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Dresdner Journal : 27.05.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-05-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188705277
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18870527
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18870527
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-05
- Tag 1887-05-27
-
Monat
1887-05
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 27.05.1887
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- AüSländttv yexboten wird, im russischen Reiche Grundeigentum zu . erwerben. Nach diesem Erlasse können in den 10 polnischen, ferner m den beiden bal tischen Gouvernement- Kurland und Livland, sowie in den westrussischen Gouvernement» Kieff, Podolien, Volhy- nien, Minsk, WitebSk, Wilna, Grodno und Kowno und endlich im Gouvernement Bessarabien (Südruß land) Ausländer nicht mehr Immobilien und das Recht auf Benutzung derselben erwerben; jedoch erstreckt sich daS Verbot nur auf da- platte Land, nicht auf Städte und Haf-nplätze, so daß hier alles beim Alten bleibt Aber auch in den ländlichen Distrikten bezieht sich die Einschränkung der Rechte der Ausländer nicht auf da- Mieten von Häusern, Quartieren und Billen, so daß von einer indirekten Vertreibung der Fremden nicht die Rede sein kann: nicht der Aufenthalt, sondern nur der Grunderwerb wird ihnen dort untersagt. Die Vererbung von Immobilien, die seither Ausländern gehörten, bleibt in gerader DeScendenz und zwischen Eheleuten gesetzlich gestattet, falls der Erbe vor Erlaß des Ukas in Rußland angesiedelt war; andernfalls hat der au-ländische Erbe nach dreijähriger Frist die im mobile Erbschaft an einen Russen zu verkaufen; ge schieht dies nicht, so wird das Eigentum zu Gunsten des Erben subhastiett. Speziell für Polen ist noch die Bestimmung getroffen, daß in den dortigen Gou vernement- Ausländer außerhalb der Städte auch nicht al- Verwalter fungieren dürfen. Der UkaS hat tn Deutschland anfänglich eine starke Entrüstung hervorgerufen, während gegenwärtig bereits eine ruhigere Stimmung Platz greift. So finden die „Hamburger Nachrichten", daß es jedem Staate frei stehe, die Bedingungen zu bestimmen, unter welchen Ausländer Grundeigentum erwerben können; vielleicht sei diese Maßregel ein Ventil, durch welches sich der russische Deutschenhaß in unschädlicher Weise Luft mache. Auch müßten erst die Einzelheiten des Ge setzes abgewartet werden, um entscheiden zu können, ob dasselbe Hätten enthalte. „Die Maßregel erscheint, zumal wenn man in Betracht zieht, daß sie unter Schonung wichtiger Interessen dir Ausländer in den Städten und Hafenplätzen ausnimmt, im wesentlichen als nichts anderes, denn ein Gegenstück zu den Ger- manisierungLmaßregeln in Posen. Der Zweck ist hier wie da der nämliche; nur die Mittel sind andere. Wir suchen auf dem Wege der freihändigen Erwer bung von polnischen Gütern und ihrer Verteilung an deutsche Landleute die ländlichen Distrikte Posens zu germanisieren, Rußland sucht seine Grenzländer zu russtfizftren, indem es die Fähigkeit zur Erwerbung von Grund- und Immobiliarbesitz an die Eigenschaft der Staatsangehörigkeit knüpft. Das eine ist deutsch, das andere russisch; beides entspricht der ZivilifationS stufe jedes der beiden Reiche und der Verschiedenheit der Verhältnisse." Die „Neue Preußische Zeitung" beurteilt den Ukas vom praktischen Standpunkte. Sie sagt unter anderem: „In Polen, Litthauen und den „südwestlichen" Gouvernements wird sich der Ukas aus anderen Gründen unwirksam erweisen, wenn auch durchaus nicht zu bezweifeln ist, daß er sich unzähligen Einzel personen in der unangenehmsten Weise fühlbar machen wird. Bekanntlich ist in allen diesen Gebieten den Polen seit mehr als 20 Jahren der Erwerb von Grundeigentum streng untersagt. Hat man denselben gleichwohl zu verhindern vermocht? Ganz und gar- nicht, wie jeder Kenner der Verhältnisse weiß Der Scheinkauf spielt eine Rolle, tve dadurch wahrhaftig nicht geringer wird, daß der russische Gesetzgeber sie zu ignorieren scheint Da er die sittliche Veranlagung der kennt, die er zur „Eroberung" der „Grenzmarken" auszusenden pflegt, so bleibt ihm freilich kaum etwas andere- übrig. An dieser That- fache sind die Bestrebungen der Russifikatoren aber bisher gescheitert, und daran werden sie auch in Zu kunft scheitern. Man mag auf den Deutschen schlagen so stark und so viel man will: der Erfolg wird immer der sein, daß man den Beamten und — den Juden die Taschen füllt." „Wer das etwa nicht glaube« will, dem empfehlen wir das gelegentliche Studium der Berichte, die sich die slawophile Presse aus den „nordwestlichen Gou vernements" mitunter schicken läßt. Diese Berichte fangen gar nicht selten mit hochtrabenden Bemerkungen über die Fortschritte des „russischen Geistes" an; fast immer aber enden sie mit den, betrübten Zugeständ nis, daß es in der Praxis nicht nur ander-, sondern eher noch schlimmer geworden sei, als es früher ge wesen; weshalb? weil mit den Beamten nun einmal nichts anzufangen sei, die sich um die Förderung der Und jetzt zur Pflicht! Dort liegt ein Mensch unter seinem Dache, auf seinem Bette, er ist sein Gast, hilf los und bedarf vielleicht »och des Schutzes. Wie, wenn die scheinbar erloschene Lebensflamme noch einmal zu erwecken wäre? Aber . . . Martinos schwankt, stützt das Kinn in die Hand und bettachtel düsteren Blickes den Ruhenden. Dieser Mann ist sein Todfeind, er beschimpfte die Ehre seines Hauses, beschmutzte das heilige Gewand der Gastfreundschaft, trieb Vizente in ein frühes Grab und befleckte die Hände eines Greises mit Blut! Schreckliche Trauerfolge unseliger Verket tungen! Gleich schaurigen Gespenstern reihten sich die Sünden Alvaros an einander und tanzten in grinsen dem Reigen an Martinos umnachttter Seele vorüber, tausend wilde, widersprechende Gedanken durchkreuzten sein fieberhaft erregtes Hirn. Plötzlich raffte er sich mit ungestümer Gebärde auf. „Nein, nein, die Pflicht steht mahnend vor mir; Antonio Martinos ließ sich noch nie vergebens von dieser heiligen Stimme warnen!" Von dieser Minute an war es nicht mehr sein Todfeind, sondern ein verlassener, hilfloser Mensch, dessen sich der Mineiro in liebevoller Sorgfalt an nahm. Er zündete die kleine Lampe an und entnahm einem Schränkchen an der Wand, welches die dürf tige Hausapotheke enthielt, mehrere Fläschchen. Hierauf befreite er Alvaro vorsichtig von den feuchten Oberkleidern, wusch die Wunde mit heiliger Essenz, verband sie von neuem mit zarter unv ziemlich ge schickter Hand und beNeidetc ihn alsdann mit einem fernem Hemde aus feinem eigenen Wäschevorrat Nachdem er Brust und Antlitz de» jungen Manne» „russischen Sache" nur scheinbar und äußerlich kümmerten, in Wahrheit die Dinge ober gehen ließen, wie sie gingen, ja in manchen Fällen sogar dem „Po- loni-mu«" verfielen usw Die ärgsten Schäden werden hier nicht einmal berührt; schon da» Gesagte reicht eben au-, um zu erklären, was wir erklären wollten." „Bei dieser Lage der Dinge sind die strengsten Maßnahmen nicht mehr wett, als die mildesten. Wir wiederholen deshalb: aus den Vorschriften des neuesten UkaseS wird sich für viele einzelne „Ausländer in den Grenzgebieten" ein außerordentliches Maß von Brun ruhigung und Gefährdung ihrer Interessen ergeben; das Ausländertum als solches wird man sich da durch nicht vom Halse schaffen. Selbst wenn das aber gelänge, würde man gar manchem Deutschen, nicht aber Deutschland schaden. Uns kann an der Ansie delung unserer Volksgenossen in Ruhland nichts ge legen sein; sie werden dort nur unsere Konkurren ten, d. h. sie dienen den Interessen eben derjenigen, welche jetzt die Hand gegen sie erheben." LtMSgclchMk. * Dresden, 27. Mai. Ihre Königl. Hoheiten der Großherzog und die Großherzogin von Olden burg, Höchstwelche Sich seit dem l. Mai d- I. hier aufgehalten hatten, sind gestern abend 9 Uhr 10 Min. nach Marienbad abgereist. * Berlin, 26. Mai. Se. Majestät der Kaiser erledigte heute vormittag Regierungsgeschäste und nahm Vorträge entgegen, worauf sich Se. Majestät in Be gleitung des Flügeladjutanten vom Dienst, Oberst lieutenants v. Petersdorfs, zur Abhaltung der großen Frühjahrsparade der Berliner und Spaudauer Gar nison in einer vierspännigen Hosequlpage nach dem Kreuzberge begab, woselbst bei seiner Ankunft die an der Parade teilnehmenden Königl. Prinzen und Prin zessinnen, die hier eingetroffenen höchsten fremden Fürstlichkeiten und die Generalität, die Militär attaches rc. zum Empfange bereits anwesend waren Nachdem Se. Majestät der Kaffer die anwesenden hohen Herrschaften und die Generalität rc. begrüßt, nahm die große Frühjahrsparade auf dem Exerzier plätze östlich der Tempelhofer Chaussee ihren Anfang. Nach dem Schluß der Parade kehrte Se. Majestät mit seinem Flügeladjutanten nach der Stadt und dem Kömgl. Palais zurück. Se. Majestät nahni dann im Laufe des Nachmittags noch einige Vorträge entgegen und arbeitete allein. Um 5 Uhr findet aus Anlaß der Paraden im Weißen Saale und den angrenzenden Gemächern des hiesigen Königl. Schlosses ein Diner von etwa 400 Gedecken statt, zu welchem die Mit- glieder der Königl. Familie mit ihren Hofstaaten, der Großherzog von Toscana nebst Gefolge und Ehren dienst und dem Kaiser! Königl. österreichisch-ungarischen Botschafter Grafen Szechenyi, Se. Königl. Hoheit der Herzog Albrecht von Württemberg nebst Gesolge und Ehrendienst und dem Geschäftsträger Obersten Grafen v. Zeppelin, der gestern abend hier eingetroffene Prinz und die Prinzessin Albert von Sachten - Altenburg, ferner die zur Zeit hier anwesenden landtässigen Fürsten, die aktiven Staatsminister, die am hiesigen Hofe beglaubigten Militärattaches und andere hervor ragende Personen Einladungen erhalten haben. Ter „Reichsanz" enthält folgende Mitteilung: Se. Kaiferl. und Königl. Hoheit der Kronprinz erkrankte im Januar d. I. an einer Halsentzündung, welche in ihren äußeren Erscheinungen, einem geringen Husten und einer intensiven Heiserkeit, durch die bisher in ähnlichen Fällen bei Sr. Kaiser!. Hoheit mit Erfolg angewendeten Mittel sich nicht beseitigen ließ Auch eine mehrwöchige Kur in Ems, welche im Übrigen auf das Allgemeinbefinden Sr. Kaiferl. Hoheit von bester Wirkung war, vermochte doch das örtliche Leiden nicht zu heben, so daß die im Laufe der Erkrankung neben dem behandelnden Leibarzt zugezogenen ärztlichen Auto ritäten sich einverstanden damit erklärten, daß ein eng lischer Spezialist für Halskrankheiten, vr. Morell Mackenzie aus London, mit seinem Urteil gehört werde. Derselbe ist vor einigen Tagen hier eingetroffen und hat nach wiederholter Untersuchung Sr. Kaiser! Hoheit den Zustand HöchstdeSselben nicht so Besorgnis er regend gefunden, daß er nicht hoffte, durch eine zweck entsprechende Behandlung das Übel in nicht zu langer Zeit beseitigen zu können. Wie die „Berl. Pol. Nachr." hören, hat sich bei dem Reichskanzler wieder das alte Leiden eingestellt. Seit einigen Tagen wird Fürst Bismarck von rheu matischen Muskelaffektionen heimgesucht, infolge deren ihm jede Bewegung heftige Schmerzen verursacht. mit verdünntem Branntwein längere Zeit gerieben, bettete er das Haupt desselben ein wenig höher, und ließ auch den Lichtschimmer voll auf die Züge fallen, um zu erkennen, ob eine Bewegung bemerk bar sei. In diesem Momente trat er unwillkürlich einen Schritt zurück; Alvaro hatte plötzlich seine großen schwarzen Augen geöffnet und starrte ihn mit wildem, unstetem Blicke an. „Wo bin ich? Ah! Dieser Schmerz — Wasser! Meine Lippen brennen — ach, Wasser, Wasser!" „Sie sind in meinem Hause, Senhor." sagte der Mineiro kalt, indem er sich noch etwas mehr von dem Bette entfernte. In Alvaro schien mit einem Male das Bewußt sein seiner Lage aufzudämmern, er sah sich allein wehrlos in den Händen des Mannes, von dem er kein Erbarmen erwarten durfte; warum hatte nur Ramiro ihn verlassen? Nachdem er versucht, sich ein wenig aufzurichten, heftete er den Blick voll Entsetzen auf Martinos, der in der Mitte des Zimmers stehend, eine Beute stür mischer Gefühle war; er bemerke den Ausdruck der Todesangst in den weit geöffneten Augen, aber er ver harrte regungslos auf seinem Platze, der Klang der Stimme diese» Mannes hatte ihn den Toten vergessen lassen. „Wasser!" bat Alvaro in heiserem Tone, ,^ch sterbe — um Gottes Barmherzigkeit willen, löscht mir den Durst, ich fühle Feuer im Munde — Wasser, damit ich sterben kann!" (Schlat f-tgt.) Die Regierungen de- Großherzogtum- Sach sen, sowie der Herzogtümer Sachsen-Meiningen und Sachsen-Coburg und Gotha haben beim BundeSrate auf Grund des tz 18 des Reichsgesetze» vom 5. Mai 1886 die Bildung von Beruf-ge- nossenschaften für land- und forstwirtschaft liche Betriebe m Vorschlag gebracht Die Groß herzoglich sächsische wie die Herzoglich meiningensche Regierung schlagen jede die Bildung je einer das ganze betreffende Landesgebiet umfassenden Berufsge nossenschast vor. Nach der Berufsstatistik kommen für das Großherzogtum 33141 Betriebe mit 40637 Personen in Betracht; dazu sind noch zu zählen die Kunst- und Handelsgärtnerei mit 164 Bettieben und 406 Gehilfen und Arbeitern und die Forstwirtschaft mit 52 Betrieben und 1151 Gehilfen und Arbeitern. AuS diesen Zahlen allein ergiebt sich schon die Leistungsfähigkeit einer Berussgenossenschaft und das Reichsversicherungsamt hat auch die Bildung einer solchen im Sinne des Vorschlages der großherzoalichen Regierung befürwortet. Für das Herzogtum Meinin gen kommen 31835 Betriebe mit 25615 Gehilfen und Arbeitern der Land- und Forstwirtschaft in Be tracht, so daß auch hier die Leistungsfähigkeit der Be- rufsgenossenschaft außer Frage steht und demgemäß auch dieser Vorschlag Befürwortung seitens des ReichsversicherungSamtS gesunden hat. Die Herzoglich sächsische Regierung von Coburg und Gotha schlägt die Bildung von zwei Berufsgenosfenschaften, deren eine das Herzogtum Gotha und deren andere das Herzogtum Coburg umfassen soll, vor. Dem Ver nehmen hat nach das Reichsverficherungsamt sich diesem Vorschläge nicht ««geschlossen und befürwortet die Bildung von nur einer Berufsgenossenschaft für das Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha mit dem An heimgeben, den verschiedenartigen Verhältnissen der fraglichen beiden LandeSteile durch eventuelle Einrich tung von zwei Sektionen und durch entsprechende Gestaltung des Gefahreiltarifs Rechnung zu tragen. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe beläuft sich in Sachsen-Coburg und Gotha auf 26 40-. Wien, 26. Mai. Gestern sind Ihre Maje stät die Kaiserin und Erzherzogin Marie Valerie, aus Ischl kommend, hier eingetroffen. — In Bezug aus die von der Pforte am 22. d. Mis versendete Zirkularnote herrscht nach wie vor dieselbe Anschauung vor, daß dieselbe zunächst von keinen praktischen Fol gen begleitet sein wird. Zwar ist es nicht aus geschlossen, daß vertrauliche Besprechungen zwischen den Mächten eingeleitet werden zu dem Zwecke, Rußland um die Nennung seines Kandidaten anzugehen, aber man giebt sich über den Erfolg einer solchen Aktion keiner Täuschung hin, da man allen Grund zu der Annahme hat, daß Rußland gegenwärtig weniger als je aus seiner zuwartenden Haltung herauszutreten gesonnen ist. Was aber aus der Zirkularnote hervor- qeht, ist, daß die zwischen der Pforte und dem rus- sifchen Vertreter in Konstantinopel geführten Ver handlungen, von welchen die anderen Mächte ver ständigt waren, zu keiner Einigung geführt haben. Die Zirkularnote bildet gewissermaßen den äußeren Ausdruck dafür, daß die Pforte auf die Mission, zwischen den Bulgaren und Rußland zu vermitteln, nunmehr verzichtet und an den europäischen Areopag appelliert. — Aus Belgrad erfährt man, daß König Milan dem russischen Gesandten v. Persiani seinen besonder» Dank für den der Königin Natalie in Odessa zu teil gewordenen Empfang ausdrücken ließ. — Das österreichische Abgeordnetenhaus mühte sich gestern 10^ Stunden hindurch mit der Debatte über den Etat des Justizministeriums ab. Die Abendsitzung wurde erst nach Mitternacht geschlossen. Bemerkenswerte Mo mente sind nicht zu verzeichnen; es wäre denn, daß bei der Rede des jungtschechischen Abgeordneten Va- schaty sämtliche Mitglieder des Tschechenklubs den Saal verließen. — Es Hal Aufsehen erregt, daß bei einem gestern im Wiener Rathause abgehaltenen Volksfeste, dem auch der Kronprinz Rudolf bei wohnte, in letzter Stunde auf polizeiliche Anordnung die Absingung des „deutschen Liedes" unterbleiben mußte. Das Publikum, welches von dem Verbot keine Kenntnis hatte, verlangte stürmisch diese Nummer. Es ist noch nicht aufgeklärt, inwiefern die Absingung des „deutschen Liedes" inmitten einer Million deutscher Einwohner Anstoß erregen könnte. Prag, 26. Mai DaS zu Pfingsten in Bud- weiS stattfindende 4. deutsche Sängerbundesfest ist schon jetzt Gegenstand der heftigsten tschechischen Anfechtung. Der nur allzu durchsichtige Plan einer Anzahl Sokolvereine verschiedener tschechischer Städte -'M > K. Hoftheater. Ta der bevorstehende „Nibelungen- cyklus" die Kräfte des Gesamtpersonals derart in An spruch nimmt, daß die für Sonnabend geplante Auf- »iführnng des „Tannhäuser" mit Hrn. Eichhorn wegen Unmöglichkeit der unumgänglich nötigen Orchesterpro ben auf später verschoben werden mußte, so hat die Königl. Generaldirektion den „Rattenfänger von Hameln" mit Frl. Malten als Gertrud für diesen Tag angesetzt. Theater. Aus Wien wird uns geschrieben: Vr. Förster vom Deutschen Theater in Berlin weilte gestern hier und hatte eine Besprechuyg mit dem Ge neralintendanten der Hoftheater, Frhrn. v. Bezecny, welcher ihm den durch Adolf Wilbrandts Rücktritt frei werdenden Posten eines Direktors des Wiener Hofburgtheaters anbot. Vr. Försters Kandidatur war von allem Anfänge an zunächst in- Auge gefaßt und hat insofern gute Aussichten, als vr. Förster sich mit Freuden bereit erklärt hat, die ehrenvolle Mission zu übernehmen, welche ihn auf eine Stätte zurückführen würde, an der er früher schon lange Jahre als Re gisseur gewirkt hat. Die einzige Schwierigkeit liegt darin, daß vr. Förster als Societär des Deutschen Theaters gegenüber den anderen Societären dieser Anstalt gebunden ist und sein Verhältnis zu derselben auf eine oder andere Art gelöst werden muß. Doch das ist lediglich Hrn. Försters Sache, denn wer sich zu einem Posten meldet, muß entweder frei sein oder sich frei zu machen wissen. wie Tabor, Beraun, Pribram, Deutschbrod u. s. w., zu derselben Zeit einen .Ausflug" nach Budweis zu unternehmen, ist dadurch vereitelt worden, daß die Behörden diese Sokolfahrten nicht gestattet haben, worüber nun im Sokollager große Erbitterung herrscht, welche überdies von gewissen Leuten in leicht zu er. ratender Absicht so viel als möglich anzufachen gesucht wird. Der Prager „Sokol" unternimmt zu Pfingsten einen Ausflug nach Wittingau, welche Stadt etwa drei Stunden östlich von Budweis liegt. — Seiten des jungtfchechischen Hauptblattes ist jetzt auch eine Agitation gegen die alttschechischen Reichsratsab- geordneten in Fluß gebracht worden, welche die Be völkerung namentlich gegen Vr. Rieger und die übrigen an der Spitze des tschechischen Reichs- ratSklub stehenden Männer aufzureizen bezweckt. Den jüngern jungtschechifchen Abgeordneten, welche vor kurzem im Abgeordnetenhause die Inter pellation in Angelegenheit der „Sokolfeier" ein gebracht haben, hierbei aber von ihren tschechischen Kollegen nicht die geringste Unterstützung fanden, wird nun m den „Narodni Listy" durch Kundgebungen der verschiedenen „Sokol"-Vereine in Böhmen in allen möglichen Formen der Dank und das Vertrauen so wie die Zustimmung, den anderen tschechischen Ab geordneten dagegen das „Bedauern", „Mitleid" und „Mißtrauen" ausgesprochen; in einer dieser Kund gebungen wird auch erklärt, daß die Geduld de» tschechischen Volkes gegenüber der „Flauheit" der tschechischen Reichsratsabgeordneten „schon zu Ende" sei. Die in Rede stehende Bewegung sowie die Hetze in der „Sokol"-Angelegenheit überhaupt wird wohl insbesondere durch die Thatsache in das rechte Licht gestellt, daß ja die Regierung nicht die „Sokol"-Zubel- feier überhaupt, sondern nur die feierliche Einholung der Festgästr und den Festzug untersagt hat und daß der Festausschuß des Prager „Sokol" es war, der die Nichtabhaltung der Feier überhaupt beschlossen hat. — Der deutsche Verein in Prag hat in Bezug aus die nationale Zweiteilung des Landes eine neue ent schiedene Kundgebung erlassen. In der letzten Plenar versammlung nahm derselbe nämlich eine Resolution an, in welcher es heißt: „Der Grundsatz der nationalen Sonderung und Selbst bestimmung verbürgt allein dem deutschen Bolle in Böhmen eine verläßliche Grundlage für die Sicherung seiner nationalen Interessen und seiner von dem Einflüsse fremden Volkstum- freigehaltenen unverkümmerten, kulturellen Entwickelung. Indem dieser Grundsatz keinerlei berechtigten Ansprüchen der anderen Nationalität nahetritt, verheißt dessen Verwirklichung die Herbei führung friedlicherer, aus ungestörtem Nebeneinanderleben be ruhender Beziehungen beider Bolksstämme im Lande. Die Sicherung der Existenzbedingungen des durch Zahl und Be deutung so wichtigen deutschen Volkes in Böhmen kommt dem gesamten deutschen Bolkstume in Österreich zu Gute, welches sich, wenn die Kräfte der Deutschen in Böhmen nicht mehr fast ausschließlich durch den täglichen Kampf um den nationalen Besitzstand gebunden werden, um so wirksamer für die Er reichung seiner nationalen und staatlichen Ziele und Ausgaben wird einsetzen können." * Paris, 27. Mai. Die Ministerkrise bietet noch immer keine Aussicht auf baldige Beendigung. Freycinet hat die zweite Aufforderung Gravys, ein Kabinett zu bilden, ebenfalls abgelehnt. Sich mit den unabläfsig neuauftauchenden Kombinationen der Zeitungsschreiber zu befaffen, verlohnt der Mühe nicht und sich mit den von den gröbsten gegenseitigen Be schuldigungen wimmelnden Artikeln der ftanzösifchen Blätter zu beschäftigen, ist ebenfalls zwecklos. Der kleinliche Egoismus der Parteiführer fängt an nach gerade widerlich zu werden. Keiner gönnt dem an deren die erste Stelle im Staate und weigett sich, ein Titelchen von feinen Parteiprinzipien aufzugeben, um sein Vaterland aus der unwürdigen und die Bürger beunruhigenden Krisis herauszubringen. Mit Frey- cinets Weigerung steigen wieder die Aktien Boulangers, dies ist im Grunde das einzige, was für Deutschland an der neuen Gestaltung der Dinge Interesse hat. Das Bild, welches Frankreich in diesen Tagen dem übrigen Europa darbietet, ist in der That ein solche», daß man unsere Nachbaren nur aufrichtig bemitleiden kann. Brüssel, 26. Mai. (W. T. B.) Durch ein ge richtliches Verbot wird der Verkauf verbotener Waffen unterfagt. — In dem Kohlenbecken von Seraing macht sich, wie hier vorliegende Nachrichten besagen, ein wenn auch noch nicht sehr erhebliche» Nachlassen der Streikbewegung bemerkbar In La Louvidre sind noch 2 weitere Dynamitattente gegen die Woh nungen von Kohlengrubenarbeitern ousgekührt wor den, dieselben haben aber keinen erheblichen Schaden verursacht. * Sophia, 25. Mai. Die türkische Zirkular- note hat in hiesigen Regierungskreisen einen sehr Neuntes schlesisches Mufikfest. Das Programm des am 5., 6. und 7. Juni in Breslau unter den Auspizien des Generalintendanten Grafen Hochberg stattfindenden neunten schlesischen Musikfestes steht nunmehr endgiltig fest. Am ersten Tage gelangen zur Aufführung: Symphonie v-woll von Robert Schu mann — Der büßende David von W A. Mozart — Der glorreiche Augenblick von L. van Beethoven. Am zweiten Tage: Ouvertüre „Die Weihe de» Hause»" von L. van Beethoven — „Des Sänger- Fluch" von Schumann — Isoldens Liebestod von Wagner — Symphonie 6-moII von Reinecke — 61. Psalm von Bargiel. Für den dritten Tag ist daS Programm wie folgt zusammengesetzt: Orpheus von Liszt — Klavierkonzert 0-ckur von Beethoven — MahomedS Gesang von E. Flügel — Vorträge der Solisten. Als Solisten wirken mit: Frau Julie Koch-Boffen- berger von der Königl Oper in Hannover (Sopran); Frl. Marie Gerstner aus Wien (Sopran); Frau Fanny Moran Olden, Großherzogl. oldenburgische Kammer sängerin aus Leipzig (Mezzosopran); Hr. Emanuel Hedmondt vom Stadttheater zu Leipzig (Tenor): Hr. Franz Betz, Königl. preußischer Kammersänger (Bari ton); Hr. Eugen d'Albert, Großherzogl. sächsischer Hospianist (Klavier). Als Vertreter der Baßpattten ist neuerding» Hr. Hans Schinkel in Berlin gewonnen worden. Als Festdirigent wirkt Hr. Kapellmeister vr. Karl Reinecke aus Leipzig. Hr. Prof. vr. Barg ei aus Berlin wird seine Komposition de- 61. Psalm» selbst dirigieren; Hr. Ernst Flügel in Bre-lau diri giert seine Kompositton „MahomedS Gesang".
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