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Dresdner Journal : 17.03.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-03-17
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188703174
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18870317
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18870317
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-03
- Tag 1887-03-17
-
Monat
1887-03
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 17.03.1887
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V62 Donnerstag, dm 17. März, abends. 1887. v«rax»pr«l»« r» »»»»» - Itbrliob! .... 18 L1»rk HjLbrtiob: L K0 ?k Li»»»!»« HiwuLvrn: 10 kt. Li>»»«r^»Idäs« äsutick^o Keleks» tritt ko»t- 8t»uii>«l»u»vk!»b bmru. XollvnaixvnxHssekNkrsi,, rar a»o kaum einer zsespeltevsn 2«u» Usinsr 8ckritt Sy?k. Unter „Lin^s-enät" äi« 2sU« bO kk. öei 1»k«U«o- n. 2iN«rn»»t» entepr. ^nkecllln^. Lrsekelavu» aut ^tnenntune äsr Sonn- anä ?ei«rt»^« »denci». Lvnekm« ivn ^ntvaäl^nossen »»iMRrti» dresdnerÄMMl Dr Lranrirtrtter, Oomn»ü»»o»Tr ä» Oreelloer ^onrnnle; L»wdnrx -Nerltn -Vten - 1-etxitU L»»«l-Nr«tt»»-Rr»n^1vr« ». K.: Äansenrtern ^ogker, a«rUn-Vt«o-L»»d»rff- kr»x - l,«tp«tU - krenkkilrl ». N. NaneLen: Aull Ato««,' ?»rt» I-oväoo - LerUn - krenttnrt » U - »tatlzert: Da«-« F Do.,' LerUa: /nrallllenllant, Srewen: D §c-tott«, Nr»il»a: A §ta»>A-n'« Aurea« <Lm,t Aa-at-k SSrUl,: D L/uller'e A'ac-/oiA«r,- S»nL«r»r: O. Lc-urriee,' L»U» ». s : /. Laret Do. Für die Gesamtleitung verantwortlich: Gtto Banck, Professor der titteratur- und Kunstgeschichte. Uer»ll«xek«r r lvnigl Lrpellition lle» Dr«,llner /onriuül, Dreellso, 2«in^er»tr»»»« l^o >0. Bestellungen auf da- „Dresdner Journal" für daS nächste Vierteljahr werden zum Presse von 4 M. 50 Pf. angenommen für Dresden be» der unter zeichneten Expedition (Zwingerstr. Nr. 20), für auSvärt- bei den betreffenden Postanstaiten. König!, Lrptditio» des Dresdner Journals. Amtlicher Teil. Dresden, 15. März. Se. Majestät der König haben dem Rechtsanwalt und Notar tir. Emil Hugo Karl Böhme in Annaberg und dem Rechtsanwalt Dr. Richard Otto Robert Enzmann in Chemnitz den Charakter als Justizrat Allergnädigst zu verleihen ge ruht. Nichtamtlicher Teil. Telegraphische WachrnchLen. TemeSvar, 16. März. (W. T. B.) Die Kläffe TemeS und Bega sind in raschem Steigen begriffen. ES find geeignete Vorsichtsmaßregeln getroffen, um nach Möglichkeit Wasserschäden zn verhüten. Paris, 16. März. CW. T. B.) Die chinesische Regierung gab zu dem Anschlusse des Telegraphen- netzes von Annam an das chinesische ihre Zustim mung. LessepS stattete gestern dem Präsidenten Gr^vy und dem Minister des Äußern FlourenS Be suche ab. Rom, 16. März. (W. T. B.) General Gen^ zeigte der Regierung an, daß er die in Massauah mit Beschlag belegten Gewehre RaS Allulas dem selben habe ausfolaen lassen, um die Freilassung der Erpedition Salimbeni zu erwirken. „Fan- sulla" erklärt sich ermächtigt, mitzuteilen, daß die Negierung daS Vorgehen des Generals mißbillige. Rom, 17. März. (Tel. d. Dresdn. Journ Die Negierung beschloß, den General GenS sofort aus Massauah zurückzuberufen. MonS, 16. März (W. T. B.) Wegen eines Ttrikes der Steinbrucharbeiter in Soignies ist heute ein Bataillon Jäger dortbin aufgebrochen und sind die übrigen hier garnisonierenden Trup pen konsigniert. Belgrad, 16. März. (W. T. B.) General Horvatovich wird sich nach Berlin begeben, um dem Kaiser Wilhelm anläßlich dessen GeburtS- festeS ein eigenhändiges Glückwunschschreiben des Königs zu überbringen. Dresden, 17. März. DaS Verbrechen in St. Petersburg. Aus dem gestrigen und vorgestrigen Telegram men kennt man bereits die Thatsache, daß durch gütige Fügung des Himmels in der russischen Hauptstadt ein ruchloser Unternehmen auf das Leben des Kaisers zu rechter Zeit verhindert wurde. Unterdessen sind neue Nachrichten eingegangcn, aus welchen sich ergiebt, daß die Verschwörung eine größere Ausdehnung besaß, als man anfänglich vermutete. Der „Nat.-Ztg." geht fol gendes Telegramm aus St Petersburg vom 15. d. M. zu: „Bei dem geplanten Attentat auf den Zaren hatte sich einer der Verschworenen an die Ecke des Newski- Prospektes und der Morskaja postiert, welche die Kaiser!. Familie bei ihrer Rückfahrt von der Kirche in der Peter Pauls-Feste nach dem Warschauer Bahn hof umfahren sollte; offenbar in der Berechnung, daß bei der Wendung ein langsameres Tempo eingehalten werden müßte Der betreffende Mann, wie eS sich herausstellte, ein früherer Student, trug die Bombe in der Form einer Schulmappe in der Hand. Ein Poli zist sah eine rote Strippe aus dem Instrument Her vorscheinen, was seinen Verdacht erregte. Die Ver haftung erfolgte sofort und in den nächsten Augen blicken die von zwei in der Nähe befindlichen Individuen, die gleiche Schulmappen trugen. Die Meldung vou der Verhaftung und dem Bombenfund wurde tele graphisch an den Kaiser abgesandt, der noch beim Gottesdienste sich befand. Der Kaiser soll in Thränen ausgebrochen sein, indem er der Gefahr gedachte, die seine Familie gelaufen war. Die Route zur Rückkehr wurde geändert und die Kaiser!. Wagen fuhren in großem Umwege nach dem Bahnhofe. Ungemein zahlreiche Verhaftungen sind erfolgt; es herrscht große Bestürzung über den Vorgang in der Stadt. Groß fürst Wladimir arbeitete mit den Leitern der Polizei, verschiedene Belohnungen sind verteilt worden. Es wird namentlich gerühmt, daß die Entdeckung inner halb eines großen Menschengewühls vollzogen werden konnte, das des Sonntags halber auf dem NewSki- prospekt stattfand." Um seinem Volke den Beweis zu geben, daß der Mordplan ihn ni t zu schrecken vermöge, begab sich der Kaiser mit der Kaiserin vorgestern von Gatschina nach St. Petersburg und nahmen an dem bei dem Großfürsten Wladimir stattgehabten Rout teil Am Abend kehrten die Majestäten wieder nach Gatschina zurück. Welcher Art der Verschwörung man bei der Fest nahme der Verbrecher in St. Petersburg auf die Spur gekommen ist, darüber ist endgiltig nichts festgestellt, jedenfalls läßt die ganze, mit ausgesuchtester Ruch losigkeit erfolgte Vorbereitung des Verbrechens darauf schließen, daß man es nicht, wie den „Times" neulich gemeldet wurde, mit einer auf die Herstellung einer Verfassung gerichteten Verschwörung hochgestellter Groß grundbesitzer, sondern mit dem Werk der auf den Um sturz alles Bestehenden hinarbeitenden Nihilistenpartei zu thun hat und gewiß ist, daß die Nihilisten oder Anarchisten, wie sie in Rußland genannt werden, in den verfloßenen Monaten eine weit größere Rührigkeit entfalteten Die Aufregung ist in St Petersburg ungeheuer und jedermann wirft angsterfüllten Herzens die Frage uf, was im Falle des Gelingens der teuf- 'ischen Ättentatspläne geschehen wäre? „Es läßt sich in der That schwer absehen", sagt die (alte) Wiener „Presse", „welches Chaos in diesem Falle hätte er wachsen können. Ein gnädiges Geschick hat Rußland, hat Europa vor dem Entsetzlichen bewahrt; aber auch jetzt, da das fluchwürdige Verbrechen im Keime er stickt worden, werden die vorgestrigen Vorgänge in St. Petersburg nicht ohne Rückwirkung auf die Poli tik des Zarenreiches und auf die gesamte euro päische Konstellation bleiben. Nicht, daß zu besorgen wäre, es werde jetzt nach dem von gewissen russischen Politikern angepriesenen Heilmittel gegriffen werden, „in einem großen auswärtigen Kriege die Sicherheits ventile zu öffnen", wie seiner Zeit Skobeleff und nach ihm manch' andere vorgeschlagen haben. Daß ein solches Experiment die von jenen Herren verheißene Wirkung gar leicht versagen kann, hat sich in den Jahren, welche unmittelbar auf den letzten russisch türkischen Krieg gefolgt sind, recht auffällig gezeigt. Die Übel, an denen die russische Gesellschaft krankt, die Leiden und Wehen einer langen und mühseligen Übergangsperiode würden durch die Opfer, welche ein Krieg fordert, nur noch mehr verschlimmert; sie wür den nach Abschluß desselben, wenn die während des Kampfes entflammte patriotische Begeisterung wieder der Alltagsstimmung der Friedens gewichen, in noch erhöhterem Maße zu tage treten und verwegenen Un zufriedenen ihr Wühlgeschäft erleichtern. Die volle Genesung von dem Fieber, welches ab und zu gewisse Teile der russischen Gesellschaft schüttelt und so er schreckende Symptome aufweist, wie den Nihilismus, kann nur von innen heraus erfolgen bei ruhiger und stetiger Friedensarbeit, während welcher die staatliche Autorität und die vorsorgende Lenkung von obenher sich nach allen Richtungen geltend zu machen in der Lage ist." „In den St. Petersburger Regierungskreisen wurde dies erkannt und gewürdigt, als nach dem türkischen Kriege die Nihilisten sich mehr in den Vordergrund wagten, und diese Erkenntnis blieb auch nicht ohne Rückwirkung auf die Haltung des Zarenreiches in der auswärtigen Politik. Gegenüber der Solidarität der internationalen Umsturzpartei wurde die Solidarität der konservativen staatserhaltenden Gewalten, die Solidarität der konservativen Mächte der histo rischen Monarchien schärfer betont. Angesichts der Gefahr, welche von einer verwegen kühnen Umsturz pariei droht, die vor keinem, auch nicht dem entsetzlichsten und dem verruchtesten Mittel des Angriffs zurück schreckt, die den verlorenen Haufen im Vorkampfe der sozialen Revolutionäre gegen die bestehende Ordnung der Staaten und der Gesellschaft bildet — angesichts einer solchen Gefahr lag die Erwägung nahe, daß Machtstreitigkeiten der konservativen Mächte unterein ander in den Hintergrund zu treten haben und hieraus entstehende Zwistigkeiten auszugleichen sind ohne einen Appel! an das Waffenglück. Europa hat dieser Er kenntnis ein halbes Jahrzehnt der Ruhe und des ge sicherten Friedens zu danken gehabt und Rußland sich hierbei nicht schlechter gestanden, als seine Nachbarn. Die Annahme ist wohl keine unberechtigte, daß auch jetzt an der Newa die während der letzten Monate über den Streit der Machtrivalitäten mitunter in Ver gessenheit geratene Solidarität der konservativen Mächte neuerdings wiederum nach ihrem vollen Werte gewür digt werden dürfte, und daß diese Würdigung auch ihren Ausdruck finden wird in der Stellung des Zaren reiches zu den schwebenden europäischen Fragen * In der That sieht ganz Europa mit berechtigtem Abscheu das Wied-'rerwachen der nihilistischen Be wegung. Naturgemäß wird Rußland durch diese Er scheinung zu den konservativen Mächten Europas, mit welchem es gemeinsame, gegen die anarchische Be wegung gerichtete Interessen verbinden, hingedrängt. Diese Vorgänge dürften dem Zarenreich eine Politik des Friedens als unerläßlich erscheinen lassen, welche ihm gestatten, das an seinem Marke zehrende Übel von innen herauszuheilen. Dieses Bestreben schließt auch die Begünstigung des Panslawismus aus, denn Nihilismus und Panslawismus gedeihen auf demselben ungesunden Boden. Beide suchen Rußland aus der Bahn der ruhigen inneren Entwickelung herauszu drängen und beide untergraben, der eine bewußt, der andere vielleicht unbewußt nach verschiedenen Rich tungen hin die Festigkeit des Reiches. Der Nihilis mus will den Umsturz, der Panslawismus eine Ruß land in die größten Gefahren stürzende Politik der Abenteuer. LasteögMlchtt. Dresden, 17. März. Am König!. Hofe fand gestern ein Hofkonzert statt, dem Ihre Majestäten der König und die Königin, Ihre König!. Hoheiten der Prinz Georg und die Prinzessin Mathilde, sowie Se. Hoheit der Prinz Albert von Sachsen-Altenburg anwohnten und zu welchem gegen 200 Einladungen ergangen waren. Die Ausführung des Konzertes erfolgte unter Mit wirkung der Herren: Kapellmeister Hoftat Schuch, Konzertmeister Prof. Lauterbach, Konzertmeister Prof. Rappoldi, Konzertmeister Kammervirtuos Grützmacher, Kammersänger Bulß, Kammermusiker Göring, Keyl, Demnitz, Ehrlich, Stein, der Kammersängerin Frau Schuch, der Kammersängerin Frl. Reuter und der Hof opernsängerin Frl. v. Chavanne. * Berlin, 16. März. Heute nachmittag um 3 Uhr empfing Se. Majestät der^ Kaiser den Erzherzog Rudolf, Kronprinz von Österreich, welcher kurz zuvor auf der anhalter Bahn aus Wien hier einge troffen und auf dem Bahnhofe von dem Kronprinzen und dem Prinzen Wilhelm, sowie den Herren der hiesigen Botschaft Osterreich-UngarnS und den zum Ehrendienst befohlenen Offizieren empfangen worden war. Prinz Wilhelm geleitete den erlauchten Gast, nach dessen Ankunst, vom Bahnhofe zu Sr. Majestät dem Kaiser nach dem Königl. PalaiS und von dort ins hiesige Königl. Schloß, woselbst Kronprinz Rudolf auf einige Tage Wohnung genommen hat Ihre Majestät die Kaiserin begrüßte den erlauchten Gast bei dessen Eintreffen im hiesigen Königl. Schlosse. Nachmittags hatte Se. Majestät der Kaiser eine längere Konferenz mit dem Reichskanzler Fürsten Bismarck. Um 5 Uhr nehmen Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin das Diner im Königl. PalaiS gemeinsam mit dem Kronprinzen Rudolf von Österreich, dem Prinzen Wilhelm von Preußen, dem Großherzog und der Großherzogin und dem Prinzen Ludwig Wilhelm von Baden ein. Der „Reichsanz." meldet die Verleihung de» Schwarzen Adlerordens an den Königl. italieni schen Minister des Äußeren, Grafen Nikoli- de Robilant. — Die „Nat.-Ztg." schreibt anläßlich die ser Verleihung folgendes: „In dieser Thatsache dass jedenfalls der beste Beweis dafür erblickt werden, daß, falls der Anschluß Italiens an das Bündnis zwischen Österreich und Deutschland nicht bereits eine vollzogene Thatsache ist, die Verhandlungen doch einen durchau- günstigen Verlauf genommen haben. Es ist dies eine weitere Friedensbürgschaft, die bereits darin lag, daß das Kabinett Depretis-Robilant aus den jüngsten par lamentarischen Kämpfen siegreich hervorging, während die Berufung eines Ministeriums Crispi insofern einen Wechsel der auswärtigen Politik bedeutet hätte, als der erwähnte Abgeordnete jüngst noch mit seiner franzosenfreundUchen Gesinnung hervortreten zu müssen glaubte." Die hier anwesenden höheren Beamten aus dem Esaß, Bezirkspräsident v. Tichauer und Bürger meister Back von Straßburg, wovon der erstere sich nach seiner Beförderung von seiner früheren KreiS- dlrektorstelle in Weißenburg zur Vorstellung hierher begeben hat und der letztere vermutlich die finanziellen Interessen des ihm anvertrauten Gemeinwesens mcht durch den schlechten Ausfall der Wahlen gefährdet sehen möchte, sind auf heute abend zu den Kaiserl. Majestäten befohlen. Der „Köln Ztg." wird von hier geschrieben: Ein erfreuliches Zeichen von dem Umschwung der Dinge im Reichstage ist die endlich gesicherte Bewilligung der Unteroffizierschult in Neubreisach, milderen wiederholter Ablehnung die ultramontan-fortschrittliche Verbrüderung bisher eine Art Sport getrieben hat. (Die Budgetkommission hat mit allen gegen 7 ultra montane Stimmen diese Position bewilligt. D. R.) Die Gründe, welche für den Regierungsvorschlag sprachen, sind zum öfter» an dieser Stelle erörtert worden. Der durchschlagendste von allen ist, daß da vortreffliche Material, welches die Demschelsässer für den unteren Beamtendienst unter sich haben, durch die Vermittlung solcher Schulen in die deutsche Ver waltung hrnübergeleitet wird. Die Tüchtigkeit und Feuilleton. Nur eine Strophe. Novelle von Erich Norden. (Fortsetzung.) Wie verklärt leuchteten die Augen des Greises, und er deutete auf daS Bild seiner Gattin: „Aranka hat nie gesagt und geglaubt, daß die Gefühle der Deutschen zu lau seien, sie hat es nie bereut, einem deutschen Manne die Hand gereicht zu haben." ES zuckte eigentümlich um die Lippen der Baroneß. „Du dehnst auf Dein ganzes Volk aus, was nur an einzelnen sich bewährt." „Du sprichst für Dein Volk, Katinka, ich für das meine. Jeder Baum hat Wildlinge, und jeder Volks stamm ungeratene Söhne. Das darf man nicht ver gessen, wenn man gerecht urteilen will." Die Baroneß verließ ohne em weiteres Wort das Zimmer, und ihre sonst so stolze Haltung schien ge brochen. Der Professor schaute ihr traurig nach. Er wußte, daß Baroneß Katinka als ganz junges Mäd chen einen bildschönen deutschen Offizier geliebt hatte, ja bereits mit ihm verlobt war, als sie erfuhr, daß er lange Zeit in den Fesseln einer schönen Schauspielerin gelegen. Da hatte sie voller Verachtung, trotz heißen Flehen-, ihrem Bräutigam den BerlobungSring vor die Füße gewossen, und jetzt noch loderte leidenschaft licher Haß in ihr auf, wenn sie jener Tage gedachte. E« hatte sie nicht au-zusöhnen und Nicht milder zu stimmen vermocht, als der junge Offizier sich aus Ver zweiflung das Leben nahm. „Gott schütze mein Kind vor solchen Gefühlen!" flüsterte der Greis Wenige Tage nach diesem Gespräch war wieder Lefeabend. Der alte Professor hatte die Dramen beiseite gelassen und schon am vorigen Leseabend be gonnen, feinen Gästen „Dreizehnlinden" vorzulesen, diese Perle neuester Poesie, dieses echt deutsche Werk eines deutschen Greises. Zu wiederholten Malen schon waren dem alten Manne beim Vorlesen die Augen feucht geworden. Etelka fühlte sich wunderbar berührt und fast beängstigt durch die Gestalten dieser Dichtung. Die blonde Hildegunde, die die dunkle Thora vergessen macht, konnte sie sich immer nur mit Eleonores Ge- sichtSzügen vorstellen, wenn sie auch wieder und wieder sich ihre eigne Thorheit vorwarf und sich sagte, daß eine Hildegunde außer dem blonden Haar mit Eleonore keine Ähnlichkeit aufzuweisen hatte. Es herrschte atemlose Stille, während der Professor vorlaS. Doktor Miesner stand mit verschränkten Armen am Fenster und sein Blick ruhte auf Etelka, die ihm bleicher als sonst erschien. In seinen Zügen war eine Unruhe ausgeprägt, die früher nicht darin zu finden war. Seine Blicke wurden von Etelka abgezogen, weil ein unbestimmtes, unruhiges Gefühl ihn plötzlich nach einer andern Seite blicken machte. Da sab er Eleonores Augen auf sich gerichtet und wußte, daß die Macht ihres Blickes ihn beeinflußt hatte. Er wandte sich hastig ab und stellte sich so, daß er nur den alten Professor sehen konnte. Als derselbe zu lesen auf- hörte, trat einer der Herren zu Doktor Mie-ner „Doktor, was ist mit Ihnen? Sie haben so schwer geatmet, daß mir fast bange um Sie wurde. Herkules kann nicht schwerer geatmet haben, als er den Atlas ablöste und das Himmelsgewölbe trug." „Ich glaube gar, Sie haben während des Vor lesens geträumt", entgegnete Doktor Miesner mit ge zwungenem Lachen. „Wenn das der Professor wüßteI" Ein Hin- und Herreden entspann sich jetzt über die Gestalten der Dichtung. Doktor Miesner beteiligte sich nicht daran Er saß an einem Tisch, auf welchem mehrere Prachtwerke lagen, und blätterte in der Frith- ofSsage. Dann stand er auf und machte einen Ver- uch zu Etelka zu gelangen, aber Eleonore hielt ihn est, und immer, wenn sie ihn ansprach und anschaute, war es ihm, als sei er in einem Zauberkreis sestge- halten, den er nicht verlassen konnte, ob er auch wollte. Wie das Goldhaar schimmerte und glänzte, und wie eS ihn blendete, daß die Augen ihm wehe thaten! Und wieder und wieder, wenn er das schöne Mädchen an schaute, war's ihm, als steige ein kahler Felsen vor ihm auf und als befinde er sich in schwankendem Kahn, von den grünen Wellen des Rheins getragen und verliere die Richtung und verliere die Kraft, bis die Wellen über ihm zulammenschlugen und er in ein feuchtes Grab sank. Dann fröstelte ihn plötzlich und sein Auge wandte sich von Eleonore ab und sein Blick irrte wie suchend im Zimmer umher, ohne doch einen Ruhepunkt zu finden. Ehe die Gäste aufbrachen, wurde Eleonore noch zum Singen aufgefordert. „Das Loreleilied! da- Loreleilied", drang die Bitte über aller Lippen „Ich war noch nie eine so ständige Lorelei wie hin"', entgegnete Eleonore lachend und sang. Und wieder saß Doktor Miesner an dem Platz, den er vorher schon eingenommen, und schien in die Blätter des Buches vertieft, das er in den Händen hielt. Bald empfahlen sich die Gäste und es wurde still in den großen Räumen. Der Professor und die Ba roneß hatten sich bereits zurückgezogen, und die bei den jungen Damen standen noch im Empfangs zimmer. „Doktor MieSner ist ein ungalanter Mann", sagte Eleonore lachend. „Während die verschiedenen Ansich ten über die vorgelesene Dichtung ausgetauscht wur den, hat er gelesen, und während ich sang, hat er wieder gelesen. Die Frilhjofssage muß ganz beson dere Anziehungskraft für ihn haben. Ich glaube, er hat sie auswendig gelernt, wir wollen ihn morgen da nach fragen. Gute Nacht, Etelka!" „Gute Nacht, Eleonore!" Etelka war allein im Zimmer. War Eleonore beobachtet, war auch ihr ausgefallen, Doktor Mie-ner war ihr heute wunderbar unruhig und zerstreut er schienen. Was hatte er nur? Sie nahm das Pracht werk, das er betrachtet, und blätterte fast unbewußt darin, als müsse sie hier den Schlüssel zu seinem wun derlichen Wesen finden. Ihre Hand zitterte in ner vöser Hast und ihren Fingern entglitten die starken Blätter schnell, und plötzlich schaute sie starren Blicke- auf die erste, sonst leere Seite des Buche-. Da stan den vier Zeilen geschrieben, die bis jetzt nicht dort gestanden, und geschrieben von Doktor MiesnerS Hand. Wie ein Schleier legte es sich vor Etelkas Augen. Sie nahm alle Kraft zusammen und schaute genauer hin, sie wollte lesen, was er da geschrieben. (ForNttzung sol-k)
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