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KONGRESS-SAAL DEUTSCHES HYGIENE-MUSEUM 4. Kammermusikabend der Kammermusikvereinigung der Dresdner Philharmonie Ausfährende Natalia Karp (London), Klavier Hans Otto (Dresden), Cembalo Heinz Hörtzsch, Flöte Heinz Butowski, Oboe Werner Metzner, Klarinette Helmut Radatz, Fagott Heinz Mann, Horn Günter Siering, Violine Günther Schubert, Violine Herbert Schneider, Viola Friedrich Klug, Viola da gamba Erhard Hoppe, Violoncello Heinz Schmidt, Kontrabaß J. Ph. Rameau 1683—1764 Concerto A-Dur für Flöte, Viola da gamba und Cembalo La Popliniere La Timide (Rondeau 1 et 2) Tambourin 1 Tambourin 2 Carl Ditters v. Dittersdorf 1739—1799 Streichquartett Es-Dur Allegro Andante Menuetto non troppo presto Allegro vivace Ludwig van Beethoven 1770—1827 Quintett Es-Dur, op. 16 für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott Grave — Allegro ma non troppo Andante cantabile Rondo — Allegro ma non troppo PAUSE Franz Schubert 1797—1828 Quintett A-Dur, op. 114 (Forellenquintett) für Klavier, Violine, Viola, Violoncello und Kontrabaß Allegro vivace Andante Scherzo — Presto Thema-Andantino con variazioni Finale-Allegro giusto VON RAMEAU BIS SCHUBERT Seine größte Bedeutung erlangte der französische Komponist Jean-Philippe Rameau als Klavierkomponist. Er führte Couperins Bestrebungen weiter, ließ sich aber auch von Domenico Scarlatti beeinflussen. Rameaus klavieristisches Hauptwerk bilden geistvolle Klavier-Miniaturen, ausgesprochen programmatisch, reich verziert durch kunstvolle Ornamentik, die als Befreiung von der pathetischen Schwere der Barockmusik gedeutet werden kann. Das gilt nicht nur für seine Klavierstücke, sondern auch für seine andere grazile und beschwingte Kammermusik. Es dominieren Heiterkeit, Freude an der Welt, Freude am Spiel und an spielerischen Formen, die wir auch an den Möbeln, Türverzierungen und Schmuckornamenten dieser Zeit wieder erkennen. Man hat einmal treffend den Wandel von der schweren Allongeperücke des Johann Sebastian Bach zur zierlichen Puderperücke Wolfgang Amadeus Mozarts ver glichen mit der Wandlung von der Barockmusik zur Musik der Empfindsamkeit. Jean-Philippe Rameau vereint in seinen reizvollen konzertvirtuosen Kompositionen (das Concerto A-Dur ist ein bezeichnendes Beispiel dafür!) gleichsam beide Pole, und zwar so, daß er sich stilistisch mehr dem Neuen zuneigt, während vom Inhaltlichen und Substan ziellen durchaus die Verbindung zu den barocken Großmeistern gewahrt bleibt. Es ist von den französischen Meistern der Kammermusik dieser Zeit einmal treffend von ,,Randfiguren im europäischen Konzert“ gesprochen — ein guter Vergleich, der uns auch darauf hinweist, wie Johann Sebastian Bach immer wieder ruhender und strahlender Höhepunkt dieser Zeit ist, um den die anderen Meister — Sternen vergleichbar kreisen, ohne ihn je berühren und erreichen zu können. Carl Ditters von Dittersdorf gehörte als gebürtiger Wiener (1739—1799) zum österreichischen Kulturkreis des 18. Jahrhunderts. Schon in frühester Jugend erregte er als Geigenvirtuose Auf sehen . Da er sich als Mensch durch Liebenswürdigkeit und Verträglichkeit auszeichnete, genoß er allseitig Achtung und Bewunderung. Er wurde mit Recht ein glücklicher Mensch genannt. Ganz aus dieser Sphäre der Zufriedenheit und des Wohlergehens heraus entstanden seine Kompositionen; Werke, die in erster Linie unterhalten wollten. Aus diesem Grunde ver mied Dittersdorf — mit Ausnahme einiger weniger Werke, die im Grunde nur immer wieder die Regel bestätigen! — eine bewußt kontrapunktische Verarbeitung seiner Themen, und dadurch wiederum ist es verständlich, daß er zur Niederschrift seiner Werke nur wenig Zeit benötigte. Er konnte sich ehrlich darüber wundern, daß ein Komponist vom Range eines Johann Gottlieb Naumann sechs Monate für die Komposition einer Oper brauchte, während er im Zeitraum von nur zehn Monaten nicht weniger als vier Opern und zusätz lich noch ein Oratorium fertigstellte. Die geschwinde, allzu geschwinde Hand Dittersdorfs wurde zugleich seine Schwäche, denn Dittersdorf war durchaus so etwas wie ein Viel schreiber, der durch seine schier unerschöpflich sprudelnden Einfälle kaum zu einer mensch lichvertieften Aussage der Musik vorzustoßen vermochte. In einer mehr als großzügigen Weise verwendete er in seinen Werken stilistische Einflüsse eines Haydn und Mozart, mit denen er befreundet war. Leicht, elegant und mühelos be herrschte Dittersdorf die Vielfalt der Formen. Wenn seine Streichquartette heute auch ver hältnismäßig selten erklingen, sind sie doch bis in unsere Tage hinein lebendig geblieben. Die sechs Streichquartette in D, B, G, C und Es gab Dittersdorf zehn Jahre vor seinem Tode heraus. Das in Es ist das bekannteste und wohl auch bedeutendste. In der Enzyklo pädie „Die Musik in Geschichte und Gegenwart“ lesen wir darüber: „In ihrer sprühenden Vitalität und Virtuosität erfreuen sie sich noch heute einer ähnlichen Wertschätzung wie etwa die Klaviersonaten von Scarlatti, mit deren anmutiger Problemlosigkeit sie viel gemeinsam haben, wie überhaupt der Einfluß der italienischen Musik bei Dittersdorf sehr bedeutsam ist. Seine leichte Schreibart zeigt sich besonders in den langsamen Sätzen, die über das Gefällige selten hinausgehen und nie die Tiefe Haydns oder Mozarts erreichen. Das hat zweifellos zu dem schnellen, aber vergänglichen Ruhm des Meisters beigetragen.“ Eine Einzelcharakteristik der Sätze erübrigt sich: Die Musik will unterhalten, und so soll sie auch gehört werden. — Das Quintett Es-Dur für Klavier, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott von Ludwig van Beet hoven wurde 1794 begonnen und 1797 in Wien beendet, wo am 6. April in einem Saal der Flimmelpfortgasse die Uraufführung stattfand. Das Konzert wurde von dem Geiger Schuppanzigh veranstaltet, und auf der Ankündigung und Einladung stand zu lesen: ,,Quintett auf dem Pianoforte mit. vier blasenden Instrumenten, accompagniert, gespielt und komponiert von Herrn Ludwig van Beethoven.“ Durch seine Überfülle schönster Melodien, durch, seine formale Rundung und die heitere Grundhaltung wurde das Quintett wie das von Beethoven selbst bearbeitete Quartett (für Violine, Viola, Violoncello und Klavier) zu einer der beliebtesten Schöpfungen des Mei sters. Vor allem der langsame Satz beglückt immer wieder aufs neue durch seine schwere lose, durchsonnte, an Mozart gemahnende Musik. Wir wollen dabei nicht vergessen, daß auch diese frühen Werke Beethovens von der damaligen Zeit gründlich mißverstanden wurden, denn in den Kritiken wurde Beethovens Musik als ,,müheselig, bizarr und allzu gelehrt“ bezeichnet. Man sieht daraus, wie die Hörer der damaligen Zeit noch in der unverbindlich-glatten und verspielten Gesellschaftsmusik wurzelten, daß sie also nicht verstanden, wie Beethoven die Musik einer nur geselligen Unterhaltung überwinden wollte, indem er seine Musik mit neuen Gedanken und Inhalten erfüllte, „Musik von einer gesunden, blühenden Kraft“, wie es Karl Schönewolf einmal formulierte, „die dem zum Manne gereiften Beethoven zum leidenschaftlichen Bekenntnis wird“. Franz Schubert vereinte in seinen Liedern das Neue, Zukunft weisende der romantischen Musik mit dem Naturgefühl, der Innigkeit und Empfindungstiefe der Volksmusik. Das gilt