Suche löschen...
Dresdner Journal : 11.01.1887
- Erscheinungsdatum
- 1887-01-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id480674442-188701119
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id480674442-18870111
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-480674442-18870111
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Journal
-
Jahr
1887
-
Monat
1887-01
- Tag 1887-01-11
-
Monat
1887-01
-
Jahr
1887
- Titel
- Dresdner Journal : 11.01.1887
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
^7 v«»u»»pr»1»» I» ss»»»«» N-i°v«: ^Ldrliok: . . .18 ^Mrliol» LLV?k LiL»«!»« liuwwsrs: 10 kk. L»—ä«ot«ct>»v k«-ickv» tritt k«t- ao6 8U,ll>p«I,u«,U»E iÜLiu. A»kttvstxn»x»xvdl>kr«ii, ?kir 6»v k»uw ei»»r ^««paitvosL Lvil« U»iv»r LekriK 40 ?k Ootor ..k!>n««»ruicit" <li« 2»U» 60 kk. ö«i 1»b«I1«i»- u. 2»L«r»»»t« m»1«xr. A«^obl»s Lr»cd»ioe» r mit Aa«utt»m« äar So»»- uoä k«i«rt»^« »d«o6,. Dienstag, den 11. Januar, abends. 1887. DresdnerIoumal. Für die Gesamtleitung verantwortlich: Dttc> Banck, Professor der (itteratur- und Kunstgeschichte. > — —- .1 >»» Avuadm« ron ^ollNuUt^ui»^«» »nirrkrt»» F'r. Lranti^etter, 6orLwi„ioiiLr ä» i)re«iQ« ^oun»»I,; L»wd»rx - Isrli» -Vi«» - ». U : <4 ^0At«r, >»rUL-Vt»»-L»»»dvr>- kr»ss- I,«tp»iU-rrnttorl ». H. Nt»ed«»: v»rii 1-ooäo» - L«rUo - rr«Lktart » It - >t»«ss»rt: Da>tt>« <e c?o ,' LsrUo: /nvat»<ie««ta»U:, Lr«w«»: LclUott«/ >r„l»«: I, ÄanAen'« L»»reau Ladat^-, vörUt»! t? ^ac/l/ot-er,' S»>u»or,r: O. oc/türrt«', L»U» ». » : F. Larct ct 0o. Ser»a»xed«r: Kvvisl. Lrpeäition äs» Nrsrävsr ^ouriuül, vr»»ä«o, 2Mio8vr»tr»»»« Ho 20. Amtlicher Teil. Se. Majestät der König haben geruht, den zum Königlich Spanischen Consul in Dresden ernannten Kaufmann Heinrich Gustav Lüder daselbst in dieser Eigenschaft anzuerkennen. Mit Genehmigung Sr. Majestät des König- ist der zeitherige Berginspektor zu Freiberg, Bergmeister Franz Robert Heucke, zum ordentlichen technischen Mitglied« bei dem Bergamte zu Freiberg für den Erz bergbau mit dem FunctionStitel „Bergamtsrath" er- nannt worden. Nichtamtlicher Teil. GeLegraphrsche WachriHLen. Göttingen, 11. Januar, früh. (W.T.B) Ja dem hiesigen, im Privateigentume befindlichen Stadttheater brach in vergangener Nacht gegen 12 Uhr, 2 Stunden nach einer daselbst stattgehab- teu Vorstellung, eine Feuersbrunst auS, durch welche dasselbe vollständig iu Asche gelegt wurde. Ein Verlust an Menschenleben ist nicht zu beklagen. London, 10. Januar, abendS. (W. T. B.) Der Deputierte für Hampstrad, Sir Henry Holland (konservativ), ist zum Staatssekretär der Kolonien ernannt worden. Dresden, 11. Januar. Hraf WoLtke über öie zweijährige Zkenstzeit. Zu der Stunde, da diese Zeilen geschrieben werden, beschäftigt sich die Vertretung des deutschen Volkes mit der Beratung der Militärvorlage, vielleicht hat Fürst Bismarck das Wort ergriffen, um mit dem Gewicht seiner geistigen Macht einzugreifen in die Verhand lungen und zu brechen den ewig verneinenden Wider stand, mit welchem die Oppositionspartei seine und der deutschen Fürsten große Schöpfung — das deutsche Reich — kalt und unpatriotisch gefährdet. In solcher Stunde ist es wohl angezeigt, gegenüber den Richter- schen, auf Herabsetzung der Dienstzeit in Deutschland gerichteten Bestrebungen — Bestrebungen, über deren Gefährlichkeit uns ein künftiger Krieg eine teuer erkaufte Aufklärung bringen würde — hinzuweifen aus die Worte, welche der andere Palladin des deutschen Reiches, Graf Moltke seinerzeit über die Nachteile der zwei jährigen Dienstzeit ausgesprochen hat. Der Chef unsere- Generalstabes, die erste Autorität auf militärischem Gebiete, welche Deutschland und welche zur Zeit das Menschengeschlecht besitzt, erklärte in der 26. Sitzung des Reichstags des Norddeutschen Bundes vom 3. April 1867: „Ich will auf das politische Feld nicht eintreten; ich bleibe bei der militärischen Seite. Man macht mit Recht gel tend, daß die dreijährige Dienstzeit nicht die ganze waffenfähige Mannschaft durch die Schule der Waffen geben läßt. Ls ist richtig, es bleibt etwas übrig. Nicht überall, denn in mehreren Bezirken wird die dienstfähige Mannschaft bis aus den letzten Mann erschöpft. Es ist ferner richtig, daß bei der zweijährigen Dienstzeit gerade noch genug Dienstbrauchbare sein werden, um die Bataillone — denn der Ausfall fällt lediglich auf die In fanterie; eine Herabsetzung des Etats der Spezialwaffen kann nicht beabsichtigt sem — aus 600 Mann bringen zu können. Ich will nun nicht behaupten, daß solche Bataillone nicht mehr lebensfähig wären, wenn, wie bei der dreijährigen Dienstzeit, höchstens ein Drittel Rekruten wären; bei der zweijährigen Dienstzeit aber ist die eine Hälfte eines solchen Ba taillon» in der elementaren Ausbildung begriffen. Ziehen Sie nun etwa 60 Unteroffiziere ab, ziehen Sie ab, was alle- auf dieser einen Hälfte von Leuten lastet: die Kommandos zur Bewachung von Strafanstalten, die Kommandos zur Be wachung von Transporten, den täglichen Wachtdienst, namentlich in Festungen, wie sehr er auch beschränkt ist, die Munitions arbeit, die z. B. in Magdeburg täglich mehrere Tausend Mann zu Zeiten erfordert hat, ziehen Sie ab die Handwerker, die Kranken, die Arretierten u. s. w. —: so bleibt Ihnen so wenig übrig, daß ein solches Bataillon seine taktische Aus ¬ bildung für den Krieg, also den eigentlichen Zweck seiner Bestimmung, nicht mehr erfüllen kann." Es folgen einige weitere Bemerkungen, welche na mentlich diejenigen Leute, die jetzt wieder nnt der Phrase von der „schwereren Belastung des armen Mannes" durch die Müitärvorlage und der „Bevor zugung der Offiziere" geschäftig sind, mit Nutzen lesen werden: „Welches Element für die Kriegsführung die Offiziere sind, darüber will ich Ihnen nur eine statistische Ziffer nennen. Wir haben aus SO Mann einen Offizier, wir haben verloren auf 20 Mann einen Offizier (im Feldzüge von 1866). Stellen Sie eine Formation auf ohne eine genügende Zahl wirklich dienst- erfahrener Offiziere, so haben Sie einen Hausen braver Leute, aber keine Truppe! Wir haben im vorigen Jahre nahezu bO vvO Gefangene gemacht und haben »OVO Vermißte gehabt, wovon vielleicht nur der kleinste Teil gefangen war — es läßt sich das nicht so nachweisen Woher dieser enorme Unterschied? Ich kann ihn nur der Dien st dauer zuschreiben. Finanzielle Bedrängnis hatte Österreich ein System aufgenötigt, nach welchem der Infanterist durchschnittlich nur t bis iJahr im Dienste war. Diese Leute haben sich sehr brav geschlagen, und ich muß dabei bemerken, daß die Offiziere mit dem rühm lichsten Beispiel vorangegangen sind, denn auch die Österreicher haben sehr viele Offiziere verloren. Aber so wie schwierige Verhältnisse eintraten, lockerte sich die Ordnung; in Dorfgefech ten, in Waldgefechten wurden die Leute scharenweise gefangen genommen. Bei uns hörten Sie überall den Ruf: wo ist der Hauptmann? Was hat der Hauptmann gesagt, wo wir hin gehen sollen? Meine Herren, dies Gefühl des Zusammen haltens unter allen Umständen kann nicht einexerziert werden, es kann nur eingelebt werden — und das können Sie mit zwei Jahren nicht erreichen." Die Deutschen in Böhmen. In Nummer 3 unserer Zeitung vom 5. Januar wurde bereits unter Prag von unserem dortigen Be richterstatter der im „Deutschen Verein" von Professor vr. Philipp Knoll gehaltenen, die tschechischen An maßungen kennzeichnenden Rede gedacht. Die Worte des „Bayards der Deutschen in Böhmen" haben einen lebhaften Wiederhall gefunden. Man macht zu Gunsten derselben gellend, daß sie ebenso durch die psychologo- lische Durchführung, wie durch die geschichtliche Treue ich auszeichnen. Die Rede ist eine vollständige Dar egung des deutsch-tschechischen Streits von seinen An- ängen an. Es verlohnt sich daher nochmals auf die- elbe einzugehen. Prof. Knoll ging von der Voraus etzung aus, man müsse die „Entmündigung der nationalen Ehre der Deutschen" mit dem Austritt au» dem Landtag beantworten. Unerschrocken zog er alle Folgerungen aus diesem Schritt. „Er verfolgte", heißt es in einem Briefe der „Weser-Ztg." auS Prag, „den leidigen Sprachenstreit bis zu seinen Wurzeln und er innerte an die Rolle, welche Rieger und Palacky im Kremsirer Reichstage gespielt. „Dem Reiche gegenüber Föderalisten, geberdeten sich die Tschechen im Lande schon damals als Zentralisten" und gaben erst zuletzt dem Konstitutionsenlwurfe ihre Zustimmung, welcher das Recht aller Völkerschaften durch Bildung national einheitlicher Kreise mit weitgehender Autonomie zu wahren suchte. Heute leite man aus einem fingierten tschechischen Staatsrecht die Notwendigkeit ab, daß wegen einiger tschechischer Einwanderer in das geschlossene Sprachgebiet von 2 Millionen Deutschen auch dort tschechisch amtiert werde und daß deutsche Gemeinden tschechische Schulen erhalten müssen. Noch in den Fundamentalartikeln von 1873, welche die siegestrunkenen Tschechen dem Reiche diktieren wollten, stellten sie selbst die Forde rungen einer nationalen Abgrenzung der Gerichts- und Verwaltungsbezirke, die Errichtung nationaler Kurien im böhmischen Landtage Aber nur, was den Deutschen nachteilig in diesen Fundamentalartikeln war, verwirklichte sich; das, was ihnen einige Sicher heit für ihre Nationalität bieten sollte, bleibt unerfüllt. Es vollzog sich seitdem die Organisation der tschechi schen Einwanderer nach Deutschböhmen in nationalen Angriffskolonnen, die Ansprüche auf tschechische Amts führung und tschechische Schulen traten immer unge- Layesgeschichte. Dresden, 11. Januar. Mit welcher Gewissen haftigkeit unsere Deutschfreisinnigen nach dem so oft von ihnen nachdrücklich und feierlich ausgesproche nen Grundsätze handeln, daß, wie überhaupt jedes „freien" Mannes „selbstständige" Ansicht hoch zu achten sei, so auch im Rahmen der Partei jeder Freisinnige seine abweichenden Anschauungen ungehindert zur An schauung bringen und verteidigen könne, dafür liefert einen sprechenden Kommentar die gestern abend im „Italienischen Dörfchen" stattgehabte, übrigens nur schwach besuchte öffentliche Versammlung des hiesigen deutsch-freisinnigen Vereins, in welcher vr. Friedrich Friedrich einen Vortrag über die genugsam bekannte Stellung der deutsch-sreisinnigen Partei zur stümer hervor. Die Anträge zum Schutze ihrer Na tionalität, welche die Deutschen in den letzten Jahren stellten, wurden verworfen. Am feindseligsten erwiesen sich bei den zahllosen Streitfragen gegenüber den Deutschen die Feudalen, der wohlprivilegierte Groß- arundbesitz, dessen Hälfte aus Angehörigen deutscher Geschlechter besteht. Schon seit Jahren verlangten die Wähler von Seite der deutschen Abgeordneten den Austritt auS dem Landtage, den Beginn der Enthaltungspolitik. Redner habe an dem Grund sätze festgehalten, daß nur eine Verletzung der natio nalen Ehre oder ein Angriff auf die Verfassung die Ergreifung dieses Mittels rechtfertigen könne. Der Fall sei vor Weihnachten eingetreten, als man die Bitte der Deutschen um Recht wie eine „Behelli- Mng" aufnahm und ohne jede Motivierung abwies. Was die Empörung steigern mußte, war der Umstand, daß ein Adeliger aus deutschem Geschlechte in dieser schnöden Weise gegen deutsche Volksvertreter vorging. „Nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr Alles staubig setzt an ihre Ehre: diesem ältesten Pflicht gebot der Völker mußten wir da nachkommen. Es aalt den Schimpf abzuwehren, den man unserem Volkstum anthun wollte. Hätten wir anders gehan delt, das deutsche Volk müßte uns hinwegfegen in voller Entrüstung. Mit der schalen Phrase, daß die Minderheit sich der Mehrheit zu fügen habe, während Tschechen und Feudale gegen den Geist des Konstttu- tionalismus und gegen das unverwirkbare Recht unse rer Nattonalitäten sündigten, leugnet man die histo rischen Rechte des deutschen Volksstammes hinweg, welche uns es zur Pflicht machen, sich über die tote Form hinwegzusetzen. Nicht nach Herrschaft streben wir, sondern nach Sicherheit in unserem uationalen Besitzstände. Und in diesem Geiste wollen wir dem Kommenden ruhig entgegengehen. Dies der kurz zusammengedrängte Gedankengang der Rede Knolls, welche zündend wirkte. Die Er klärungen sind so schlicht und einfach, wie jene des amerikanischen Volkes, als es gegenüber dem englischen Drucke seinen Willen der freien Selbstbestimmung kundgab. Und hoffentlich finden sie auch ein Echo überall dort, wo Deutsche wohnen und in ihnen das Gefühl für deutsche Ehre lebendig ist. Bereits haben außer allen deutschen Städten, Gemeinden, Vereinen und Verbänden in Böhmen die Gemeindevertretungen von Linz und Salzburg ihre begeisterte Zustimmung zu der Mannesthat der deutsch-böhmischen Abgeord neten ausgesprochen. Auch die übrigen Heimstätten deutscher Gesinnung in Österreich werden nicht mit solchen Zustimmungen zurückbleiben. Selbst bei den Deutschen Mährens beginnt jetzt bereits eine mächtige nationale Strömung. Die Zetten der Schwäche und der Uneinigkeit der Deutschen in Öster reich scheinen Gott sei Dank überwunden zu sein. Nur dem Muthigen gehört seine Nationalität. Der Feige verwirft vaS Recht auf eine eigene Volks existenz. Militärvorlage im Reichstage hielt. In der dem Vor trage folgenden Debatte kam das patriotische Verhalten der aus der deutsch-freisinnigen Partei freiwillig auS- geschiedcnen sächsischen Landtagsabgeordneten Rechts anwalt Schreck und Fabrikbesitzer Kurt Starke zur Sprache. Man nannte den Austritt dieser früheren Stützen der Partei einen „Reinigungsprozeß", ohne jedoch zu sagen, auf wessen Seite die Reinigung er folgte. „Die Partei — so äußerte sich ein Redner — müsse froh fein, daß sie diese Herren los geworden sei." Dem ftüheren Landtagsabgeordneten Karl Roth, welcher längere Zeit dem Vorstand des hiesigen deutsch-freisinnigen Vereins angehörte, der Partei aber, aus gleicher Veranlassung wie seine Freunde Schreck und Starke, den Rücken kehrte, machte man ungescheut den Vorwurf: „daß derselbe noch niemals fortschritt lich gewesen". Ein anderer Redner meinte: „man hätte diesen abgethanen Herrn gar nicht mehr die Ehre erweisen sollen, im Verein genannt zu werden". Das hiesige Organ der Deutsch-freisinnigen, die „Dresdner Zeitung", mußte ebenfalls ein absprechendes Urteil über sich ergehen lassen, weil sie in der Mili tärfrage eine „ziemlich ungeschickte" Haltung einge nommen habe. * Berlin, 10. Januar. Se. Majestät der Kaiser hatte heute nachmittags 4 Uhr eine Beratung mit dem aus Friedrichsruh hier eingetroffenen Reichskanzler Fürsten Bismarck. Der Kaiserl. deutsche Botschafter am Hofe zu St. Petersburg, General der Infanterie und General adjutant v. Schweinitz, hat gestern abend 11 Uhr Berlin wieder verlassen, um auf seinen Posten zurück zukehren. Unter Vorsitz des Reichskanzlers Fürsten Bis marck fand gestern nachmittag eine Sitzung des preu ßischen Staatsministeriums statt; heute nach mittag 3 Uhr trat dasselbe abermals zu einer Sitzung zusammen. Wie man der „ N. Pr. Ztg." schreibt, legt man dem Besuch des Grafen Peter Schuwalosf hierselbst eine sehr günstige Bedeutung bei. Derselbe hat stets als ein Vertreter der Friedenspartei in Rußland gegolten, es haben die hochwichtigen Missionen und ihnen ge widmet gewesenen Rundreisen, mit denen er vor und nach dem Berliner Kongresse, an welchem er bekannt lich hervorragenden Anteil hatte, betraut gewesen, jede-mal den Charakter eminenter Friedentmissio- nen getragen. (S. St. Petersburg.) Die „Berl. Pol. Nachr." schreiben: Dem wirklichen Geh. Rat Dr. Pape, Vorsitzenden der Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines bürgerlichen Gesetzbuchs, ist zur Feier des Tages, — 11. Januar — an welchem er vor 50 Jahren in den preußischen Justtzdienst eintrat, der Rote Adlerorden 1. Klasse mit Eichenlaub und mit dem Emailleband de» Kronen ordens verliehen worden. Der „Reichsanz." widmet der Wirksamkeit des Jubilar» einen eingehenden Auf satz. Geboren am 10. September 1816 zu Brilon in Westfalen als Sohn eines tüchtigen praktischen Juristen, legte er die beiden ersten Staatsprüfungen mit „vor züglich", die dritte am 28. März 1843 mit „sehr gut" ab. An diesem Tage wurde l)r. Pape zugleich zum Oberlandesgerichtsassessor ernannt Im Laufe der Jahre stieg Or. Pape bis zur Stellung des Präsi denten des Reichsoberhandelsgerichts empor. „Bei dem Erlöschen des Reichsoberhandelsaerichts zum I. Oktober 1876 gesetzlich in den Ruhestand versetzt, war es Dr. Pape Vorbehalten, dem Reiche noch wich tigere Dienste zu leisten. Auf Grund des Gesetzes vom 20. Dezember 1873, durch welches die Zuständig keit der Reichsgesetzgebung auf das gesamte bürgerliche Recht ausgedehnt worden war, hatte am 22. Juni 1874 der Bundesrat beschlossen, eine Kommission mit dem Sitz in Berlin „zur Ausarbeitung des Entwurfs eines Feuilleton. In der Fremde. Novelle von H. Keller-Jorda«. (Fortsetzung.) „Mister John", sagte sie sanft, indem sie mit ihrem Finger leise seine Schulter berührte, „sind Sie mir böse, ich hatte ja ganz vergessen, daß ich Ihnen lesen wollte?" »Ich Ihnen böse, Miß Leontine? Ich habe ja nicht daran gedacht, daß Sie mir hmte lesen würden, ich hab« nur gegrübelt, wie ich Ihnen ein paar unan genehme Stunden ersparen könnte", und ein Seufzer hob seine Brust. Leontine legte schmeichelnd ihre Hand auf seine Schulter. Dann setzte sie sich neben ihn und ein Ge- sühl überkam sie, al» wenn es der arme Blinde am allerbesten wissen müßte, was Recht und Unrecht sei, weil — da» wußte sie — er sie so herzlich lieb hatte. „Mister John," sagte sie daher mit etwas bebender Stimme, „war würden Sie an meiner Stelle thun? Würden Sie da» Anerbieten Max Schlossers auS- schlagen oder nichts John Peters fuhr in die Höhe. Er hatte diese Frage nicht erwartet. „Sie, John, sind mir ein lieber Bruder, Sie sind jung, wie ich selbst, und können vielleicht bester wie Ihre Mutter und Onkel Rosen die Lage überblicken, in der ich mich be finde. Sie wissen, wie ich Max Schlosser achte, waS er mir immer war, wie ich mich freute, wenn er kam, welch' guter Mensch er ist. Sagen Sie mir, John, warum kann ich nicht mit Freudigkeit zu dem Ent schluß kommen, die Seine zu werden? Sagen Sie mir, was soll ich thun? Ist diese Liebe, die ich für ihn fühle, ausreichend für ein langes Menschen leben?" John antwortete nicht. Als das junge Mädchen zu ihm hin sah, war er todenbleich. „Miß Leontine," sagte er endlich, indem er etwa- weiter von ihr rückte, gleichsam, als ob ihre Nähe ihn beengte, „ich kann Ihnen unmöglich den rechten Weg zeigen, thun Sie, was Ihr Herz Ihnen eingiebt, dann wird es gut sein." „Nur eine Frage, John, die müssen Sie mir be antworten nach Ihres Herzens tiefster Überzeugung: Glauben Sie, daß ich Max Schlosser liebe, so liebe, wie das Weib den Mann lieben soll, dem es angehören will für das Leben?" LeontinenS Busen hob sich ungestüm. Es war ihr elend zu Mute, doppelt elend nach einer unruhigen, schlaflosen Nacht, sie stand so allein im Leben und wollte doch so gern thun, was für alle Teile das rechte und das beste wäre. Angst voll, als gälte eS ihr Verhängnis, hingen ihre Augen an des Blinden Mund. „Nein!" tönte eS endlich schrill von Johns Lippen, „nein, Leontine, so lieben Sie Max Schlosser nicht!" Und ehe das junge Mädchen zu sich selbst kam, hatte er sich erhoben und schritt langsam über den langen Korridor, der nach seinem Zimmer führte. Sie sah ihm nach. Sie sah seine etwas nach vorn gebückte Gestalt sich durch das blühende Geäst tasten, dar seine Augen nicht seyen konnten. Einsam inmitten der überr-ichen Welt ging er seinen dunklen freud lose» Weg. Ein unsägliches Mitleid erfaßte sie. Was war sein Leben gegen das von Max Schlosser, selbst nach einer traurigen Lebenstäuschung? Wer erbarmte sich seiner, wenn seine Mutter einmal die Augen geschlossen hatte? Ein Strom von Thränen machte ihrem gepreßten Herzen Luft; zum ersten Male fühlte sie sich grenzen los elend, verarmt und verlassen, aber eines wußte sie jetzt, das stand fest, daS Weib Max Schlossers konnte sie nicht werden. In der Dämmerung desselben TageS schritt Max Schlosser über die Schwelle des Schulhauses. Leon tine hatte nach reiflichem Überlegen ihm diese Unter redung ersparen wollen und in einem ausführlichen Briefe voll warmer Teilnahme alles gesagt, was sie für ihn auf dem Herzen hatte. Aber der junge Mann, dessen Entschluß nun fest stand, mit dem nächsten Steamer nach Europa zu segeln, konnte e» sich trotzdem nicht versagen, Abschied von dem Hause und den Menschen zu nehmen, in deren Mitte sein bestes Hoffen gewurzelt hatte. „Wenn ich noch einmal gekommen bin", sagte er mit bewegter Stimme, al- er Abschied nahm, „so folgte ich dem Drange meines Herzen-, ich wollte Sie noch einmal fehen, Leontine, so wie ich Sie im Herzen getragen habe, da-Ideal aller, aller meiner zukünftigen Träume. .Sie können mir nicht- andere- sein; ich kann nur versuchen, Ihr Bild in mir zu vergraben und an Sie zu denken wie an eine Tote!" Leontine bereitete ihn mit ihrem Onkel bi» hinaus auf den Korridor. Sie hatte keine Thräne für ihn beim Abschied. In dem Schulhause ging wieder alles seinen alten Gang. Der Name Max Schlosser» wurde nickt mehr genannt, aber in der Stimmung der Freunde war doch seitdem manches anders geworden. LeontinenS Stimme schmetterte nicht mehr so oft in frohen Lie dern durch die Räume, sie war ernster geworden, und dem besorgten Onkel Rosen kam es vor, als lagere sich zuweilen ein Schatten über ihr Gesicht, den er sonst nicht da bemerkt hatte. Einmal nur, ein einziges Mal hatte er den Mut gehabt, sie zu fragen, als er sie ganz gegen ihre Gewohnheit, nachdem alle Kinder gegangen waren, auf ihrem Platz im Schulzimmer sitzen fand, bleich, mit Thränen in den Augen. „Kind, ich kann Dich nicht traurig sehen, mir blutet dar Herz, fehlt Dir etwas?" Sie hatte dann seine Hand krampfhaft gedrückt und mit zitternder Stimme geant wortet: „Nein, Onkel, aber mir bleibt viel gut zu machen Ich hätte eher verstehen sollen, daß mich Max Schlosser liebte — und daß ich ihm nichts sein konnte. Ich glaube, eS muß weh thun, zu lieben ohne Gegenliebe." Und dann war sie rasch aufge standen und gegangen. Onkel Rosen hatte ihr lange nachgesehen. Bereute sie vielleicht doch, dachte er, jetzt, wo so manches un angenehme ihr noch die Verhältnisse erschwerte — nicht die Seine geworden zu sein? Merkwürdig! Der alte Mann hatte ja gar nicht darüber nachgedacht — daß auch ein Mädchenherz seine rätselhafte Geschichte haben kann. Missis Peters Gesundheit fing an ernstliche Be sorgnis einzuflößen, und niemand war unglücklicher darüber, als Leontine, wenn sie bei jeder Klage Vie angstvolle Mine des blinden Sohnes studierte, wie er neben der Mutter saß, bald ihren Athem belauschte, bald ihre abgemagerte Hand an seine Stirn und Lippen legte. Seit dem neuen Quartal hatte Missi»
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite