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Dresdner Journal : 09.06.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-06-09
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188706091
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18870609
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18870609
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-06
- Tag 1887-06-09
-
Monat
1887-06
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 09.06.1887
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ZV 130 DonnkrStaz, dm 9. Juni, abends. 1887. I» »»»»E «»»r—8« »«1«««! ^»LrUedr.... 18 ^)LtlrUcdr 4 I1»rd 80 kt. Lio»«1o« ^iui»m«rii: 10 kt 6«, 6«vt»ed«i> L«jolt« tritt ko«t- m>6 8t«wp«I»u»et»1»8 tüoru 4i»^L»8l»o»r»r»d»l.r«»: >'Sr 6«v L»ulu «io«r sv»p»it«vsll 2«N» Biewer 8<l»ri1t 70 kt. Uot«r „Lu»^««»llät" 6i« 2ell« 80 kt. ü«i uoä 2isvv«tL evtspr. Xutickl«^ I^Klied mit Aa«n»l»m« 6er 80»»- 1126 ?«iert»<s« »d«o6». k«rLipreck ^L»ciriu»: Ur. 18S5 Dtts-nerIourml. Für di« Gescnntleitong v«rantwortlich: Dtto Vanck, ssrofeffor der kitteratur- und Kunstgeschichte. /i> L-o»6^«er^, Oommimionkr 6» vr«»cko«r ^oor»»!»; U»md«r, - IsrU» - Vt« - l-»r—I»»-er»»1^r » «. ».: LaEnit«»« ko-t«r,- 8«ll»-VtE-L»mdmU er»U-L«tx«tU 7r«»8^«r» ». N.H8»«8«»: 1^—6. 8tom«, 7»rt» Lm»4o»-8«rU»-rr»»k1»rr ». N.- 8t«ttU»r1: Daod« F 60.8»rU»: OirUti: S. ^ac/»/otg«e,- L»üLor«r: 6. Schnier,' U»U« ». 8.: /. LarcL <8 0o. S«r»»»»»d«r r lüvi^I. L»p«6jtjoo 6« Or«6a«r lovrv»!», Dre»6«v, 2urio^«r»tr. Ho. >0. ksro»pr»vli-^L«rl»lo«! Itr. 18*8. Amtlicher Teil. Dre-de«, 8. Juni. Ihre Majestäten der König und die Königin sind heute Nachmittag von Sibyllen» ort in der Königlichen Billa zu Strehlen wieder ein getroffen. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische Wachrichten. Berlin, 9. Juni. (Tel. d. Dresdn Journ.) Da- Allgemeinbefinden Sr. Majestät deS Kaiser- ist unverändert. Die Neizung der Augen geht zu rück. Heute nach 1v Uhr ist Te. Majestät auf gestanden. Der Kronprinz besuchte vormittag- den Kaiser. Ezegedi«, 8. Juni, abends. (W.T.B.) Der Minister für öffentliche Arbeiten und Kommuni kationen, Staat-sekretär Baro-, traf heute morgen hier ein vnd besichtigte die Schutzvorkehruagen bei Lasarhely, sowie die Arbeiten zur Errichtung de- Krei-dammr- bei der Ki--Ti-zaer Schleuse und ordnete die energischste Betreibung dieser Arbeiten an. Sodann besuchte der Minister die bedrohten Ortschaften Lele, Aöldeak und Mako und begab sich am Nachmittag nach TemeSvar. Die Erhaltung de- Bahnkörper- bei Lasarhely erscheint nunmehr gesichert. Am nachmittag traf die Nachricht ein, daß der Krei-damm bei der Kis-Ti-zaer Schleuse seiner Vollendung nahe sei und dadurch auch für Mako, da- «och am «ei,ien bedroht ist, die Hoff nung auf Abwendung der Gefahr wachse. Buda-Pest, S. Jvni, nachw. (Tel. d. DreSdn. Journ.) Meldungen au- Lasarhely vom 8.Juni zufolge wälzt sich gegen die Stadt eine Wasserflut heran, welche stündlich an Terrain gewinnt. DaS Wasser durchbrach bereit- den Porganyer Damm und überschwemmte die Besitzungen zwischen Szegedia und Take. An der Fertigstellung de- Ningdamme- u» die fehlerhafte« Porganyer Schleusrnavlage« wird angestrengt gearbeitet. Zur Ableitung deS Bianenwaffer- soll der Damm neben dem toten Theißarm durchbrochen werden. Pari-, 8. Juni, abevdS. (W. T. B.) Der radikale Muuizipalrat von Pari- hat ein Tadel-- votum gegen den Polizeipräfekten, den Minister de- Innern und den Minister der schönen Künste erlassen, da diese al- verantwortlich für die Ka tastrophe der Op4r» eomiqus anzusehen seien. Zu gleich beschloß der Munizipalrat, den Theatern und Konzertlokalrn von Pari- eine Krist von S Monaten zu setzen, während welcher die Gas beleuchtung durch elektrische- Licht zu ersetzen sei. Nom, 8. Juni. (W.T.B.) In der Deputiert,n- kammer hat der Deputierte Bovio eine Inter pellation betreffend die Politik der Negierung dem Latikan gegenüber angemeldet. St. Petersburg, 8. Juni. (W.T.B.) Der Botschafter am Berliner Hofe, Graf Schuwaloff, hat sich heute auf seinen Posten zurückbegeben. Dresden, 9. Juni. Zur Lage in Elsaß-Lothringen. Am 9. Juni l871 wurde die Wiedervereinigung der geraubten Provinzen Elsaß und Lothringen mit dem Gebiete des Reichs gesetzlich verkündigt. Seitdem find also sechzehn Jahre verflossen. Leider sind wir in diesem Zeitraum nur wenig vorwärts gekommen. Schon sind dem Reichstage wieder neue auf Elsaß- Lothringen bezügliche Gesetzentwürfe zugegangen, zu nächst ein solcher, demzufolge Reichsgesetze auf dem Wege der Kaiser!. Verordnung in Elsaß-Lothringen die Wirkung von LandeSgesetzen erlangen, sowie ein daile zu sehen i, schrieben die enthusiastischsten Artikel bestimmt: „Der Bürgermeister führt den Vor sitz im Gemeinderat und seine Stimme giebt bei Stimmengleichheit den Ausschlag. Dieselben Rechte stehen dem ihn vertretenden Beigeordneten zu In allen anderen Fällen haben die außerhalb des Rats genommenen Beigeordneten nur ein Recht auf Sitz mit beratender Stimme." Die Bestimmungen haben zwar, soweit sie sich auf die dem Gemeinderate nicht angchörenden Bürgermeister und Beigeordneten be ziehen, unter der Herrschaft des Gesetzes vom SS. Juli 1870 thatsächlich keine Anwendung finden können. Eine Aufhebung oder Abänderung derselben hat jedoch nicht stattgefunden und es wird daher keinem Bedenken be gegnen, wenn die auf Grund des vorgeschlagenen Ge setzes ernannten, dem Gemeinderate nicht angehörigen Bürgermeister und Beigeordneten die darin bezeich neten Rechte in Anspruch nehmen. Die im ß 1 des Entwurfes weiterhin ausgesprochene Aufhebung der Bestimmungen des Artikel» S des Gesetzes vom SS. Juli 1870 soll es der Regierung ermöglichen, bei der Ernennung der Bürgermeister und Beigeordneten von der Zugehörigkeit derselben zu der betreffenden Gemeinde abzusehen und auch solche Persönlichkeiten zu berufen, welche außerhalb des Gemeindever- bandeS stehen. Die Notwendigkeit neuer strenger Maßnahmen war schon lange erkannt worden; jetzt, wo man end lich die so lange von deutscher Seite geforderte Um gestaltung in Angriff nimmt, erweckt diese Thätigkeit der Regierung unter den Franzosenfreunden Ärger und Erbitterung. „Nun," schreibt man der „Post" au» Straßburg, „Ärger und Erbitterung werden sich mit der Zeit legen , und was die fremden Einflüsse anlangt, so sind alle Maßregeln ergriffen, um sie zu unter» drücken, so weit dos eben möglich ist; ganz beseitigen werden sie sich selbstredend m absehbarer Zeit nicht lassen. So dürfen wir denn aus einen allerdings nur sehr allmählich, zukünftig eintretenden Umschwung der Berichte über die hiesige Stimmung, und fanden in der hiesigen deutschen Presse, welche letztere eigentlich besser hätte unterrichtet sein sollen, volle Bestätigung; Ma« ging damal» so weit, nachträglich der verstossenen Verwaltung der Feldmarschalls v. Manteuffel große» Lob zu spenden, welcher doch diese schönen Erfolge zu danken seien. Dagegen wurde es dem Fürsten Hohen lohe von mancher Seite verübelt, daß er in seinem Trinkspruch gelegentlich deS großen Galadiners den ««scheinend nationalen Enthusiasmus der Bevölkerung nicht zum Ausdruck brachte, sondern, so zu sagen, kühl blieb; er kannte eben die hiesigen Verhältnisse besser. „Damals schon hatte die Regierung die Enden der Fäden des Netzes in der Hand, welches von Frank reich aus über unser ganzes Land gesponnen ist. Es war ein rein zufällige» Zusammentreffen, daß die Nachforschungen und Erhebungen, welche seit lange im Zuge waren, gerade kurz vor den letzten ReichS- tagSwahlen zur That reif wurden Man darf aber nicht aus dem kluge verlieren, daß der erste Schlag gegen die de» Landesverrats und die wegen ihrer Zu gehörigkeit zur Patriotenliga der deutschfeindlichen Agitation Beschuldigten länger wie eine Woche vor dem Wahltermin geführt wurde. Ausländische, nament lich französische Blätter, behaupteten dagegen, und deutsche Zeitungen haben eS ruhig nachgebetet, der Ausfall der letzten Reichstagswahl in Elsaß-Lothringen bez. der deutscherseits darüber empfundene Ärger sei Grund für die nachdem ergriffenen strengen Maß regeln gewesen, bez für alles andere, was hier im Lande geschehen ist, die Personalwechsel nicht ausgenommen DaS ist so irrig wie nur möglich Die Absurdität der Behauptung, die deutsche Regie rung lasse sich durch „Ärger" leiten, braucht nicht erst widerlegt zu werden, und was den Ausfall der meindevenretungen zu drängen, wurde allgemein und willig al» ein Beweis von der deutschnationalen Ge sinnung der Bevölkerung hingenommen. Der Statt halter hat darin nur da» eine einzige gesehen: „daß er nnd seine Negierung wieder da» Vertrauen der Altdeutsche« gewonnen hätten, welches seinem Vor gänger vollkommen verloren gegangen war." Dann kam die Anweseuheit de» Kaiser» in Straß burg, wo demselben ein glänzender Empfang zu Teil wurde; nicht minder war die» in Metz der Fall, wel che» der Kronprinz besuchte. In beiden Städten wäre« e» aber wieder lediglich die Altdeutschen, welche dem geliebten Kaiser und seinem Sohne ihre Hül zweiler, durch welchen im Reich»lande in Zukunft ge prüfte, rechtskundige, besoldete, dem Staate verant wortliche Bürgermeister an die Spitze der Städte und größeren Gemeinden treten. Bisher mußte der wähl bare Bürgermeister Mitglied deS Gemeinderat» sein. „Männer von besonderer Begabung waren dadurch häufig ausgeschlossen", heißt e» in der Begründung der Vorlage, „während bei anderen Persönlichkeiten, die sich unabhängig von dem Getriebe der gemeind lichen Parteiungen und als deutschfeindlichen Ein flüssen unzugänglich bewährt haben, nach Ablauf der Amtsperiodc von einer Wiederernennung abgesehen werden mußte, weil sie wegen ihrer sachgemäßen Thätigkeit bei Verwaltung der Gemeindeangelegen heiten und ihres Entgegenkommens gegenüber der Re gierung ihr Mandat bei den Gemeinderatswahlen ein» gebüßt hatten. In einer erheblichen Anzahl von Ge meinden machte sich endlich der lähmende Einfluß gel tend, den die Notwendigkeit, nach Ablauf der Wahl periode sich einer Wiederwahl in allgemeinen, direkten und geheimen Wahlen zu unterwerfen, und die Be- forgnis, nicht wieder zum Mitgliede deS Gemeinderats gewählt zu werden, naturgemäß au»übt. Der vor liegende Gesetzentwurf beseitigt deshalb in der Absicht, sowohl die gesunde Entwickelung der Gemeinden zu fördern, als auch das allgemeine StaatSinteresse an der Besetzung der Gemeindeämter durch Stärkung de» Einflusses der Verwaltung sicher zu stellen, im 8 1 die Beschränkungen, welche der Regierung bei Besetzung der Gemeindeämter dadurch aufgelegt sind, daß die Gemeindevorstände den Mitgliedern deS Gemeinderats Dinge hoffen. Nur, nochmals sei darum gebeten, ver lange man keine schnelleren Erfolge. Die» Verlangen ist unser Unglück, der Grund der bisherigen Mißerfolge gewesen. Einsichtige Personen haben freilich immer klar gesehen, aber kein Gehör gefunden, am wenigsten bei den Leuten und den Teilen der deutschen Presse, welche sich heute am wildesten geberden, hier alles drunter und drüber reorganisieren und am liebsten der jetzigen Regierung diejenigen Fehler in die Schuhe ichieben möchten, welche die vorige gemacht hat. Der Fürst Hohenlohe hatte die Verhältnisse hier sehr schnell und sehr richtig erkannt und seine Erkenntnis nie ver hehlt. So erklärte er z. B. bald nach seiner Ankunft, nachdem er die ersten Reisen im Lande gemacht hatte, er habe den Eindruck empfangen, sich in einem fran zösischen Lande zu befinden. Auch der Ausfall der G«neinderatSwahlen hat ihn nicht über die wahre Lage getäuscht. Der Umstand, daß er dem einigen und kräftigen Auftreten der Altdeutschen in Metz und Straßburg gelang, den Protest aus den beiden Ge- zu entnehmen sind. Daß der Bürgermeister und der ihn vertretende Beigeordnete, auch wenn sie nicht Mit glieder des Gemeinderats sind, bei den Beratungen digungen darbrachten Die einheimische Bevölkerung, deS letzteren stimmberechtigt sind, ergiebt sich aus so wett sie überhaupt aus Neugierde kam, verhielt sich Artikel 19 der Gesetzes vom 5. Mai 1855. Dieser pasflv. Die verschiedenen Berichterstatter, welche wäh- Artikel bestimmt: „Der Bürgermeister führt den Vor- reich der Kaisertage hier nur die Vorderseite der Me- Fkuillkton. Ein treue- Herz.*) Line Geschichte aus dem wendischen Bolte von Heinrich Penn. Mitten in einer fruchtbaren Ebene deS Krainer- landeS liegt Laibach, die freundliche Hauptstadt des Lande», da» starke Aemona der Römer, die ,bela Sub- iana* (das weiße Laibach) der Slowenen (oder Wen den, welche deS gleichen Stammes sind), überragt von dem Kastellberge, um dessen Besitz sich zur Zeit der Invasion die Hauptkämpfe zwischen Österreichern und Franzosen abspielten. In der Richtung, wo uns ferne die unvergleichlich schöne Gruppe der Steineralpen mit den ewig eis bedeckten Kuppen grüßt, zieht sich die Straße gegen Krainburg, den Sitz der alten Herzöge von Krain, dahin. Wir passieren zuerst SiSka, ein Dorf, fast durch wegs au» Wirtshäusern bestehend, nach denen Sonn tag« die durstigen Laibacher in Scharen pilgern, nach anderthalb Stunden den hübschen, stattlichen Ort St. Veit; und nach einer weiteren Stunde grüßt uns der schöne Savestrom, dessen mächtige dunkelblaue Wogen, die sich von den blendend weißen Sandbänken und Uferstellen scharf abgrenzen und auf ihrem Rücken große Holzschiffe und Boote tragen. Jenseits des Stromes liegt das freundliche Dorf, welches den Schau platz für unsere Geschichte bildet, und eine halbe lUischiglrr »lüersagl Stunde hinter dem Dorfe hebt sich der imposante Großgallenberg, dessen Gipfel die vielbesuchte Wall fahrtskirche krönt, mächtig empor. An der Brücke, welche über die Save führt, sehen wir eine Tafel be festigt, auf welcher in deutscher und slawischer Sprache an alle die Brücke passierenden Wagenlenker die be hördliche Mahnung ergeht, langsam zu fahren. Diesem Befehle mußte auch der Wagen, welchen der junge GerichtSadjunkt Martin Kral lenkte, Folge leisten. Die Leitstile der Pferde wurden angezogen, und langsam rollte das Gespann über die Brücke, deren durch langen Gebrauch ausgefahrene Balken sich unter den Rädern senkten und hoben und die Geduld der Reisenden in ziemlich unangenehmer Weise mit empfindlichen Stößen auf die Probe stellten. Die Insassen des Gefährtes bestanden außer dem Adjunkten noch aus zwei jungen Damen, welche wäh rend der langsamen Fahrt in die unter der Brücke dahin rollenden Fluten blickten. „Beim Gasthause PridanS halte an, damit er uns die Schlüssel zu unserm Sommerhause übergebe und wir mit ihm noch das Notwendigste besprechen", sagte die ältere Dame, die Gattin Krals, eine bleiche, abgemagerte Frau, welcher man schon an ihrer matten Stimme die Kränklichkeit und Müdigkeit an» merkte. „Wie freue ich mich, seine Anka wieder zu sehe«", rief in lebhaftem Tone die jüngere der beiden Frauen, ein schöner, kräftige- Mädchen, und bog sich seit wärts au» dem Wagen, um früher PridanS Haus zu erblicken, welche» in der Nähe de» Brückenköpfe» an der Landstraße und zugleich am Anfänge de» freund ¬ lichen Dorfes stand, dem der Besuch der Neinen Ge sellschaft galt. Da war das Gasthaus erreicht, und der Wagen hielt still. Der Adjunkt sprang auf die Straße und half in vorsichtiger Weise seiner kranken Frau herab, während das Mädchen rasch auf der andern Seite au» dem Wagen hüpfte. Da trat auch schon der Hausherr auf die Flur. ,Hoho!" rief er fröhlich schon von weitem, „Ge lobt sei JesuS Christus", — welchen frommen Gruß die Kranke in lande-üblicher Weise mit einem „In Ewigkeit, Amen", erwiderte Pridan wechselte einen herzlichen, aber etwas derben Händedruck mit Kral. Er hatte letztere ja erwartet und wußte, daß der Adjunkt seine kranke Frau zum Sommeraufenthalte in das allerliebste kleine Häuschen brachte, welche- auf der Anhöhe nicht weit vom Gast Hause laa, wie da- im vergangenen Jahre geschehen war, und so waren ihm schon von dieser Zeit her alle Mitglieder der Gesellschaft bekannt, mithin auch da- schöne Fräulein Luise, eine Schwester der kranken Frau de» Adjunkten „Ra, so wären die Herrschaften doch gekommen Wir fürchteten schon, daß sie un« Heuer untreu würden", sagte Pridan, ein großer, breitschultriger und starkknochiger Mann, halb bäuerisch, halb städtisch ge- kleidet, wie die Landwirte sich in der Nähe der Stadt zu tragen pflegen, während da» konventionelle freund liche Lächeln, mit dem er alle Gäste zu begrüßen pflegte, sein stark gerötete» Gesicht umspielte. Da tauchte au» dem Flur da» liebliche Antlitz eines Mädchen» empor. Wahlen selbst anlangt, so hat derselbe eben nur die in unterrichteten Kreisen schon vorher wohlbekannte Thatsache bestätigt, daß von Frankreich au» eine mit reichsten Mitteln auSgestattete, bestorganisierte Agitation über da- ganze Land sich verbreitete. Gegen diese Agitation richten sich allein jene scharfen Maßregeln, welche, wenn vielleicht nicht in der ÄuSdehnung, so doch unter allen Umständen, auch ohne Wahlen hätten ergriffen werden müssen. Seit dem Frankfurter Frie den ist hier französischerseitS, was ja eigentlich selbst verständlich erscheint, agitiert worden, man könnte sagen „merkwürdiger Weise" in den ersten zehn Jahren mit weit geringerem Erfolge. Daß die Agitation später eine solche Ausdehnung erreichen konnte, erklärt sich aus »wei Thatsachen. Erstens hat dieselbe sich in Frankreich mittlerweile zu einem wohlorganisierten System herangebildet, namentlich durch die Bemühungen und den rastlosen Eifer der am 18. Mai 1882 ge gründeten Patriotenliga; und zweitens wurden hwr dieser Agitation Thor und Thür geöffnet durch die vom ersten Statthalter getroffene Lösung der soge nannten Optantenfrage bez. die während seine» Regi ment» auSgeübte Nachsicht gegen die unser Land über» schwemmenden Franzosen. DaS Treiben derselben und der Einfluß, den die lebhaft geführte Agitation nach und nach über die Gemüter gewann, sind hier durch aus nicht unbeobachtet geblieoen; eS wurde aber alles mit dem Mantel der Liebe zugedeckt. — Seit ein paar Monaten finden jetzt hier fortwährend Bestrafungen statt wegen deutschfeindlicher Demonstrationen. Man glaube doch nur nicht, solche hätten sich zu Man teuffels Zeiten nicht ereignet; sie mußten damals nur überhört und übersehen werden. Wenn solche Demon strationen in letzter Zeit allerdings häufiger vorkamen, so ist daS dem schon oben erwähnten Arger und der Erbitterung zuzuschreiben, welche in den von den neuen strengen Maßregeln bettoffenen Kreisen herr schen. Im übrigen wird jetzt dergleichen Dingen eine erhöhte Aufmerksamkeit gewidmet, an der eS früher leider mangelte." „Schon vor Jahr und Tag befand man sich hier im Besitz von ziemlich genauen Listen derjenigen Personen, welche zur Patriotenliga gehören, nicht minder war man unterrichtet von dem durch Einzelne geübten Landesverrat. Man hätte können schon da mals einschreiten. Daß es nicht geschah, hatte seinen Grund lediglich in dem Bestreben, den ganzen Um fang der Agitation kennen zu lernen, und namentlich die Beweise beizubringen, inwieweit die französischen Behörden das Treiben unterstützten. Dar letztere ist gelungen durch die Geständnisse Schnebele» und die jenigen CabanneS, welcher letzterer mit dem Obersten Vincent in Verbindung stand, denselben sogar in Paris besucht hat. Die bevorstehenden Verhandlungen in Leipzig werden wohl noch weitere interessante Auf klärungen bringen" „Wer sich ein richtiges Urteil über die hiesigen Verhältnisse und Vorgänge, insbesondere die der letzten Zeit, schaffen und bewahren will, der wird gut thun, in einem gewissen Maße die letzten Reichs- tagSwahlen und die infolge der französischen Agitation notwendig gewordenen Maßregeln auseinander zu halten." Man sieht auS dieser nngeschminkten, mit allen jüngsten aus dem Reichsland zu unS gelangten Darstellungen übereinstimmenden Schilderung, wie wenig in den verflossenen sechzehn Jahren erreicht wurde. Nicht besser ist eS bei der Heranwachsenden Generation. So wurde neuerdings in der Presse mehrfach darüber Klage geführt, daß die Straßburger Universität für die moralische Erpberung der jüngeren Generation der Elsaß-Lothringer bisher nicht das ge leistet habe, was man bei der Begründung der neuen Hochschule erwartete. „Aber wie hätte sie da» thun „Anka!" rief die junge Dame. Mit einem raschen Sprunge eilte die Gerufene über die Vorstufen de» Hause» auf Luise zu, welche daS frische Landmädchen fteudig umarmte. „Wie seid Ihr groß und hübsch geworden!" sagte das Stadtfräulein. „Auch Ihr seid wieder viel schöner, o viel, viel schöner",' entgegnete bewundernd Anka und ftagte dann: „Bleibt Ihr lange bei unS? Nicht wahr, recht lange?* Die kranke Frau aber war der Ruhe bedürftig, deshalb wurde das Gespräch abgebrochen. Der Wirt und jein Töchterchen geleiteten die Gäste in daS freundliche Gärtchen unter einen prächtigen Apfelbaum. Dort stand ein einladende- Tischchen. Anka breitete flink ein blendend weißes Tuch darüber, Pridan brachte Wein, dann holte fein Töchterchen appetitlichen, selbstgeräucherten Schinken, frische Butter und daS köstliche heimische Brot auS Buchweizenmehl auf den Tisch. Die kranke Frau nippte kaum von dem hochfärbigen, etwas säuerlichen Unterkrainer Weine, während der Adjunkt und seine Schwägerin dem Imbiß tapfer zusprachen Pridan und Anka hatten sich, wie dies hier zu Lande bei bekannten Gästen üblich ist, zu diesen gesetzt. Da sie sich seit Jahr und Tag nicht gesehen, gab e- «ine Menge zu besprechen und zu erzählen. Egoistisch, wie die kränklichen Leute zumeist sind, dachte die Frau de- Adjunkten nur an ihre Bequem lichkeit, erkundigte sich mit peinlicher Genauigkeit, wann Pridan da- letzte Mal in ihrem Häutchen ge wesen, ob alles zu ihrem Empfange bereit fei und die Zimmer wahrend der letzten Tage wohl fleißig ge-
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