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Dresdner Journal : 14.01.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-01-14
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188701149
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18870114
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18870114
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-01
- Tag 1887-01-14
-
Monat
1887-01
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 14.01.1887
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Für die Gesamtleitung verantwortlich: Mito Vanck, Professor der Litteratnr- und Kunstgeschichte. kk«r»u»»ed«r r KöviLt Lrpeäitinn äe, Ur»»<1o«r /ovrvLl», l)r««i«o, 2rv»u>;vr»tr»»»v Xo 2V. Nichtamtlicher Teil. Vetegraphische Wachrichien. Berlin, 14. Januar. (Tel. d. Dresdn. Journ.) Heuke mittag um l Uhr findet eine Bundesrat»- sitzung statt, in welcher über die Ttellungnabme re» Bundeöratü zu den Beschlüssen des Reichs tag- über den Gesetzentwurf, betreffend die Krie- denspräsenzstärke des Heeres beraten werden soll. Paris, 13. Januar, AbendS. (W. T B.) Die bulgarische Abordnung hak ihre Abreise nach Rom auf morgen früh festgesetzt. London, 13. Januar, AbendS. (W.T.B.) Die zur Besprechung der Homerulefrage von den Führern der Liberalen verabredete Konferenz ist auf morgen vertagt worden; heute Nachmittag waren Cdamberlain, Morley, Trevelyan, Harcourt und Hrrschell nur zu einer vorläufigen Besprechung zusammengetreten. Dresden, 14. Januar. Vor der Entscheidung. In der heutigen Reichstagssitzung wird sich die Stell ung zu erkennen geben, welche die Mehrheit zur Militär vorlage einehmen wird. Man kann nicht sagen, daß die öffentliche Meinung bisher über diese Stellung besonders klar geworden sei. Noch besteht zum Bei spiel da und dort der Glaube an Abkommandierungen, wodurch man angeblich vermeiden möchte, den ge hässigen Schein einer Ablehnung der unzweifelhaft den Wünschen des deutschen Volkes entsprechenden Vorlage auf sich zu nehmen. Um so unzweifelhafter giebt sich nach allen Richtungen hin die Stellung der vereinigten Bundesregierungen zur Vorlage zu erkennen. Der Reichskanzler hat, nachdem er die Stellung der deut schen Politik zu den Mächten gekennzeichnet und her- voraehoben hatte, daß unsere Beziehungen zu Öster reich-Ungarn und Rußland die freundschaftlichsten seien; daß eS nur unsere Aufgabe sei, Meinungsverschieden heiten zwischen beiden, zu welchen ^ie Lage der Dinge im Orient Veranlassung geben könnte, auszugleichen, auf die gefährlichen Schwankungen der öffentlichen Meinung in Frankreich hingewiefen. Unter Berufung aus den Generalfeldmarschall Grafen v. Moltke, wel cher geltend gemacht hatte, daß nur, wenn die ge forderte Vermehrung der Armee auf sieben Jahre be willigt würde, die Sicherung des Vaterlandes ermög licht werde, sowie unter Hinweis auf die hervor ragendsten militärischen Autoritäten des Reichs und die Kriegsministerien sämtlicher Bundesstaaten, that Fürst v Bismarck dar, daß der Frankfurter Friede noch nicht in das Fleisch und Blut der öffentlichen Meinung in Frankreich übergegangen sei, daß die Neigung zur Wiedervergeltung benutzt werden könne, um inneren Erregungen eine andere Richtung zu geben, sowie daß die Franzoien jederzeit geneigt seien, einen furchtbaren Krieg anzufangen, sobald ihnen der Augenblick zum Siege günstig erscheine. Aus diesem Grunde könne die Reichsregierung sich weder an der Zahl der geforderten Truppen etwas abhandeln lassen, noch könne sie aus das durch einen seitens der Regie rungen mit großer „Coulanz" ermöglichten Kompromiß gewordene Septennat verzichten. Endlich erklärte der Reichskanzler gestern scherzhaft, er habe auch einen persönlichen Grund für das Septennat. Drei Jahre werde er wohl noch leben, aber nicht sieben Jahre. Dann werde sich wohl der RnchStag mit der Regie rung besser verständigen. Der Eindruck, welchen die Reden des Reichskanz lers auf die öffentliche Meinung Europas, soweit die selbe durch die Zeitungen vertreten ist, heroorbrachte, kann als ein vvllgiltiger Beweis dafür angesehen wer den, daß man dem staatsmännischen Geiste, der die Darlegungen des Fürsten Bismarck in jeder Phase des parlamentarischen Kampfes nm die MiUtärvorlage beseelt, Verständnis und Anerkennung, ja Bewunderung entgegenbringt, wenn auch letzteres Gefühl nicht immer ungemischt empfunden werden mag In rückhaltloser Bewunderung äußern sich die Wiener Zeitungen ohne Unterschied der Parteisärbung; man ist dort dem leiten den deutschen StaatSmanne ausrichtig dankbar für die Offenheit und Entschiedenheit, womit er der funda mentalen Bedeutung deS Bündnisses mit Osterreich- Ungarn für Deutschland Ausdruck gegeben hat. Daß die Bestrebungen der vereinigten Opposition unseres Reichstages, die Politik des Fürsten Bismarck zu durchkreuzen, selbst bei solchen Parteien, die sonst mannichfache Berührungspunkte mit den negierenden Tendenzen unserer Linken haben, nur sehr bedingte Zustimmung finden, ist begreiflich; man müßte dort eben den Folgerungen einer Politik Windthorst-Richter- Grillenberger nicht zu unmittelbar gegenüber gestellt sein, um sich den Luxus einer auch nur theoretischen Parteinahme für den zerstörenden Charakter derselben zu gestatten. In London betrachtet die öffentliche Meinung es einfach als nationale Ehrensache Deutschlands, seinen Kanzler in dem Kampfe nm die Wehrhaftigkeit des Reiches nicht im Such zu lassen, ganz abgesehen von dem Ge wicht, welches em heergewaltiges aber sriedenschinnen- des Deutschland in die Wagschale der Weltpolitik wirft. Italien hat keinerlei Anlaß, das politische Programm des Reichskanzlers anders als rückhaltlos zustimmend zu begrüßen. Die Pariser Blätter er läutern die Kundgebung des Reichskanzlers am ersten Tage der Militärdebatte im friedlichen Sinne, was man sich aus psychologischen Gründen und Erwäg ungen parteitaktischer Natur unschwer erklären kann. Auch vermögen dieselben die Wahrheit der auf Frank reich bezüglichen Ausführungen des Kanzlers nicht zu läugnen; nämlich die Neigung des französifchen Cha rakters, sich den führenden Einflüssen einer rücksichts los vorgehenden Minderheit zu fügen, auch wenn da durch den erschütterndsten Kriegskatastrophen Thür und Thor geöffnet würden. Die Unfähigkeit des französi schen Volkes, sich plötzlicher Überrumpelungen ent schlossener Minderheiten zu erwehren, zwingt Deutsch land, stets auf der Wacht und bis an die Zähne ge rüstet zu stehen Das wagt die Pariser Presse ihrem Publikum laut nicht zu sagen. Daß sie es aber selbst begriffen hat, scheinen ihre friedlich gesinnten Kommen tare anzudeuten Das ist für uns zwar keine große Beruhigung; immerhin mag man daraus die Hoffnung schöpfen, daß man an der Seine noch nicht alle Über legung verloren hat. Wersen wir nun einen Blick auf einige Äuße rungen der größeren Tagesblätter, soweit sie unseren Lesern noch nicht bekannt sind. Die „Neue freie Presse" meint anläßlich der Rede vom 11. Januar: Die Welt wird sich damit zufrieden geben, daß Deutschland nicht blos für sich die Freundschaft zu den übrigen Mächten pflegt, sondern, daß eS dieselbe verwertet, um die Mächte untereinander zu nähern, wenn widerstreitende Inter essen sie einander zu entfremdendrohen. „Line mächtige Nation, wie die deutsche, darf auf eine solche Mission stolz sein und stolz auch daraus, daß sie einen Staatsmann besitzt, dessen Wort so schwer und wuchtig in die Wagschale sällt, daß aus eine Frie densbotschaft von ihm auch die Zweifler und Schwarzseher mit Beruhigung der nächsten Zukunft entgegenseheu." DaS „Deutsche Tageblatt" sagt aus Anlaß derSitzung vom 11. Januar: „Der Kanzler hat allen Quengeleien ein Ende gemacht und die Opposition aus die Knie gezwungen, indem er den Nebel hinwegblies, hinter dem Frankreich mit zum Schlag erhobenen Schwerte steht und indem er ihm Deutschland entschlossenen Schrittes entgegentrelen ließ, so daß sich die Gegner jetzt Auge ins Augen schauen Wir stehen nun fest in der Parade, gewärtig de- ersten Hiebe- gallischen Schwerte-1" Der „Hamburger Korrespondent" bemerkt. „Bei der Differenz zwischen » und 7 Jahren handelt es sich keineswegs um eine reine Frage der Opportunität, sondern darum, ob ge duldet werden kann, daß der vom Standpunkt der auswärtigen Politik, de- Berfassungsrechts und der militärischen Interessen wichtige Zeitraum der Festsetzung der Friedenspräsenzstärke lediglich im parlamentarischen Parteiinteresse ungebührlich ver kürzt wird Nimmt man die Art hinzu, wie in der Kommis sion hauptsächlich unter dem Gesichtspunkte der Verschleppung und der Beschaffung von Kampfmaterial gegen die Vorlage ge arbeitet ist, so muß die Auflösung des Reichstages im Falle de- Beharrens aus » Jahren erfolgen, und der Appell an die Wähler bittet auch Aussicht aus Erfolg. Daß die Neusorma- tionen dadurch nicht verzögert werden würden, darf man als sicher annehmen." Die ,^öln. Ztg." schreibt: Mit dem ruhigen Blicke deS Geschichtsforschers und dem scharfen Geiste des Diplomaten schweifte Fürst Bismarck über die Geschichte des letzten Jahr hundert». Was er über die bei aller Verrufenheit auch vielfach segensreichen Wirkungen der heiligen Allianz, über die deutsche Bundeszeit, die luxemburgische Frage, die Belassung Belsorts bei Frankreich sagte, warf völlig neue Lichter aus die erregten Zeiten, deren Zeugen wir gewesen sind. Windthorst, der in der Kommission mit der Blowitziade eines deutsch-russischen Ab kommens Lärm gemacht hatte, wurde ganz elendiglich zerzaust. Wie Bismarck die bulgarische Politik der ultramontanen und radikalen Presse besprechend an das Hamletsche „was ist ihm Hekuba?" erinnert hatte, so malte er aus, was gewisse Leute, denen Hannover über Deutschland geht, sür ersteres zu hoffen hätten, falls letzteres aus einem Kriege mit Frankreich als Be siegter herauskommen würde. Die Rheingrenze französisch machen und den Welsen auf den Thron des erneuerten Königreichs Hannover setzen — das wäre das klügste, was ein siebreiches Frankreich unternehmen könnte, um Deutschland aus ewig matt zu machen Daß er hierbei den Welfcnsührcr unmittelbar im Auge hatte, gab der Reichskanzler deutlich kund, da er dessen wiederholte Beteurung, er wolle Hannover nur auf gesetzmäßigem Wege wieder Herstellen, als damit nicht im Widerspruch befind lich erklärte: der neue deutsch-sranzüsische Friedensvertrag, der die gedachten Bestimmungen enthielte, würde ja in die Gesetz sammlung kommen und also gesetzmäßig sein." Unser Pariser Mitarbeiter giebt einen Überblick über die Kundgebungen der dortigen Presse, aus wel chem sich eine im allgemeinen vernünftige Haltung ergiebt. Der „Figaro" warnt sogar seine Kollegen vor journa listischen Unklugheiten Die „Liberte" freut sich zwar über dieBismarckscheRede, welche die Kräftigung Frankreichs bekunde, warnt aber ihre Leser, sich von unklugem Chauvinismus sortreißen zu lassen. „Alle", sagt das «Blatt, „die in Berlin oder Pans etwa an Krieg denken, müssen stets die Aussicht auf das unberechenbare Unheil, dr- demselben entspringen würde, vor Augen haben, und wenn sie von unklugem Chauvinismus sortgerissen werden, so muß ihnen die wahre Vaterlandsliebe Halt gebieten Aber wir können versichern, daß niemand in Frankreich ein so furchtbares Aben teuer versuchen will. Wenn der Fürst Bismarck den Frieden will, und wir glauben, daß er ihn ganz aufrichtig wünscht, so wollen wir ihn ebenso gut wie er. Er hat in dieser Beziehung den Gesinnungen der verschiedenen leitenden Minister, die ein ander in den letzten Jahren gefolgt sind, Anerkennung gezollt: Hrn. Ferry, Hrn. v Freycinet, dem jetzigen Kabinett. Dieselben waren nur die betreuen Dolmetscher der öffentlichen Meinung. Einen Angriffskrieg werden wir nicht unternehmen und wir kräftigen un- nur, um uns tapfer verteidigen zu können, wenn wir je angegriffen werden sollten." Der„TempS" gewinnt ebenfalls aus der Rede de-Reichs kanzler-, welcher seiner Gewohnheit getreu geblieben sei, seine Bedanken scharf herauszusagen, einen entschieden friedlichen Ein druck. „Fürst Bismarck hat auf keine anderen Gefahren sür den allgemeinen Frieden hingewiesen, als auf diejenigen, die von Frankreich kommen könnten Diese aber sind so hypothe tischer Natur, so rein dem Reich des Etwaigen angehörend, daß man dieselben nicht ernsthasterweise zu fürchten vermöchte. Frank reich denkt, wie der Redner selbst anerkennt, ebensowenig in die sem Augenblicke daran, Deutschland anzubreisen, als Deutschland an einen Angriff aus Frankreuh. Die einzige Gefahr in dieser Hinsicht könnte darin liegen, daß ein neues Regiment bei uns emporkäme, welches ein Interesse daran hätte, Krieg zu führen, oder derartige innere Schwierigkeiten, daß die Republik versucht wäre, in den militärischen Abenteuern eine Ablenkung zu suchen. Haben wir sür diejenigen, welche die Politik unseres Landes aus eigener Beobachtung kennen, erst noch nötig, zu versichern, wie weit entfernt die eine wie die andere dieser beiden Even tualitäten sind?" Die „France" stellt alle die von dem Reichskanzler an genommenen Möglichkeiten, welche zu einem Kriege Frankreichs Feuilleton. In der Fremde. Novell» von H. Keller-Jordan. (Fortsetzung.) Onkel Rofen hatte noch einmal am andern Tage, nach jenem Abend, als Leontine ihm ihre Verlobung mitgeteilt, den schwachen Versuch gemacht, ihr den Ernst dieses Schrittes zu erklären, sie zu bitten, sich erst noch länger zu prüfen, aber das Mädchen hatte sich so energisch gegen jede Einmischung verwahrt, so entschieden behauptet, eS gehöre zu ihrer zukünftigen Ruhe, ihn selbst und John mit ihrer Liebe zu be glücken, daß er davon abgestanden Und doch suchte er vergebens den Strahl von Frühlingsglück in ihren Zügen, der sonst das Antlitz junger Bräute vergoldet. Seine Stimmung litt darunter und fast glaubte er, seine Gesundheit. Er mußte jetzt so oft seines einzigen Bruders, LeontinenS Vater, gedenken, dessen Wesen er zum Ver wechseln ähnlich in Leontinen wiederfand. ES tauchte eine ferne Zeit in seiner Erinnerung auf, in welcher dieser mit immer dürstender Seele nach Liebe gehascht und sich endlich mit allen Gluten einer unüberwind lichen Leidenschaft an ein Mädchen au» aristokratischem Kreise kettete, obgleich er vorher wußte, daß die Ver hältnisse, in welchen sie geboren war, ihm wenig Glück bringen konnten Er seufzte. In den dunkeln Verhältnissen an der Äite einer kränklichen Frau, die er nie aufgehört hatte zu lieben, blieb dieses Kind sein einziger Stern. Wie stand die Stunde ihm vor der Seele, als er, der arme verkrüppelte Mann, der von unseligen, unvergessenen Verhältnissen aus der Heimat getrieben, Abschied nehmend, am Herzen seines Bruders lag! Von allen Worten, die sie ausgetauscht, batten sich am unauslöschlichsten die aus dem Herzen heraufgestöhnten Laute eingegraben: ,Karl, wenn wir beide, mein Weib und ich, nicht mehr sind, dann sei diesem Mädchen ein Vater!" So weit kam Onkel Rosen mit seinen Gedanken, dann stockte er. Er wollte nicht weiter denken Leon tine, das begabte, schöne Mädchen, das abgöttisch ge liebte Kind seines Bruder-, die Samariterin eine» Blinden! Und war eS denn die einzige, alles be zwingende, alles ertragende Liebe, die das Menschen- her» zuweilen erfaßt, die Leontine zu dem Blinden zog? Uno wieder tauchte die alte Zett in ihm auf, da» Bild des Vaters, wie er damals, so ganz anders, wie heute sein Kind, nicht mehr leben konnte ohne das Weib, das er liebte. ES war eine kurze Zeit voll stillen Friedens, welche in dem Leben Leontinen» vorüberstrich. Sie wünschte nichts und hoffte nicht» mehr, aber sie trug da» Bewußtsein einer guten That in sich und da» machte sie füll und heiter. E» dünkte ihr ein so be- neidenSwette» Lo», da» Leben de» Onkel» und de» Freunde», die beide ihrer so sehr bedurften, beschirmen zu dürfen mit ihrer Sorgfalt und Lieb«. Auch machte ja John Peter» seine Rechte al» Verlobter nur so be scheiden geltend und die Äußerungen seiner Lieb« waren so ehrfurcht»voll, daß Leontine in der That keinen Unterschied mit der früheren Zeit sand, al» da» Genügen in ihrer eigenen Brust. Ihre Zukunft war gebahnt, sie Hötte auf, phantastische Gebilde zu bauen wie e» die junge Menschenseele zu thun pflegt, wenn sie, mit reicher Phantasie begabt, in die Ferne schaut. Onkel Rosen erkrankte. Anfänglich war sein Lei den nur unbedeutend, aber Fieber und Schwäche nah men zu und er gestattete endlich, daß Leontine den Arzt konsultiere, der ihm außerdem schon seit Jahren al» Freund in ähnlichen Fällen treu zur Seite ge standen. Sie erwartete ihn nun heute mit Ungeduld und hatte sich, da sie den Onkel auf eine Chaise longue in den Saal gebettet, mit einem Buch neben den weit geöffneten Balkon gesetzt; einen Platz, den sie am meisten liebte, weil er ihr den Blick über die Häuser und die Berge bis weit hinaus in die Sierra gewährte. „Onkel steh", sagte sie weich, „wie die Spitzen der Schneeberge prachtvoll in Purpur gebadet sind, bitte, richte Deinen Kops in die Höhe, die Sonne muß heute ganz besonders schön untergegangen sein." ,,E» scheint so, Kind, denn dein ganzer Kopf ist rot in diesem magischen Glanz. Wie schön Du so bist!" „O Onkel betrachte doch die Berge und den Him mel, ich meine, so schön wäre der Blick da hinüber noch nie gewesen!" E» erschallten Tritte im Korridor. „Wohl der Arzt Wa» war da», eine andere fremde Stimme, wie au» ferner Märchenwelt, berührte ihr Ohr. E» konnte nicht sein! Leontine preßte ihre Hand fest, fest auf ihr Herz. Sie wandte sich um, ihr Gesicht, welche» eben noch rosig in der Abendbeleuchtung ge glüht, war aschfahl; ihr gegenüber, neben dem lang gegen Deutschland führen könnten, in Abrede. „Man müßte einen Staatsstreich vorausfetzen: einen solchen könnte sich aber nur ein siegreicher General gestatten Ein Offizier, welcher die Regierung stürzen und die Kammern auslösen wollte, um da» Land zu zwingen, Krieg zu führen, würde sofort in Charenton (JrrenhauS) eingesperrt und Niemand würde ihm folgen Fürst Bismarck fragt, ob ein einziges französische« Blatt, erne einzige Stimme, erkläre, aus Elsaß Lothringen zu verzichten. Wir fragen ihn, ob ein Blatt, eine einzige befugte Stimme, erkläre Mirswollen sofort und ohne Bündnisse (l!) Krieg unternehmen, um Elsaß- Lothringen znrückzuerobern?" Die Besorgnis des Reichkanzlers, der Krieg könne französischerseits notwendig werden, um die Regierung im Innern zu stärken, sucht der Artikel der „France" mit der Bemerkung zurückzuweisen, dergleichen sei in der Re publik nicht möglich. Ebensowenig würden die siegreichen Fran zosen das Königreich Hannover wiederherstrllen. DaS Kaiserreich möge sich für jenen Souverän interessiert haben, aber die Re publik wolle keine Eroberungen, sondern verlange nur die Un verletzlichkeit ihres Gebiets „Der Friede von SSO würde aufrichtiger sein, als der von 1870, denn für das Schlimme, da- uns die Deutschen zugefügt haben, würden wir ihnen die Frei heit geben. Wir würden nicht den Fehler der Deutschen von 1871 begehen, indem wir nähmen, was uns nicht gehört." Der Verfasser des Artikels, Hr. Hugonnet, der uns so großmütig die Freiheit verspricht, ist, beiläufig bemerkt, wegen hochgradiger Kurzsichtigkeit Mili tär frei. Die übrigen Blätter sprechen sich sehr zu rückhaltend aus; wir haben daher keine Veranlassung, näher auf diefelben einzugehen. Von den Londoner Preßstimmen haben wir bereits früher die deS „Stan dard" wiedergegeben. Die „Times" findet die Rede entmutigend für jene, welche hofften, Deutschland werde den europäischen Frieden permanent zu erhalten im stände sein, und welche aus Entwaffnunb hofften. Bismarck sei offenbar nicht so sanguinisch, zu glauben, dem drohenden Sturme zu entgehen; daher wolle er wenigsten» Deutschland militärisch absolut sichern In dem Passus über die Beziehungen mit Österreich liege eine leichte Ironie. Der „Daily Telegraph" bezeichnet die Rede als die glänzendste, welche Bismarck während seiner ganzen Laufbahn gehalten. DaS Blatt hofft sicher, der Reichstag werde die Vorlage annehmen, denn in der unbestrittenen militärischen Stärke Deutschlands liege die solideste Garantie für die Erhaltung des Friedens. Aus St. Petersburg wird über den Eindruck der Bismarckschen Rede berichtet: Die Äußerungen des Fürsten v. BlSmarck in Betreff Bulgariens befriedigen hier. Man will jedoch aus seiner Rede den Wunsch der deutschen Regierung heraushören, durch die Macht der Umstände nicht zu einer Wahl zwischen Rußland und Österreich gezwungen zu werden. Aus Fürst v. Bismarcks Erklärung, die Freundschaft mit Ruß land beeinträchtige nicht die deutsch-österreichischen Be ziehungen, folgert das „Nowoje Wremja", Rußland werde blos benutzt, um die Ansprüche Frankreichs auf Elsaß-Lothringen zu paralysieren. Unter solchen Um ständen sei es schwer, den Frieden aufrechtzuerhalten. Früher oder fpäter werde Deutichland doch eine be stimmte Wahl treffen müssen. Diese Sprache ist aller dings sehr verwegen, zum mindesten sehr unzeitgemäß für die jetzt in Rußland auf der Tagesordnung stehende freundliche Stimmung Deutschland gegenüber Lagtsgeschichte. * Berlin, 13. Januar. Se. Majestät der Kaiser empfing heute den Kriegsminister und den Chef de» Militärkabinetts zum Vortrag. Später empfingen beide Majestäten den japanischen Prinzen Akihito Komatsu No Mya, welcher behufs Überreichung de» Chrysanthemumordens an den Prinzen W'lhelm nach Berlin gekommen ist. Nachmittags unternahm der Monarch eine Ausfahrt Aus Utah am Salzsee ist dem Hrn. Reichs kanzler und dem Feldmarschall Grasen Moltke ein Telegramm zugegangen, in welchem dort ansässige Deutsche ihren Dank aussprechen für die am H. d. Mts. gehaltenen Reden. Diese Reden müssen mit be sonderer Schnelligkeit in Utah bekannt geworden sein, denn das erwähnte Telegramm ist bereits am 12. d. Mts. um 10,35 abends in Berlin eingegangen. befreundeten Arzte, stand Doktor Walter Günther, ihr Reipwefährte vom „Piraten"! Der Arzt stellte ihn als seinen Nachfolger vor, da er selbst in einigen Tagen die Republik zu ver lassen gedenke. Er empfahl ihn mit warmen, herz lichen Worten. Leontine hörte nichts. Der junge Arzt trat ihr entgegen und reichte ihr die Hand, die ihre blieb einen Moment von der seinen warm um schlossen, dann sagte er mit der Stimme, die da» junge Mädchen nicht vergessen, der sie oft in ihren Gedanken zwischen den brausenden Meereswellen ge lauscht: „Wie ist es Ihnen gegangen, Fräulein Rosen, in der langen, langen Zeit?"' „Gut — und — Ihnen auch?" „Wie, Du hast Doktor Günther schon früher ge kannt, Leontine?" fragte jetzt der Onkel erstaunt von seinem Lager herüber, noch ehe dieser eine Antwort gab; „Du hast mir noch nie von ihm erzählt?" „Nur eine flüchtige, vergessene Reisebekanntschaft für da» Fräulein, Herr Rosen," sagte Günther, „sie hat es wohl nicht der Mühe wett befunden, dieselbe zu erwähnen", und er wandte sich von ihr ab, um bei dem Onkel seine ärztlichen Fragen zu beginnen und dann seine Diagnose zu stellen. Leontine verließ da» Zimmer. Eine Viertelstunde später, sie stand gerade im Korridor unter den wallenden Blütenzweigen einer Tropenpflanze, legte sich eine Hand auf ihre Schulter. „So in Gedanken, Fräulein Leontine?" ES war der ältere Arzt, der bald nach ihr da» Zimmer verlassen batte und sich von ihr verabschieden wollte. „Ich fürchte, Sie machen sich Sorgen um das Befinden Ihre» Onkel»", fügte er hinzu, vorläufig dürfen Sie
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