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ZUR EINFÜHRUNG Zwei Klavierkonzerte machen das Programm des heutigen Abends aus, zwei Konzerte, die nicht zu zu den vielgespielten gehören, zwei Werke, die an den Interpreten, aber auch an den Hörer große geistige Anforderungen stellen, ihn dafür dann aber auch mit großem geistigen Gewinn belohnen. Sie werden gespielt von der verehrungswürdigen Vorkämpferin aller neuen wertvollen Musik, von Frau Professor Frieda Kwast-Hodapp, die einst mals das ihr gewidmete Klavierkonzert von Max Reger in den deutschen Konzertsälen durchsetzte, die sich erst in jüngster Zeit wieder — nachdem sie sich eine Zeitlang aus dem Konzertleben zurück gezogen hatte — einen Namen dadurch machte, daß sie mit jugendlicher Begeisterungsfähigkeit das Klavierkonzert von Wolfgang Fortner, dem in Heidelberg wirkenden sächsischen Komponisten, von Erfolg zu Erfolg trug. Das Reger-Konzert spielte sie in Dresden zum ersten Mal unter Leitung des Komponisten am 21. April 1911 in einem Opernhauskonzert. Wie verständnisvoll man damals schon der noch sehr umstrittenen Kunst Max Regers gegenüberstand, mögen die Worte be weisen, die der damalige Kommentator seiner Ana lyse des Werkes vorausschickte. Johannes Reichert schrieb: ,,Nachdem Reger vor einigen Jahren die nicht allzu umfangreiche moderne Literatur der Soloinstrumentalkonzerte durch ein Violinkonzert bereichert hat, entstand im' vorigen Jahre nun auch ein Klavierkonzert mit Orchester. Wie dies von Reger gar nicht anders zu erwarten war vermeiden diese beiden Konzerte jeden äußerlichen virtuosen Aufputz und sind im selben Sinne wie etwa die Brahmsschön Konzerte durchaus sinfonisch gehalten. Die gerechte Wertung kann bei beiden Werken erst bei genauem Vertrautsein möglich werden. Das Violinkonzert ist im allgemeinen leichter verständ lich und weniger polyphon als das leidenschaft lichere, harmonisch und rhythmisch bedeutend kühnere Klavierkonzert; doch hat letzteres vor dem Violinkonzert den Vorzug größerer Knappheit. . . . Ein jedes der Hauptthemen wird in interessanter Weise frei weitergebildet, und zahlreiche organisch entwickelte Nebenmotive. . . haben für den Verlauf des Werkes Bedeutung. Charakteristisch für die Behandlung des Soloinstrumentes “ist die Voll griffigkeit des Regerschen Klaviersatzes, die sich schon aus der ganzen harmonischen Eigenart des Werkes ergibt. Seit Brahms haben die Pianisten noch keine solch kräftige Kost wieder vorgesetzt bekommen. Das Konzert rechnet durchaus auf eine starke musikalische Persönlichkeit, bei der alles Technische — in dieser Hinsicht stellt das Werk gewiß ganz außerordentliche Anforderungen — nur Mittel zum Zweck ist“. Diese Stellungnahme ist um so höher zu bewerten, als die Uraufführung im Dezember 1910 durch das Leipziger Gewandhaus orchester trotz Kwast-Hodapp und Nikisch ein glatter Mißerfolg gewesen war. Der erste Satz des Regerschen Konzertes beruht auf einem Einleitungsthema, dem sehr schnell das Haupt- und Zeutraltliema folgt. Es kann so genannt werden, weil es mit seiner steigenden Quarte be stimmend für den ganzen Satz ist. Das genannte Intervall kehrt auch in dem verträumt-sehnsuchts vollen Seitenthema wieder. Mit einer nach den er bitterten Kämpfen der Durchführung in der Koda auf tauchenden friedvollen, choralartigen Weise wird der Grundcharakter des langsamen Satzes im voraus angedeutet. Dieser ist eine der schönsten Eingebungen, die Reger geschenkt wurden. Es ist als säße der große Orgelmeister an seinem Instru ment und träumte einen schönen Traum. Ein großes Regersches Präludium — die drei Choräle , Nun ruhen alle Wälder“, „Wenn ich einmal soll scheiden“ und „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ sind darin angedeutet. Trotzig stürzt er sich dann in die kämpferischen Auseinandersetzungen des Finales, die sich gleich in einem kraftvollen, fast unwirschen Hauptthema ankündigen. Die starke harmonische Unruhe des Themas teilt sich Regers Vorliebe für die Fuge wenigstens in einem graziösen Fugato an. Der Satz endet kraftvoll, aber ohne jede Berechnung auf einen äußeren und äußerlichen Erfolg. Auch von ihm gilt Regers Wort: „Die Leute, die so schnell den Stab über das Werk gebrochen haben, ahnen gar nicht, wie the matisch gerade im Klavierkonzert alles bis in die äußersten Zweiglein durchgebildet ist“. Der große Umfang, der in dieser Einführung dem Regerschen Werk eingeräumt ist, möge damit ent schuldigt werden, daß es an den Hörer die größeren Ansprüche stellt. Denn Hans Pfitzner gibt sicli in seinem Klavierkonzert, das von allen guten Geistern der Romantik gesegnet ist, bei weitem nicht so spröde als in anderen Werken. Hier musi ziert er im Geiste Robert Schumanns, und das vier- sätzige ohne Unterbrechung sich abspielende Werk hat namentlich in dem originellen Scherzo und dem burlesken Schlußsatz auch-Teile von unmittelbarer Wirkung. Schwerer zu verstehen ist das Adagio; wer sich aber einmal „hineingehört“ hat, wird dem „magischen Zauber" dieses Stückes ganz verfallen sein. Dr. Karl Laux. Sonntag, den 10. Oktober 1948, 19 Uhr: 1. Konzert der Reihe „Musik für alle" AlbertüLortzingüAbend Dirigent: Helmut Die dr ich.; Solisten: Lisa Otto, Sopran, Kammersänger Kurt Böhme, Baß