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Dresdner Journal : 14.10.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-10-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188710149
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18871014
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18871014
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-10
- Tag 1887-10-14
-
Monat
1887-10
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 14.10.1887
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Dich net an ihn und laß' ihn seine eigenen Wege geh'n, das iS das Gescheidteste, was Du thun kannst." (Fortsetzung folgt.) Nefidrnztheater. Das neue Stück von E. Henle „Der Erbonkel* ist im Vergleich zu dem früheren Lustspiel „Durch die Intendanz" in sehr schwacher Stunde geschaffen oder vielmehr fabriziert. Es ge hört zu jenen Tagesarbeiten, die einen Dialog ent halten, von dem niemand fagen kann, wo und in welchen Gesellschaftsschichten derselbe gesprochen wird. Namentlich gilt d»eS von dem Tone, den die Ve»- fasser und Verfasserinnen ganz ohne Bedenken von jungen Mädchen auf der Bühne anschlagen lassen. ES geschieht ihnen auch deshalb nichts, gewöhnlich machen sie noch gute Partien und geben dem jugend lichen Publikum ein lehrreiches Beispiel, auf welche Weife man ein Glück machen könne. Wie in der guten Gesell chaft, so pflegte man früher auch m der Litteratur und Kunst nicht bloß das Unsittliche, ondern auch das Uberdreiste, Takt lose und somit Unanständige vorsichtig zu vermeiden. Jetzt wird es nur zu häufig als das Übliche, Selbst verständliche hingestellt und man wünscht, daß es aller liebst und interessant gefunden werde. Es ist der Pfeffer für grobe Zungen. Die Zuschauer haben Ge legenheit, sich solch« Eindrücke im „Erbonkel* vielfach zuiammenzusuchen. Sie sind im ärmlichen und oft recht geschmacklosen Dialog des Stückes reichlich aus- aestreut und erscheinen immer dann sofort, fobald der Autor in den wechselnden Scenen den mannbaren Backfisch wieder auftreten läßt, welcher die Hauptrolle pielt und unerträglich gezeichnet ist. deren: „um di« Verletzung tu Berlin rückgängig machen zu laste,." Erster«» wäre möglich und ist oreLeichl nicht ohne Au-fichl aus Erfolg versucht worden, die letztere Version beruh, »edoch auf der irrigen, allerdings selbst in hiesigen gebildeten Kreisen noch vertretenen Austastung, als ob in Berlin eine In- stanz für Elsab-Lothnngeu bestehe, welche über derartige Ver- aUuu^suttüelrgeichtUen zu bestnden habe. E» mochte am Blatz« sriu, einmal au-zujprecheo, daß iu dirf«n Dingen dir ^nlderiegirruna von Elsaß-Lothringen genau so selbständig da- steht und verfährt, wie die Regierung irgend eine» andern deutschen Lande-, und daß es eine in di« «statz-lothringische Verwaltung korrigierend eingreifende Instanz in Berlin nicht aiedt. Die Stellung, welche in dieser Beziehung früher der Reichs«»»-!«! im ehemaligen Reichskanzleramt für Eljaß- Lothringen und im Reich-jupizamt einnahm, ist durch da« Brr fastungSgesetz vom 4 Juli l87v aus den Statthafter über» gegangen, welcher diese Befugnisse de« Neich-kanzler« ausübt, und Angelegenheit«" Lstatz Lothringens werden hier in Berlin nur verwaltet, soweit das Restart de« Auswärtigen Amtes und das Kriegsministerium dabei in Frage lammen Die gesammie übrige Verwaltung liegt in oberster Instanz, soweit nicht Se Majestät der Kaster zu befinden Hal, in Stratzburg. Der Zusammenhang der Landesverwaltung mit dem Reiche ist ge wahrt erstlich dadurch, daß der Kaiser die Landeshoheit ausübt, zweitens, datz der Reichskanzler die Ernennung des Statthal ter» gegenzeichnet, also bei derielben mitwirkt, drittens durch die Zustimmung, welche der Reichskanzler zu allen an den Bundesrat zu bringenden Gesetzesvorlagen auSzujprechrn hat, sowie durch die Mitwirkung des letzteren bei der Gesetzgebung. Es wäre recht wünschenswert, datz man sich dieses Ver hältnis überall im Lande klar mache. ES würden damit Manchem Schritte, Schreiben und Reisen, um eine in Berlin nicht vorhandene Beschwerdeinstanz auszusuchen, erspart bleiben." Bou der elfäfsifchen Grenze wird der „Köln. Ztg." gemeldet, daß es auch bis heute dem in den Klein- fchen Spionenprozeß verwickelten Polizeikvmmiffar noch nicht eingefullen ist, an seinen Bestimmungsort Toul, wohin er durch Dekret des Präsidenten Grävy vom 29. Mai d I. versetzt fein soll, abzugehen. Gerber setze sein sauberes Spionenhandwerk nach wie vor fort, und zwar jetzt von Nancy aus, wo er der Präfektur als Spezialkommissar attachiert sei. Auch Schnäbele o«u. wirke in der früheren Weise weiter; schon die Anstellung des letzteren an der „äools xroK-ssiausUe I'Lst" in Nancy sei einfacher Schwindel. Zunächst stellt das Blatt sest, daß die Schule zwar städtisch ist, aber vom Staate bedeutend unterstützt wird, so daß die französische Regierung sich nicht gut werde hinter die angeblich „freie Schule" verstecken können. So dann bewege sich Schnäbele immer noch so oft an der deutschen Grenze, daß eS doch wichtige Geschäfte sein müßten, derentwegen er sich der Gefahr aussetze, in neue unangenehme Beziehungen zu den deutschen Be hörden zu gelangen. Endlich mache man in Paris gar kein Hehl daraus, daß Schnäbele noch weiter Spionenagent ist, wie man aus Äußerungen hoher Beamter schließen könne, die in offenen Salons ge fallen seien. Eine der wunderlichsten oratorischen Leistungen und dreistesten Fälschungen zeitgeschichtlicher Thatsachen, die je ein fortschrittlicher Politiker zum Besten gab, hat letzthin l)r. Alexander Meyer in einer freisinni- aen Wählerversammlung in Sagan zu Tage ge fördert. Die „Kons. Korr." schreibt darüber folgendes: „Nach Hrn. Meyers Ansicht ist da- Deutfch« Reich direkt rin Produkt der Thätigkeit und der Begeisterung der alten preutzisch«n FortfchrittSpartei (l), während die Konservativen für die Einheit unsere- vaterlande- stets nur stumpfe» Spott (!) gehabt haben; denn, so führt Hr Meyer weiter au», erst die andauernde Begeisterung der liberalen Partei hat e» dahin gebracht, datz ein kraftvoller genialer Mann aus der Mitte der Gegner sich die sortfchrittlichen Ideen aneignete, und nachdem dann endlich die deutsch« Einheit geschaffen wor- drn, hat die freisinnige Partei da- Iubelgeschrei denen übrr- lasfeu, die nicht- (!) zu ihrer Verwirklichung belgetragen haben „Staaten aber", so sagt Hr Meyer endlich, „werden nur mit deiiiemge» Mitteln erhalten, mit denen sie geschaffen sind, und da da- deutsche Reich geschaffen wurde durch den Triumph des fortschrittlichen Gedanken-, so kann eS auch nur durch diesen er halten werden" Also die freisinnige Partei hat Deutschlands Einheit ge schaffen, und Fürst Bismarck ist nur das aussührende Werkzeug sorychrittllcher Ideen aewefen, so lautete die letzte Entdeckung de» Hrn. Alexander Meyer. Nun scheint uns Fürst Bismarck doch aber auch ein einigermaßen mit Hrn. Meyer gleichwertiger Kenner unserer Zeitgeschichte zu fein, und eS ist so lange noch nicht her, vas, der Reichskanzler in dns-illicher Parlamentssitzung, von unseren Liberalen unwiderlegt, diesen zugerufen hat: „Alles, was Deutfchland groß und stark gemacht hat, ist stet- von der Fortschrittspartei bekämpft worden" Au- der endlosen Blumen lese, die wir aus den ebenso endlosen Reden unserer fortschritt lichen, »lm» freisinnigen Parlamentarier al- Illustration des obigen Ausspruches des Reichskanzlers ansühren könnten, mögen nur drei Eitate hier Platz finden Prof. Virchow hat seinerzeit die Politik de- Ministerpräsidenten v. Bismarck als eine durch aus verfehlte bezeichnet; die Fortschrittspartei schrieb ungefähr »u derselben Zett aus ihr Banner: „Dem Ministerium Bismarck keinen Broschen", und Schulze-Delitzsch äußerte damals, „man müsse Preußen den Großmachtskitzel auStreiben." Da» Jubelgeschrei ferner will unsere Fortschritt-Partei dann denen überlassen haben, die nichts für die deutsche Einheit gethan hätten. Hier kann in erster Linie doch nur an die Armee gedacht werdeu, die allerdings ihren glorreichen Führern zuaejubelt hat; sodann an diejenigen, welche, wie jedermann weiß, nicht nur ohne Mitthun der preußischen Fortschrittspartei, sondern direkt gegen deren Willen und Votum eben dies» Armee schaffen halsen und die Vertreter der Krone unterstützten, welche da» große Werk der deutschen Einheit vorbereiteten und vollendeten. Staaten, so sagt Hr. Mener endlich, werden nur mit den jenigen Mitteln erhalten, welche sie geschaffen haben: Ergo kann dies bei uns doch nur geschehen durch die Kroue, durch di« Armee und durch diejenigen, dir opserwillly in bedrängter Zett zur Krone standen und die Armeereorganisatton durchsühren halsen, aber sicher nicht durch Hrn. Alexander Meyer und du Frei sinnigen " Wien, 12 Oktober, über die Kulissenvorgänge in der gestrigen ersten Sitzung des österreichischen Abgeordnetenhauses berichtet ein Mitarbeiter der , Voss. Ztg." einige sehr interessante Einzelheiten. Die Jungtschechen wollten eine selbständige Interpellation in Sachen des Mittelfchulerlassts eindrlnqen, sie fan den aber nicht die nötige Zahl von l5 Unterschriften. Einige Slowenen unterschrieben zwar das Schrift stück, allein die Mehrzahl lehnte ab, und auch die dalmatinischen Kroaten und die Südtiroler zeigten keine Lust, sich zu exponieren. Erst nach diesem miß lungenen Versuch baten oie Junglschechen Hrn Rieger, ihre Unterschriften auf die alttschechische Interpellation fetzen zu dürfen, was ihnen aber erst nach wieder holter Bitte gelang Diese Haltung Gregrs machte allenthalben einen befremdlichen Eindruck, so zwar, daß die Jungtschechen sich zu einer „Erklärung" in den „Narodni Listy" gezwungen sahen. In dieser Er klärung erzählen sie, daß es ihnen darum zu thun war, die Aktion der Alttschechen zu unterstützen, daß sie aber trotzdem ihre eigenen Wege gehen werden. Es ist jedenfalls sonderbar, daß sich Gregr in dieser Angelegenheit den Alttschechen förmlich aufgedrängt hat. Die Reibungen innerhalb der tschechischen Gruppe sind übrigens noch nicht zu Ende. Im Tschechenklub sitzen nämlich noch drei Junglschechen, welche seinerzeit nicht ausgeschlossen worden wa rn. Diese drei Junglschechen verlange» jetzt, daß man die sechs frondierenden Gesinnungsgenossen m den Klub aufnehme, widrigenfalls sie austreten müß ten. Dann würde sich die Situation der Jung tschechen allerdings bessern, denn als Gruppe von 9—10 Mann könnten sie doch mehr ausrichten und vielleicht sogar die Heißsporne anderer Nationalitäten zu sich herüberziehen Gregr wartet übrigens die Entschließungen der Alttschechen nicht erst ab und hat die Jungtschechen bereits zu einer besonder« parla mentarischen Gruppe vereinigt, die aber keinen Titel und keinen Obmann hat - - vorerst wenigstens. Die Obmannschaft vererbt sich nach dem — Alphabet, und auch Statuten giebt eS nicht Die Slowenen, welche von dem Mittelschulerlasse ebenso scharf be troffen wurden, wie die Tschechen, wollen urplötzlich von einer ernsten Aktion gegen Gautsch nichts wissen, denn man hat sie schnell zu beschwichtigen verstanden, um die Tschechen ganz zu isolieren. Zunächst hat ihnen Prazak eine nationale Konzession gemacht, in dem er slowenische Eintragungen in die Grundbücher in Steiermark und Kärnten gestattete, und ferner soll ihnen eine Gewerbeschule bewilligt werden. Nunmehr schwärmen die Slowenen nicht mehr für einen slawi schen Klub, und es wird auf dem Wege der Separat Konzessionen fortgefahren werden. Die Polen bleiben stumme Zuschauer bei diesem Streite, aber sie schmun zeln, weit sie ihre Stimmen zu gelegener Zeit recht teuer verkaufen wollen Wien, l3. Oktober. Gestern abends sind Se. Majestät der Kaiser und der König von Sachsen, wie auch Prinz Wilhelm von Preußen, von den Hochwildjagdeu zurückkehrend, hier ein getroffen. Heute findet um 6 Uhr abends das an gekündigte Galadiner statt, welchem auch der König von Serbien anwohneu wird. Der Kaiser reist so dann einen Tag nach Ischl zum Besuch der Kaiserin. — Se. Majestät der König von Sachsen hat heule vormittags das neue, der Vollendung entgegengehende Hofburgtheater besichtigt — Um mit mehr Nachdruck, wenn auch voraussichtlich nicht mehr Erfolg, auflreten zu können, haben sich die 6 jung tschechischen Ab geordneten als eigener und selbständiger parlamen tarischer Klub konstituiert, damit die Zwülfzahl un serer parlamentarischen V reinigungen voll machend. — Die vorgestrige Interpellation des Tschechen klubs hat bereits ein Opfer gefordert, aber nicht auf Seite der Mlnisterbauk, sondern unter den Tschechen selbst. Der tschechische Abg vr K aizl hat sein Man dat niedergelegt, weil er die Zahmheit jener Inter pellation vor seinen Wählern nicht verantworten zu können glaubt — Nächster Tage werden hier unter Vorsitz des Erzbischofs Kardinals Ganglbaur Blschofs- konferenzen abgehalten werden. Die Aufführung war von langen, lähmenden Zwifchenakten zerfetzt und paßte durchschnittlich gar nicht für die Kräfte und Schwächen des ResidenztheaterS. Auch Frl. Helmer, die einen gewinnenden Ton hat und fein aufträgt, halte eine undankbare Rolle. O. B. Königl. Gemäldegalerie. Das von der dies jährigen hiesigen AquarellauSstelluna bekannte, in Pastell ausgeführte Selbstbildnis des Brüsseler Malers Emile Wauters ist für die Pastellsammlung der Königl Gemäldegalerie erworben worden. Meteorologie. Am 10. Oktober ist der Mond in Erdnähe, mit der Sonne in Konjunktion und nahe dem Himmelsäquator: eS treffen demnach Mondstellungen zusammen, welche in ihrer gemein schaftlichen Einwirkung auf die Atmosphäre, das Meer und das feuerflüssige Innere der Erde einen verstärkten Erfolg in diesen Bereichen verursachen müssen, so daß, nach der Theorie des Mondeinflusses auf die Witterung-Vorgänge der Erde, Stürme, Springfluten und Erdbeben zu dieser Zeit an irgend welchen Orten der Erde zu erwarten sind. Die Freunde meteorologischer Forschungen haben nun daraus zu achten, ob absonderliche derartige Vorkommnisse als am 16. oder 17. Oktober erfolgte, in den Zeitungen er wähnt werden. — Die zum Messen der Luftbeweg- ungen und der Wasserfluten benutzten Instrumente und Apparate sind allgemein bekannt; diejenigen In strumente aber, welche zu Beobachtungen und Messungen der Erdbeben dienen, dürsten wohl in weitem Kreise 7-^ Paris, 12. Oktober Das „Journal des D«-bat-, schreibt: „Die Verhandlungen über den Zollvertrag zwilchen Frankreich und Italien sind nicht abgebrochen und nicht einmal unterbrochen und alle» berechttgt zu der Hoffnung, daß sie zu einem sür beide Nationen günstigen Ergebnis führe» w-roen... Italien hat ein doppelte- Jntereffe de« Handtl und der Finanzen, den Absatz, den e- in Frankreich findet, zu behalten und zu entwickeln. Allein man dars nicht etwa glauben, Fraukeich habe ein entgegengesetzte- Jntereffe Wenn unser Handel unser«» Nachbarn ihr V»eh, ihren Wein und ihr« Seide abkaust, so geschieht die- keineswegs, um ihnen angenehm zu sein, sondern weil er dobe» sein Jntereffe findet und sich ander- wär!« die Stoffe, deren er bedarf, nicht so vorteilhaft verschaffen könnte... Andererseits ist der Absatz, den wir in Italien finden, durchaus nicht zu verachten. Beim jetzigen Stande de« auswärtigen Handels dars ein Kunde, der für mehr als 200 Millionen sabn-ärler Gegenstände kaust, nicht vor de» Kops gestoßen werden Der Abschluß einer billigen Handelsvertrags ist ebenso sehr durch Handel»- als durch politische Gründe ge boten Sich in einen Tarifkrieg einlassen, würde ein be- klagensw.rter Fehler sein. Die Italiener würden in demselben Verluste erleiden, da- ist unbestreitbar, aber wir auch, das ist sicher. Die Handelsverträge haben den besonderen Vorteil, daß beide Parteien bei ihnen gewinnen und niemand verliert, außer den Dritten, die stets bereit sind, aus unseren Fehlern Nuyen zu ziehen. ES ist unnötig, auf die politische Seite der Frage oäher einzugehen. Wenn in Italien eine Frankreich feindliche Partei besteht, deren geheimer Wunsch es wäre, einen Bruch zwischen zwei Rationen herbeizusühren, die ihrer großen Mehr heil nach befreundet bleiben wollen, so würde ihr die Unter brechung oder Verminderung des Handelsverkehrs Waffen lics rn und ihr zur Erreichung ihre- Zieles behilflich sei». So lange zwischen zwei Ländern ein sich nach Hunderten von Millionen beziffernder Handel besteht, ist ein politischer Bruch fast unmöglich. Die „Agence Ubre" hatte ihre Mitteilung vom Trinkfpruche des Großfürsten Nikolaus trotz Widerspruchs der rusufchen Botschaft aufrecht erhalten und wird nunmehr durch eine Note der „Agence Havas" aufs neue der Unwahrheit beschuldigt. Die Nachrichten der „Agence libre" zeichnen sich allerdings hä.fig durch Entstellung der Wahrheit aus, allein die Jnabredestellungen der „Agence Havas" sind nach alter Erfahrung ebenfalls nur mit Vorsicht auszu nehmen. — Der Generalrat der Provinz Constantine (Algerien) hat an die Regierung und die Kammern ei» UnterstützungSgejuch zu Gunsten der durch die Heuschreckenplage unlängst Heimgesuchten gerichtet. Der Schaden rst auf 8 600000 Frcs. geschätzt. Der Generalrat hat aus seinen eigenen Mitteln l 00 000 Frcs. zur Anschaffung von Saatkorn sür die betrof fenen Landwirte bewilligt. — Die Brigadegeneräle Gillon und Bo nie sind zu Divisionsgeuerälen er nannt wvlden. Der General Gillon dürfte zum Platzkommandanteu von Paris ernannt werden, so bald infolge der im nächsten Monat bevorstehenden Versetzung des Generals Thibaudin in Ruhestand dieser Posten erledigt wird. — Zu der Angelegenheit Cafsarel-Limousin-Andlau rc liegt heute wenig Neues vor. Ein gegen Andlau erlassener Berhafts- befehl hat zur Stunde noch nicht vollstreckt werden können. Das Gerücht, derselbe habe sich aus seinem Schlosse zu Liancourt umgebracht, ist um so grund loser, als er längst kein Schloß und keine Schollt Land mehr besitzt. Man vermutet jetzt, Andlau halte sich einfach bei einem Freunde verborgen, bis die Kammern eröffnet werden, da er alsdann durch die Unverletzlichkeit seiner Senatorenwürde vorerst vor der Verhaftung geschützt ist. Hingegen ist die 50jäh- rige Gattin des Grafen v. Saint-Sauveur als Helferin bei den Schwindeleien des Senators, bei dem man Briefe von ihr gesunden hat, verhastet worden. x Paris, 14. Oktober. Die allgemeine Spannung, in welcher Weife Boulanger sich mit der Caffarel- schen Affarre abfindcn werde, lst durch eine soeben ein- gcgangene Drahtmeldung gehoben worden. Boulanger ist mit dreißigtägtgem strengen Arrest bestraft, der Ministerrat wird später darüber Beschluß fassen, ob der LorpSkommandeur zu Clermont Ferrand seiner Stellung zu entsetzen ist. Boulanger hatte vor Kurzem einem Berichterstatter der „Nation* gegenüber erklärt, die Caffarelsche Angelegenheit sei nur erfunden, um ihm zu schaden, er hatte ferner behauptet, Ferdon habe in einer Privatunlerredung ei klärt, er werde Boulanger um jeden Preis iu diesen Vorfall verwickeln. Diese Bemerkungen fanden natürlich den Weg in alle Zeitungen, wo sie verschiedenartig ausgenommen worden, sie ge langten also auch zu Ohren des Kriegsministers Fer ro», der sofort an den General Boulanger die tele graphische Anfrage richtete, ob derselbe die in den Journalen ihm in den Mund gelegten Äußerungen gethan habe. Der Gefragte antwortete mit einer für ihn bezeichnenden Keckheit, die in Rede stehen den Zeitungen wären ihm nicht zu Gesichte gekommen. Ferron gab sich naturgemäß mit einer solchen Erwiderung nicht zufrieden und stellte nicht bekannt sein und es mag daher eine Beschreib ung einiger derselben hier Raum finden. — Der Seismograph, erfunden von L. Palmieri, Direk tor des Observatoriums am Vesuv, läßt die Zeit des Beginns, die Richtung der horizontalen Fortschreitung und die Stärke eines Erdbebens erkennen. Die Be Nennung, gewählt von dem Erfinder, hat das griechi sche Wort SeiSmoS, welches Erschütterung bedeutet, in sich. Über einer mit Quecksilber gefüllten Röhre, in welche der Leitungsdraht von dem einen Pole einer galvanischen Kette eingetaucht lst, hängt eine aus feinem Messingdraht bestehende Spirale. Diese Spirale ist oben an dem Leitungsdraht des andern Pole» der Kette befestigt und trägt unten einen kleinen Platin kegel, dessen Spitze ganz nahe zu der Oberfläche des Quecksilbers ist, so daß durch die geringste Bewegung das Quecksilber zu der Spitze des Kegels gelangt. Durch die Berührung der Kegelspitze und des Queck silbers wird die galvanische Kette geschloffen und der Strom wirkt auf einen Elektromagneten, welcher nun augenblicklich eine Sekuvdenuhr anhält, so daß Stunde, Minute und Sekunde des Beginnes eines stattgehabten Erdbebens angezeigt sind. Zugleich wird durch den Elekromagneten eine Weckerglocke in Gang gebracht, so daß der mit der Beobachtung beauftragte Observator etwa noch nachfolgende Erdstöße notieren kann. Um zu ersehen, ob die Erschütterung am Be- obachtungSort nur vertikal, oder ob dieselbe horizontal fortschreitend war, hat Palmieri unter Beibehaltung de- Hauptsächlichen, in der Gestaltung des Apparate» eine Abänderung getroffen. ES werden vier v-förmige Glasröhren senkrecht ausgestellt, und zwar in den Richtungen: Nr. 1 von Süd nach Nord^ Nr. 2 von umgehend unter Androhung einer Di-ziplinarurtter- suchung an Boulanger da» Verlangen, mit einem un- geschminkirn „Ja" oder „Nein" zu antworten. Der Telegraph übermittelte die erstere Antwort. Boulanger erklärte sich für schuldig, worauf fein Vorgesetzter die eiwälinte Strafe über ihn verhängt hat. — E» ist schwer, diesen Vorfall mit Worten zu kommentieren, die sich innerhalb der parlamentarischen Grenze halten Wie muß es auf die Manneszucht de- französische» Heere- einwirken, wenn einer der höchsten Offiziere der Armee sich erfrecht, auf dem Wege verlogenen Klatsches gegen seinen höchsten Vorgesetzten vorzugehen! Jedenfalls kann sich die französische Republik heute ganz besonder» dazu Glück wünschen, daß ein energie- voller Minister an der Spitze ihrer Kriegsverwaltung steht, dessen rücksichtslosem Vorgehen eS vor allem zu danken ist, wenii dem talentiertesten politischen Jndustrie- ritier im gegenwärtigen Frankreich die Larve ein gut Teil gelüstet ward. — Zu der Verbindung Boulanger» mit der Dame Limousin macht die „Nat.-Ztg." solgende Be merkung: „Eine Einräumung, die General Boulanger wie etwas halb Gicichgiltiges gemacht hat, verdient weiter besonderen Beachtung Acht Brieie der Limousin hat Boulanger, wie er angtebt, er halten, vier ihrer Gesuche sind von ihm laut der Reyisterein- träge dienstlich erledigt worden; davon ist eines bewilligt wor den. Diese Bewilligung bezieht sich aus die Ernennung eines Adjutanten. Man wird sich erinnern, daß in einem an die Öffentlichkeit gebrachten Briese der Limousin dieselbe an General Boulanger das Gesuch stellt, derselbe möge „einen sehr guten Freund ihres Mannes und Schwager eine» der ersten Advokaten in seinen speziellen Stab aufuehmen " Dieser Offizier sei verheiratet und gut situiert, er verlange nicht die geringste Vergütung. Ob nun dieser gut situierte Offizier oder ob ein anderer es ist, der auf Fürsprache der Limousin zum Adjutanten befördert wurde, ist kaum wesentlich. Die Thatsache erscheint feststehend, daß eine Person, wie die Limousin, benutzt wurde, um Vorschläge wegen Besetzung von militärischen Stellen beim Kriegsminister zu machen und daß ein derartiger Vorschlag nicht mit Disziplinierung de» betreffenden Osfizier» und scharser Rückweisung der Limousin endigte, sondern in der Thai Ge nehmigung sand. Einen sehr drastischen Kommentar liefert zu dieser Angelegenheit auch die „Köln. Ztg.' Dieselbeschreibt: „Wie wenig in dieser Beziehung unsere Verhältnisse den französischen gleichen, sieht man am besten, wenn man sich ein- mal vorstellt — es gehört dazu eine große Anstrengung — daß eine unbekannte Frau sich in Berlin an den kommandierende» General der Garde wendet mit der Bitte, einen Osfizier in sei nen Generalstab versetzen zu lassen! Wahrscheinlich würde der General die Frau sür verrückt halten, aber kann man sich wohl denken, daß er sich mit »hr aus Erörterungen einliebt, weshalb er dem Wunsche nicht snachlommen könne? Wenn aber solche Bitten in Frankreich in ungemcssener Zahl gestellt und ohne jede- Staunen beantwortet werden, so beweist das unumstößlich, daß sie recht häufig Erfolg haben müssen, da sie sonst nicht ge stellt werden würden. Wie schon gejagt, man wußte wohl, daß es damit hier nicht zum besten stand, aber da- Rachtbild, das uns jetzt enthüllt wird, daraus war man doch nicht gefaßt" Wie der „Voss. Ztg." noch gemeldet wird, hat der Ehrenrat einstimmig das Urteil abgegeben, daß sich Caffarel eines Vergehen» gegen die Ehre schuldig gemacht hat. Der Krieg-minister wird demnach seine Entlassung au» dem Heere beantragen. St. Petersburg, 13. Oktober. (K. Z.) Zwei kleinere Blätter haben nunmehr nach dem „Figaro" den deutschfeindlichen Trinkspruch des Großfürsten Nikolaus Michailowitsch gebracht und der deutsch, fresserische „Swjet" leitartikelt heute über denselbru und giebt sich der freudigen Hoffnung h»u, daß das französifch-russische Bündnis immer näher rücke. Nun mehr hielt die Oberpreßverwaltung eS für nötig, dir weitere Veröffentlichung der Rede zu verbieten. Die deutschfeindliche Gesellschaft jubelt, aber an der Börje herrscht die größte Trauer. Sophia, l3. Oktober (Voss. Ztg) Die Ein berufung der Sobranje ist auf den 15.Oktober fest gesetzt. Die Regierung wird der Sobranje sofort einen Gesetzentwurf vorlegen, welcher die Souveräm- tätsrechte des Fürsten bedeutend erweitern soll. * Konstantinopel, lO. Oktober. Der Sultan hat in diesen Tagen durch eigenhändigen Erlaß da- neue Redifgesetz vollzogen, welches einen denkwürdigen Fort schritt in der Umgestaltung des türkischen Heer wesens bezeichnet. Die bisherige Landwehrorgoni- sation war der alten preußischen nachgebildet; mit erstem und zweitem Aufgebot. Ähnlich wie bei uns sind nun auch hier beide Aufgebote vereinigt worden, wodurch eine erhebliche, Kontrole und Mobilmachung wesentlich erleichternde Verkleinerung der Landwehr- bezirkt möglich geworden ist. Gleichzeitig hat eine Neubearbeitung der Abgrenzung der Bezirke auf Grund neue, er statistischer Erhebungen stattgefunden, deren Folge eine gerechtere Verteilung der Lasten ist. Jedes Regiment des Linienstandes erhält von jetzt ab einen Ost nach West, Nr. 3 von Südost nach Nordwest und Nr. 4 von Südwest nach Nordost. Jede dieser Röhren ist mit Quecksilber angesüllt uud auf der einen Seite jeder Röhre taucht der Leitungsdraht in da» Queck silber, auf der andern Seite jeder Röhre ist der oben er wähnte Platinkegel ganz nahe zu der Quecksilberoberfläche. Diejenige Röhre, welche in der Richtung der fort- schreitenden Erschütterung aufgestellt ist, erhält die Bewegung des Quecksilber- u. s. w. — Um die Stärke und Richtung eines Erdbeben» zu erforschen, wird da» cylmderförmige Gefäß eine- Erdbebenmesser» ge nau bis an den Rand mit Quecksilber gefüllt. Dieses Gefäß steht in einem schüsselarttgen Untersatz, welcher in einem ringförmigen Abstand vom Boden de» ern- gestellten Gefäßes und dem Raad« de« UntersatzeS getrennte Abteilungen enthält. Bei der Erschütterung der Erde wird Überströmen de» Quecksilber» erfolgen und die Menge de» abgeflossenen Quecksilber» und die Abteilung, rn welcher sich dasselbe befindet, lassen Stärke und Richtung des Erdbeben» erkennen — Vor schon längerer Heit hat die Pariser Akademie ein von dem argentinischen Obersten E»pinosa zu Arequipa erprobte» Mittel, bevorstehende Erdbeben zu ersehen in den Veröffentlichungen der Verhandlungen kundgegeben. Einem Magneten wird ein kleine- Eisen st äbchen angehängt, welche» abfällt bevor die Erschütterung beginnt, indem der Magnet für kurze Zeit seine magnetische Kraft verliert. Erderschütterungen stehen mit elektrischen Störungen in Verbindung, uud Elektricität und Magneti»mu» haben wechselseitige Einwirkung auf einander, so daß diese» Anateldeu eine» Erdbeben» wohl vorhanden sein kann. vr. A. Drech»ler.
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