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ZUR EINFÜHRUNG Der heutige Mozart-Abend ist ausschließlich dem Opernschaffen des Meisters gewidmet, das ja einen großen Teil seiner Werke ausmacht. Nur durch eine Oper konnte damals ein Komponist Ruhm und An erkennung gewinnen und so ist es verständlich, daß Leopold Mozart, der seine Lebensaufgabe darin er blickte, die schon im zarten Kindesaltersich so über zeugend offenbarende musikalische Begabung seines Kindes zu lenken Und der Welt bekannt zu machen, sich schon frühzeitig uin einen Opernauftrag be mühte. Und wenn auch der zwölfjährige Wolfgang mit seiner ersten Oper „Fi nta semplice“, dieerim Auftrag des Wiener Hofes schuf, hinter den anderen Bewerbern zurückblieb, so zeigte sie doch schon ganz erstaunliche Fähigkeiten. Innerlich konnte der Knabe einer solchen Aufgabe noch nicht gewachsen sein; doch in seinem Einfühlen in das Wesen der opera buffa spüren wir sein Bestreben, gleichsam festen Fuß zu fassen in der musikalischen Umwelt, in die er hineingestellt war, sich nach Kräften alles an zueignen, was ihn die zeitgenössischen, jeweils er reichbaren Vorbilder lehren könnten. — Die folgen den, vorwiegend von Mailand in Auftrag gegebenen italienischen Opern zeigen alle deutlich die Grenzen, die dem jungen Genie noch gezogen waren — ein Zeichen für seine gesunde, natürliche Entwicklung, doch war die enge Berührung mit der reich ent wickelten italienischen Gesangskunst für ihn von ausschlaggebender Bedeutung. Die ersten bleibenden Bühnenwerke wurden die spä ter ins Deutsche übersstzten Opern „Die Gärtne rin aus Liebe“ und „Idomeneo", die sich beide des unbedeutenden, konstruiert wirkenden Textes wegen keinen festen Platz in den Opernspielplänen erringen konnten. Der „Idomeneo“ bedeutete in Mozarts Schaffen die erste glanzvolle Probe des tra gischen Musikdramas — war ein Höhepunkt in der Gattung der opera seria an sich — sie zeigte ihm aber gleichzeitig, daß hier seine natürliche Begabung nicht lag. Diese konnte sich erst voll auswirken bei seiner für das „National-Singspiel“ geschaffenen ersten deutschen Oper „Die Entführung aus dem Serail“. Statt Göttern stehen hier Menschen von Fleisch und Blut auf der Bühne, Gestalten, die wahrhaft volkstümlich geworden sind. Erstmalig ist Mozart auch an der Gestaltung des Textes beteiligt gewesen, allerdings kümmerte ihn die musik- dramatische Brauchbarkeit des Stoffes weit mehr als der literarische Wert seines Textbuches. Auf schlußreich ist ein Brief an seinen Vater, der die Ein stellung zu diesem Grundproblem der Oper klarlegt: „Bei einer Opera muß schlechterdings die Poesie der Musik gehorsame Tochter sein. — Warum gefallen denn die welschen komischen Opern überall? Mit all dem Elend, was das Buch anbelangt? Weil da ganz die Musik herrscht und man darüber alles vergißt. — Verse sind wohl für die Musik das Unentbehrlichste. Aber Reime des Reimens wegen das Schädlichste.“ So verdanken wir Mozarts Mitarbeit die prachtvoll charakterisierte Gestalt des Haremswächters Osmin, der in seiner gewalttätigen Sinnlichkeit der treuen, unschuldvollen Liebe Belmontes gegenübergestellt ist. — Dieses erste deutsche Singspiel würdigte C. M. v. Weber mit den schönen Worten: „Ich glaube in der Entführung das zu erblicken, was jedem Men schen seine frohen Jünglingsjahre sind, deren Blüte zeit er nie so wieder erringen kann, und wo beim Ver tilgen der Mängel auch unwiderbringliche Reize ent fliehen.“ Als Mozart mit dem Rückgang des „National-Sing- spiels“ die Hoffnung auf einen weiteren deutschen Opernauftrag begraben mußte, bedauerte er das tief — „jede Nation hat ihre Oper, warum wollen wir Teutsche sie nicht haben?" — und er wandte sich unter dem Druck der Verhältnisse wieder dem italie nischen Opernstoff zu. Doch ist seine 1787 ent standene Oper „Die Hochzeit des Figaro“ kaum mehr eine opera buffa, vielmehr ein musi kalisches Lustspiel, das erste und gleichzeitig das vollkommenste, das die musikdramatische Literatur überhaupt besitzt. In souveränster Beherrschung seiner zur höchsten Reife gediehenen Kunst hält hier Mozart seinen Zeitgenossen gleichsam einen Spiegel vor. Ein glückliches Geschick hatte ihm in Da Ponte — einem abenteuerlichen Menschen — einen kon genialen Textdichter beschert, der mit behutsamer Hand das französische Drama Beaumarchais’, das als „Sturmvogel der französischen Revolution" be zeichnet werden kann, für die Erfordernisse der ita lienischen Bühne bearbeitete und dabei Mozarts musik-dramatische Forderungen vollendet erfühlte. Leider geben die deutschen Übersetzungen — wie bei allen Mozart-Opern — kaum ein Bild dieser be glückenden Einheit von Musik und Dichtung. — Die Ouvertüre, dieses Meisterstück einer Lustspiel ouvertüre, verkörpert — wie auch die zur „Ent führung" — nicht den Inhalt der Oper, sondern deren Stimmungsgehalt. Sie ist das Sinnbild des heiteren, unbändigen Lebensdranges, übermütig und kapri ziös. Die Arien sind von zauberhafter Melodik, das Wesen der Personen erschöpfend gestaltend und da bei den Augenblick, für den sie geschaffen, hell durch leuchtend. Nirgends bisher wurde die Liebcssehn- sucht so innig gestaltet wie in Susannes Gartenarie, niemals vorher wurde die im Knabenherzen halb be wußt erwachende Liebe in ihrer süßen Qual so lebens-