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Dresdner Journal : 23.07.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-07-23
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188707233
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18870723
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18870723
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-07
- Tag 1887-07-23
-
Monat
1887-07
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 23.07.1887
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Nutzcn ziehen kann Merken Sie wohl auf da-, was ich Ihnen jetzt erklären werde Wenn ich je an einem Staatsstreich teil- nähme, so würde eS ein gegen Sie gerichteter sein, wenn Sie versuchten, die Republik zu stürzen " Da die „France" verspricht, die Namen der in Rede stehenden monarchistischen Persönlichkeiten zu veröffent- lichen, so wirdßbald Aufklärung, die dringend not thut, erfolgen. Einstweilen muß natürlich erst abgewartet werden, ob die ganzen Enthüllungen der „France" sich nicht etwa als ein großer, zu irgend welchem, noch nicht ersichtlichen Zweck veranstalteter Humbug Heraus stellen werden. Die französische Presse verhöhnt zum größten Teil dcn General Boulanger und bezweifelt die Wahrheit der Angaben der „France". Wie heute in den Wandelgängen der Kammer, wo man selbst verständlich die Boulangerschen Enthüllungen lebhaft erörterte, von mehreren Mitgliedern des vorigen Kabinetts erklärt wurde, hat Boulanger jedenfalls seinen Kollegen im Ministerium nie eine Silbe von den in der „France' geschilderten Borgängen mitgcteilt Cle menceau, der „Jugendfreund", über dessen „Abfall" sich Boulanger so beklagt, erklärte gleichfalls, daß ihm der General nie ein Wort von jener wichtigen Unterredung gesagt hat! Man muß auf die Lösung, in welcher Art dieselbe auch erfolgen wird, sehr gespannt sein. Eines aber ist klar: Um General Boulanger dreht sich gegenwärtig noch immer das politische Leben Frankreichs. * Paris, 21. Juli. Kaum ist von den franzö sischen Kammern das Projekt der Probemobil- machung eines Armeecorps zum Beschluß erhoben, und schon beschäftigt sich der große Generalstab in Paris mit den Vorbereitungen für Durchführung des Experiments, welches binnen einigen Wochen, wäh rend der Herbstmannöver, ins Werk gesetzt werden soll. In Ansehung der Mobilisierung und Kon zentrierung der Truppen werden den Komman danten der Rekrutierungsbureaux und dcn Bezirks- kommandeuren der Terntonalurmec sebr ausführliche Weisungen versiegelt zugehen, die erst zu einem be stimmten Zeitpunkte eröffnet werden dürfen. Das selbe gilt von den Requisitionsburcaux hinsichtlich der Aushebung der Pferde, Maultiere, Fuhrwerke und Fuhrleute, deren man für die Dauer des Experi ments benötigt. Die Infanterie und Kavallerie und die korrespondierenden Territorialregimenter werden zur Formierung gemischter Regimenter herangezogen werden, wie solche im Kriegsfall vor banden sein müßten Alle hinzutretenden Betriebe, Train, Ver pflegung, Telegraphie rc, werden ebenialls mobilisiert und aus vollem Kriegsfüße organisiert. Den Corps-, Tivisions und Brigadestäben liegt die Formierung der taktischen Kampfeinheiten für alle Waffengattungen ob. Rach den Meldungen militärischer Fachblättcr ist der Etappendienst schon jetzt im stände, die ihm in Kriegszeiten obliegenden wichtigen Funktionen zu ver sehen. Die Generaldirektion der Eisenbahnen trifft gleichfalls ihre Bestimmungen behufs Mobilisierung derjenigen Bediensteten der Eisenbahngesellschasten, welche im Kriegssallc zu deu technischen Sektionen einqezogen werden würden. Die Minister des Kriegs-, Arb its-, Ackerbau und Finanziessorts werden alsbald Konsereuzen abhalten, um eine Verständigung zn er zielen betreffs des Transports der Truppen, des Ma terials und der Vorräte mit der Eisenbahn, dem Land- und wo nötig dem Wasserwege, sowie betreffs provisorifcher Kriegsbereitstellung der Forsthüterkom- pagnien, der Militärtelcgraphcnsektionen und der Feldpostmannschajten. — Es würde zu weit führen, wollten wir an dieser Stelle aus alle die zahlreichen Einzelheiten näher eingehen, die in dem von den sranzösischen Fachblättern nntgeteilten Mobilisierungs- programm aufgezählt sind; es heißt, daß der Kriegs minister General Ferron in den Erfolg des Unter nehmens sehr großes Vertrauen setzt. „Hoffen wir" so heißt am Schluffe der bezüglichen Mitteilungen — „daß dieses Vertrauen nach 17 Jahren der Vor bereitung kein leeres sein werde" * Paris, 22. Juli. Ans das Verlangen, die Namen der monarchistischen Abgeordneten zu nennen, welche den General Boulanger ersucht haben sollen, einen Staatsstreich zu machen, antwortet heute der Gewährsmann der „Frunce" in Clermont-Ferrand, indem er den jetzigen Kliegsmmister ersucht, dein General Boulanger die Erlaubnis zum Reden zu er teilen. — Cassagnac behauptet, er habe alle Depu tierten der Rechten über die Enthüllungen der „France" befragt und könne erklären, daß dieselben von An fang bis zu Ende lügenhaft seien; wenn Bou langer die „France" nicht desavouiere, müsse ihn die Regierung im Interesse der Disziplin absetzen Nach gestatten. Es ist übrigens mit Sicherheit anzu- uehmen, daß innerhalb der nächsten vier zehn Tage die Situation vollständig geklärt sein wird. Gewiß ist, daß Prinz Coburg sich dem Spruche der Mächte unterwerfen und nur in dem Falle seine bisher streng beobachtete Passivität auf- geben wird, wenn seiten der bulgarischen Regentschaft vor Beendigung der obfchwebenden diplomatischen Verhandlungen irgend welche Beschlüsse gefaßt oder Schritte unternommen werden sollten, welche gegen den Berliner Vertrag verstoßen. In einem solchen Falle wäre natürlich die Haltung des Prinzen klar vorgezeichnet. Doch hält man ein solches Ereignis sür nicht wahrscheinlich, da die rein formelle Über reichung des Wahlaktes den Prinzen unmöglich zu selbständigen Schrillen und definitiven Erklärungen veranlassen konnte. Die Meldungen von bevorstehen den größeren Reisen des Prinzen werden ebenfalls als unrichtig bezeichnet, da keinerlei Reifedispositionen getroffen sind und es ganz unbestimmt ist wann der Prinz seinen derzeitigen Sommeraufenthalt verläßt und wohin er sich in diesem Falle wendet." Paris, 2l. Juli. Der Präsident der Re publik wird sich unmittelbar nach dem Schlüsse der beiden Kammern auf seinen Landsitz Monts ous Van- dray begeben Heute früh wurde deshalb ein außer ordentlicher Ministerrat im Elyfeepalaste abgehalten, in welchem Hr. Grevy noch verschiedene Dekrete un terzeichnete. — Über General Boulanger sährt heute die „France" sort mit Enthüllungen, welche ihn selbst am meisten bloßstellen. Der jüngste Bries aus Clermont Ferrand handelt von den Anträgen bezüg lich eines Staatsstreiches, welche die Rechte an Boulanger gerichtet haben soll. Es heißt in dem Briefe: „Einer dieser Anträge wurde im vergangenen Frühling nach dem Zwischenfalle von Pagny gestellt. U4 Generäle waren zu ihrem Befehlshaber Boulanger gekommen und hatten ihm erklärt: „Der Krieg wird morgen ausbrechen. Wenn Sie unserer moralischen Unterstützung bedürfen, um laut und fest zu sprechen, so haben Sie dieselbe. Wir sind zu allem bereit Befehlen Sie, und die französische Armee wird ihre Schuldigkeit thun." Die Sache wurde ruchbar und die Mo narchisten sagten sich, der geeignete Augenblick sei da, um auf den Geist des Generals einzuwirken und seine wahren Absichten kennen zu lernen Schon seit langer Zeit machte die Rechte unverhohlene Anerbietungen Die monarchische Presse zeigte sich zärtlich gegen den General und man stimmte sür alles, was er wünschte. Es wurde also eine Abordnung an ihn ins Mini sterium selbst unter irgend einem Borwandc abgesandt und nach tausend Umschweifen, nach über chwenglichen Lobeserhebungen ging man endlich ohne Übergang auf die heikle Frage über. Noch nie, sagte man, habe sich ein General in einer solchen Stellung befunden, wie Boulanger. Bugeaud hatte das Heer, aber nicht das Land für sich-, Cavaignac nicht das Heer, aber einen Teil des Landes; er, Boulanger, hingegen habe alles auf seiner Seite: sowohl das Heer, das ihm soeben durch seine (i encräle eine glänzende Huldigung abgestattet habe, als auch das Land, welches durch eine beispiellose Popularität sozu sagen zu seinen Füßen liege, und die ganze Presse, vom „Figaro" bis zum „Jntransigeant". Wozu da, fügte man hinzu, ein Regime noch befestigen helfen, das keine Zukunft habe, das vom Opportunismus im raschem Laufe nach links nach und nach zum Radikalismus, von diesem zur intransigenten und schließlich zur kollektivistischen Richtung führen werde? Das könne jo nicht fortdauern I Diese und alle in solchen Fällen üblichen stehenden Redensarten wurden vorgebrachl. Der General lächelte und suchte einsach zu beweisen, daß es heute unmög lich sei, irgend etwas gegen das republikanische Regime zu unternehmen. Wohlwollend, wie er immer war, suchte er seine Besucher nicht zu verletzen, sondern ihnen begreiflich zu machen, daß sic sich irrten. Gegenüber dieser spöttischen Hal tung traten d»e Monarchisten den Rückzug an, aber ohne viel von ihrem Terrain auszugeben. Ja, meinten sie, man könne allenfalls zugcben, daß das Land sich in Bezug auf die Rc- gicrungssorm gleichgiltiger als früher verhalte, daß es die Re publik wolle — aber die Republik ohne die Republikaner. Unter diesen Umständen könne man allenfalls, ohne gegen die Re publik selbst etwas zu unternehmen, doch etwas gegen die Re publikaner versuchen. Durch diese Ausführungen seiner Be sucher, die langsam ihre Batterien demaskierten und von den Vorschlägen eines für Rechnung der Orleans auSzuführcnden Staatsstreiches zu dem persönlichen, auf eigene Rechnung des Ministers zu unternehmenden Staatsstreiche übergingen, wurde der General immer ernster. Unwillkürlich dachte er an jenen Sendling d'Antraigues, welcher Napoleon l. vorschlug, der „Monk" der sranzösischen Monarchie zu werden. Mit einem Blick hatte der General die Falle erkannt, die man ihm gelegt hatte. Er, der ehrlich zur Republik üdergeneten war, besten einziges Ziel die Nationalverteidigung, der Zweikampf mit Deutschland war, er antwortete: „Ich kann mich unter keinem Vorwand von der Aufgabe ablenken lasten, die ich mir vor gesteckt habe: Die Armee aus den unvermeidlichen Kampf vor zubereiten Alle meine Kräfte sind mir dazu nötig, und Sie werden nie erfahren, welche Beklemmungen uns gerade jetzt zu jeder Stunde beherrschen Seit mehreren Tagen schlafen wir nicht mehr im Ministerium. Sie werden erfahren, we-halb. Und Sie wollen, daß ich mich heute mit ich weiß nicht welcher politischen Zusammenstellung abgebe, die ich nicht einmal prüsen will? Das wäre ein Wahnsinn, wenn cs nicht gleichzeitig ein Verbrechen gegen das Vaterland wäre Übrigens soll keine Zwei deutigkeit zwischen uns bestehen. Schon seit langer Zeit bemerke ich bei Ihren Abstimmungen eine Gefälligkeit, aus der ich nicht länger seine- Vorwerks an die Ansiedelungskommission ge bracht. Derartige Fälle sind jetzt nicht mehr selten. Der ehemalige Aba. Wolszleaier entging der Not wendigkeit, sein Besitztum zu KolonifattonSzwecken zu veräußern, nur dadurch, daß ein jüngerer Bruder ihm im entscheidenden Moment beffprang. Doch waren auch in diesem Falle bereits Verhandlungen mit der Kommission eingeleitet gewesen Vor wenigen Tagen konnten die Blätter melden, daß der Sohn eines sehr gefeierten Mitkämpfers in der Revolution des Jahres 1830 sich feines Gutes in der angegebenen Weise ent äußert habe. Die Ansichten der Polen über die An gemessenheit solcher Verkäufe zum Zwecke der Par zellierung scheinen sich doch wesentlich modifiziert zu haben und die Bestrebungen, die Wirkungen des Kolo- nifationSgesetzeS zu paralysieren, scheinen erfolglos im Sande verlaufen zu sein. Von den StaatSpfarrern in der Provinz Posen, deren Anzahl vor einem Jahrzehnte 10 be trug, jedoch in der letzten Zeit teils infolge Ablebens, teils infolge Zurücktretens, auf 3 zusammengeschmolzen war, wird, der „Posener Ztg." zufolge auch Propst Rymarowicz in Gr Chrzypsko am 1. Oktober d I. seine Stelle aufgeben, da ihm die Regierung 3000 M. jährliche Pension ausgefetzt und die ganze diesjährige Ernte des PsarrlandeS, sowie eine Entschädigung für gemachte Auslagen bewilligt Hot. Der „Kuryer Pozn " bemerkt dazu, baß, wenn diese Abmachung zu stände kommt, in der Erzdiözese Gnesen-Pofen nur noch zwei StaatSpfarrer, Brent in Kosten und Lizak in Schrotz, vorhanden sind. Straßburg, 22. Juli. Die Ziffern über die bei der Reichstagswahl abgegebenen Stimmen erscheinen sehr beachtenswert, wenn man sie gegen die vom 21. Februar hält. Damals erhielt der Protestler Kablö 8281, der deutschfreundliche Bewerber Petri 6807 Stimmen. Diesmal hat also offenbar ein großer Teil der Protestler nicht mehr deutschfeindlich ge wählt, was aus die Richtigkeit der Regierungspolitik in den Reichslanden schließen läßt; ein Teil dürfte sogar für Petri gestimmt haben, denn dieser und Graf Moltke zusammen haben 7637 Stimmen erhalten, während am 21. Februar den Protestlern nur 6807 Stimmen gegenübergebracht werden konnten, obwohl damals bestimmt der letzte Mann aufgeboten worden war. Da eine Unbesonnenheit, die keine bösen Folgen gehabt hat, gern vergcssen wird, so sei auch den Führern der 1i63 Unversöhnlichen verziehen, die das eine Verdienst für sicki in Anspruch nehmen könmn der Welf gezeigt zu haben, daß ihrer nicht mehr sind (K. Ztm) * Wien, 22. Juli. Die Belgrader Meldung, die serbische Königin komme mit dem Kronprinzen zu mehrjährigem Aufenthalt an einen Fürstenhof nach Deutschland, gilt in diplomatischen Kreisen für un wahrscheinlich, da die Königin oftmals ihrer Abneigung gegen Deutschland in demonstrativer Weise Ausdruck gab. Bor Monaten wurden dergleichen Pläne in Belgrad erörtert und kamen dabei Rom, Florenz, Berlin und Stuttgart in Frage, doch überwog die Überzeugung, daß der Kronprinz ins eigene Land und unter die väterliche Gewalt gehöre Sollten solche Pläne neuerdings ausgenommen werden, so würde ein deutscher Fürstenhos schwerlich für die Erziehung des Kronprinzen die Verantwortlichkeit übernehmen. — Von einer hiesigen Lokalkvrrespondenz wird nachwl- gende, augenscheinlich inspirierte Darstellung über die Phasen, welche die Kandidatur des Prinzen Ferdinand in den letzten Tagen durchgemacht hat, versendet: „Die Kombinationen, welche über die Unterredungen des Prinzen mit Mitglie dern der bulgarischen Deputation veröffentlicht wurden, sind vielfach irrig, weil sie auf falschen Grundlagen, irrigen Deutungen der Worte des Prin zen, beruhen. Prinz Ferdinand sowohl als auch andere Personen hatten im, Verkehr mit den Mitgliedern der bulgarischen Deputation Gelegenheit, wahrznnch- men, daß ein Teil der Deputierten der französischen Sprache, in welcher die Konversation ausschließlich ge führt wurde, entweder gar nicht oder nur zum Teile mächtig war. Aus diese Weise wird es erklärt, daß viele Äußerungen des Prinzen eine falsche Auslegung erfuhren. Prinz Ferdinand stützt sich nach wie vor entschieden auf die Bestimmungen des Berliner Ver trages und kann schon vermöge dieses Standpunktes niemandem gegenüber präjudizierliche Äußerungen nach der einen oder anderen Richtung gemacht haben, so lange nicht die diplomatischen Verhandlungen mit den einzelnen Mächten so weit gediehen sind, um mindestens eine verläßliche Schlußfolgerung zu dem „Matin" soll Cassagnac gesagt haben, Boulanger habe sich bemüht, die Intransigenten und Bonapar- tisten anzulocken, habe aber selbst von ihnen nie einen Antrag erhalten, einen Staatsstreich zu machen. Jedenfalls würden die „Enthüllungen" der „France" zu einer Interpellation in der Kammer und damit selbstverständlich zu äußeist errregten Szenen Anlaß gegeben haben. Wie indessen aus Paris gemeldet wird, ist gestern sowohl die Deputiertenkammer als der Senat mittels Dekrets des Präsidenten der Re publik geschlossen worden, nachdem noch der Minister präsident Rouvier in Beantwortung einer Anfrage des Deputierten Dreifuß erklärt hatte, daß er die Nützlichkeit des Baues einer Pariser Stadtbahn an erkenne und die bevorstehenden Parlamentsferien zur Ausarbeitung einer bezüglichen neuen Vorlage be nutzen werde. Die Abstimmung über die Vorlage betreffend die Pensionen, welche den bei der Februar revolution von 1848 verwundeten, noch lebenden Personen gewährt werden sollen, unterblieb, weil sich die Beschlußunfähigkeit des Haufes herausstellte. * Brüssel, 21. Juli. Die am Mittwoch vom Generallieutenant van der Smisfen, dem Höchstkommandierenden der belgischen Armee, an die Truppen der Brüsseler Garnison gehaltene Ansprache trägt zwar eine nach deutschen Begriffen befremdliche, weil politische Färbung, scheint aber ein getreues Echo der in Belgien herrschenden Stimmung, oder richtiger Mißstimmung, zu sein. Offenbar liegt eS nicht in d.r Absicht höchstgestellter Kreise, die belgische Hcercsorganisationsfrage versumpfen zu lasten, was glaublich genug erscheint, zumal vou anderer Seite her die Meldung kommt, daß auch Holland mit Befestigung des in feine territoriale Oberhoheit fallenden Ab schnittes deS MaasgebieteS Ernst macht Einem Klasseninteresse, das sich in Belgien an die Beibehaltung des bisherigen LoskausSsystemS knüpft, steht daS all gemeine Lande^intercsse gegenüber, welches gebieterisch aus Durchführung der allgemeinen obligatorischen Dienstpflicht hinweist. Bei den Gegnern der allge meinen Wehrpflicht hat natürlich das Auftreten van der SmissenS das größte Mißfallen erregt. Mehrere Blätter melden, daß die Rechte das Ministerium wegen des Zwüchensalles interpellieren werde. Bern, 20. Juli. Dem Vernehmen des Berner „Bund" zufolge hat der schweizerische Bundesrat in einer seiner letzten Sitzungen die Antwort beraten und fesigestellt, welche er der französischen Regierung in betreff der Einladung zum Besuche der Pariser Weltausstellung erteilen wird. Hiernach würde die Schweiz sich in jedem Falle an dieser Ausstellung beteiligen, die Frage jedoch, ob die Beteiligung officiell oder individuell (Privatinitiative) geschehen solle, ist noch offen gelassen. Der Bundesrat hat in der An gelegenheit an die interessierten Industrie-, Gewerbe- und landwirtscha'tlichen Kreise ein Kreisschreiben ge richtet, um Kundgebung ihrer diesbezüglichen An sichten. Für die Beantwortung desselben ist bis zum September Frist gelassen. Bis dahin erwartet der Bundesrat auch noch nähere Aus kunft aus Paris über die Organisation der Aus stellung. Fände eine bloß individuelle Beteiligung stall, so würde dann von der Ernennung eines offi ziellen Ausstellungskomitees abgesehen, dagegen den Ausstellern gleichwohl eine Bundesunterstützung gewährt werden. — Infolge Ides Unglücks am Zuger See, dessen Wiederholung man auch an andern Seeufern befürchten zu müssen meint, wird in der schweizer Presse jetzt vorgeschlagen, einen Tauchapparat anzu- fchaffen und einen ständigen Taucherdienst von Bundes wegen einzurichten, damit die Ufer der schweizer Seen von Zeit zu Zeit unter wissenschaftlicher Leitung unter sucht werden. London, 20. Juli. (K. Ztg) Der Sturm ist vorüber und auf ruhigen Gewässern schaukelt sich jetzt wieder das Kabincttsschiff der Union. Von der über standenen Gefahr aber zeugt die Rede, die gestern Lord Salisbury im Carlton-Klub hielt. Er fprach von parlamentarifchen Niederlagen, Parlamentsauf lösung und der Notwendigkeit der Nachgiebigkeit, und seine Partei verstand ihn glücklicher Weise und streckte vor deu Forderungen der liberalen Unionisten die Waffen, nm nicht die Fortdauer des Kabinetts aufs Spiel zu setzui. Die Konservativen werden also den neuen LandeSgesetzentwurf so umgestalten, daß die Bankbruchbestimmungcn wegfallen und eine Pachtzins herabsetzung von I5>—20 Proz. eintritt. Die irischen Gutsherren müssen demnach wieder den Preis sür daS Bündnis der Konservativen mit den Hartingtonianern zahlen, damit das große Ziel, die Fernhaltung soll, schöne Melanie", brummte er ärgerlich vor sich hin, „so täuschest Du Dich dieses Mal gewiß Ist Velten, den ich vorher im Theater bemerkte, an ihrer Seite — so hat sie mich zum letzten Male gesehen, zum allerletzten Riale. Der blonde, sentimentale Russe, den sie gar zu gerne fesseln wollte, ist glück lich fort, nun bleibt noch Einer, der Gefährlichste, weil er auch sie sucht." Kaum ausgedacht, rauschte Melanie im lichtblauen Seidenkleide, mit silberdurchwirktem Capuchon über die Treppe. Dicht auf ihren Füßen folgte Baron v. Belten. „Ich darf Sie doch begleiten, gnädige Frau?" „Gewiß. Ich ziehe es vor, zu Fuß zu gehen, die Nacht ist so hell und schön." „Und die Luft so durchwürzt und duftig," er gänzte er Ein flüchtiger Blick der schönen Frau streifte die Säule in der Nähe des Ausgangs. Richter mar ver schwunden. Sie warf ihren Kopf einen Augenblick piquiert zurück, dann sagte sie mit dem reizendsten Lächeln, das lhr zu Gebote stand: „Haben Sie sich gut amüsiert, lieber Baron?" „So gut, wie man sich amüsieren kann bei einer solchen Hitze und wenn man die Pisce schon vielleicht zum zehnten Male sieht." „Ich mag die Heldman nicht als Metea", sagte Melanie, „sie ist zu hübsch und zu zart für solch einen Dämon von einem Weibe." „DaS heißt, sie ist blond und Medea sollte dunkle, in Glut getauchte Feueraugen haben." „Was sie für dunNe Augen schwärmen, Baron, Sie sagen das mit solcher Leidenschaft." „Ich schwärmen? Ich schwärme überhaupt nicht, gnädige Frau, nm allerwenigsten für dunkle Augen, wenn die schönsten blauen an meiner Seite sind." „Schmeichler," sagte sie leichtfertig, indem sie mit dem Fächer leicht seine Hand berührte p>opo», Frau v. Labinoff und ibr Sohn sind gestern ab- gerefft und Ihre kleine Lelia wird nun trauern!" Der Baron blieb unwillkürlich stehen, er hatte das Gefühl, wie schon so oft, wenn Melanie auf Lelia kam, als müsse er die arme Verlassene schützen vor einer Natter. Fortsetzung solg» > Geschmacksrichtungen in der Landschaft und Landschaftsdarstellung. (Fortsetzung.) Ist es bloßer Zufall, daß in der ganzen großen Epoche der Landschastsmalerei von RuySdael bis gegen die neuere Zeit das Hochgebirge so gar selten zu be deutsamen landschaftlichen Kompositionen ausgebeutet wurde? Auch das landschaftliche Auge hatte sich da mals von den Anschauungen des Mittelalters ab- gewandt und sättigte sich in den milderen Formen des Mittelgebirges und des Flachlandes Joseph Koch, der Sohn des tiroler Hochgebirgs, konnte trotzdem mit der Darstellung der Alpenwelt nicht halb so gut fertig werden, wie mit dem klassisch maßvollen, dem landschaftlichen Auge der Zeit weit näher liegenden Gegenden Italiens, und Ludwig Heft würde von dem Studium Claude LorrainS und Poussin» schwerlich den Weg zu seiner eigentümlichen Auffassung der schwei ¬ zerischen Gebirge gefunden haben, wenn er nicht, um Schlachtvieh sür des Vaters Fleischbank einzuhandeln, zu den Sennen hätte iieigen müssen, wobei er in seinem Rechnungsbuche auf der einen Seite die eingckauften Ochien verrechnete und auf der andern dieselben skiz zierte, zusamt den Matten und Bergen und Gletschern. Zu derselben Zeit, wo die romantische Schule bei den Historienmalern in München sich Bahn zu brechen begann, war es auch, wo Joh. Jak. Dorner den „heroi schen" Stil der Landschaft, wie man es damals nannte, verließ und zum „romantifchen" überging. Das heißt, Dorner und feine Genossin, die bis dahin die Formen Claude Lorrains*) als bestes Vorbild nachgcahmt hatten, gingen jetzt ins bayerische Hochgebirg, entdeckten diese wilde, großartige Natur erst wieder für das land schaftliche Auge ihrer Zeit und führten so allmählich zu einem neuen Kanon landwirtschaftlicher Schönheit, der sich dem mittelalterlichen wieder in ähnlicher Weise näherte, wie überall die moderne Romantik zum Mittelalter zurück griff. Der Genfer Calame zeigt in seinen Alpcnwildnissen so ganz und gar das landschaftliche Auge der Gegen wart, daß diese Bilder in keiner früheren Zeit gedacht werden können. Wie ganz anders als bei Calame wurde dieselbe schweizerische Natur von den zahlreichen Malern angeschaut, die zu Anfang dieses Jahrhunderts Alpeuveduten malten! Sie suchten fast überall das Hochgebirg zum Mittelgebirg herabzudrücken und gaben weit eher einen landschaftlichen Kommentar zu Geß ner» Idyllen, als zu der Riesennatur der Alpen, wie *) Llaude Lorrain selbst, welcher der Sage nach ja auch bei München Studien gemacht haben soll, war nicht in- Hoch gebirg gegangen, sondern, ganz dem landschaftlichen Suge seiner Zett gemäß, auf der Hochfläche geblieben. wir sie jetzt fassen. Die Natur ist aber die gleiche geblieben, auch das äußere Auge der Menschen: aber ihr inneres Auge änderte sich. Um ihres ganzen phantastisch romantischen Kunst ideales willen mußten die mittelalterlichen Maler ihre Landschaften steil, schroff, eng gepackt zur Höhe führen. Ihre landschaftlichen Hintergründe sind mehr gedichtet als gemalt. Es ist nicht die porträtierte irdische, sondern eine gedachte heilige Landschaft, welche überall so alpenhaft vor ihrem Geiste stand. Sie übertrug sich dann aber auch auf das eigentliche Naturporträt und bestimmte das landschaftliche Auge der Zeit. Die hohen, lichten Bergzacken, nur dem Auge, nicht dem Fuße erreichbar, gehören ja an sich schon halb dem Himmel an. Jn's Breite dagegen streben die rein von der irdischen Schönheit ausgehenden Landschaften des 17. Jahrhunderts, wie ja auch alle Landschaft in Wirklichkeit breit und langgestreckt vor unS liegt. Das klassische Altertum hatte so wenig al» die ihm nacheiferndc Zeit der Renaissance und deS Rococo ein ausgebildetes Auge für die Alpenschönheit. Hum boldt erwähnt, daß kein einziger römischer Autor der Alpen anders als etwa mit Klagen über ihre Unweg samkeit und dergl. malend gedenke, und daß Julius Cäsar die Musestunden einer Alpenreise benutzt habe, um eine — grammatische Schrift 6s anzu- fertigen. Bei den landschaftlichen Episoden in mittelalter lichen Bildern findet man fast nie den Wald gemalt. Sollte dies, sollten die bloß dünn, gleichsam mit ge zählten Blättern belaubten Bäume der alten Italiener lediglich aus mangelhafter Technik so geworden sein? da» damalige Geschlecht hatte doch noch ein ganz
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