitet. Er gewährt den Volksschullehrern vor allem beträchtliche Gehalts erhöhungen, aber, wohlgemerkt, nur denen unter ihnen, welche ihre Ausbildung auf den staatlichen Seminaren empfangen haben. Es wirken nämlich an den Laien schulen, da die staatlichen Seminare bei weitem nicht die notwendige Zahl an Lehrkräften aus- bilden, gegenwärtig noch eine sehr beträchtliche Menge von Schulbrüdern und vor allem Schul- schwcstern; diesen allen kommen die Wohlthaten deS neuen Gesetzes nicht zu gute. Durch dieses Vorgehen hofft der Staat den Kongreganisten für die Zukunft alle besseren Kräfte zu entführen und seinen eignen Seminaren die nötige Schülerzahl zu sichern. Wir zweiseln, daß ihm der Erfolg recht geben wird. Der christliche Gedanke ist im guten Kerne des französischen Volkes so mächtig und mit der Forderung einer Volksschule christlichen Charakters so unauflösbar ver knüpft, daß die staatlichen Unterrichtsanstalten, solange fie auf das religiöse Bedürfnis des Volkes kerne Rück sicht nehmen, gegen die kongreganistischen Schulen einen schweren Stand haben werden: Sicherlich würde das kongreganistische Unterrichtswesen auch in Frank reich bald verschwinden, wenn man nicht die Eltern in die Zwangslage versetzt hätte, bei der Wahl zwi- „Ach was, ich weiß nicht. Du predigst 'mal wieder, Mama!" fuhr die junge Schönheit höchst un gnädig auf. „Aber Wally! Fehlt Dir etwas, lieber Herz?" „Ja, ich habe Kopfweh, gute Nacht!" Und die Thüre hinter sich zuwerfend rauschte sie davon. „O, das arme Kind! Was stehst Du da wieder und starrst ins Blaue, Frieda? Du thätest doch ge wiß nicht zu viel daran, wenn Du Dich ein wenig um Wally kümmertest!" So kümmerte sich Frieda denn um Wally, half ihr beim Auskleiden und saß noch zwei Stunden lang an ihrem Bett, ihr, die erklärte, vor Kopfweh nicht einschlafen zu können, auf ihren Wunsch eine Novelle von der Marlitt vorlesend. Währenddessen befand sich Walter Schmidt im Studierzinimer seines Onkels. Der alte Herr war schon zur Ruhe,gegangen und hatte dem Neffen sein Schreibpult eingeräumt. Allein vorläufig schrieb dieser keineswegs, und wenn Frieda v. Alten ihn hätte sehen können, so würde sie wohl zu der enttäuschenden Ansicht gekommen sein, daß die Lösung des Versprechens, welche ihn so plötzlich sortgetrieben hatte, in dem möglichst schnellen Verpuffen einiger Pfeifenköpfe voll Tabak bestehe. Denn dampfend wie eine Lokomotive ging Schmidt mit großen Schritten im Zimmer auf und ab, blieb bald hier, bald dort scheinbar zweck- und ziellos stehen und murmelte ab gerissene Worte und Sätze, wie: „Da« liebe Kind! wunderbar! Wozu denn aber eigentlich? Unnütze Quälerei l" Auf einmal aber nahm er die Pfeife aus de» Munde und stellte sie in die Ecke neben de» Onkel»
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