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Dresdner Journal : 01.09.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-09-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188709011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18870901
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18870901
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-09
- Tag 1887-09-01
-
Monat
1887-09
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 01.09.1887
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Donnerstag, de» 1, September, abends. 18202. 1887. L»««rU»ld 6», <t«ot»ck«o ksiet»« tritt ko«t- nsU ktswpsIio-eL!»^ tü»»u. l, 4«at»«L« N»i«U» t ItdrUeU: .... IS ^^LNrljek: 4 II»rt KO kk Lioivlo« Huiulllsri»: 10 ?L LLtüllckl<o»r»r»dvdrei», t'ür äsv k»um suivr «»p*tt«vsil 2«ils ^lsiosr 8ot»rikt 20 ?k. O»t«r „ku»^»,»L<tt ' äi« 2«U« KO kf. v«i l^dvll»»- a»ä LSvrQUdtt «»t»pr Xak»oll»8 Lr»el>»t»»»i I'L^Iiok mit 4a«»tui>« <isr 8va»- aoä »bsvä». t srs-prsod AllvoUIa«: l^r. 12»s. DreMerIoimml. Für die Gesamtleittmg oeranttoortlichr Gtto Banck, Professor der titteratur- und Kunstgeschichte. l^tptt,: Lr—Oonmu»»u>oLr ä» t)r«äi»«r ^orcriutt», Sx»d»r, I»rU» -Vt«» I—I-Ir»^»,-er»»»1»r» *. ».: //a«Et«0, «k I»rU»-Vt«»-L«»dv,- ?r»U 1.«tp»tU kr»L^1vrt x N. NLL«K«»: ätom,' k»ri» Looäo» L«»UL kr»»ta«rt ». N. - St«ttG»rt: Da«ä« Oo.; u-rll»: /nvcU»et«^<ia^t, OSrUt»: s. LtM«H ^ac^/ol«r,' U»L»o,-r: O. LUI« ». 1.1 /. Larct G 6». ü«r»,»,«d«r r Lüiü^r Lip»<Utto» <t« Uroxtssr UoonuU», vrsxi»», LviozmNtr. >0. k«r»»pr»«l»-^0Hot^iu«! Xr. 122 s. Amtlicher Teil. Dresden, 27. August. Se. Majestät der König haben dem Pfarrer Ernst Fürchtegott Leberecht Vetter in Hartha das Ritterkreuz I. Klasse vom AlbrechtSorden Allergnädigst zu verleihen geruht. Dresden, 26. August. Se. Majestät der König haben dem Kirchschullehrer Cantor Carl Eduard Kluge in Gatzen das Albrechtskreuz Allergnädigst zu verleihen geruht. Dresden, 29. August. Mit Allerhöchster Geneh migung Sr. Majestät des Königs ist dem Unteroffizier Ernst Emil Peschel der 6. Kompagnie, 11. In fanterie-Regiments Nr. 139 für die von ihm am 20. Juni d. Js. nicht ohne eigne Lebensgefahr be wirkte Rettung eines Menschen vom Tode des Er trinkens in der Mulde die silberne Lebensrettungs medaille nebst der Befugniß zum Tragen derselben am weißen Bande verliehen worden. Bekanntmachung. Es wird hierdurch zur öffentlichen Kenntniß ge bracht, daß der Lotterie-Hauptcollecteur Ernst Hinckel mann zu Glauchau von der Fortführung der Alters rentenbank-Geschäfte entlastet und die demselben über tragen gewesene Agentur der Altcrsrentenbank an dessen Sohn Ernst Hugo Hinckelmann daselbst übergeben, sowie daß zu Deutschkatharinenberg eine neue Agentur der Altersrentenbank errichtet und dem Lotterie-Collekteur Karl Wilhelm Rechenberger daselbst übertragen worden ist. Dresden, den 30. August 1887. Finanz-Mini sterium. Für den Minister- Meusel. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische Wachrichten. Berlin, 1. September. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Der Kaiser ist gegen Ist Uhr vormittags zur Herbst parade des GardecorpS auf daS Tempelhofer Feld gefahren, kurz vorher auch die Kaiserin. Laschkau (Mähren), 31. August, abends. (W. T. B.) Der Kaiser ist heute abend 6 Uhr hier ringetroffen und von den Spitzen der Behörden begrüßt worden. Im Gefolge des Kaisers be findet sich der Königl. preußische Generalquartier- meister, Generallirutenant Graf Waldersee. Zum 2. September. Die Sedanfeier erinnert uns nicht nur an einen allgemein deutschen Sieg, sie erinnert uns auch ganz besonders an einen Sieg, bei welchem sich daS Königs, sächsische ArmeecorpS in den großen Kämpfen von la Moncelle und Daigny hervorthat und durch die rechtzeitige Besetzung der Maßüberaänge zu der großen Entscheidung in hervorragender Weise beitrug — ja diese Feier erinnert uns auch an die zahlreichen kleineren Kämpfe und Thaten einzelner Abteilungen unserer Armee, bei denen die alte sächsische Tapferkeit sich bekundete. „DaS Königl. sächsische Armeekorps", so heißt eS von dem entscheidenden Siege in dem von dem kom ¬ mandierenden General, Sr. Königl. Hoheit dem Prinzen Georg, Herzog zu Sachsen, am 2. September erlassenen Tagesbefehl, „hatte das Glück, hierbei die wichtigste und schwierigste Aufgabe zu lösen. ES hat das mit der oftbewährten Tapferkeit und Ausdauer gethan. Zu dem Ruhme von St. Privat gesellt sich der von La Moncelle und Daigny. Biele Trophäen befinden sich in unseren Händen, sie werden unsern Nachkommen von den Thaten vor Sedan erzählen." „Ich danke allen Offizieren, Unteroffizieren und Mannschaften für ihr ruhmwürdiges Verhalten. Ich trauere mit ihnen um die beklagenswerten großen Opfer, aber sie sind für unser deutsches Vaterland und für die Ehre der sächsischen Armee gefallen." Diese einfachen schlichten Worte, auf die wir schon früher hinwiesen, sollten immer wieder vor unsere Seele treten, immer von neuem das bewegte erhabene Bild jener großen Tage vor unserm Geiste entrollen. Noch zehn Jahre länger und jene Epoche gehört schon mehr und mehr der Zeit der Väter an. Aber darf man sich der Hoffnung hingeben, daß das jüngere Geschlecht in Armee und Volk in Frieden diese Jahresreihe durchleben wird? Das führt zu neuen ernsten Betrachtungen. So oft wir auch den Sedantag gefeiert und unS die Summe dessen, was er uns eingebracht hat, ver gegenwärtigt Haben, ist das Ergebnis unseres Aus blicks nach der Seite des Auslandes immer dasselbe geblieben. Wir können uns nicht dem ruhigen Ge nüsse des Erworbenen hingeben, sondern müssen bis an die Zähne gewaffnet bleiben, um daS mit schweren Opfern an Gut und Blut Errungene gegen diejenigen, von deren unfreundlicher Gesinnung wir überzeugt sein können, zu behaupten und zu verteidigen. Wir sind an Kraft gewachsen, aber mit unserer Kraft hat sich auch der Haß mächtiger Feinde gegen uns vermehrt, und die Last unserer militärischen Rüstung kann keine Verminderung erfahren. Ja, wenn wir auf die Stimme dieser Widersacher hören, haben auch die Charakter eigenschaften de» deutschen Volkes eine Trübung er fahren, sind die hohen Tugenden, durch welche diefe- Volk früher glänzte, ihm verloren gegangen. AuS einem Volk von edlen Denkern und Dichtern, welche die Bewunderung des Auslandes erreaten, ist eine Natton, die dem Leitstern einer Politik des „ cynischen Egoismus" folgt, geworden, so wirft uns die „Mos kauer Zeitung" des verstorbenen Katkoff vor, — ein „Volk von Kaufleuten", so sagt ein spanisches Blatt. Ist das, was diese Stimmen sagen und war in einem traurigen Winkel der deutschen Presse zum Teil ein Echo findet, wahr? Haben uns unsere großen Siege wirklich keinen Gewinn gebracht, der die Lasten der Machtstellung, welche durch sie begründet ist, über wiegt? Befindet sich das deutsche Volk, soweit es sich um die Eigenschaften seines Geistes und Herzens han delt, wirklich im Niedergange? Die eben erwähnten Anklagen einer „Moskauer Zeitung" und des spanischen „Jmparcial" können nie manden irre führen und sind in ihrer wahren Trag weite leicht zurechtgestellt. Was diesen ehemaligen Bewunderern des deutschen Volkes früher an ihm gefallen hat, ist die Schwäche des Selbstgefühls ge wesen, mit der wir unS mit einer politischen Rolle zweiten Ranges begnügten, der „Idealismus", mit dem wir auf geistigem Gebiete für alle Völker arbei teten und die Sicherung und behagliche Ausgestal tung des eigenen Hauses darüber vergaßen; und was ihnen heute an uns mißfällt, das ist die Energie, mit der wir dieses Träumerwesen von uns abgeschüttelt und den uns zukommenden Anteil an den realen Gütern dieser Welt mit festem Griff in unseren Besitz gebracht haben. Diese Vorwürfe berühren uns also nicht; denn wie Recht oder Unrecht wir auch daran gethan haben, Jahrhunderte lang dem Humanisten, Philosophen und Dichter bei uns den Vorrang vor dem Politiker einzuräumen, so ist doch die Arbeit auch dieser Männer an unserem Volke nicht ohne tiefe und fruchtbare Wirkung gewesen, und was die „Mos kauer Zeitung" an uns auszusetzen hat, ist thatsächlich nichts Anderes, als daß wir den Spruch eines der edelsten dieser Dichter fest ins Herz genommen haben: „Nichtswürdig ist ein Volk, da- nicht sein Alles setzt an seine Ehre!" Aber war unseren Empfindungen am Sedantage, — auch wenn wir sehen, daß das, was das Ausland uns vorwirft, gerade unser Ruhm ist, und diese Stimmen des giftigen Neides, den unsere Krastfülle hervorruft, gelassen abschütteln — mit einer bitteren Beimischung versieht, das ist die Beobachtung, daß Anklagen und Behauptungen ähnlicher Art, die geeignet sind, uns die Freude an dem 1870 und 1871 Erkämpften zu verkümmern, auch in unserer eigenen Mitte erhoben werden. Es ist unleugbar, daß der nationale Gedanke seit jenen Jahren in allen Gegenden Deutschlands, auch da, wo er früher auf losem Erdreich ruhte, feste Wurzeln geschlagen hat ; wir erfahren täglich Proben von der Machtstellung unseres Vaterlandes, die uns mit stolzer Genugthuung erfüllen kann und Europa den Frieden erhält; Industrie und Handel haben einen mächtigen Aufschwung in Deutschland genommen; Kunst und Wissenschaft blühen unter uns wie zuvor, und — vielleicht ein größerer Ruhmestitel als alle anderen — das große Problem der Sozialpolitik, die Aufgabe der Versöhnung des Arbeiters mit dem Staat und der Ausgleichung aller Härten seines Loses, ist von den deutschen verbündeten Regierungen in tiefer Erfassung ihrer sittlichen und christlichen Pflicht und mit einem weitausschauenden Programm, welches alle anderen europäischen Staaten zur Nachahmung zwingt, in An griff genommen und wird täglich der Verwirklichung näher geführt. Und doch sprechen freisinnige deutsche Heilungen von unseren Zuständen, als wenn sie inner lich durch und durch wurmstichig wären und wir am Rande eines Abgrunde» ständen. Wo wunde Punkte an dem inneren Leben unseres Volkes zu entdecken sind, da ist es sicherlich die Pflicht jede» Patrioten, die allgemeine Aufmerksamkeit auf sie hinzulenken und auf die Ergreifung von Heilmaß regeln zu dringen. Wenn aber, wie in dem vorliegen den Fall, die Abwendung unseres Volkes und nament lich unserer gebildeten Jugend von einer einzelnen Partei, die immer nur als Hemmschuh bei der gedeih« lichen Entwickelung Deutschlands thätig gewesen ist, als Symptom des Verfalls des deutschen Volkes be zeichnet wird, wenn mit einem dreisten Betrüge die edelsten Tugenden unseres Volkes, in denen es jetzt mehr und mehr erstarkt, seine Treue und Hingabe an seine Fürsten und großen Männer ihm als Charakter mängel vorgeworfen werden, und wenn jede Be schimpfung auf unser Volk vor dem In- und Aus lande gehäuft, ja unsere gebildete Jugend in der ver ächtlichsten Weise als eine leichte Beute bei dem ersten Ansturm de» letzteren hingestellt wird, nur weil eine Partei nach einem Wege des Ausdrucks ihres Unmuts über den Bankrott, in dem sie steht, sucht, dann kann die Anmaßung, die Frivolität und den Mangel an jedem patriotischen Gefühl, die sich in einem solchen Treiben aussprechen, nur der härteste Tadel treffen. Tagesgeschichte. Dreöden, 1. September. Der diesseitige Gesandte am Hofe zu Wien, Kammerherr v. Helldorff, hat nach Beendigung seines Urlaubs die Leitung der dor tigen Königl. Gesandtschaft wieder übernommen. * Berlin, 31. August. Wie wir bereits in einem Teile der gestrigen Nummer telegraphisch meldeten, ist Se. Majestät der Kaiser heute nachmittags 2 Uhr wohlbehalten in Berlin eingetroffen und von der Be völkerung mit Begeisterung begrüßt worden. Ihre Majestät die Kaiserin verließ Schloß Babelsberg eine Stunde später und traf erst um halb 3 Uhr aufdem hiesigen Potsdamer Bahnhofe ein. Ihre Kaiser!. Maje stäten werden nunmehr im hiesigen Königl. Palai» ihre Residenz nehmen und morgen der großen Herbst parade auf dem Tempelhofer Felde beiwohnen und auch am Nachmittage an dem großen Paradediner im hiesigen Königl. Schlosse sich beteiligen. DaS Befin den der Kaiserl. Majestäten ist andauernd ganz vor züglich — Ihre Majestät die Kaiserin wird, wie die „Post" meldet, den Kaiser nicht nach Königsberg begleiten, sondern in Rücksicht daraus, daß sie die Pro vinz Preußen schon mehrmals besucht hat, dagegen die Provinz Pommern nur einmal, und, da das ganze Reiseprogramm Sr. Majestät des Kaisers mit auSzu« sühren die Kräfte der hohen Frau übersteigen würde, mit dem Kaiser in Stettin zusammentreffen, um wäh rend der fünftägigen Anwesenheit des Kaiserl. Herrn daselbst als erste und höchste Frau des Landes die Honneurs des Königtums zu machen. Die Kaiserin wird daher bis zur Abreise des Kaisers nach Königs berg im Palais in Berlin verweilen und dann, falls das Wetter so günstig bleibt, los in das erste Drittel des September hinein wieder einen Aufenthalt in Babelsberg nehmen. In der Begleitung der Kaiserin wird sich Ihre Königl. Hoheit Prinzessin Wilhelm be finden. In Königsberg werden um den Kaiser weder Prinzen noch Prinzessinnen des Königl. Hauses sein. Der Staatsminister v. Boetticher hat heute nach mittag ^3 Uhr die Rückreise von Kissingen nach Ber lin angetreten. Bei der ersten öffentlichen Versammlung der deut schen Katholiken in Trier am 29. d. MtS. berich tete Graf Ballestrem über die Ereignisse des letzten Jahres und betonte, daß selbst nach dem noch zu er kämpfenden Frieden die bewährte Organisation der Katholiken bestehen bleiben müsse, weil sie die einzige Gewähr sür die Freiheit der Ausübung des religiösen Bekenntnisses sei. Der Wahlspruch sei: „VigUatv «t orLtv", zu deutsch: „Betet und organisiert Luch". Al- Redner geendet, trat Windthorst zu ihm, beglück wünschte ihn und küßte ihn, was großen Jubel her vorrief. Darauf sprach Bischof Korum über die Nütz lichkeit der Katholikenversammlungen und erteilte den Anwesenden seinen bischöflichen Segen. Auf die Tagesordnung der gestrigen Verhand lungen waren vorwiegend Gegenstände ausschließlich ge schäftlicher und konfessioneller Art gesetzt, so die katholische Propaganda im heiligen Lande rc. Landrat Jansen berichtete über die Gestaltung, welche die Mifsions- thätigkeit in Palästina angenommen und über die Er folge, die sie — unter Leitung des Palästinavereins — erzielt habe. Der Redner erinnerte an die ernste Situation im Orient und legte dar, daß es jetzt als besondere Ausgabe erscheine, dort Posto zu fassen, um im gegebenen Momente, wenn die Würfel fallen, zur Stelle zu sein. Der Papst interessiere sich für dies Ziel in besonderem Grade. Ein anderer Redner machte Mitteilungen im ähnlichen Sinne und ver breitete sich über die Zwecke der verschiedenen Missions- Vereine. Hr- Or. Pingsmann aus Köln erstattete ins besondere Bericht über den Verein zum heiligen Grabe und beklagte es sehr, daß die christliche Welt so wenig Verständnis für das Schmerzliche der Thatsache habe, daß die heiligen Stätten immer noch in den Händen und in der Gewalt der Türken seien. Der Redner richtete in diesem Sinne Ermahnungen an die Ver sammlung. Es wurde nach weiterer Diskussion der Antrag angenommen, die betreffenden Vereine zur Be teiligung zu empfehlen und hierauf die Sitzung vertagt. Beim Katholikentag ist folgende Refolutioneingegangen: Feuilleton. Geheilt. *) Novelle von E. Greiner. Die verwitwete Kammerat Ihlefeld war eine Dame, die ihrem Hausarzt jahraus, jahrein viel zu schaffen machte, denn zu den Übeln, an welchen sie in der That litt, gesellten sich auch eine Menge solcher, die nur die Einbildung schuf. Nun wer wollte es der Frau verdenken, wenn sie gern lebte und um ihr Wohlbefinden die ängstlichste Sorge trug? Gehörte sie doch zu den Bevorzugten, welche Fortuna mit reichen GlückSgütern überschüttet! Jetzt ruhte sie, von allem modernen Komfort um geben, in einem Fauteuil und studierte mit Interesse vir Neuigkeiten der Residenz. Plötzlich richtete sie sich lebhaft in die Höhe. „Nun wissen wir ja mit einemmale etwas Nähere- über unsere neue Nachbar schaft da drüben", wandte sie sich zu einer am Früh- stücksttsch hantierenden, ältlichen Frauengestalt, „hier lese ich e- soeben im Tageblatt: .Unterzeichnete hat sich am hiesigen Ort als Spezralarzt für Frauen- und Kinderkrankheiten niedergelassen. Sprechstunden mor gens von sieben bis neun, nachmittags von zwei bis vier Uhr. Arme werden unentgeltlich behandelt. Clemence Noi?. Nun, daS muß ich sagen", fuhr die Sprecherin fort, „die» ist eine Neuigkeit, welche Auf sehen erregen wird; ein weiblicher Arzt in unsrer Unerlaubter Nachdruck verboten. guten Stadt! Ob aber die Fremde auch Praxis be kommen wird? In einer so konservativen Residenz, wie der unsern, führen sich Neuerungen nicht so leicht ein". Mamsell Babette, Haushälterin und Faktotum im Jhlefeldschen Hause, hatte, die silberne Kanne aus der Hand setzend, aufmerksam zugehört. Jetzt schüttelte sie ungläubig den Kopf. „Die da drüben vor ein paar Tagen beim Bäcker Erdmann emgezogen, find ja nur ein paar Damen mit einer älteren Person, von der man noch nicht recht weiß, ob sie eme Anverwandte oder eine Dienerin ist, ein Mann jedoch, welcher jener Arzt sein könnte, der unsere Armen umsonst behandeln will, ist ganz gewiß nicht dabei." Die Kammerrättn lächelte. „Ein Mann? Ei, dies ist ja auch gar nicht nötig, indem eine jener Damen selbst der Arzt ist." Babette schlug vor Erstaunen die Hände zusammen. „Was die Frau Kammerrat sagen! Ein Frauenzim mer, das den Puls fühlt, Rezepte verschreibt und sich Doktor nennt: wo in der Welt ist wohl schon so et was dagewesen!" Frau Ihlefeld stellte die noch immer zu heiß be fundene Schokolade wieder beifeite. „Nun, so etwas ganz Neues ist e» schon nicht mehr, daß auch Frauen studieren und »war vornehm lich Medizin", belehrte sie die Aufhorche ude; „ich glaube, in Amerika, wo ja überhaupt die Frauen emanzipier ter sind als bei unS, hat man zuerst da» Beispiel ge geben, dem dann allmählich auch andere Länder und große Städte gefolgt sind. So soll zum Beispiel die Königin von Italien einen ganz vorzüglichen weib lichen Leibarzt haben, und ich muß gestehen: die Sache hat etwas für sich. Ja, ja, Babette, die Zeiten blei ben eben nicht immer dieselben; der Mädchen, die ihre Versorgung in der Ehe finden, werden stets weniger. Da sind sie denn ebenso wie die Männer auf einen Erwerb angewiesen, der ihnen ihre Existenz sichert, und so kommt es, daß die einen Lehrerinnen oder Buchhalterinnen werden, oder den Post- und Tele graphendienst lernen, während andere neuerdings sogar Medizin studieren, ihr Staatsexamen machen und dann als Frauenärzte ebenso gut praktizieren, wie die Männer." „Nun, dann bin ich nur begierig, was unser Hr. Doktor Wild und sein Jeremias Wolf dazu sagen werden!" meinte Babette. „Aber wie wäre es, könn ten nicht auch wir es einmal mit der Fremden ver suchen? Nimmt es doch ohnehin keiner ernstlich mit unseren Leiden und versteht auch keiner etwas ordent liche», von dem geh. Hofrat an bis zu dem Sympathie« doktor vor dem KarlSthore, die wir nunmehr doch alle gebraucht haben. Doktor Wild aber — lieber Gott, ich hab'- ja immer gesagt — giebt sich erst recht keine Mühe, ja, ich behaupte sogar, weil er weiß, daß er bei uns Universalerbe wird —" „So sähe er es gern, wenn ich lieber heute als morgen stürbe", ergänzte die Frau mit dem mißglück ten Versuch eine» Lächelns, „ja, er scheue sich vielleicht sogar nicht —" Sie vollendete den Satz nicht. Babette aber schien ste trotzdem zu verstehen, denn mit dem Kopfe nickend, fuhr sie sich mit dem Schürzenzipfel über die Augen. „Freilich, er hätte von meinem Tode den Vorteil", gestand die Sprecherin seufzend zu, „während Dir da gegen mehr mit meinem Leben gedient wäre." Die Frau Kammerrat war eine kluge Frau, die sich Babettens gewissenhafteste Pflege und unermüd lichste Sorge für ihre Gesundheit und ihr Leben da mit gesichert hatte, daß sie für diese, statt sie in ihrem Testamente bedacht zu haben, alljährlich eine nicht unbedeutende Spareinlage machte; eine sehr nach ahmenswerte Vorsicht, die jede Befürchtung, feiner Umgebung zu lange leben zu können, mit Sicherheit ausschloß. Babette aber fühlte sich von den letzten Worten ihrer Herrin, die nur allzu sehr wie eine Anspielung auf vorausgesetzte selbstsüchtige Interessen gellungen hatten, tief gekränkt. „Nein, was auch recht ist! Muß sich denn ein Mensch, weil er arm ist, alle- gefallen lassen? Kann er mchts schaffen, keinem gut sein, ohne daß er darum des Eigennutzes beschuldigt wird? Keinen Pfennig trage ich Hinfort auf die Sparkasse, wenn die Frau Kammerrat meinen, ich bete nur meines Vorteils halber um ein langes Leben für siel Wenn der Herr Doktor doch ebenso selbst los der Frau Pate ein langes Leben wünschen möchte, wie ich eS thue! Aber weil der ein nobler Herr ist, so setzt man auch in dessen noble Gesin nungen keinen Zweifel. Mir dagegen wendet es das Herz um, wenn ich mit ansehen und anhören muß, wie der mij der Frau Kammerrat umspringt! Bei offenem Fenster schlafen! Du mein Gott, da hätten wir doch gleich der andern Morgens den schönsten Rheumatismus in allen Gliedern, und was der zu bedeuten hat, haben wir ja wohl bei dem Herrn Kammerrat selig zur Genüge erfahren. Und alle Tage ein paar Stunden leichte Gartenarbeit wie eine Tagelöhnersfrau, und des Mittags ein magere- Ge-
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