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Dresdner Journal : 21.11.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-11-21
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188711210
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18871121
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18871121
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-11
- Tag 1887-11-21
-
Monat
1887-11
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 21.11.1887
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I.I / Loret <» Oo U « r » u » L s d » r r LrpvUittov 6s« Vr««iavr ^ovriuU», vrssäsL, iiMiosssrstr»»«« LO. k«ri»«pr»ok-^o»vlUa», Ur. 1»SS. Amtlicher Teil. Aekanntmachung. Mit Bezugnahme auf die in Nr 42 des Reichs- Gesetzblattes verkündete Kaiserliche Verordnung vom 3l. v. MtS., durch welche der Reichstag berufen ist, am 24. d. Mts. in Berlin zusammen zu treten, wird hierdurch bekannt gemacht, daß die Eröffnung des Reichstags an diesem Tage um 12 Uhr Mittags im Weißen Saale des Königlichen Schlosses stattfinden wird. Zuvor wird ein Gottesdienst und zwar, für die Mitglieder der evangelischen Kirche im Dom um 11 Uhr Vormittags, für die Mitglieder der katholischen Kirche in der St Hedwigskirche um 11H Uhr Vormittags abgehalten werden. Die wetteren Mittheilungen über die Eröffnungs- Sitzung erfolgen in dem Bureau des Reichstags, Leipzigerstraße Nr. 4, am 23. d. MtS. in den Stun den von 9 Uhr Morgens bis 8 Uhr Abends und am 24. d. Mrs. Vormittags von 8 Uhr ab. In diesem Bureau werden auch die Legitimations karten für die Eröffnungs-Sitzung und die Einlaß karten für die Zuschauer ausgegeben, auch alle sonst erforderlichen Mittheilungen gemacht werden. Berlin, den 20. November 1887. Dec Stellvertreter des Reichskanzlers, v. Boetticher. nichtamtlicher Teil. SelegraphiscHe WacHrictzLen. Paris, 2V. November, abends. (W. T. B.) Präsident Gr6vy ließ am Abend Clemenceau er suchen, morgen vormittag zu einer Konferenz ins Elysse zu kommen. St. Petersburg, 21. November. (Tel. d. DreSdn. Jvurn.) Die russische Kaiserfamilie ist gestern Nachmittag in Gatschina eingrtroffen. Dresden, 21. November. Zum Sturze des französischen Kabinetts. DaS französische Ministerium ist also zum Rück tritt gezwungen worden, gezwungen im vollsten Sinne der Wortes. Beklagenswert ist der Schatten, der schwarze und verhängnisvolle Schatten, welcher da durch auf die französischen Politiker aller Parteien, ja auf die französische Nation überhaupt gefallen ist. DaS klmgt hart, doch nur im ersten Augenblicke, bis man erwägt, welchen fördernden oder hemmenden Ein fluß bei guten oder schlimmen Agitationen und Be wegungen die öffentliche Meinung in jedem gebildeten Lande auSübt. Es stehen ihr dazu Hunderte von Wegen offen, und zunächst ist die Presse ihr Echo, ja ihr Sprachrohr, mit der sie anfeuern oder vermitteln kann. Aber der Urteilseinfluß eines solchen zivilisatorischen Waltens ist in Frankreich längst dahin. Er wurde auf gelöst durch den Geist der unbefriedigten Unruhe, welcher das Getriebe der unlauteren Stellenspekulanten, der albernen Dahingabe an die Revanchegelüste und der chauvinistischen Träumereien, die fortwährend das Friedensgesühl und die praktische verständnisvolle Auf fassung des Mittelstandes irritierten und bekämpften. Und dieses Gift fand einen leider vorbereiteten Orga nismus, um desto leichter und stärker zu wirken. Ist doch der große an Zahl und vernüftiger Einsicht dort so mächtige Mittelstand Frankreichs tief erkrankt; es ist eine schwere Krankheit, die ihn befallen hat: Die Hoff nungslosigkeit, das gerechte Mißtrauen gegen jene, welche die Gegenwart des Staates lenken und die Zukunft desselben vorbereiten sollen Frankreich er scheint zukunft-los, was Wunder, daß seine besten Bürger mit diesem Glauben auch ihre Stimme, ihre Teilnahme für das große Ganze verloren haben. Unterstützt von der immer steigenden Zentralisation der nach Paris verlegten Herrschaft und Herrschsucht war es den Rädelsführern der Politik leicht, die Provinzen zu entmannen und die Massen der Bürger zu einer Herde zu machen, welche von ihren Hirten nicht nur getrieben wohin es ihnen beliebt, nein viel schlimmer noch, an die Tyrannei der babylonischen Willkür verkauft wurden. Und diese Hirten, diese Staatslenker selbst l Wie steht es mit ihrer Einigkeit mit ihrem Treiben? Schwebt ihnen in der allgemeinen Dunkelheit, darinnen die Nation dahinwandelt, der lichte Stern irgend eines bestimmten Zieles vor? Mit nichten! Die Ziele sind vielgestaltig einander widerstrebend wie die Köpfe der Hydra. Nur in Einem sind sie teuflisch einig: in dem unglückseligen Prinzip, den Hader und den Krieg aller gegen alle, die unaufhörliche Niederreißung kaum gewonnener Grundlagen, die Befriedigung persönlicher Neigungen und Feindschaften zum Ausgangspunkt aller Dinge, zum Selbstzweck ihres sogenannten Regierens zu machen. Welch ungeheure Ironie: auflösen mit ausbauen zu verwechseln, nationale Kraft und Würde dadurch befestigen zu wollen, daß man sich herüber und hinüber in fortwährendem Kreuzfeuer gegenseitig selbst beschießt und blokiert, daß man Achtung und Vertrauen von außen, Treue und Hingebung von innen dadurch zu steigern wähnt, indem man eben dieser eigenen Kraft, die doch nur in Einheit ihre Nahrung findet, ein immer neues Mißtrauensvotum entgegenwirft. Das Bild der Penelope, die jede Nacht da- Ge webe ihres Brautgewanöes wieder auftrennte, ist zu poetisch für dieses pflichtvergessene Treiben und doch sehen wir da- arme Frankreich am Webstuhl der Zeit gerade bei dieser Arbeit beschäftigt. Leider nur wird demselben kein Odysseus kommen, die Mühen der Ver zögerung zu segnen und die freche Schar der Freier aus den Hallen ^u treiben. Das würde, m den kläglichen modernen Fall über setzt, einen starken König oder einen neuen Präsidenten bedeuten. Wer aber Umschau hält auf der Bildfläche der für Frankreich so nahe bevorstehenden tubul» rus», der wird für den ersteren keine Persönlichkeit finden und zugleich einsehen, daß der zweite nicht gewünscht, nicht gesucht werden darf, ohne Frankreich in die größte aller Gefahren zu stürzen. Er ist die Gefakr der Anarchie, die lange schon maskiert, von diesem Augenblicke an aber mit offenem Visier durch die Schranken schreitet. Man darf wohl annehmen, daß der alte Präsident Grevy ähnliche Erörterungen angestellt hat, bevor er zu der Aussprache des festen Entschlusse- anlangte, nicht freiwillig zu demissionieren. E» kann nicht bloß Ehrgeiz und des Lebens freundliche Gewohnheit sein, diesen verwegenen Entschluß zu fassen. Im Gegenteil liegen schon lange und liegen be sonders jetzt die Verhältnisse in Frankreich so, daß e» für jeden schwer exponierten Mann -um Wonnegefühl werden müßte, demissionieren zu dürfen. Wer satt zu essen und ein stilles, friedliches Winkelchen alt Zu flucht hat, wird überall da eine Rosenlaube finden, wo er fern und unberührt von den Kotwürfen der Partei, von der ewigen Tagesparole, die mit kreischen der Stimme das gehässige, gemeine Wort Skandal ausruft, in Ruhe leben und sterben kann. Die Sachlage ringsumher ist eine so verzweifelte, der öffentliche Anstand und die Regierung-ordnung so aus allen Fugen gerissen, daß ein Präsident als Staatslenker, was er auch könne, wie er auch heißen mag. nur noch weniges zu versuchen und eigentlich gar nichts mehr zu hoffen vermag. Doch Eines ist es, das Grvvy noch zu versuchen willens ist, rr will mit letzter Macht, vorausgesetzt, daß ihn die Parteien nicht geistig meucheln, Sorge tragen, daß der Anker des StaatsschiffeS nicht mitten in Sturm und Brandung gelichtet, und das hilflose Fahrzeug ein Opfer der Wogen werde. Er betrachtet das Jnnehalten der Herrschaft-Periode eine» Präsidenten als diesen SicherheitSanker, als diesen einzigen Festigkeit und Rettung gebenden Halt gegen die aufgewühlte Flut der Parteien Nur wenn ihm diese seinen Vorsatz nicht zerstört, wenn eS seinen Mühen gelingt, ein neue» Kabinett zu bilden, dann ist die Möglichkeit vorhanden, die sonst unwiederbringlich verlorenen min destens weit zurückgeschleuderten Beschlüsse der letzten Kammer- und Parlamentsthätigkeit zu retten Dahin gehört, um nur Eins zu erwähnen, das Notdach, welches man durch die Konvertierung der Rente über die empfindlichste Blöße Frankreichs, über die finan zielle Notlage zu erbauen beschlossen hat. Werden durch eine von Grund aus zu errichtende neue Regierung diese und andere wichtige Maßregeln gestört, so dürfte das daraus entspringende Unheil jenem eine- durch eine andere Präsidentschaft möglich werdenden mutwilligen Krieges nahe verwandt sein. Frankreich oder man sollte statt dieser Flagge, welche die Ladung decken muß, lieber sagen, die Willkür der Regierungsparteien hat nicht die mindeste Ursacke die gegenwärtigen Verhältnisse so unerträglich zu finden, daß man sie schleunigst zu ändern versucht. Was man angeblich so niederdrückend findet, hat man alles selbst und eigenhändig geschaffen. Mit wichtigen und nötigen Erwägungen für das Wohl des Vaterlandes beschäftigt, empfand man den dringendsten Wunsch nach Abwechs lung, nach Unruhe, nach tödlicher Nervenerregung. Man sehnte sich nach Überraschungen, mit einem Wort nach dem Moorbade der Sensation, diesem kläglichen Heilmittel für schwächliche Seelen. Man hat es in Anwendung gebracht. Der alte Sumpf der Sünden, der immer und überall da ist, wurde freigelegt, die Enquetekommission wurde gewählt, welche die Bade meister zu liefern hat und schwarz und scheußlich sieht nun jeder aus, der hineintauchte in den Morast oder hineingestürzt wurde; es hat sich niemand zu beklagen, am wenigsten die, welche nicht schwärzer geworden sind als sie schon vorher waren. Unterhielt sich doch anfang» da» halbe Frankreich ganz vortrefflich bei diesem abscheulichen Schauspiel, die Unbefangenen fanden eS harmlos, allerliebst, ja außerordentlich löblich und gerecht, das Verbrechen bestraft zu sehen, die Jntri- guanten benutzten die Gelegenheit zu ihren Zwecken, plät scherten 'n dem Schlamm herum und suchten cs so zu fügen, daß ihre Gegner reich bespritzt von dannen gingen. Nach und nach hat man allerdings das Bedenkliche dieses Skandaltreibens eingesehen. Doch e» war zu spät das Auto da fe des Schmutzes wegzuräumen. Da kam Rat über Nacht. Eine kühne Wendung, und die Feinde des Vaterlandes, die Gegner der Republik, die Widersacher der zur Zeit herrschen den Staatsgewalten beschlossen die Wegräumung der letzten organisch festbegründeten StaatSbaude: den Sturz des Kabinetts, die moralische Gravierung Gr^vyS al- Handhaben zur völligen Zerstörung der Fundamente, zum Sturz der Präsidentschaft vor Ab lauf der gesetzlichen Zeit. So ist die Sachlage bis zum heutigen Tage. Man wird das El des Columbus auch diesmal nicht aufstellen können ohne die Schale zu zerschlagen. Diesmal ist dieselbe der französische Staatsbau. Wir haben ruhig abzuwartcn, wa» in Nesen ewigen politischen Knöchelspiel von unlöslichen Fragen und verzweifelten Antworten für ein Wurf fallen wird. Die Göttin der Geschichte hat lange schon die bitterste Veranlassung, den selbstgeschaffenen Schicksalen Frankreich gegenüber ihr Antlitz trauernd zu verhüllen. Tagesgeschichte. Dresden. 2l. November. Das heute hier ein- getroffene 44. Stück des ReichS-GeietzblatteS vom Jahre 1887 enthält lediglich: Nr. 17bb) Verordnung vom 13. November d. I., die Formen deS Verfahrens und den Geschäftsgang des Reichs-Bersicherungsamtes, sowie das Verfahren vor den auf Grund der Gesetze vom 5. Mai 1886 und vom 13. Juli 1887 errichteten Schiedsgerichten betreffend * Berlin, 20. November. Das Befinden Sr. Majestät des Kaisers ist trotz der Anstrengungen der letzten Tage ein vortreffliches und gestattet dem Monarchen, sich in gewohnter Weise den RegierungS- geschäftcn zu widmen. Gestern morgen hatte der russische Botschafter Graf Schuwaloff die Ehre des Empfanges, um seinen Dank für die Verleihung des Schwarzen Adlerordens abzustatten. Die Nachmtttag- und Abendstunden brachte Se. Majestät in seinem Ar beitszimmer zu. Nach einer ziemlich gut verbrachten Stacht nahm der erlauchte Monarch heute mittag den Bortrag des Grafen Perponcher entgegen und empfing dann den Staatsminister v. Boetticher gleichfalls zu längerem Vortrage. Später konferierte Se. Majestät der Kaiser dann noch längere Zeit mit dem Reichs kanzler Fürsten Bismarck. Das Diner nahm Se. Ma jestät heute allein ein. Wie aus Coblenz gemeldet wird, dürfte Ihre Majestät die Kaiserin voraussichtlich in den letzten Tagen des Monats November von dort mit ihrer Be gleitung nach Berlin zurückkehren, um im Königl. Palais ihren Winteraufenthalt zu nehmen. über das Befinden Sr. Kaiser!, uud Königl. Hoheit des Kronprinzen liegen Meldungen nicht vor. Der Assistenzarzt des Prof. v. Bergmann, vr. Bramann, von dessen Berufung nach San Remo wir bereit berichteten, ist daselbst angekommen. Jngleichen wird die erfolgte Ankunft des Prinzen Heinrich aus Sau Remo berichtet. — In der „Berliner klinischen Wochen schrift" hat l)r. Mackenzie einen Bericht über den Ver lauf der Krankheit des Kronprinzen, so lange derselbe sich in seiner ausschließlichen Behandlung befand, ver öffentlicht. Die „Nat. Ztg." — in deren Sinne sich auch andere Blätter äußern — bemerkt zu diesem Bericht folgendes: „Während die Einzelheiten des Mackenzieschen Berichtes nur für Ärzte verständlich sind, erhellen aus demselben zwei Thatsachen, welche für das Urteil des Publikums maßgebend sein dürften: erstens, daß vr. Mackenzie im November das Vor handensein des Krebses anerkannt, den die Berliner ärztlichen Autoritäten im Mai festgestellt hatten; zweitens, daß im Verlaut der Mackenzieschen Behand lung wiederholt Erscheinungen auftraten, welche ihn nach dem im Frühjahr gegebenem Versprechen, ja so gar ohne ein solches, hätten veranlassen müssen, die beteiligten Berliner Arzte zu benachrichtigen." Ihre Königl. Hoheiten der Prinz und die Prin zessin Wilhelm sind nach dem Marmorpalais bei Potsdam zurückgekehrt. Dem Vernehmen nach wird der Prinz Wilhelm mit seiner gesamten Familie und seinem gesamten Hofstaate in der allernächsten Zeit von Potsdam nach Berlin übersiedeln und seine Wohnung, zunächst für den Winter, im hiesigen Königl. Schlosse nehmen. Unter Vorsitz des Reichskanzlers, Ministerpräsi denten Fürsten Bismarck fand gestern nachmittag eine vertrauliche Besprechung des preußischen StaatsministeriumS statt. Der Bundesrat dürfte in seiner gestrigen Sitzung den Rest der SpezialetatS erledigt haben. Der ihm Feuilleton. Frieda. Erzählung von B. Mercator. (Fortsetzung.) „Warum ist Ihnen das denn so betrüblich?" „O, ich meinte nur, — Wally sagt, den kleinen Lehrerinnen tanzten die Kinder immer nur so auf der Nase herum. „Nun, hoffentlich kommst Du niemals in die Lage, die Wahrheit dieser Behauptung auszuprobieren, Du — — gnädiges Fräulein!" Mit einem komischen Ruck brachte er die Titulatur hervor, und kopfschüttelnd, als ob er Frieda und sich selbst auslachen möchte, betrachtete er die zierliche, vom dunkelblauen Regenmantel knapp umschlossene Mädchengestalt Lächelnd hörte er den leisen Ab- schiedSgruß an Lenchen und die mütterliche Vermah nung: „Nicht wahr, nächstens legst Du die Düten allemal in den Korb und faßt keine mehr so ganz unten an?!" Als Frieda dann wieder mit dem eignen, fragend weichen Blick die Wimpern hob, ergriff er unwillkürlich ihre Hand auf» neue und sagte schnell: „Du brauchst mich nicht so traurig anzusehen! Ich bin doch im Grunde von Herzen froh, daß Du bist, wie Du bist, Friedel!" Sie antwortete nicht; oder - war der feuchte Schimmer ihrer blauen Augen doch eine Antwort? Bon manchem neugierigen Blicke verfolgt, gingen die ehemaligen Spielkameraden nun auch schweigend nebeneinander durch mehrere Schönauer Gäßchen. Als sie dann die lange Hauptstraße betraten, an welcher das Bürgermeister Hau» sich befand, fragte Frieda: „Wie sagen die anderen, — Herr Doktor, oder Herr Assessor?" „Sag Du Doktor, da» ist mir lieber, — gnädige» Fräulein!" Wieder ein Ruck. „Wissen Sie was, gnädige» Fräulein? ich gehe jetzt gleich mit herein, und wir üben un» den ganzen Abend in unserer neuen Würde, ich bin ja ohnedies für nachher eingeladen." „Aber das ist jetzt nicht mehr, wie wenn Sie früher mit Direktors Karl zu Pfiaumenkuchen kamen", meinte Friedchen befangen in dem Gedanken an Wally- unerledigte Toilettenfrage. „Ah so, ich vergaß! Man bemüht sich bei Euch, den letzten Rest Schönauer Gemütlichkeit durch groß- artige Empsang-anstalten zu vertreiben. Ich verstehe! Thut mir in der Seele leid, gnädige» Fräulein. Aber da bin ich allerdings vor der osfiziellen Stunde und mit bestaubten Stiefeln höchst überflüssig und anstoß erregend. DaS heißt — loS werden Sie mich noch nicht! Ich darf Sie doch bi» zur HauSthüre be- gleiten?" „Warum nicht?" Ja, warum nicht? Und er that e- einfach, und fing unterwegs an, dem gnädigen Fräulein zu er zählen von den langen fünf Jahren, die verflossen waren, seit sie zum letzten Male so nebeneinander her- gegangen seien; und sie fing an, ihm zu beschreiben, was ihr diese lange Zeit gebracht und genommen hatte, allein beide machten eben nur einen Anfang, und als sich sich vor dem v. Altenschen Hause die Hände gaben, hieß eS: „Nun freue ich mich aber auf heute abend, gnädiges Fräulein!" „Und ich auch — Herr Doktor!" Der Abend kam; und vor der Gesellschaftsstunde kam denn auch noch da- so sehnlichst erwartete Kostüm. ,,Wa» lange währt, wird endlich gut!" sagte Frau Selma triumphierend und beleuchte den in schweren Falten von Wallys prächtiger Figur herabfließenden weinroten Atla-stoff noch einmal von allen Seiten. „Wenn Du mir nur die Rosen vernünftig fest stecktest, Frieda! Aber Du bist heute mal wieder greulich ungeschickt", fuhr Wally, mit dem Fuße stampfend, auf. Frieda befestigte die Rosen zum vier ten Male und — sah sie im nächsten Augenblick auf dem Teppich liegen; denn Wally hatte plötzlich ent deckt, daß nicht nur ihr Kopfschmuck, sondern auch ihre Frisur „einfach schauderös" sei. Als diesem Übel mit vieler Mühe endlich abgeholfen war, fehlte ein Arm band, welche» Frieda in ihrer grenzenlosen Vergeß- lichk'it nicht vom Goldarbeiter geholt hatte. ES ge schah ihr schon recht, daß Frau Selma ihr nun zur Strafe diktierte, selbst anS andere Stadtende zu gehen! WaS lag daran, daß sie atemlos eben vor Ankunft der ersten Gäste wieder nach Hause kam und ,n flie gender Hast da- „alte Graue' mit dem „verschlossenen Blauen" vertauschen mußte? Höchst unangebracht fand Frau Selma die weißen Veilchen, die sich so duftig in die goldnen Haarwellen schmiegten und so selbstverständlich an Gürtel und Hal» hervorlugten. „Die Mühe hättest Du Dir sparen können, wer sieht denn wohl nach Dir?" Einer aber sah heute abend doch rach ihr, al» sie endlich, leider erst im Moment der allgemeinen Völker wanderung zum Speisesaal auftauchte! Allein um eine ganze Zimmerlänge blieb diesem einen die lichte verkörperte Erinnerung seiner Gymnasiasten- und Stu dentenzeit entrückt, denn Wally v. Alten, sowie die schöne (verlobte!) Tochter deS Seminardirektors waren Assessor Schmidts Nachbarinnen, und die kleine Frieda saß am untersten Ende der langen Tafel zwischen einem tauben Oberförster nnd einem leeren Stuhle. Dann und wann grüßte sie ein Blick ihres früheren Spielgefährten, und das war jedesmal ein Helles, glückliches Aufleuchten! Frieda hatte ihren Anteil von Freude für den Abend eingeheimst, sie war zu frieden, sie war dankbar. Walter Schmidt hingegen schien seine Ansprüche höher gespannt zu haben, denn er war — dumme» Zeug! wußte er sich doch selbst nicht recht zu sagen warum, — aber: er war einfach verdrießlich! Gut nur, daß Wally die Kosten der Unterhaltung so groß mütig fast allein trug! Aber auch ihr fiel am Ende die sichtliche Zerstreuung des Assessors auf. „Wo haben Sic nur Ihre Gedanken?" fragte sie schnippisch, seiner Hand mit der Menükarte einen leisen Schlag versetzend. Er fuhr zusammen, und seine breite Stirn färbte sich dunkler. „Am rechten Ort", erwiderte er etwas gezwungen lächelnd, „nämlich hier im Zimmer. War da- nicht früher eine Zeit lang Kinderzimmer?" „Wird wohl so sem; das ist aber schon lange her." „Ja, ich glaube, ich war eben auf Untersekunda.
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